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Beschneidung des Penis,

Pardon: der Pressefreiheit. Was für ein Quatsch.

Der ehemalige Co-Chefredaktor vom «Tages-Anzeiger» frönt weiterhin seinem Lieblingszeitvertreib: «Kommentar zum Ende der Credit Suisse: Der Bundesrat beschneidet mit Notrecht die Pressefreiheit». Das ist ja ein Ding, und nur Mario Stäuble hat’s gemerkt.

Dass es sonst niemandem aufgefallen ist, kann aber auch daran liegen, dass sich Stäuble über Phantomschmerzen beschwert. Denn schon die Unterzeile macht ziemlich misstrauisch: «Die Regierung hält rund um den CS-Kollaps wichtige Dokumente zurück. Das untergräbt das Vertrauen in ihre Arbeit.»

Eiderdaus, das ist ja ein Ding. Denn: «Warum war es nicht möglich, das Ende der Credit Suisse abzuwenden? War der Bundesrat alert genug, oder hat er geschlafen? Und hat die Regierung seriös Alternativen geprüft, bevor sie die UBS drängte, ihre Erzfeindin zu übernehmen? Das sind wichtige Fragen von historischer Bedeutung.»

Aber diese historisch wichtigen Fragen kann zumindest Stäuble nicht beantworten. Warum? Darum: «Aber was hinter verschlossenen Türen konzipiert und besprochen wurde, liegt heute grossteils im Dunkeln.»

Das ist wirklich unverschämt vom Bundesrat. Normalerweise wird hinter verschlossenen Türen nur besprochen, was man anschliessend mit eingeschaltetem Megaphon vor der versammelten Presse verliest. Oder zumindest Stäuble aushändigt, weil der so treuherzig schauen kann.

Aber logisch stringent argumentieren kann er nicht. Nachdem er sich genügend darüber aufgeregt hat, dass verschlossene Türen verschlossen sind und was dahinter besprochen wird, geheim bleibt, räumt er ein: «Das Anliegen ist im Grundsatz nicht unberechtigt. Der Bundesrat muss vertraulich beraten und entscheiden können. Und die Credit-Suisse-Dossiers beim Bund sind voller hochsensibler Geschäftsgeheimnisse.»

Aber Stäuble scheint sich den Spruch der deutschen Aussenministerin mit der 360-Grad-Kehre zu eigen gemacht zu haben, denn am Schluss dreht er sich nochmal rum: «im Zuge des CS-Zusammenbruchs haben wir gelernt: Vertrauen ist alles. Der Bund sollte darum seine Geheimhaltetaktik überdenken.»

Wenn ZACKBUM den irrlichternden Stäuble richtig versteht: Historisch wichtige Fragen wollen beantwortet werden. Deshalb muss Licht hinter verschlossene Türen fallen. Dort wurde allerdings Vertrauliches besprochen, Geschäftsgeheimnisse auf den Tisch gelegt. Aber dennoch sollte das überdacht werden. Also sollte der Bund Vertrauliches veröffentlichen, inklusive Geschäftsgeheimnisse?

Das würde dann allerdings keine historisch wichtige Frage klären, sondern eine banale Antwort provozieren: dann wäre der Bund vollbescheuert. Sowohl historisch wie aktuell.

«Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht»

So endet «Der Prozess» von Franz Kafka. So können die Medien enden.

Seit es das Internet und das Digitale gibt, ist der Satz «lügt wie gedruckt» leicht veraltet. Aber nur technologisch, nicht inhaltlich.

Seit dem Aufkommen der Presse, was auch noch nicht so lange her ist – weder Ägypter noch Griechen kannten das –, wogt die gleiche Debatte. Wer entscheidet wonach, was es wert ist, publiziert zu werden?

Ein Genie verfilmte Kafka mit einem genialen Anthony Perkins.

Wer entscheidet wonach, wie es kommentiert, gefärbt, beurteilt wird, moderndeutsch «geframt»? Haben sich die Medien das Schmähwort von der «Lügenpresse» redlich verdient oder ist das ein dümmlicher Kampfbegriff von Marginalisierten und Verpeilten?

Gedrucktes ist normalerweise schwarz auf weiss, seltener weiss auf schwarz. Die Wirklichkeit ist aber mindestens grau, häufig bunt, scheckig und kompliziert.

Wo fängt unzulässige Beeinflussung an, wo hört die redaktionelle Unabhängigkeit auf? Ist es eine Karikatur aus dem Bilderbuch des Antikapitalisten, dass der Besitzer der Produktionsmittel, hier des Verlags, befiehlt, wo’s langgeht? Oder geben die Schweizer Medienclans die grossen Linien vor? Lesen wir also im Wesentlichen, was Coninx-Supino, Ringier-Walder , Wanner-Wanner oder Lebrument-Lebrument genehm ist?

In Krisen und Kriegen stirbt die Wahrheit zuerst

Fangen wir mit den Basics an. Erinnert sich irgend jemand, in deren Hausorganen einen kritischen Bericht über diese Clans gelesen zu haben? Ist doch auch logisch, wenn mir «Tages-Anzeiger» oder «Blick» gehören würden, fände ich es auch nicht lustig, von meinem eigenen Blatt in die Pfanne gehauen zu werden.

In Krisenzeiten scharen sich Massenmedien gerne um die Regierenden. In den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts wurde Unsägliches auf allen Seiten publiziert. Gelogen, gehämt, gekeift, gehetzt, ganze Weltbilder auf Lügen und Verzerrungen aufgebaut.

Vor dem Gerichtshof der Massenmedien.

Auch im Kalten Krieg gab es unschöne Auswüchse. Unvergessen die Hetze der NZZ gegen den Kommunisten und Kunsthistoriker Konrad Farner Mitte der Fünfzigerjahre. Unvergessen der Inserateboykott der Autolobby gegen den «Tages-Anzeiger». Unvergessen das Schreibverbot gegen Niklaus Meienberg, das damals Otto Coninx unverblümt als persönliche Abneigung verteidigte: «Daneben aber hat sich ein ungutes Gefühl bei mir verdichtet, ich verspürte einen Aberwillen gegen M.s Schreibart, seine Einseitigkeit, seine Verzerrungen, sein Verhältnis zur Schweiz, seine Animosität, seine Manipulation, der ich mich persönlich als Leser ausgesetzt sah.»

