Schlagwortarchiv für: Thomas Jordan

Macht’s die SoZ besser?

Die Antwort ist nein.

Drei Anrisse zuoberst, dreimal schnarch. Dann darf Alain Berset in einem Interview letzte Zweifel aufräumen, dass sein Abgang überfällig war. Und wenn einer Redaktion überhaupt nichts mehr zu einem Thema einfällt, dann bleibt immer noch als letzter Joker der «Schweizer Aspekt».

Anschliessend wimmelt es nur so von Schweizer Aspekten. Niemand wäre bereit gewesen, Alain Berset ein solches Weichspüler-Interview zu schenken – ausser der SoZ. Dann etwas Schweiz – EU (schnarch), etwas Nachbereitung der Bundesratswahlen (gähn), etwas Mitleid mit Hans-Peter Portmann, Alt-Neues von Ritalin, das Ausland bestreitet sowieso die »Süddeutsche Zeitung» (oder interessiert es wirklich jemanden, dass Mexiko eine Eisenbahnlinie gebaut hat?), und die Qual des ersten Bundes ist überstanden.

Was bedeutet, dass die Qual des zweiten beginnt. Ältere Leser erinnern sich noch dunkel: «Fokus», das bedeutete hochstehenden, verdichteten, aus dem Normalbrei herausragenden Journalismus. Vorbei. Normalerweise werden hier Interviews abgefüllt, die man gar nicht schnell genug überblättern kann. Diesmal wird die Geschichte zweier Schweizer erzählt, die am 7. Oktober in Israel ermordet wurden. Bei aller persönlichen Tragik: was soll das?

Dann: Neues von übergriffigen Pfaffen. Oh Himmel, hilf. Auf Seite 25, das ist immerhin was zum Lachen, kolumniert Markus Somm ungebrochen weiter und tut so, als wäre da nix. Was wäre? Nun, dass sich der grosse Polit-Analyst und scharfe Seher mit seiner Prognose, dass ein Geheimplan Bundesrat Cassis aus dem Sessel kippen würde, was mehr als 50 Prozent Wahrscheinlichkeit aufweise, ganz grob verhauen hat. Aber es ist eine alte Weisheit von Sehern: geht was in die Hose, einfach nicht drüber reden und die nächste Prognose raushauen. Irgendwann landet man doch einen Treffer.

Oder, andere steile These von ZACKBUM, die SoZ lässt Somm weiter schreiben, damit die bodenlose Niveaulosigkeit von Gülsha Adiliji nicht so auffällt. Neuste Duftmarken: «Diese ganze Dating-Scheisse … ich downloadete (schon fucking wieder) … Dating ist jetzt nicht mein Lebensmittelpunkt-Lebensmittelpunkt, aber …» Wer dieses Gestammel freiwillig liest, darf sich nicht über den Preis des SoZ-Abos beschweren.

«Wirtschaft»? Ach ja, wenn Arthur Rutishauser nicht wäre, der auf Thomas Jordan eindrischt, wäre auch dieser Bund reif fürs Altpapier.

Apropos alt, Keith Richard wird 80. Wahnsinn. Der Mann, der Pate für den Spruch stand: der sieht so alt aus, so alt kann der gar nicht werden. Zur Feier des Tages ein Interview mit ihm. Exklusiv für die SoZ. Wahnsinn. Hm; der Autor ist Joachim Hentschel. Genau, der deutsche Journalist, der von der «Zeit» abwärts so ziemlich alle bedient.

Bleibt da noch ein Auge trocken? Ach, nicht wirklich, wenn wir zum Ratgeberteil kommen: «So gelingt das Weihnachtsessen zu Hause». Echt jetzt? Selbst dafür ist der Leser zu blöd, wenn ihm nicht geholfen wird. Der nächste Ratgeber wäre allerdings in erster Linie etwas für Journalisten: «So schreiben Sie wie ein Genie. Tipps für KI-Tools». Wenn man den Artikel liest, scheint das aber nicht wirklich zu funktionieren.

Schliesslich, ZACKBUM lobt wieder mal seine hellseherischen Fähigkeiten, waren nicht vor Kurzem helle Töne, Weiss der letzte Schrei in der Inneinrichtung? Arme Leser, die dem gefolgt sind. Denn: «Helle, sanfte Töne galten lange als Lieblinge in der Inneneinrichtung. Doch der Trend scheint zu kippen». Scheint, so sicher ist’s noch nicht, aber vielleicht sollte man die frisch angeschafften hellen Möbel vorsorglich entsorgen.

In der Reihe «sagt da einer sponsored content?» wird auf einer Seite vermeldet, dass das Zürcher Savoy als Mandarin Oriental wiedereröffnet wird. Da sich die meisten SoZ-Leser problemlos ein Doppelzimmer ab 1200 Franken leisten können (doch, pro Nacht natürlich), ist das ein zielgruppenorientierter Service-Text.

