Noten (und Stress) für Journalisten

Bei 20Minuten findet sofort eine Beurteilung durch die Leser statt. Recherchetexte haben es darum schwerer.

Däumchen hoch oder runter am Ende eines Online-Artikels kennt man. Auffällig ist jedoch, wie 20 Minuten noch einen Schritt weitergeht und um eine vertiefte, qualitative Einschätzung der Artikel bittet. Als Beispiel ein Recherche-Artikel von Lukas Hausendorf im Regionalteil von 20 Minuten. Journalistisch durchaus sauber nimmt Hausendorf den wie erwartet einseitig geschriebenen Weltwoche-Artikel von Christoph Mörgeli (ex-SVP-Nationalrat) auf. Es geht um angebliche Gelage von Stadtbasler Regierungsräten und um das Negieren von Coronavorgaben. Hausendorf, immerhin schon 13 Jahre bei 20 Minuten, fragt nach beim Regierungssprecher und relativiert danach Mörgelis Geschichte. Es sei eine «normale» Sitzung im Bundesrats-Standard (also mit weit auseinander stehenden Pulten) gewesen, nachher ein leichter Zmittag am Platz und ohne Anstossen. Nicht gerade eine aufregende Story für Wutbürger, Staatskritiker und sonstige Nörgler. Entsprechend durchzogen dann das Feedback der 20-Minuten-Leser auf den Hausendorf-Text. Drei Fragen gab es zu beantworten am Textschluss:

  1. Das Thema ist wichtig.
  2. Der Artikel ist informativ.
  3. Der Artikel ist ausgewogen.

Immerhin gegen 1000 Leserinnen und Leser machten mit.

Auch eine Feedbackkultur: Der Leser kann sofort sagen, was er vom Text hält. 

Waren bei Frage 1 noch gut 55% aufseiten des 20-Minuten-Autors, klickten bei Frage 2 schon 62% auf nein, bei Frage 3 gar 69%. Fazit: eine eher unaufgeregte Recherche, die Christoph Mörgelis Thesenjournalismus transparent macht, schiffte bei den Lesern ziemlich ab. Für Lukas Hausendorf wohl eher ein Frust, für Chefredaktor Gaudenz Looser ein Fingerzeig. Der 20Minuten-Leser will Aufreger, keine ausgewogenen Artikel. Und schon gar keine SVP-Rügen.

4 Kommentare
  1. Pascal Turin
    Pascal Turin sagte:

    Ich finde es grundsätzlich fragwürdig, wenn man Artikel bewerten kann. Die einfache Kost erhält dann 5 von 5 Sternen. Alles was etwas kontrovers ist, wird abgewertet. Das passt zu unserer Zeit, in der entweder alles schlecht oder super toll ist. Was nur dreieinhalb Sterne erhält, kann sich quasi beerdigen.

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  2. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    «Der 20Minuten-Leser will Aufreger, keine ausgewogenen Artikel. Und schon gar keine SVP-Rügen.»

    Das ist Ihre so typische wie simple Interpretation als Linker: Der Weltwoche-Artikel wird als «erwartet einseitig» taxiert, derjenige im (Tamedia)-20 Minuten sei hingegen «ausgewogen».

    Dass im Artikel von Hausendorf krampfhaft aber schlussendlich erfolglos versucht wird, Mörgelis Artikel zu neutralisieren, das passt Ihnen offenbar ganz und gar nicht. Folglich das Verdikt der Leser zu diffamieren ist so absehbar wie Ihre gegenteilige Reaktion, wäre das Resultat zugunsten Ihrer Weltsicht herausgekommen.

    Den Tiefpunkt erreichen Sie, indem Sie hier gleich noch Andersdenkende als «Wutbürger, Staatskritiker und sonstige Nörgler» zu beleidigen. Traurig.

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      • Simon Ronner
        Simon Ronner sagte:

        Danke, Herr Winkler. Ich finde es überdies äusserst bedenklich, Kritik am Staat als etwas offenbar grundsätzlich Negatives zu beurteilen («Wutbürger, Staatskritiker und sonstige Nörgler»). So eine Haltung lässt sehr tief blicken. Als ob Kritik am Staat grundsätzlich unangebracht wäre, so etwas Ungehöriges eigentlich verboten gehöre.

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