Beziehung Medien – Masse: es ist kompliziert

Einzelfälle, dagegen steht eine lange und strahlende Geschichte von durch die Medien aufgedeckten Skandalen? Muss man dann nicht auch die Glanztat eines Hansjörg Abt erwähnen, der hartnäckig den Hasardeur und Betrüger Werner K. Rey zur Strecke brachte? Auch hier könnte man eine lange Latte von Beispielen aufführen.

Aber sind das alles Gross- und Schandtaten aus der Vergangenheit, weil es an Beispielen aus der Gegenwart mangelt? Durchaus nicht. Das Internet ermöglicht ganz neue Formen der Recherche und Aufdeckung. Was früher mühsam in Archiven oder vor Ort zusammengesucht werden musste, ist heutzutage mit etwas Gelenkigkeit am Bildschirm möglich. Allerdings sind die ewigen «Leaks» und «Papers» kein Glanzlicht dieser neuen, schönen Welt. Sondern verantwortungslose Verwertung von Hehlerware, die von anonymen Quellen zugesteckt wird, ohne dass man deren Motive kennen würde.

Blick in einen Newsroom …

Zudem sind die Medien in einen fast perfekten Sturm geraten. Einbrechende Inserate im Print, im Web nehmen ihnen Internet-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon die Butter vom Brot. Inhaltliches und im Umfang dramatisch Geschrumpftes wird hartnäckig zu den gleichen Preisen wie früher angeboten.

Die Personaldecke wird dünn und dünner; drei der vier überlebenden Tageszeitungskonzerne verdienen ihr Geld längst mit journalismusfremden Tätigkeiten. Um für wegfallende Einnahmen kompensiert zu werden, fahren sie zudem einen erkennbaren Schmusekurs gegenüber Staat und Regierung.

Grenzenlose Vermischung von Bezahltem und Berichtetem

Auch die Pandemie ist Anlass, staatstragende Geräusche von sich zu geben. Das ist nicht verboten, aber da es inzwischen faktisch Tageszeitungsmonopole gibt, wäre es schön gewesen, wenn die Behauptung, Forumszeitung und Plattform zu sein, mehr als ein Lippenbekenntnis wäre.

Die schon immer sehr dünne Grenzlinie zwischen bezahltem und selbst erstelltem Inhalt verblasst bis zur Unsichtbarkeit. Früher inhaltsschwere Worte wie «recherchiert», «investigativ», «undercover» oder «Reportage» denaturieren zu Lachnummern.

Das alles sind unangenehme Begleiterscheinungen. Aber die Wurzel des Übels liegt woanders: Glaubwürdigkeit behält man, wenn man nicht heuchelt. Vertrauen geniesst man, wenn man nicht lügt. Kompetenz und Nutzwert strahlt man aus, wenn man inhaltlich und intellektuell etwas zu bieten hat.

Den Anspruch, «wir liefern euch gegen Bezahlung eine professionell gemachte Auswahl der wichtigsten News des Tages, kompetent dargeboten, eingeordnet und analysiert», den kann man behaupten. Wenn man an ihm Tag für Tag scheitert, dann schafft man sich selbst ab.

Arbeiten an der Selbstabschaffung

Genau daran arbeiten die drei grossen Medienkonzerne der Schweiz. Der vierte versucht immerhin, auf Content, Journalismus und Inhalt zu setzen. Und die Staatsmedien, denn nichts anderes ist die SRG, können trotz garantierten Einnahmen immer weniger den Anspruch erfüllen, die Grundversorgung an Informationen aufrecht zu erhalten.

Wenn’s im «Prozess» dem Ende zugeht.

Nur ein Symbol dafür: Wer eine Wirtschaftssendung wie «Eco» ersatzlos streicht, setzt keine Sparmassnahme um, sondern holzt einen Grundpfeiler des Service publique ab.

Die schrumpfende Bedeutung der Medien, der zunehmende Verlust der Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte, mangelnde Ressourcen und bescheidene intellektuelle Kapazitäten werden kompensiert mit verbitterter Rechthaberei, mit Kommentaren, die sich mit dem eigenen Bauchnabel, eingebildetem oder geklautem Leiden befassen. Die ungefragt und sowohl haftungs- wie verantwortungsfrei kreischig Ratschläge erteilen, Forderungen aufstellen, Handlungsanleitungen geben.

Einen guten Ruf erarbeitet man sich über lange Zeiten. Verspielen kann man ihn mit wenigen Handgriffen. Wir haben keine «Lügenpresse» in der Schweiz. Aber «All the News That’s Fit to Print» ist’s schon lange nicht mehr.

Staatliche Giesskanne für Wucherpflanzen

Wie viel Staatsknete kriegen die Privatmedienhäuser? Schwierige Spurensuche.

Grundlage ist: Im Jahr 2020 machten alle vier grossen Medienhäuser in der Schweiz satte Gewinne. Ob Tamedia, Ringier, CH Media oder NZZ: kein einziger Verlag schrieb rote Zahlen oder musste Reserven anknabbern.

Im Gegenteil, die Besitzerfamilien; also Supino-Coninx, Wanner und Ringier, konnten sich über die üblichen Dividenden freuen. Etwas anders sieht es bei der NZZ aus, deren Aktien sich in Streubesitz befinden – und der grossen Mehrheit der Aktionäre geht es mehr um Ehre als um Kohle.

Aber überall wurde im ehemaligen Kerngeschäft, der Herstellung von qualitativ veredelten News, gespart, dass es kracht. Entlassungen, Zusammenlegungen, beliebt werden mehr und mehr journalistische Kindersoldaten, die eingepfercht in ihre Verrichtungsboxen im Newsroom klickgetrieben Content produzieren. Ab Fliessband.