Oder ohne Ironie auf Deutsch: reine Leserverarschung.

 

 

Geballte Kompetenz

Die Wirtschaftsredaktion von Tamedia ist ein Copy-Wohlfühl-Shop.

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Eigentlich sollte man meinen, dass der Kauf der CS zum Schnäppchenpreis und seine Umstände für die Wirtschaftsredaktion des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz Anlass zu ausführlicher Berichterstattung, eigener Recherche und Analyse seien sollte. Plus kritische Fragen an die Beteiligten, wenn die einem Interview zustimmen.

Immerhin führt das Impressum 11 Fachkräfte auf, darunter viele Häuptlinge, stellvertretende Häuptlinge und sogar einen Chefökonom. Gut, dieser Titel sollte Armin Müller den Rausschmiss aus der Chefredaktion versüssen. Dann hätten wir noch ein vierköpfiges «Hauptstadtbüro Bern» und einen «Ausland-Korrespondenten» im fernen San Francisco. Nicht zu vergessen das Bauernofper Arthur Rutishauser mit mehr Zeit zum Schreiben als Chefredaktor «SonntagsZeitung».

Und was machen diese Koryphäen? Sie lesen fleissig Zeitungen, bei denen noch recherchiert wird. Zum Stehsatz der Berichterstattung gehört seit Längerem: «Wie die britische «Financial Times» berichtet ..

Diesmal wird der Satz ergänzt mit «…soll die UBS den CS-Bankern nach der Übernahme strenge Regeln auferlegen». Hat sich die hochwohllöbliche Wirtschaftsredaktion wenigstens zu einer eigenen Recherchehandlung aufgerafft? Wozu denn, wenn das andere erledigen: «Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP wollte die UBS die Liste nicht kommentieren.»

Leichte Unsicherheiten zeigt das vielköpfige Wirtschaftsressort bei der Anwendung des Konjunktivs. Beim fleissigen Zitieren aus der FT heisst es einmal «So ist es etwa verboten». Indikativ (Wirklichkeitsform, für Tamedia-Mitarbeiter). Dann aber «Gesperrt würden zudem …», Konjunktiv oder Würde-Form. Ja was denn nun?

Dann lässt sich Tamedia vom offiziellen Wording der Umstände des Schnäppchenkaufs einseifen. Denn erst vergangenen Freitag wurde der definitive Garantievertrag über 9 Milliarden Risikoübernahme durch den Bund unterzeichnet. Vorher gab es noch jede Menge Fingerhakeln. Wieso muss der Bund eigentlich zusätzlich zum 16-Milliarden AT1-Geschenk und Liquiditätszusagen von 250 Milliarden noch weitere 9 Milliarden drauflegen?

«Der Grund, warum der Bund dafür eine Verlustgarantie aussprechen musste, ist, dass die UBS vor der Übernahme nur kurz in die Bücher der CS schauen konnte

Dabei muss man nicht mal «Inside Paradeplatz» lesen (und abschreiben), um zu wissen, dass die UBS bereits seit letztem Herbst alle Vorbereitungen für eine Übernahme der CS angeleiert hatte. Und da das Führungspersonal der CS in der Endphase fast ausschliesslich aus Ex-UBS-Männern bestand, die niemals nicht interne Informationen an ihren alten (und hoffnungsfroh wieder neuen) Arbeitgeber durchstechen würden …

Nun hatten «Chefökonom» Müller und Bauernopfer Rutishauser Gelegenheit, SNB-Boss Thomas Jordan zu interviewen. Allerdings folgten auch sie dem Tamedia-Prinzip: ja keine unangenehmen Fragen stellen, ja nicht nachhaken.

Lukas Hässig von IP (who else?) zeigt auf eine der vielen Schwachstellen des Interviews:

«Auf die Frage der Journalisten, ob es im letzten Herbst „schon Gespräche mit der UBS über eine Übernahme“ gegeben habe, meinte der SNB-Chef:
„Gespräche mit der Credit Suisse haben stattgefunden. Die Bank musste sich vorbereiten für den Fall, dass der Turnaround nicht gelingt.“
Ein klassisches Ausweichmanöver. Die Frage nach der UBS wird mit Kontakten zur CS beantwortet.»

Wetten, dass FT das nicht so hätte durchgehen lassen? Wetten, dass in einem seriösen Interview hier eine Nachfrage gestellt worden wäre? Und wenn Jordan (oder sein Kommunikationsfuzzi) bei der Autorisierung des Interviews diese Passage dann gestrichen hätte?

Dann hätte Tamedia vielleicht nicht so eine Peinlichkeit wie der SoBli mit seinem misslungenen Rima-Interview aufführen müssen. Aber deutlich darauf hinweisen, dass hier eine wichtige Frage schlichtweg nicht beantwortet wurde.

