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Die bösen Oligarchen im Osten

 — und die guten im Wertewesten.

Von Felix Abt

Die Social-Media-Plattformen Facebook und Twitter entfernten etwa 150 gefälschte Profile, von denen einige als Medien getarnt waren und von denen sie vermuteten, dass sie vom Militär für psychologische Operationen, auch Psyops genannt, erstellt wurden. Die USA beschuldigen Russland und China seit langem, solche Operationen durchzuführen.

Es waren «Breaking News», die aufhorchen ließen, und man erfuhr es nicht vom «Spiegel», der «NZZ» oder der «Weltwoche», sondern von der «Washington Post» — ausgerechnet: Diese berichtete, dass das US-Verteidigungsministerium dabei erwischt wurde, wie es gefälschte Social-Media-Accounts betrieb, die falsche Nachrichten über die sogenannten «Feinde» der USA verbreiteten; beispielsweise Tweets, in denen von den besagten Pentagon-Trollen dann wahrheitswidrig behauptet wurde, der Iran entnehme afghanischen Flüchtlingen Organe. Es handelt sich dabei um eine sehr effektive Gräuelpropaganda, wie sie auch von der CIA und anderen US-Regierungsstellen gerne verbreitet wurde und wird, wann immer es gilt, die Massen innerhalb und außerhalb der USA zur Unterstützung ihrer Kriege zu bewegen. Die Brutkastenlüge lässt grüßen.

Es ist allerdings bemerkenswert, dass die altehrwürdige «Washington Post» heute zum Imperium von Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört, der hochprofitable Milliardenverträge just vom Pentagon (und der globalen Überwachungsorganisation NSA) erhält, und dass Bezos seinen journalistischen Hofnarren erlaubt hat, die Missetaten seines wohl wichtigsten Kunden an die Öffentlichkeit zu bringen. Mehr noch: Die Zeitung berichtete nicht nur über den Fall, sie forderte auch dessen umfangreiche Aufklärung.

Bezos, einer der reichsten (westlichen) Oligarchen der Welt, ist längst eine feste Größe des gigantischen US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes — und er hat im Gegensatz zu den meisten, wenn nicht sogar allen, russischen Oligarchen, sofern diese nicht im Kriegsgeschäft tätig sind, Blut an seinen Händen kleben. Dennoch ist es natürlich überaus angenehm und praktisch für ihn, dass er — im Gegensatz zu den bösen Russen — im «Werte-Europa» auf keiner Sanktionsliste steht.

Das US-Militär ist der größte Luftverschmutzer. Es könnte auch
einer der größten Verschmutzer der sozialen Medien sein.

Tagi: minus ein Abonnent

Hier werden Fundstücke obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Heute eine Abokündigung und ihre Geschichte

Es ist immer wieder der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. K.L.* war 50 Jahre lang Abonnent und Leser des «Tages-Anzeiger». Das ist dann mehr als Gewohnheit, das ist schon Symbiose.

Wenn man sich aufrecht Mühe gibt, immer wieder Anlauf nimmt, auch treue Leser mit unglaublichem Schrott zu bedienen, dann reicht es dem geduldigen und treuen Schweizer:

«Aber irgendwann erträgt man gewisse Dinge einfach nicht mehr»,

schreibt K.L. an ZACKBUM.ch.

Als Erklärung dafür, wieso er sein Abo gekündigt hat. Die «gewissen Dinge» waren in diesem Fall ein Artikel auf Seite 10 des Tagi vom 7. Juni 2021. Unter dem irreführenden Rubrum «Hintergrund» wird hier eine Seite (also zwei Drittel, das andere Drittel ist ein aussageloses Riesenfoto) auf diese Behauptung verschwendet:

«Weisse Männer haben ausgedient».

Autor des Schmarrn, wie man in Bayern sagt, ist Christian Zaschke. Nach zehn Jahren Sportredaktor stieg er zum «politischen Korrespondenten» der «Süddeutschen Zeitung» in London auf, seit 2017 ist er «Korrespondent in New York». Das kann New York wegstecken, der Leser des Tagi verträgt’s weniger. Der Originaltitel über diesen Beitrag lautet übrigens «Geht doch». Aber da die sich immer noch in ihren Verrichtungsboxen stapelnden Tagi-Redaktoren auch Signale senden wollen, dass man sie dann im Fall ja nicht einsparen sollte, entstand dann der Schwachsinnstitel in Zürich.