Trotz sprudelnden Gewinnen noch die Giesskanne

Dennoch haben diese Verlage zusätzliche Steuergelder eingesackt. Aus drei Quellen. Corona-Hilfsgelder à fonds perdu, Kurzarbeitsunterstützung und zusätzliche Inserateeinnahmen durch diverse Kampagnen des BAG. Das läppert sich, und man muss etwas recherchieren, wenn man die Zahlen auf die Reihe kriegen will.

Das hat «Saldo» getan (Artikel hinter Bezahlschranke). So gingen alleine im zweiten Semster 2020 insgesamt rund 10 Millionen Franken an 147 Zeitungen. Da es sich inzwischen mehrheitlich um Kopfblätter handelt, kassierten die grossen Vier den Löwenanteil:

  • Tamedia 2 Millionen Franken
  • CH Media 1,1 Millionen
  • Ringier 984’000
  • NZZ 447’000

Dabei machten diese vier Player, wie der «K-Tipp» ausgerechnet hat, in den letzten zehn Jahren satte 3,8 Milliarden Franken Betriebsgewinn, vor Abschreibungen und Steuern.

Dabei sind auch diese 10 Millionen Zusatzhilfe nicht alles, «insgesamt sprachen der Bundesrat und das Parlament in den Pandemiejahren 2020 und 2021 total 98 Millionen Franken für die privaten Medien», weiss «Saldo».

Plus 76,5 Millionen Franken Kurzarbeitsenschädigung für Privatmedien und die SRG, gerechnet bis September dieses Jahres. Wieso der Gebührensender SRG zusätzlich Kurzarbeitsgeld bekommt, ist absolut schleierhaft.

Dazu kommen noch die üppigen Einnahmen aus Inseratekampagnen; alleine die geflopte «Impfwoche» mit Gesamtkosten von rund 100 Millionen Franken spülte über mehrere Inseratewellen ein nettes Zubrot in die Kassen der Verlage.

Zahlung und Zahmheit? Kein Zusammenhang

Die werden nicht müde, jeden Zusammenhang zwischen diesen Zahlungen und ihrer Berichterstattung zurückzuweisen. Man bleibe der Aufgabe der Vierten Gewalt verpflichtet – also eine in Demokratien lebenswichtige Kontrolle und Überprüfung staatlichen  Handelns. Reiner Zufall, dass alle diese Grossverlage die offizielle Pandemie-Politik lauthals unterstützen, kaum Platz für Kritik daran geben, abweichende Meinungen sogar übel beschimpfen.

Nur zwei Müsterchen:

«Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde»,

schimpfte der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser von Tamedia. Und sein Kollege Patrik Müller bei CH Media verstieg sich sogar dazu, die Impfung zur «patriotischen Pflicht» zu erklären.

Von Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher und Co. ganz zu schweigen.

Die Quittung holen sich die Verlage bei ihren Kunden ab. Laut (hoffentlich nicht manipulierten) Umfragen glaubten noch im März 2020 rund 50 Prozent der Bevölkerung, von den Medien umfassend informiert zu werden. Im Oktober 2021 sank diese Zahl auf ein knappes Drittel. «Saldo» fasst weiter zusammen: «47 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen der Ansicht, die Medien würden mit ihrer Corona-Berichterstattung übertreiben und zu Panik beitragen. Im Frühling 2020 waren es erst 25 Prozent.»

Das hat auch damit zu tun, dass die Leistung der überlebenden Redaktoren in den Newsrooms immer stärker an zwei Kriterien gemessen werden. Anzahl Klicks und Lesedauer. Inhalt, Hintergrund, differenzierte Darstellung, Aufzeigen von Komplexitäten: das ist Gift für beide Faktoren.

ZACKBUM-Journalismus (wie er hier nicht betrieben wird), das haut rein. Vor allem natürlich Panikmache («bis zu 100’000 Tote», «das Gesundheitssystem kann zusammenbrechen», «die Intensivstationen sind demnächst überbelegt, es wird zu Triage kommen»).

Ein komplexer, aber teuflischer Kreislauf 

Es hat sich ein teuflischer Kreislauf entwickelt. Panikmache erhöht die Einschaltquote. Lammfromme Berichterstattung erhöht die Ausschüttung von Steuerbatzelis. Und umso länger die Pandemie andauert, desto mehr Steuergelder stehen in Aussicht.

Allerdings: nachdem Tamedia und Ringier die Fusion ihrer Handelsplattformen bekanntgaben (und die Aktie von Tamedia um 80 Prozent in die Höhe schoss), zweifeln immer mehr daran, dass diese Verlage mit insgesamt einer weiteren Steuermilliarde unterstützt werden sollten.

Sie waren schon fast am Ziel. So wie die Verlage nach Staatsknete gieren, so gelüstet es Politiker nach medialer Präsenz. Denn nur, wer immer wieder in den Medien vorkommt, ist jemand. Sonst verliert er sich unter den 246 Parlamentariern. Aber ein Interview, ein wohlwollendes Porträt, das Aufnehmen von unablässigen Forderungen, Vorstössen und Ankündigungen – dann ist die Wiederwahl schon fast gewonnen.

Wer für die neue Milliardensubvention ist, kann sich einer wohlwollenden Berichterstattung sicher sein. Wer dagegen ist, nicht. So einfach läuft das.

Glasklare Schlussfolgerungen

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Staatssubventionen sind mittelfristig tödlich für die Medien. Denn sie untergraben deren wichtigstes Asset: Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Staatssubventionen sind in einer Demokratie mittelfristig tödlich. Sie machen die Wächter des Staates zu seinen Liebedienern.

Staatssubventionen sind unnötig für Medienhäuser, die in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren haben. Subventionen sind für das Spielen des Marktes tödlich. Bieten die Medienhäuser ein Produkt an, für das es genügend Nachfrage gibt: wohlan. Tun sie das nicht, haben sie aus eigener Schuld technologische Entwicklungen verschgnarcht, dann sind sie zum Untergang verurteilt.