Das gilt auch für die Behauptung Jordans, dass die SNB nicht «einfach eine Bank übernehmen könne». Natürlich könnte sie das, aber dafür müssten die Interviewer das SNB-Reglement kennen. Was zu viel verlangt ist, offensichtlich. Denn unter dem Gummibegriff «Stabilität des Finanzsystems» hat die SNB schon ganz andere Dinger gedreht, zum Beispiel die Festlegung einer Untergrenze zum Euro.

Aber doch nicht im weichspüler-wohlfühl-genderneutralen Tamedia-Journalismus. Wenn’s um viele Milliarden Steuergelder geht, ist man hier ganz entspannt. Geht es um das Verhalten eines deutschen Rockstars, wird gleich das Canceln seiner Konzerte gefordert. Lächerlich oder jämmerlich? Leider beides.

Zinserhöhung! Auf minus 0,25 %!

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) verkündete eine Veränderung beim Leitzins.

Der steigt um ein halbes Prozent. Auf minus 0,25. Versteht das einer?

«Wir haben uns für eine Zinserhöhung von einem halben Prozentpunkt entschieden, weil es inzwischen Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation auch auf Waren und Dienstleistungen übergreift, die nicht direkt vom Krieg in der Ukraine und den Pandemiefolgen betroffen sind», erklärte SNB-Präsident Thomas Jordan auf einer Pressekonferenz.

Was heisst das? Zum ersten Mal seit vielen Jahren zieht die SNB die Zinsschraube etwas an. 2015 senkte sie den Leitzins auf – 0,75 Prozent, gleichzeitig mit der Aufhebung des Mindestkurses für den Schweizer Franken gegenüber dem Euro.

Der sogenannte Leitzins wird von der Notenbank in ihrem Währungsraum festgelegt. Er bestimmt, zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken bei der Nationalbank Geld leihen können. Damit ist er die Stellschraube, die das allgemeine Zinsniveau reguliert.

Die Qualitätsmedien wurden davon auch auf dem falschen Fuss erwischt und trauen sich erst mit ganz, ganz vorsichtigen Kommentaren aus der Deckung: «Damit ist die Zeit der rekordtiefen Zinsen in der Schweiz Geschichte», meint der «Blick». «Expertinnen und Experten ordnen ein», so zieht sich Tamedia aus der Bredouille. CH Media verkneift sich zunächst jeden Kommentar, man könnte ja mangelndes Wissen offenbaren. Die NZZ schlüpft hingegen in ihre Lieblingsrolle: Zensuren verteilen. Diesmal ist sie gnädig; «Zinserhöhung der SNB: richtig und wichtig». «watson» hingegen belässt es, wie viele andere Medien auch, bei einem Zusammenschrieb der Tickermeldungen von SDA und awp. Ziemlich blumig reagiert cash.ch: «Damoklesschwert von SNB-Verkäufen sendet Schockwellen durch den europäischen Anleihemarkt». Ein Schwert sendet Schockwellen? «Finanz und Wirtschaft» lässt es ebenfalls bei einer Meinungsumfrage bewenden: «Stimmen zum SNB-Entscheid». Die «Handelszeitung» schliesslich lässt den Mantel der Geschichte flattern: «Ein Zinsschritt für die Geschichtsbücher».

Aber all diese Qualitätsmedien sind nicht in der Lage, die offenkundigen Hintergründe und Zusammenhänge den Lesern zu erklären.

Eine Veränderung des Leitzinses hat meistens vielfältige Auswirkungen. Normalerweise tauchen die Börsen und festverzinsliche Wertpapiere steigen. Sind die Zinsen in einem Währungsraum höher als in anderen, steigt dessen Attraktivität, konkret werden Franken gekauft, der Kurs steigt.

Eine Erhöhung des Leitzinses bedeutet aber nicht unbedingt, dass nun der Sparer, der Gläubiger mehr Geld verdient an seinen gewährten Krediten. Das hängt nicht nur vom Zinsertrag ab, sondern von dem Ertrag, der nach Abzug der Inflation übrig bleibt. Kassiert der Geldverleiher zum Beispiel 5 Prozent Zinsen, während die Inflation 10 Prozent beträgt, gewinnt er nichts, sondern verliert 5 Prozent.

Zinsen als Steuermechanismus für die Inflation

Noch brutaler ist das im Fall von Negativzinsen. Hier muss der Gläubiger dafür bezahlen, dass er sein Geld verleihen darf, der Schuldner bekommt Geld dafür, dass er einen Kredit aufnimmt. Das ist Zinsen pervers, die Aufhebung der Schwerkraft in der Geldpolitik.

