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vbzonline: Das Stadtmagazin mit Stadtgarantie


Doch wer liest den Quatsch?

Ist doch schön: Zürcherinnen und Zürcher sind zwischen 2015 und 2019 mega ehrlicher geworden. Sie haben die im Tram und Bus liegengelassenen Schirme, Taschen und den anderen Plunder deutlich häufiger (+ 13 Prozent) im Fundbüro abgegeben. Dafür kauften sie um über einen Drittel weniger Tickets. Das zeigt der der Geschäftsbericht 2019. Der von 2020 ist noch nicht publiziert worden und ist wegen Corona nur bedingt aussagekräftig.

Im Geschäftsbericht wird so ziemlich alles thematisiert. Die Schwarzfahrerquote (1,23 Prozent), die Fahrgastabfälle (85 Tonnen) und nicht zu vergessen: der Anteil des Recyclingpapiers des Kopierpapierverbrauchs (87 Prozent).

Nicht nachzulesen ist, was das Stadtmagazin vbzonline.ch kostet. Vor fünf Jahren wurde das Portal gegründet. Das Schöne an diesem Stadtmagazin ist, dass es nicht einmal den Versuch wagt, kritisch zu sein. Journalisten schreiben über die «Herausforderungen der Arbeit im Kundendienst ZVV-Contact» oder über die Polsterung der Tramsitze.

vbzonline.ch soll ein «kritischer (und selbstkritischer) Beobachter des Grossstadtlebens» sein, heisst es auf der Website. Das sieht dann zum Beispiel so aus: Die beiden Journalisten Philippe Amrein und Thomas Wyss fressen, saufen und schreiben in und über ihre Lieblingslokale.

Die VBZ hängt am Trog der öffentlichen Hand. Ohne Subventionen müssten die Trams und Busse schon am zweiten Tag in ihren Depots verharren. Was kostet also die Steuerzahler das Stadtmagazin? Diese Frage beschäftigt zurzeit auch die Stadt Zürich.

Die GLP bat den Stadtrat in einer Schriftlichen Anfrage um ein paar Auskünfte: Was kostet das Teil und «was wären die Gründe für das Einstellen des Portals»?

Und interessiert vor allem die erste Frage. Die zweite hätten sich die Gemeinderäte sparen können. Projekte von der öffentlichen Hand werden nie eingestellt.

Das ist genau das Stichwort, um beim Staatskonstrukt vbzonline kurz in der Vergangenheit zu wühlen.  Denn das VBZ-Portal ist aus westnetz.ch entstanden. Wer erinnert sich nicht an jenes Portal mit dem Chefredaktor Thomas Haemmerli. 2011 gründeten die VBZ westnetz.ch, um ihre geplante Tramlinie ins Niemandsland in Zürich-West besser zu vermarkten.

Thomas Haemmerli und auch sein Vize David Schäfer verdienten mindestens fünf Jahre gutes Geld mit dem Magazin. Es wurde übrigens oft kritisiert, weil es als staatliche Konkurrenz etwa zum Lokalteil des Tages-Anzeigers angesehen wurde.

Vor allem Haemmerli profilierte sich immer mal wieder mit dem Projekt: 2013 sagte er zur Medienwoche, er verstehe westnetz.ch «als einen Hybrid zwischen Journalismus und Unternehmenskommunikation.» Den Nutzen für die VBZ sah er vor allem darin, dass sich auf einer Plattform, die nach journalistischen Spielregeln funktioniere, Kritik am Unternehmen «im Dialog abfedern lasse». Eine wundersame Vermischung von Journalismus und Public Relation war also schon damals en vogue.

Schlagzeilen machte das Portal vor allem, als mal ein Text über Analverkehr erschien. Das wiederum brachte die Weltwoche auf die Palme: «210’000 Franken für einen Sex-Blog», viel (Steuer)geld für einen zweifelhaften Nutzen, lautete der Tenor.

Als das Tram längst zum Bahnhof Altstetten fuhr, sahen die VBZ selber, dass so ein extern betriebenes Portal keinen Sinn mehr macht. Wie das aber so ist bei Staatsbetrieben, werkelten die VBZ nun inhouse weiter. So also entstand VBZ-online.

Hämmerli & Co. versuchten zuerst, das Westnetz-Ding weiter am Leben zu erhalten, mit Publireportagen und Texten. Später wurde das Projekt still und leise begraben. Die Website westnetz.ch ist wieder zu haben. Thomas Haemmerli betreibt nun votez.ch, laut Eigenwerbung «ein parteiunabhängiger Infoservice für Abstimmungen und Wahlen».