Daher kann man sich die zusätzliche Milliarde sparen, über die im Februar 2022 abgestimmt wird. Es gibt weiterhin Bedarf nach unabhängiger und umfassender Berichterstattung. Wird die geliefert, deckt die Nachfrage auch die Kosten.

Denn das Problem der Verlage ist nicht das Internet oder Corona. Ihr Problem ist der Verlust an Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Genau wie das Verschnarchen neuer Technologien ist das selbstverschuldet.

Qualitätsprodukte

Nicht gewusst? «Das Vertrauen in die Medien steigt». Ohne Scheiss, wie der Journalist sagt.

Wenn’s der «Leiter des Faktencheck-Teams» von Tamedia sagt, muss es doch stimmen: «Das Vertrauen der Leserinnen und Leser in die Medien steigt

Nun neigt Yannick Wiget auch zu Fakefakten-Checks; dreht klare Fakten solange durch die Mühle, bis das Geriesel seinem Faktenweltbild entspricht. Aber das ist hier doch sicher nicht der Fall.

Ach, eigentlich alles gut, meint Wiget.

Schliesslich hat er die «wichtigsten Erkenntnisse» des «Jahrbuch Qualität der Medien 2021» in sechs Punkten zusammengefasst. Wenn er sich nicht schön ausgewogen dreimal auf die linke und dreimal auf die rechte Schulter gehauen hat, läuft er seither ziemlich schief rum. Denn es ist alles wunderbar, ohne Scheiss:

«Keine Panikmache betrieben, Vorwurf «Hofberichterstattung» haltlos, Vertrauen ist gestiegen, Desinformation ist eine wachsende Gefahr».

 

Echt nix zu kritisieren? Nun ja, doch: «Die Corona-Pandemie hat die ökonomische Krise des Informationsjournalismus weiter akzentuiert», schreiben die Forschenden.» Aber glücklicherweise seien laut Umfragen in der Schweiz europaweit die meisten für eine staatliche Unterstützung der Medien.

Das ist alles an Meckerei? Nein, es gibt noch einen Punkt: «die Vielfalt war zu gering». Ach, «zum Beispiel die mangelnde Vielfalt bei der Auswahl von Fachleuten». Wahnsinn, wird wirklich kritisiert, dass überwiegend bis ausschliesslich staatstreue Befürworter der Corona-Politik zu Wort kamen? Nicht ganz: rund 80 Prozent der Fachleute seien aus dem medizinischen Bereich gekommen, «sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen wurden zu wenig berücksichtigt».

Es fehlen natürlich die Frauen, Pardon, die Körper mit Vagina

Selten so gelacht, sonst noch was? Wir ahnen es: «Der Untersuchung zufolge sind Frauen im Vergleich zu Männern stark unterrepräsentiert und werden weniger oft in statushohen Positionen dargestellt. Positionen und Anliegen von Frauen haben so weniger eine Chance, Beachtung zu finden.»

Aber gerade im Hause Tamedia werden doch energische Massnahmen ergriffen, das zu ändern. Frauen an die Macht, Frauen in Kaderpositionen, Frauen in Artikeln, Frauen schreiben Artikel. Piedra Supino, Agathe Rutishauser und Mara Boselli sind schon als leuchtende Vorbilderinnen vorangegangen.

Der geneigte Leser bemerkt auch einen Überhang an Frauenthemen, Pardon, Artikeln über Körper mit Vagina, die free bleeding betreiben.

Was ist denn das Wichtigste für die Medien?

Aber am wichtigsten, das sagt jeder Banker, das sagt jeder Produkteverkäufer, am wichtigsten ist natürlich, neben hoher Qualität für niedrigen Preis, am wichtigsten ist das Vertrauen. Sinkt es, ist Feuer im Dach. Steigt es, kann man das Dach vergolden. So wie das die Verlegerclans in der Schweiz tun. Also ihr Dach, nicht das ihrer Konzerne. In das regnet es eher rein, aber dafür soll ja ein milliardenschwerer Schutzschirm aus Steuergeldern aufgespannt werden.

Damit das Vertrauen noch mehr steigt, wenn das überhaupt möglich ist. ZACKBUM freut sich mit, also ist auch das Vertrauen in uns gestiegen, super. Wir klopfen uns auch fest auf beide Schultern. Danach fragen wir uns allerdings: und wie misst man das, das Vertrauen?

Vertrauen ist gut, Vertrauen messen ist besser

«In einer Umfrage für die Studie gaben 51 Prozent der Befragten an, dass sie den Nachrichtenmedien überwiegend bis komplett vertrauen. Das ist im europäischen Vergleich ein hoher Wert, der 7 Prozentpunkte über dem Vorjahr liegt. Erstmals seit längerem ist das Medienvertrauen also wieder gestiegen.»

Ohne Scheiss? Spannend. Denn wenn das so ist, Vertrauen und auch Nachfrage nach Informationen durch die sogenannten Qualitätsmedien steigen, wieso müssen die dann schmerzliche Verluste hinnehmen? Wenn immer mehr Vertrauen herrscht, wieso drückend das immer weniger durch den Kauf der Produkte aus?

Mehr Vertrauen, weniger vertrauende Leser?

Diese mit Vertrauen überschütteten Leitmedien haben in der Corona-Krise bis zu 15 Prozent Leser verloren. Das sind keine Peanuts, das ist ein Massenexodus. Wenn eine Partei 15 Prozent ihrer Wähler verliert, wird normalerweise das Führungsteam gewechselt. Wenn eine Aktie 15 Prozent an Wert verliert, gibt es – ausserhalb der CS – betretene Gesichter und personelle Konsequenzen.

Täte da einer von «gestiegenem Vertrauen» quatschen, würde er aus dem Saal gelacht. Aber auf eine so blöde Idee käme ja niemand. Öhm, ohne Scheiss? Doch, auf eine so blöde Idee kommen die Verfasser der Studie, die bislang Jahr für Jahr den Niedergang der Medien beklagt haben.