Zinsen haben zudem eine zentrale Bedeutung bei der Steuerung der Inflation. Steigt die Inflation, also die Geldentwertung, deutlich an, dann wird das normalerweise mit einer deutlichen Zinserhöhung bekämpft. Beträgt die Inflation zum Beispiel 5 Prozent, der Zinsertrag 10 Prozent, dann lässt der Gläubiger sein Geld liegen und freut sich über den Ertrag. Ist es umgekehrt, dann ist der Gläubiger versucht, sein Geld so schnell wie möglich beispielsweise mit Konsum auszugeben. Denn wenn er einen Kauf auf morgen verschiebt, kann das Produkt bereits teurer sein, bzw. sein Geld ist weniger wert.

Dadurch wird natürlich die Preisspirale in Bewegung gesetzt, denn das einzige unangefochten gültige Prinzip in der Wirtschaftswelt lautet: bei steigender Nachfrage steigen die Preise.

Man darf sich da auch von zweistelligen Zahlen nicht beunruhigen lassen. In den 80er-Jahren gab es Zeiten, als die Inflation in den USA zweistellig war – und der Leitzins ebenfalls. Damit wurde sie dann wieder auf ein normales Mass von rund 2 Prozent zurückgeführt.

Nun beträgt aber die gefühlte und wohl reale Inflation in der Schweiz bereits über 6 Prozent. Das liegt auch daran, dass im offiziellen Warenkorb, der zur Messung der Inflation benützt wird, bedeutende Kostenfaktoren wie Immobilien oder Versicherungen (Krankenkasse) gar nicht inbegriffen sind.

Damit steht die Schweiz auch nicht alleine da; in der Euro-Zone wie auch in der Dollar-Welt steigt die Inflationsrate. In den USA über 8 Prozent, in einigen EU-Ländern ist sie bereits zweistellig.

Ist also die Anhebung des Leitzinses von – 0,75 auf – 0,25 eine wirksame Massnahme oder ein Tropfen auf den heissen Stein? Die Frage kann sich angesichts der aktuellen Inflation in der Schweiz jeder Laie selbst beantworten.

Wieso kein kräftiger Zinsschritt nach oben?

Was zur interessanten Frage führt, wieso denn die jeweiligen Nationalbanken, also die EZB im Euroraum und das FED im Dollar die Zinsen nicht viel kräftiger heraufsetzt, von der SNB ganz zu schweigen. Ging doch früher auch.

Ging früher, weil damals die Staaten noch nicht bis über beide Ohren oder bis zur Höhe des BIP, also von aller Wertschöpfung eines Jahres, verschuldet waren. Wenn ein Staat für die Neuaufnahme von 100 Milliarden keine oder Pipifax-Zinsen zahlen muss, dann macht er das natürlich mit lockerer Hand; ein Grund findet sich immer. Nach den Finanz- und Eurokrisen, der Griechenland-Krise, der Corona-Krise ist es aktuell die Ukraine-Krise.

Die Schuldendienste insgeamt machen aber bereits heute einen der wichtigsten Posten im Staatshaushalt aus – dabei haben wir faktisch Nullzinsen. Nun stelle man sich vor, was mit einem heute schon am Rande des Bankrotts wankenden Staat passiert, wenn der zur Refinanzierung seiner Schulden neu 2 oder 5 Prozent Zinsen zahlen müsste. Denn dorthin müssten die Leitzinsen mindestens, um die Inflation wirksam zu bekämpfen.

Das geht aber nicht, weil dann Industriestaaten reihenweise Default erklären müssten, weniger vornehm gesagt: Staatsbankrott. Das wäre nicht einmal ein Weltuntergang, denn danach ist der Staat seine Schulden los. Allerdings sind alle Gläubiger, Sparer und Empfänger von Sozialleistungen wie Renten gekniffen.

Und was geht das alles den Leser an? Endlich die ersten warmen Tage, die Sommerferien sind in Reichweite, die Ferien gebucht, und wenn es Skyguide will, hebt der Flieger auch ab. Soll man sich da die Laune verderben lassen?

Börsencrash, galoppierende Inflation, Rezession, sind die Renten noch sicher? Bleibt vom Ersparten noch was übrig? Leider ist die einzig verantwortungsvolle Antwort: unklar. Und lassen Sie sich von Ihrem Bankberater nicht das Gegenteil erzählen.

 

Wirtschaft: noch ein Bier, bitte

Volkswirtschaft, Gartenwirtschaft: ist doch Hans was Heidi.

Rechthaberei auf dem schwankenden Boden der zunehmenden Bedeutungslosigkeit: eine ganz üble Mischung.

Gerade hat der Qualitätskonzern, der Marktplatzbetreiber mit noch angeschlossenem Newsbereich, das Kompetenzzentrum für Analysen des Finanzmarkts, also kurz Tamedia, mal wieder der Schweizerischen Nationalbank die Knöpfe reingetan.

Das Thema ist das Steckenpferd von Markus Diem Meier. Immer wieder reitet er auf seinem Holzpferdchen wie einstmals ein berühmter Vorgänger gegen die Windmühlen der SNB, bzw. gegen den Chef Thomas Jordan.

