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Beleidigte Leberwurst

Das Kunsthaus hat schon wieder Mist gebaut. Zumindest laut Tamedia.

«Christoph Heim war zehn Jahre lang Ressortleiter Kultur bei der BaZ.» So die inzwischen obligatorische Selbstauslobung am Schluss eines Artikels. Das prädestiniert ihn natürlich dazu, dem Kunsthaus mal wieder die Kappe zu waschen: «Eine Kandidatur nach Gutsherrenart», ätzt Heim in einem Kommentar. Wir hoffen für ihn, dass er eine dunkle Ahnung hat, was Gutsherrschaft war und wie sie sich von heutigen Zuständen unterscheidet.

Was ist passiert? «In einem dürren Communiqué teilte die Zürcher Kunstgesellschaft am Gründonnerstag mit, dass Philipp Hildebrand Nachfolger von Walter Kielholz und Anne Keller Dubach an der Spitze der Zürcher Kunstgesellschaft werden soll.» Dagegen stellt Heim die dürre Bemerkung:

«So geht das nicht

Warum denn nicht? Nun, es gebe «kein Wettstreit der Kandidaten», und ausserdem bezweifelt Heim die Befähigung von Hildebrand. Seine verflossene und aktuelle Gattin hätten zwar beide was mit Kunst zu tun, räumt Heim ein, als ob das etwas mit der Qualifikation von Hildebrand zu tun hätte. Zudem sei er im Stiftungsrat des British Museum.

Das kommt aber ganz schlecht bei Heim an: «Es gibt wahrscheinlich kein Museum, das sich abweisender gegenüber Restitutionsbegehren zeigt als das British Museum.» Und was hat das mit Hildebrand und dem Kunsthaus Zürich zu tun? Dumme Frage:

«Bei der Zürcher Sammlung Bührle geht es bekanntlich darum, die Provenienzen der Bilder nochmals zu prüfen und jene Bilder, bei denen es sich nachweisen lässt, dass es sich um Nazi-verfolgungsbedingten Entzug handelt, möglichst rasch ihren Eigentümern zurückzugeben

Schon der Banker Walter Kielholz war für Heim als Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft nicht über jeden Zweifel erhaben: «Auch wenn der Manager sich gern im hellen Licht des Erweiterungsbaus des Kunsthauses zeigt, er steht auch im Schatten des Bührle-Debakels, das sich zu einem eigentlichen Imagedesaster für das Kunsthaus auswuchs.»

Vielleicht sollte man hier der Gerechtigkeit halber anmerken, dass es mehr ein Mediendebakel war, heubeigeschrieben von Tamedia und der «Republik». Bis heute liess sich kein einziger Vorwurf bezüglich ausgestellter Raubkunst erhärten, sämtliche Provenienzforschungen waren schon vor der Eröffnung der Ausstellung öffentlich einsehbar, von der Möglichkeit von Nachfragen bei der die Sammlung verwaltenden Stiftung wurde abgesehen. Das alles ist sattsam bekannt und abgehandelt. Genau wie der skandalisierte Leihvertrag mit dem Kunsthaus. Da wurde Ungeheuerliches hineingeheimnisst, als er veröffentlicht wird, erstarb die Kritik schlagartig: es gab nix zu meckern.

Nun also Hildebrand. Immerhin erwähnt Heim, dass es sich hierbei nur um einen Vorschlag des Vorstands der Kunsthausgesellschaft handelt, über den die 24’000 Mitglieder abzustimmen haben. Was doch eigentlich ziemlich demokratisch ist. Aber Heims Problem ist ein ganz anderes. Er ist beleidigte Leberwurst. Warum? Hier verrät er’s:

«Die Öffentlichkeit will wissen, warum jemand kandidiert und was ihn zur neuen Aufgabe befähigt. Vor diesem Hintergrund ist das dürre Communiqué der Kunstgesellschaft ein No-go und Philipp Hildebrands Nein auf eine Interviewanfrage dieser Zeitung eine Geringschätzung der Öffentlichkeit.»