Eine so blöde Idee übernimmt der Oberfaktenchecker des Hauses Tamedia ungecheckt. Aber es gibt eine gute Nachricht. Solche Quatschfakten-News belegen – allerdings ungewollt – den Grund für diese Abwanderung von ganzen Leserscharen. Die wollen nämlich weder über weibliche Befindlichkeiten und Unterleibsgeschichten tropfengenau informiert sein, noch wollen sie einseitige Meinungen von staatstreuen Wissenschaftlern hören, noch wollen sie schlichtweg verarscht werden. Ohne Scheiss.

«Vertrauen. Darum geht es»

Der Autor und Reporter Matt Taibbi* gehört in den USA zu den bekanntesten Kritikern der etablierten Medien. Hier folgt Teil 2 einer dreiteiligen Interview-Serie.

Von Marc Neumann**, Washington DC

Wie steht es mit der Wahrheit im Journalismus? 

Die Wahrheit begreift womöglich nur ein grossartiger Künstler, wenn er etwas Schönes und Zeitloses schafft. Aber die journalistische Wahrheit entwickelt sich ständig weiter. Es ist beinahe unmöglich, sie genau zu fassen.

Wahrheit ist eine Eigenschaft von Sätzen oder Propositionen – ist das nicht das Kerngeschäft von Journalisten?

Das ist Richtigkeit, Fehlerfreiheit, aber die Wahrheit ist etwas Grösseres.

Es ist korrekt zu sagen, dass Donald Trump in den letzten Wahlen Stimmengewinne in allen demografischen Gruppen ausser bei weissen Männern verzeichnete. Rein technisch stimmt das, aber heisst das, dass Trump der Held der Minoritäten ist? Wohl kaum, das wäre wohl eine gewagte, subjektive Ansicht (die ich nicht teile).

Wenn es Objektivität und Wahrheit im Journalismus nicht gebe, dann müssten alle subjektiven Standpunkte gleich viel wert und entsprechend vertreten sein, sagt eine neue «woke» Generation von Autoren. Wem das nicht passt, der wird gecancelt, also diffamiert und in den sozialen Netzwerken gelöscht. Teilen Sie diese Ansicht?

Nein. In «The Boys on the Bus» beschrieb Timothy Crouse die Berichterstattung von Reportern während des Präsidentschaftswahlkampfes 1972. In einer Anekdote erzählt er, wie die klassischen Reporter ihren Gattinnen jeweils beim Dinner verrieten, wie es tagsüber im Wahlkampfbus wirklich gewesen war. Der Einzige, der das nicht zu tun brauchte, war Hunter Thompson – weil er in seinen Artikeln seine Beobachtungen bereits genau berichtet hatte. Seine Frau musste nur die Artikel lesen. Für mich zeigt das schön, wie man journalistische Konventionen über Bord wirft, einschliesslich echter Gefühle von Komik bis Zynismus, der Infragestellung eigener Vorurteile und Fehler, und einfach darüber berichtet, was man sieht. Schreibt man das, fühlen die Leser, wer ehrlich schreibt und fühlt, und sie entwickeln Vertrauen. Darum geht es in unserem Metier. Die neuere journalistische Schule, die Sie ansprechen und die sich gerade durchsetzt, schreibt zwar ebenfalls in der ersten Person und subjektiv – aber in anderer Absicht. Diese «modernen» Journalisten verfolgen ein politisches Ziel.

Sie sind käuflich, indem sie aus einer spezifischen Warte über ein Thema berichten, um aufzurütteln.

In meiner Arbeit dagegen versuche ich niemanden politisch zu überzeugen, sondern einfach, unterhaltsam und ehrlich zu sein.

Das ist auch eine Art subjektiver Aktivismus.

Gut, das ist jetzt knifflig. Der Unterschied ist wohl, dass ich versuche, neuen Ideen gegenüber so aufgeschlossen wie möglich zu sein. Viele junge Journalisten der «neuen Schule» im Journalismus haben dagegen kein Interesse mehr, den ganzen Tag am Telefon mit anderen Menschen zu reden. Lieber suchen sie Links im Internet, um ihre oft guten Argumente zu stützen. Zudem ist die neue Schule darauf erpicht, dass die Leute nach der Lektüre auch politisch korrekt handeln.

Ist diese neue Schule eine Jugenderscheinung einer rebellischeren, leidenschaftlicheren Generation? 

Es ist definitiv altersabhängig. Im amerikanischen Journalismus gibt es derzeit viele interne Krisen, Kämpfe zwischen Redaktoren und Reportern und zwischen Generationen. Die Revolte in der «New York Times» vom letzten Sommer, die nach der Publikation eines Gastbeitrags von Senator Tom Cotton entbrannte, ist ein Beispiel dafür. Stellvertretend für die Jüngeren hat etwa Wesley Lowery von der «Washington Post» die journalistische «Sicht aus dem Nirgends» stark kritisiert.

Er stösst sich am alten Standard von Objektivität, dem ausgewogenen, politisch neutralen Gesichtspunkt, und fordert stattdessen «moralische Klarheit».

Für die älteren Journalisten dagegen hat Objektivität auch eine Schutzfunktion. Ältere Reporter haben die Tendenz, ihre politischen Gefühle zu verbergen. Sie wollen keine Präsenz auf Social Media, weil sie ihrem Publikum nicht ihren politischen Standpunkt oder private Gedanken offenlegen wollen. Die neue Generation will keinen Schein von Objektivität vortäuschen, sondern einfach sein, wer sie ist und was sie denkt. Wer sich indes derart auf einen Standpunkt einschiesst, verliert die Fähigkeit, adäquat über wirklich überraschende Ereignisse zu berichten.

Zum Beispiel?

Nehmen Sie die «Russiagate»-Geschichte.

Sie meinen die lange gehypte, aber nie richtig bewiesene direkte Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf zugunsten Trumps.

Das war eine riesige Geschichte in Amerika! Ich war von Anfang an kritisch. Nicht weil ich Donald Trump mag, sondern ich sah einfach keinen Beleg. Ich war besorgt, dass die Reporter ihren eigenen Ski davonliefen. Letztlich verrannten sie sich, weil das eben passiert, wenn man es als gegeben ansieht, dass eine Story wahr ist – nur weil alle sagen, dass sie wahr sei.