Der kann’s Diem Meier einfach nicht recht machen: «Während andere Notenbanken über die Einführung einer digitalen Währung sinnieren, will man bei der SNB nichts davon wissen. Das ist ein Fehler.»

So sieht ein Fehler aus.

Nimm das, du Pfeife, fäustelt der Tagi-Mann. Aber bezüglich Währungspolitik ist man sich selbst im Wirtschaftsbeobachtungsturm Tagi nicht ganz einig: «Die Schweizerische Nationalbank scheint die jüngste Frankenaufwertung ausbremsen zu wollen. Inwieweit dies gelingen wird und was künftig von der SNB zu erwarten ist.» So verbreitet Andreas Neinhaus seine Erkenntnisse aus der Glaskugel.

Dem muss Diem Meier entschieden widersprechen:

«Nationalbank lässt Aufwertung zu. Unsicherheit an den Finanzmärkten. Nichts galt vor Corona als grössere Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft als ein rasches Erstarken des Frankens. Jetzt tritt genau das ein. Doch die Währungshüter bleiben untätig.»

Wie heisst es so schön: zwei Finanzspezialisten, drei Meinungen.

Vermutungen auf allen Fachgebieten

Die Herzoperation von Jordan treibt Diem Meier sogar zu einem Ausflug in ein weiteres Gebiet, auf dem er nicht wirklich sattelfest ist: die Psychosomatik. Denn er diagnostiziert: «Die jüngsten Ereignisse und die Gefahr für die Gesundheit des SNB-Präsidenten lassen zumindest vermuten, dass die Kritik und die Herausforderungen Thomas Jordan weit stärker beschäftigt haben, als er es bisher zugeben wollte, wenn er darauf angesprochen wurde.»

«Lassen vermuten», die Formulierung als Allzweckwaffe für: ich habe keinen blassen Schimmer, aber ich hau’ mal einen raus.

Aber zurück zur Kernkompetenz von Diem Meier, dem wir auf diesem Weg viel Gesundheit und Tatendrang wünschen. Denn neben der ewigen Währungsthematik, der anschwellenden Bilanz und der ins Aberwitzige gestiegenen Geldreserve der SNB gibt es ein weiteres Thema, das dem Tagi-Mann steile Sorgenfalten auf die Stirne treibt. Richtig, die Entwicklung auf dem Immobiliensektor.

SNB-Vize Fritz Zurbrügg nützt die Abwesenheit seines Chefs aus, um sich auch mal fünf Minuten Ruhm und Aufmerksamkeit abzuholen. Daher erwähnte er in einem Vortrag:

«Wir sehen sowohl deutliche Anzeichen einer nicht nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wie auch eine erhöhte Gefahr einer Preiskorrektur

Das riecht allerdings schwer nach eingeschlafenen Füssen und Mundgeruch beim Gähnen, so langweilig ist diese Aussage. Hellwach ist dagegen Diem Meier. Er zerschlägt die schützende Glasscheibe und drückt den roten Alarmknopf. Schliesslich weiss er, wer die Hauptschuld für einen drohenden Immobiliencrash hat:

«Denn der Hauptgrund für die Entwicklung an diesen Märkten ist die Politik der SNB selbst: vor allem die extrem tiefen Zinsen. Sie verbilligen die Hypotheken und befeuern die Nachfrage nach Immobilien.»

Wenigstens einer weiss Rat

Himmels willen, was tun? Während die SNB die Hände in den fruchtbaren Schoss der ewig sprudelnden Geldquelle und der Nullzinsen legt, weiss Diem Meier Rat: «Wichtiger als Worte sind Taten. Es braucht Sand im Getriebe.»

Das ist normalerweise nicht das, was man sich für ein Getriebe wünscht, aber es ist ja auch nur ein schiefes Bild für die rettende Massnahme: «Dazu zählt der antizyklische Kapitalpuffer, der Banken zusätzlich zu den übrigen Sicherheitspolstern auferlegt wurde, um ihnen die Hypothekarvergabe zu verteuern. Im Zuge der Corona-Krise wurde er aufgehoben, um die Banken zu schonen.»

Damit wäre wieder einiges im Lot, hofft Diem Meier, die Steigerung der Immobilienpreise um über 80 Prozent in wenigen Jahren, ebenfalls beim Volumen der Hypothekarkredite, während die gesamte Hypothekarverschuldung in der Schweiz 150 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung betrage. Aber: «Dass er aber nicht bereits wieder eingeführt wurde, ist unverständlich», schüttelt Crash-Kreische Diem Meier verzweifelt das Haupt.

In ein Bettlaken gehüllt macht er das Immobiliencrash-Gespenst und sagt «buhu». Wenn die Tragbarkeit der Schuldendienste nachlässt, wenn die Immobilienpreise sinken, wenn von Schuldnern Nachschuss verlangt wird, wenn die Finanzhäuser auf zunehmenden Ausfallrisiken sitzenbleiben: das könnte ein Massaker werden. Eine Krise, eine Rezession. Plus noch Corona. Ein Weltuntergang.