Das hätte Hildebrand besser wissen müssen: Wer keine Zeit oder Lust hat, sich von Heim interviewen oder gar grillen zu lassen, der hat’s bei ihm verscherzt. Da fordert der beleidigte Journalist im Namen der Öffentlichkeit Satisfaktion. Ach, so geht das auch nicht.

 

NZZaS Magazin: kleines Zwischenhoch

ZACKBUM kann auch nichts dafür, wenn neben dem Kulturbund auch das Magazin gelobt werden will und muss.

Das bedeutet nicht, dass wir diverse Rubriken nicht weiterhin schmerzvoll vermissen. «Stammesrituale», «Beziehungsverhalten» oder «Perfekt», das war eine neue feuilletonistische Lockerheit, wie sie nur die NZZ kann.

Wie sie dann nur die NZZ konnte, als sie in den letzten Sommerferien das Magazin schmerzlich einschrumpfte. Zusammenhakte. Auf Unter-Normal absenkte. Tieferlegte. Schrecklich. Christoph Zürcher beweist weiterhin seine Existenzberechtigung im «Kanon». Aber sonst? «Selbstbetrachtungen», von Zuza Speckert ausgewählte Personen, deren Bedeutung, Wichtigkeit ihrer Ansichten – ohne ihnen zu nahe treten zu wollen – nicht erkennbar ist.

Oder möchte jemand ernsthaft wissen, dass eine Sommelière für sich alleine lieber Tee als Wein trinkt und eine Reise durch die Wildnis für sie wichtig war? Auch alle anderen überlebenden oder neuen Gefässe zeichnen sich durch eine gepflegte Beliebigkeit aus, eine Glätte wie das Hochglanzpapier, auf das sie gedruckt werden. Stilberatung ist ja gut und schön, aber brauchen wir das zu Fragen wie der, ob man als Besitzer eines E-Bikes bergauf keuchende Velofahrer beim Überholen grüssen soll oder nicht?

Hier kommt das Lob

Gut, aber wo bleibt das Lob? «Trinken kann eine Lösung sein», wussten wir das nicht alle, so insgeheim? Nun gibt es sogar einen Film darüber, den Oscar-Gewinner «Drunk» aus Dänemark. Mit dem einzigen Superstar des Landes, dem eigentlich immer grossartigen Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Aber das ist ein Zitat aus dem Interview mit dem Regisseur des Films. Und das ist eine seltene Sternstunde, in der sowohl die Fragen wie die Antworten interessant, intelligent, spannend sind.

Auch das ein seltener Lichtblick im Vergleich zu der Dutzendware «Was fühlten Sie in dem Moment, als Sie den Oscar bekamen?» Das fängt schon mit der ersten Frage an, über die Bedeutung eines Kierkegaard-Zitats (Nora Zuckker, nur googlen, wobei: vergessen Sie’s, zu schwierig), das dem Film vorangestellt ist:

«Was ist Jugend? Ein Traum. Was ist Liebe? Der Inhalt des Traums.»

Als Regisseur Thomas Vinterberg darauf die intelligente Erklärung liefert, die ihm seine Frau geschenkt habe, muss man einfach weiterlesen. Dass der Interviewer dann locker mit weiteren Zitaten des bedeutendsten dänischen Philosophen fortfährt, auch nicht schlecht. Zum Beispiel noch der hier: «Zu wagen bedeutet, für einen Moment den Halt zu verlieren. Nicht zu wagen bedeutet, sich selbst zu verlieren.»

Søren Kierkegaard (1813 – 1855).

Also vier grossartige Seiten, die durchaus noch hätten weitergehen können. Aber sie werden leider durch zehn Seiten abgebrochen, die sich der Frage widmen, wer denn die nächste Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft werden soll. Genau, es gibt eine Kandidatin und einen Kandidaten. Wobei Mark van Huisseling, sonst eher im mittleren bis unteren Society-Bereich unterwegs – sozusagen die männliche Ausgabe von Zuza Speckert –, keinen Zweifel daran lässt, wen er für «die erste Wahl» hält. Da das auch zufällig die erste Wahl von Walter Kielholz ist, dem langsam abtretenden grossen Mischler – und immer wieder durch Fehlgriffe auffallenden letzten Tycoon – des Zürcher Daigs, wird das van Huisselings Schaden nicht sein.