Das passiert, wenn eine komplexe Standpunktdiversität die moralische Klarheit nicht mehr trübt? 

Genau.

Normalerweise ist die Person, die die Komplexität der Standpunkte wahrt und moralische Urteile zulässt, der Pförtner beziehungsweise der Redaktor. Warum ist das heute nicht mehr möglich?

Viele Redaktoren wurden in letzter Zeit entlassen, weil sie sich mit ihren Newsrooms überworfen hatten. Die «New York Times» hat einen ihrer besten Reporter, Donald McNeil, entlassen, wegen eines zwei Jahre alten, relativ milden Zwischenfalls. Der Chefredaktor Dean Baquet fand die Sache zuerst auch harmlos. Aber dann bekam die Belegschaft Wind davon und ging zu Baquet – worauf dieser McNeil mit den Worten entliess, er habe den Newsroom verloren. Die Newsrooms geben als Kollektiv derzeit den Ton an.

Ist das ein Problem? 

Wir hatten solche Aufstände in beinah jedem Mainstream-Medium. Das führt dazu, dass die meisten Reporter sich ducken und mitschwimmen. Schliesslich wollen sie ihren Job nicht verlieren. Also schreiben sie einfach, was alle anderen schreiben – dann gibts keine Probleme.

Wer ist momentan Ihr Redaktor?

Ich habe keinen.

Mit dieser Frage beginnt morgen der dritte und letzte Teil des Interviews. Hier geht’s zu Teil 1.

*Mat Taibbi

Der US-Journalist und Autor Matt Taibbi (Jahrgang 1970) arbeitete zunächst als freier Korrespondent in postsowjetischen Staaten. Nach rund einem Jahrzehnt als Reporter, Redaktor und Magazin-Mitgründer heuerte er 2003 als Kolumnist bei der «New York Press» an. Ein Jahr darauf stiess er als Politikreporter zum «Rolling Stone»-Magazin, wo er als provokativer und investigativer Journalist bekannt wurde. Er hat mehrere Bücher verfasst, unter anderem zur Finanz- und Immobilienkrise oder zum gewaltsamen Tod von Eric Garner. 2019 lancierte er seinen eigenen Podcast «Useful Idiots»; seit letztem Jahr ist er selbständiger Autor auf der Plattform Substack.

 

  • **Dieses Interview erschien zuerst im Feuilleton der NZZ vom 19. April 2021 hinter Bezahlschranke. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der NZZ haben wir es übernommen.

Die 3 Todesfallen im seriösen Journalismus

Todesfalle Nr. 1: Fake News. Nr. 2: die Quelle. Nr. 3: die haltlose Behauptung.

Journalismus ist in erster Linie Vertrauenssache. Und Vertrauen bekommt man nicht einfach mit der Bezahlung des Kaufpreises eines Medienprodukts frei Haus mitgeliefert.

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Wieder und wieder. Immer. Denn nur der Leser oder Konsument, der seiner Nachrichtenquelle vertraut, sieht ihre Bezahlung als sinnvolle Ausgabe an. Selbst wenn er nur mit seiner Attention und ein paar Daten bezahlt.

Denn der stillschweigende Kontrakt zwischen Konsument und Produzent ist: Der Produzent liefert nach bestem Wissen und Gewissen und unter Beachtung journalistischer Grundregeln erstellte Artikel ab. Dabei bemüht er sich so weit wie möglich, den Bericht vom Kommentar, von der Einfärbung durch Meinung, zu trennen. Denn der Journalist hat gegenüber dem Konsumenten einen unschlagbaren Vorteil: Er war am Ort eines Geschehens. Er hat mit Menschen gesprochen, er durchdringt Zusammenhänge.

Andere Darstellung, andere Wirklichkeit: Vertrauensverlust

Er liefert auch die Zusammenfassung, die Verdichtung eines umfangreichen Vorgangs. Exemplarisch bei Gerichtsverfahren. Die dauern oft lange, spielen sich nach dem Laien nur teilweise verständlichen Regeln ab.

Besonders hier muss der Rezipient auf die Fähigkeit des Journalisten vertrauen, eine korrekte Zusammenfassung des Ausgangs eines Verfahrens zu liefern. Wenn also Journalist X schreibt, dass die Partei Y auch in einem Berufungsverfahren gesiegt, Recht bekommen habe, dann muss das so sein. Wozu sollte der Konsument – dafür bezahlt er ja – selber das Gerichtsurteil nachlesen oder nach der Pressemitteilung des Gerichts suchen.

Gift für dieses Vertrauensverhältnis ist aber, wenn sogar ein publizistischer Leiter vom siegreichen Ausgang eines Prozesses für die Partei Y schreibt, während in der Pressemitteilung schwarz auf weiss steht: Im Urteil weist das Gericht die Berufung der Partei Y vollumfänglich ab.

Fake News sind Gift fürs Vertrauen

Das sind dann sogenannte Fake News, alternative Wahrheiten, oder auf gut Deutsch: da wird gelogen wie gedruckt. Schlimmer noch: Der Konsument eines Medienorgans ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Er hat seine lieben Gewohnheiten, und die lässt er sich auch durch höhere Preise für magereres Angebot nicht so schnell vermiesen. Stellt er aber fest, dass er da und dort brandschwarz beschummelt wurde, dann verliert er recht schnell das Vertrauen – und ist dann mal weg.

Die zweite Todesfalle sind die Quellen. Normalerweise gilt auch in der Berichterstattung, dass der Urheber einer Aussage mit seinem Namen dazu steht. Nun gibt es natürlich Fälle, in denen das aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Dem Urheber könnten berufliche, persönliche, gesellschaftliche Nachteile drohen. Er könnte sogar an Leib und Leben bedroht werden. In solchen Fällen operiert der Journalismus mit der «Quelle». Genauer: mit der «mit der Sache befassten», mit der «vertrauenswürdigen» Quelle.