Selektive Auswahl hilft ungemein beim Thesenjournalismus

«Wenn die Banken ins Wanken geraten», «sind die Sicherheitspolster wirklich ausreichend?» Diem Meier greift tief in den Stehsatz der Leserschreckung. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn man, nun ja, etwas selektiv in der Auswahl von Zitaten des SNB-Vizes ist.

Denn, Ausnahmen bestätigen die Regel, Tragbarkeitsprüfungen, Grenzen der Belehnung, SNB-Vize Zurbrügg warnt zwar, beruhigt aber gleichzeitig:

«Dank substanziellen Kapitalpuffern sollten die meisten Banken jedoch in der Lage sein, die damit verbundenen allfälligen Verluste zu absorbieren.»

Aussen traditionell, innen hochmodern: SNB zu Bern.

Och, damit so eine blöde Aussage die ganze Stortyline nicht durchkreuzt, lässt sie Diem Meier einfach weg. Genauso wie eine andere Tatsache. Die SNB sei mit ihrer Niedrigzinspolitik überhaupt an der Immobilienblase schuld, sagt er. Räumt dann aber verschämt ein, dass die SNB als kleine Notenbank gar nicht anders kann als den beiden grossen Verbrechern US-FED und EU-EZB zu folgen.

Blasen blasen, bis sie platzen.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied …

Ohne aber, das ist auch entscheidend, deren Verbrechen nachzuahmen. Diese beiden Notenbanken kaufen nämlich im eigenen Währungsraum Schuldpapiere, auch von Staaten, dermassen wild auf, dass die Märkte fast ausgetrocknet sind. Linke Hosentasche, rechte Hosentasche, dieser üble Taschenspielertrick wird früher oder später in einem Riesenschlamassel enden. Nicht bei der SNB.

Zudem: Der CHF ist die einzige Währung der Welt, die schlichtweg zu einer Handelsware geworden ist. Die SNB kann – in Massen – Fränkli wie Weggli herstellen, sie werden ihr aus den Händen gerissen. Absurd, aber real. Doch so kompliziert mag es ein Vereinfacher wie Diem Meier halt nicht.

Mosambik und die Schweiz

Wozu haben wir eigentlich noch Grossbanken, wenn man sie nicht für Vergleiche nutzen kann?

Schweiz, Credit Suisse, Mosambik. Wir haben die Verbindungen kurz skizziert. Kümmern wir uns nun um die Unterschiede. Richtig, die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung hat eine andere Hautfarbe als die Mehrheit in Mosambik. Ausserdem redet man verschiedene Sprachen.

In Mosambik geht es den Menschen mehr so ums Überleben; die korrekte Verwendung einer gendergerechten Sprache ist ihnen eher wurst. Das hingegen ist den Klimaktivisten eher wurst:

Kein Spass, aber auch nicht ernstzunehmen.

Denn sich auf den Mosambik-Skandal zu konzentrieren, das wäre viel zu schweisstreibend und anstrengend. Lieber dümmliche Forderungen aufstellen wie «sofortige Offenlegung aller Finanzflüsse». Orthografische Unsicherheiten zeigen sich auch:

«Das ganze soll mit Hilfe der SNB (schweizer Nationalbank) gesetzlich verankert werden.»

Aber bitte, keine Beckmesserei, wenn es um das grosse Ganze geht. Um den Planeten. Die Welt. Die Zukunft. Einfach um alles, daher um nichts.

Andere Vergleiche wären viel naheliegender

Dabei wäre doch ein ganz anderer Vergleich zwischen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und den beiden (noch) überlebenden Grossbanken naheliegend gewesen. Abgesehen davon, dass man die einstnals stolze CS inzwischen zu einem wahren Schnäppchenpreis kaufen könnte (50’000 Mitarbeiter, rund 175-jährige Geschichte, zu haben für schlappe 21 Milliarden Börsenwert).

So zum Vergleich: Partners Group (1500 Mitarbeiter) bringt an der Börse ein Gewicht von 41 Milliarden auf die Waage. Aber es gibt noch einen viel dramatischeren Vergleich, um das Elend der Grossbanken zu beschreiben. Sie tröten ja heraus, dass es ihnen gelungen sei, endlich mal wieder einen halbwegs anständigen Quartalsgewinn zu machen. Falls der CS nicht ein paar kleine Milliardenfehltritte die Bilanz verhagelt hätten; so bleibt nur ein Pipifaxgewinn von einer Viertelmilliarde im zweiten Quartal.