Schon wieder ein neuer Trend entdeckt

Vielleicht haben da die Protestfrauen des Tagi auch ihre unselige Rolle gespielt. Auf jeden Fall behandelt das Stück die Behauptung, dass es in den USA einen «neuen Trend» gebe: «Immer mehr Frauen führen grosse Medienhäuser an». Für den Tieferleger Tobler reichen anderthalb Beispiele, um einen Trend auszurufen. Da legt Zaschke schon mehr drauf.

Aufhänger für sein Gesülze ist die Wahl von Sally Buzbee zur neuen Chefredaktorin der «Washington Post». Buzbee war zuvor Chefin von AP; und die Associated Press ist mit rund 4000 Mitarbeitern die wohl grösste Nachrichtenagentur der Welt. Da könnte man ihren Wechsel zur WaPo eigentlich fast als Abstieg bezeichnen. Und wieso soll das so bemerkenswert sein, dass via SZ eine ganze Seite beim nichtsahnenden, aber ständig gequälten Tagi-Leser landet?

Zaschke sieht das Problem und versucht, es aus dem Weg zu räumen: Das sei berichtenswert, «weil die Zeitung – zumindest in den höheren Etagen – als ziemliches Männerblatt galt». Das ist mal wieder eine Recherchier-Höchstleistung, für die der Leser gerne 581 Fränkli im Jahr (mit SoZ dann 751.-) zahlt.

Zaschke ist im Schreibrausch und gibt weitere Perlen seiner Recherche preis: ein ehemaliger Post-Mitarbeiter (diese «Republik»-Unart setzt sich immer mehr durch) habe mit Mitarbeitern der WaPo gesprochen, die ihm das bestätigten – anonym, versteht sich. Unter den immer noch existierenden Hunderten von Medienprodukten in den USA gibt es tatsächlich ein paar weitere, bei denen Frauen als Chefredaktor amtieren.

Na und? Bevor hier ZACKBUM.ch wieder dem Ruf nachlebt, ein Hort von frauenverachtenden Turbomachos zu sein, zitieren wir schnell die Wissenschaftlerin, die Zeschke nun dafür missbraucht, seinen Artikel mit Bedeutung aufzupumpen. Im US-Journalismus habe es schon immer das Streben nach Objektivität gegeben. Aber die «Medienkritikerin und Feministin Jennifer Pozner» weiss: «Nur: Welche Objektivität ist das? Es ist die Objektivität des weissen Mannes mit gutem Einkommen.»

So sieht der typische männliche Chefredaktor in den USA aus.

So von weissem Mann zu weissem Mann …

Ach dann, und was ändern Frauen daran? «Je mehr Frauen auf den entscheidenden Posten sitzen», sagt Pozner, «desto weiter wird die Perspektive.» Nun, Buzbee ist eine weisse Frau mit gutem Einkommen …

Dazu zählt Zaschke noch ein paar farbige Frauen mit gutem Einkommen auf. Aber immerhin, solche Unsitten können dann wohl abgestellt werden, beziehungsweise wurden schon abgestellt, bzw. solche Machotypen wurden bereits entlassen: Matt Lauer von NBC News, der an seinem Schreibtisch einen Schalter gehabt haben soll, mit dem er die Bürotür verriegeln konnte. «Unfassbar», sagt Pozner, «wie der Bösewicht in einem James-Bond-Film.»»

Kleines Problem: Jeder weiss, dass der Bösewicht bei James Bond eine fiktive Figur ist. Unfassbar ist hier allerdings, dass mit «gehabt haben soll» schlichtweg Kolportage-, Gerüchte-Journalismus betrieben wird. Also keinerlei Bemühen nach Objektivität erkennbar ist, obwohl Zaschke ein weisser Mann ohne gutes Einkommen ist.

Eine Tagi-Seite, beruhend auf einem Stellenwechsel einer Frau, garniert mit Konjunktiven, Unterstellungen, Behauptungen, anonymen Aussagen und der Meinung einer feministischen «Medienkritikerin», die sich brav mit einem starken Quote vernehmen lässt, wenn sie von Zaschke mit einem Ondit konfrontiert wird.

Immerhin, im Vergleich zu einer Seite 3 von Tobler ist das hier schon etwas gehobener. Aber von Journalismus, der ohne rot zu werden dafür Geld verlangen kann, ist das noch weit, aber sehr weit entfernt. Ungefähr so weit wie eine Leser-Blatt-Bindung durch einen solchen Schmarrn.

*Name der real existierenden Person der Redaktion bekannt.