Saubere und schmutzige Quellen

Noch besser natürlich: mit «zwei voneinander unabhängigen Quellen», die übereinstimmend A gesagt haben. Das Gleiche gilt auch für Dokumente. Die Geschäftsgrundlage bei all den sogenannten Leaks, also dem Diebstahl von Geschäftsunterlagen, ist immer, dass die Quelle anonym bleibt. Verständlich, sie hat ja einen Gesetzesverstoss begangen. Problematisch, denn weder der Leser noch der Ausschlachter solcher Leaks weiss, aus welchen Motiven diese Unterlagen den Medien zugespielt wurden. Und ob sie vorher frisiert wurden.

Auch bei den anonymen Quellen von Aussagen muss der Konsument dem News-Produzenten vertrauen, dass es diese Quellen tatsächlich gibt, ihre Angaben so weit wie möglich überprüft wurden, und dass «wie wir aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren» nicht einfach der Euphemismus ist für: Es wird ein Gerücht herumgeboten, dass gerade gut in den Kram des Newsproduzenten passt.

Denn er kann sich dabei auf seinen rechtlich garantierten Quellenschutz berufen; sich also weigern, die Identität seiner Quelle zu enthüllen. Das entbindet ihn aber nicht davon, den Wahrheitsbeweis für Behauptungen antreten zu müssen. Meine Quelle M hat mir plausibel versichert, dass K ein Betrüger und Krimineller ist, genügt natürlich nicht.

So nötig Quellenschutz auch sein mag, angesichts des zunehmenden Misstrauens gegenüber dem Realitätsgehalt von Berichten lässt die Verwendung von «Quellen» das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt eines Artikels abschmelzen.

Unbewiesene Behauptungen: Quittung Vertrauensverlust

Todesfalle 3 ist die Behauptung. X hat das gemacht, Y hat das gesagt, Z hat dieses entschieden. Das einfach mal so rauszuhauen, stellt eine ewige Versuchung im Journalismus dar. Ein Ressorleiter hat ein Buch in Auftrag gegeben, der Chefredaktor und der Verleger distanzieren sich davon.

Das ist eine Traum-News, wenn man die exklusiv hat. Die hat man allerdings nur deswegen exklusiv, weil man es einfach behauptet. Denn das grosse Hindernis, manchmal sogar unüberwindbar, ist die sogenannte Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Konfrontation des oder der Betroffenen mit solchen Behauptungen.

Das kann Ärger und Ungemach geben. Ärger, wenn der Konfrontierte einfach bestreitet, so etwas getan oder gesagt zu haben. Ungemach, wenn der Konfrontierte noch zusätzlich mit dem Kadi winkt, sollte die Behauptung dennoch aufgestellt werden. All das kann man natürlich vermeiden, indem man auf diesen lästigen Umweg verzichtet und die News mal raushaut.

Einfallslos mal raushauen

So wie beim modernen, einfallslosen Eishockey: Den Puck einfach ins gegnerische Drittel dreschen, und dann weiterschauen. Sollte die Behauptung tatsächlich nicht stimmen, dann kann man ja immer noch in Verhandlungen eintreten, den Beitrag elektronisch löschen, eine Gegendarstellung einrücken oder im schlimmsten Fall sich sogar dafür entschuldigen.

Das ist besonders widerlich, wenn es nach der Devise geschieht: Lass die Kacke mal fliegen, etwas hängen bleibt immer. Jeder, der schon einmal von solch üblem Journalismus selber betroffen war, weiss: Es ist einfach widerlich. Wehrt man sich, hält man das Thema am Köcheln. Wehrt man sich nicht, bleibt irgendein Unfug so stehen und wird irgendwann mal gegen einen verwendet.

Aber auch hier gilt: Bemerkt das der Konsument, bemerkt er zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, dann verliert er auch hier das Vertrauen in das Medium.

Drei Schläge, und du bist raus

In den USA gibt es die schöne Regel: three strikes – and you’re out. Vom Baseball auf Straftaten übertragen: Beim dritten Verbrechen wirst du lebenslänglich aus dem Verkehr gezogen. Das gilt auch für die Medien. Wer Schlag für Schlag das Vertrauen seiner zahlenden Kundschaft verspielt, der ist dann mal draussen. Erledigt. Eingegangen. Worum es dann auch nicht schade ist.

Die 3 Todesfallen im seriösen Journalismus

Todesfalle Nr. 1: Fake News.

Nr. 2: die Quelle.

Nr. 3: die haltlose Behauptung.

Journalismus ist in erster Linie Vertrauenssache. Und Vertrauen bekommt man nicht einfach mit der Bezahlung des Kaufpreises eines Medienprodukts frei Haus mitgeliefert.

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Wieder und wieder. Immer. Denn nur der Leser oder Konsument, der seiner Nachrichtenquelle vertraut, sieht ihre Bezahlung als sinnvolle Ausgabe an. Selbst wenn er nur mit seiner Attention und ein paar Daten bezahlt.

Denn der stillschweigende Kontrakt zwischen Konsument und Produzent ist: Der Produzent liefert nach bestem Wissen und Gewissen und unter Beachtung journalistischer Grundregeln erstellte Artikel ab. Dabei bemüht er sich so weit wie möglich, den Bericht vom Kommentar, von der Einfärbung durch Meinung, zu trennen. Denn der Journalist hat gegenüber dem Konsumenten einen unschlagbaren Vorteil: Er war am Ort eines Geschehens. Er hat mit Menschen gesprochen, er durchdringt Zusammenhänge.

Er liefert auch die Zusammenfassung, die Verdichtung eines umfangreichen Vorgangs. Exemplarisch bei Gerichtsverfahren. Die dauern oft lange, spielen sich nach dem Laien nur teilweise verständlichen Regeln ab.