Die UBS brüstet sich immerhin mit 2 Milliarden. Toll. Toll? Alles ist relativ. Nehmen wir das ganze 2021 als Vergleichsraum. Da spielte die UBS 4,3 Milliarden ein, die CS eine runde Null. Corona, widriges Umfeld, Negativzinsen, Weltwirtschaft, Blabla? Blabla.

Stellen wir mal 43,5 Milliarden dagegen. Gewinn. Mit weniger Mitarbeitern als die Partners Group, nämlich ganzen 950. Von denen sich etwas mehr als 100 um die Anlagestrategie kümmern. Zu durchaus beamtenstaatlichen Gehältern, ohne Millionenboni, Statussymbolen und wichtigem Getue. Denn das alles ist der SNB völlig fremd. Mit ihrem Bilanzvolumen von über einer Billion Franken (das sind 1000 Milliarden, weit mehr als das Schweizer BIP und unvorstellbar viel Geld) hat sie gerade mal wieder 5000 Franken Gewinn erwirtschaftet. Pro Eidgenosse. Die CS mit einem Bilanzvolumen von 806 Milliarden brachte nur eine Nullnummer zustande.

Dagegen könnte die SNB pro Kopf der Schweizer Bevölkerung ein 13. Monatsgehalt auszahlen. Die eigentlich, so sahen es die Gründer der SNB vor, die Besitzerin der Notenbank ist. Daher ist die SNB eine der ganz wenigen an der Börse gehandelten AGs unter den Nationalbanken. Natürlich mit Einschränkungen, aber im Prinzip auch zu kaufen.

Was tun mit den ganzen Gewinnen?

Nun gibt es hier die grosse Debatte, ob der SNB-Chef Thomas Jordan Recht hat, wenn er immer wiederholt: «Finger ab de Röschti.» Denn in weiser Voraussicht haben die Gründer der SNB sie dem Einfluss von Politik, Parlament und Regierung weitgehend entzogen. Sie haben allerdings nicht im Traum daran gedacht, dass der Franken einmal zur Handelsware werden könnte, die in grösseren Mengen hergestellt, immer reissenden Absatz findet.

Notgroschen, Reserve für strube Zeiten, so verteidigt Jordan das auf 250 Milliarden Franken angeschwollene Eigenkapital der SNB. Zum Vergleich: die grosse EZB (Europäische Zentralbank) hat gerade mal 12 Milliarden Euro EK. Denn eine Notenbank braucht das eigentlich nicht. Solange Vertrauen in die Währung vorhanden ist, kann sie Neugeld herstellen, sollte sie es brauchen.

Worüber sich die Klimajungend allerdings auch mal Gedanken machen könnte: Wenn es die SNB schafft, mit rund 100 überschaubar bezahlten Beamten einen Gewinn von 43,5 Milliarden zu machen, alleine im Jahr 2021, was ist dann am Geschäftsmodell einer CS falsch? Dass die den Klimawandel nicht verhindert? Was für ein Quatsch.

Falsch daran ist, dass die CS mit 50’000 mehr als üppig bezahlten Mitarbeitern (in der Teppichetage) von einem Skandal in den nächsten stolpert und kaum Gewinn macht. Abgänge, Neuanfänge, zuerst energisch-tatkräftig dreinschauende Manager, die dann zunehmend elegisch-unbeeindruckt dreinschauen, bis sie früher oder später, letzthin eher früher, mit einer hübschen Abfindung in den Olymp der abgehalfterten Riesenbanker abschwirren.

Begegnen sich auf dem Finanzplatz Schweiz und Mosambik?

Wäre es unfair, daher die SNB und die Credit Suisse wie eine Begegnung von Schweiz und Mosambik zu beschreiben? Ja. Denn die CS produziert bekanntlich gerne rote Zahlen mit weisser Weste, also in den Landesfarben der Schweiz. Die SNB hingegen produziert schwarze Zahlenmeere, was nun zumindest der vorherrschenden Hautfarbe in Mosambik gleicht. Damit wären wir sicher bereits tief im Sumpf der politischen Unkorrektheit.

Immer freundlich lächeln, wenn man wenig versteht.

Solche Zusammenhänge sind zwar offensichtlich, man braucht aber vielleicht etwas mehr Grundkenntnisse als für solches Gehampel:

Ein ganz subversive Idee am Schluss: Mit etwas mehr als 10 Milliarden könnte man die CS kaufen. Da ihr Buchwert höher ist als der Börsenwert, kriegt man das Geld relativ schnell geliehen. Oder schon mit 3 Milliarden hätte man ein gewichtiges Wörtchen mitzureden und Anspruch auf einen Sitz im Verewaltungsrat.

Sollte es nicht gelingen, die CS auf Kurs zu bringen (und neben bei auch ihre Investitionen in angeblich klimaschädliche Projekte zu stoppen), könnte man die Bank zerschlagen und die Einzelteile mit Gewinn verkaufen. Damit könnte man dann tausende von Quadratkilometern Regenwald retten, halb Afrika mit Schulzimmern ausstatten oder alternative Energiequellen fördern. Wär’ doch was, oder nicht?