Wer sich in die Sonnenstrahlen von Kielholz legen kann …

Himmels willen, nicht pekuniär. Aber die Sonne von Kielholz scheint immer noch so hell, dass es einem in seinen Strahlen nie ganz schlecht geht. Nun ist es fotografisch herausfordernd, den noch leeren Neu- und Anbau des Zürcher Kunsthauses zu bespielen. Das ist aber nichts dagegen, einen leeren Text über das Offensichtliche abzuliefern, dass Anne Keller in jeder Beziehung die Wahl des Establishments ist, stinkreich und durchaus auch kompetent.

Es aber einen Frechdachs gibt, viel jünger, nicht die Wahl des Establishments, der ebenfalls antritt. «Florian who?», wie van Huisseling in aller gebotenen Neutralität schreibt. Florian Schmidt-Gabain, 39, Anwalt aus Lengnau im Kanton Bern, spezialisiert auf Kunstrecht, Lehrbeauftragter an den Unis Basel und Zürich, Präsident und Gründer des «Zentrum für Künstlerische Nachlässe (ZKN)».

Wie soll man nun «Florian who?» einordnen? Da hilft van Huisseling: «Ein gut 15 Jahre älterer Collega, er darf als der Anwalt in Zürich für Kunstangelegenheiten bezeichnet werden, hat allerdings weder vom ZKN noch von Rechtsanwalt Schmidt-Gabain jemals zuvor etwas mitbekommen», weiss der Autor.

Wieso er allerdings den Namen des Kunstanwalts nicht nennen mag? Hat sich das Dr. Andreas Ritter wohl ausbedungen? Nur echt mit Künstlermähne, lieber Heckenschütze als offener Gegner? Nun, das ist nun leider alles kein Niveau, das einer NZZaS würdig wäre.

Aber, wir wollen auch diesen Artikel versöhnlich ausklingen lassen; die Woche ist noch jung, es war ein sonniger Sonntag. Auf der nächsten Doppelseite widmet sich Michèle Roten dem weiblichen Körper. Das ist nun nicht nur für unheilbare Sexisten oder Machos ein spontaner Grund, sofort umzublättern.

Auch der weibliche Körper kann interessieren

Das wäre hier und ausnahmsweise ein schwerer Fehler. Denn Roten nähert sich diesem Thema, über das sie natürlich auch ein Buch geschrieben hat, mit so viel Witz, doppelbödiger Ironie und einer durchaus lesenswerten Anamnese der Besonderheiten des weiblichen Körpers, dass es zudem interessant ist.

Schon für den Satz

«Um nicht an dieser Stelle schon alle männlichen Leser wütend zu machen, möchte ich festhalten, dass der weibliche Körper nicht interessanter ist als der männliche. Das kann ich leider aber nicht, denn er ist es»,

möchte man mindestens drei Gendersterne geben. Für die Begründung nochmals zwei.

Dass dann das Magazin wieder völlig absackt, indem es einen angeblich corona-tauglichen «schmackhaften Zeitvertreib» lobt: «zu Hause Pilze züchten», sei ihm noch verziehen. Dass aber anschliessend wieder mal die völlig ab- und durchgenudelte «Asiatische Kokossuppe» in der veganen Ausfertigung (frischer Ingwer! Zitronengras! Limettensaft! Limettenblätter!) dem Leser aufs Auge gedrückt wird, das ist dann wieder unverzeihlich. Dieses Wunderwerk der asiatischen Küche wurde schon gelobt, als Jackets sowohl für Frauen wie auch für Männer dicke Schulterpolster hatten. Und das ist schon ein Weilchen her.