Vertrauen auf korrekte Wiedergabe

Besonders hier muss der Rezipient auf die Fähigkeit des Journalisten vertrauen, eine korrekte Zusammenfassung des Ausgangs eines Verfahrens zu liefern. Wenn also Journalist X schreibt, dass die Partei Y auch in einem Berufungsverfahren gesiegt, Recht bekommen habe, dann muss das so sein. Wozu sollte der Konsument – dafür bezahlt er ja – selber das Gerichtsurteil nachlesen oder nach der Pressemitteilung des Gerichts suchen.

Gift für dieses Vertrauensverhältnis ist aber, wenn sogar ein publizistischer Leiter vom siegreichen Ausgang eines Prozesses für die Partei Y schreibt, während in der Pressemitteilung schwarz auf weiss steht: Im Urteil weist das Gericht die Berufung der Partei Y vollumfänglich ab.

Gelogen wie gedruckt

Das sind dann sogenannte Fake News, alternative Wahrheiten, oder auf gut Deutsch: da wird gelogen wie gedruckt. Schlimmer noch: Der Konsument eines Medienorgans ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Er hat seine lieben Gewohnheiten, und die lässt er sich auch durch höhere Preise für magereres Angebot nicht so schnell vermiesen. Stellt er aber fest, dass er da und dort brandschwarz beschummelt wurde, dann verliert er recht schnell das Vertrauen – und ist dann mal weg.

Zweite Todesfalle: die Quellen

Die zweite Todesfalle sind die Quellen. Normalerweise gilt auch in der Berichterstattung, dass der Urheber einer Aussage mit seinem Namen dazu steht. Nun gibt es natürlich Fälle, in denen das aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist. Dem Urheber könnten berufliche, persönliche, gesellschaftliche Nachteile drohen. Er könnte sogar an Leib und Leben bedroht werden. In solchen Fällen operiert der Journalismus mit der «Quelle». Genauer: mit der «mit der Sache befassten», mit der «vertrauenswürdigen» Quelle.

Noch besser natürlich: mit «zwei voneinander unabhängigen Quellen», die übereinstimmend A gesagt haben. Das Gleiche gilt auch für Dokumente. Die Geschäftsgrundlage bei all den sogenannten Leaks, also dem Diebstahl von Geschäftsunterlagen, ist immer, dass die Quelle anonym bleibt. Verständlich, sie hat ja einen Gesetzesverstoss begangen. Problematisch, denn weder der Leser noch der Ausschlachter solcher Leaks weiss, aus welchen Motiven diese Unterlagen den Medien zugespielt wurden. Und ob sie vorher frisiert wurden.

Auch bei den anonymen Quellen von Aussagen muss der Konsument dem News-Produzenten vertrauen, dass es diese Quellen tatsächlich gibt, ihre Angaben so weit wie möglich überprüft wurden, und dass «wie wir aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren» nicht einfach der Euphemismus ist für: Es wird ein Gerücht herumgeboten, das gerade gut in den Kram des Newsproduzenten passt.

«Quellen» verringern das Vertrauen

Denn er kann sich dabei auf seinen rechtlich garantierten Quellenschutz berufen; sich also weigern, die Identität seiner Quelle zu enthüllen. Das entbindet ihn aber nicht davon, den Wahrheitsbeweis für Behauptungen antreten zu müssen. Meine Quelle M hat mir plausibel versichert, dass K ein Betrüger und Krimineller ist, genügt natürlich nicht.

So nötig Quellenschutz auch sein mag, angesichts des zunehmenden Misstrauens gegenüber dem Realitätsgehalt von Berichten lässt die Verwendung von «Quellen» das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt eines Artikels abschmelzen.

Dritte Todesfalle: nicht überprüfte Aussagen

Todesfalle 3 ist die Behauptung. X hat das gemacht, Y hat das gesagt, Z hat dieses entschieden. Das einfach mal so rauszuhauen, stellt eine ewige Versuchung im Journalismus dar. Ein Ressortleiter hat ein Buch in Auftrag gegeben, der Chefredaktor und der Verleger distanzieren sich davon.

Das ist eine Traum-News, wenn man die exklusiv hat. Die hat man allerdings nur deswegen exklusiv, weil man es einfach behauptet. Denn das grosse Hindernis, manchmal sogar unüberwindbar, ist die sogenannte Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Konfrontation des oder der Betroffenen mit solchen Behauptungen.

Das kann Ärger und Ungemach geben. Ärger, wenn der Konfrontierte einfach bestreitet, so etwas getan oder gesagt zu haben. Ungemach, wenn der Konfrontierte noch zusätzlich mit dem Kadi winkt, sollte die Behauptung dennoch aufgestellt werden. All das kann man natürlich vermeiden, indem man auf diesen lästigen Umweg verzichtet und die News mal raushaut.

Etwas hängen bleibt immer

So wie beim modernen, einfallslosen Eishockey: Den Puck einfach ins gegnerische Drittel dreschen, und dann weiterschauen. Sollte die Behauptung tatsächlich nicht stimmen, dann kann man ja immer noch in Verhandlungen eintreten, den Beitrag elektronisch löschen, eine Gegendarstellung einrücken oder im schlimmsten Fall sich sogar dafür entschuldigen.

Das ist besonders widerlich, wenn es nach der Devise geschieht: Lass die Kacke mal fliegen, etwas hängen bleibt immer. Jeder, der schon einmal von solch üblem Journalismus selber betroffen war, weiss: Es ist einfach unappetitlich. Wehrt man sich, hält man das Thema am Köcheln. Wehrt man sich nicht, bleibt irgendein Unfug so stehen und wird irgendwann mal gegen einen verwendet.

Aber auch hier gilt: Bemerkt das der Konsument, bemerkt er zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, dann verliert er auch hier das Vertrauen in das Medium.

Drei Schläge daneben – und weg ist der Konsument

In den USA gibt es die schöne Regel: three strikes – and you’re out. Vom Baseball auf Straftaten übertragen: Beim dritten Verbrechen wirst du lebenslänglich aus dem Verkehr gezogen. Das gilt auch für die Medien. Wer Schlag für Schlag das Vertrauen seiner zahlenden Kundschaft verspielt, der ist dann mal draussen. Erledigt. Eingegangen. Worum es dann auch nicht schade ist.