Hat auch nix gebracht.

Oops, they did it again

Ist die Schweizerische Nationalbank ein Herrenclub, ladies and gentlemen?

Die Methode ist bekannt. Sexismus, Mobbing, Skandal. Hat die «Republik» schon mehrfach probiert, ist damit aber auch regelmässig auf die Schnauze gefallen.

Auch ihr Versuch, mit angeblich unbeaufsichtigten, schlecht ernährten und sonst wie gequälten Kindern beim grössten Schweizer Anbieter von Kitas zu punkten, war ein Griff ins Klo: alle offiziellen und externen Untersuchungen ergaben: nix dran, nix zu meckern.

Mal wieder Aufgewärmtes, frisch serviert

Nun probiert es die «Republik» mal mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Mit knapp 24’000 Anschlägen ist der Artikel für «Republik»-Verhältnisse geradezu schlank und rank. Er hat allerdings, wie schon der Versuch, mit dem aufgewärmten Bündner Bauskandal zu punkten, eine Vorgeschichte.

Denn ein gewisser Fabio Canetg publizierte am 2. September auf swissinfo.ch einen Beitrag über die SNB: «Es ist etwas faul bei der SNB. Es riecht nach Geschlechterdiskriminierung». Diese Aussage basiert auf einer Auswertung der Geschlechterverteilung in Führungspositionen. 117 von 145 seien von Männern besetzt, weiss Canetg. Also 81 Prozent, bei der US-Notenbank seien es lediglich 57 Prozent.

Klarer Fall, Diskriminierung. Und dabei spricht Canetg den Skandal gar nicht an, dass der Anteil von «divers» bei null liegt. Wobei, halt, der Skandal ist, dass Canetg dieser Skandal gar nicht auffällt. Wo die «Republik» doch selbst ihren launigen Gruss zu «Ladies, Gentlemen and everybody beyond» angepasst hat.

Warum nicht mal durchschütteln, mixen und neu einschenken?

Aber Scherz beiseite, wie es der Zufall so wollte, unterhält Canetg auch noch einen «Geldcast», und bei dem war Patrizia Laeri zu Gast. Genau, die Kürzestzeit-Chefredaktorin von CNN Money, zurzeit offen für Neues. Sie selbst kann sich über Frauendiskriminierung nicht wirklich beschweren, aber laut Canetg hätten sich dann ein rundes Dutzend Frauen bei ihr und ihm gemeldet, die von haarsträubenden Zuständen bei der SNB zu berichten wussten.

Da dachten sich Laeri und Canetg: he, wieso schütteln wir den Ursprungsartikel nicht mal gut durch, stecken ihn in den Mixer mit Auszügen aus anonymen Erfahrungsberichten, und fertig ist der Smoothie, der den «Republik»-Lesern runter geht wie ein Latte Macchiato, gebraut mit Kaffeebohnen aus Nicaragua.

«Steinzeitlich» und «autoritär» gehe es bei der SNB zu, weiss die «Republik», Thomas Jordan trage den Übernamen «Mr. Konservativ» und herrsche mit nahezu unbeschränkter Macht, zudem würden Leute mit «einer bestimmten politischen Richtung» gezielt befördert. Ich finde es ja auch bedauerlich, dass unser oberster Währungshüter nicht gelegentlich Salsa tanzt und nach sechs Mojitos nach Hause geschleift werden muss. Aber mit Sexismus hätte das noch nicht viel zu tun.

Eher ein leiser als ein lauter Sexismus

Das fällt gerade rechtzeitig auch den «Republik»-Autoren ein, also fahren sie fort, durch alles hindurch ziehe sich «ein manchmal leiser, öfter offenkundiger Sexismus. Der sich auch daran zeigt, dass bei der Nationalbank auf 8 von 10 Führungs­posten Männer sitzen.»

Das kann Sexismus sein, das könnte vielleicht auch damit zu tun haben, dass selbst aktuell nur 35 Prozent aller Studenten der HSG weiblich sind. Aber wie auch immer, es gibt genügend geschilderte Vorfälle, um anzunehmen, dass die SNB ein paar Probleme mit Frauen hat. Beziehungsweise mit deren Behandlung und Förderung.

Wer nun aber saftige Darstellungen übler Übergriffe erwartet, wird enttäuscht. Um «Skandal, Sexismus, Chauvinismus» und «strukturell verankert» zu krähen, das geben die Fallbeispiele eigentlich nicht her.

Fragen bei Bewerbungsgesprächen, die fehl am Platz sind, so zu früherem Einkommen oder der familiären Situation, die aber selbst von einem «Republik»-Experten allerhöchstens als «grenzwertig» bezeichnet werden, das ist zwar nicht gut, aber weit von einem Skandal entfernt.

Dann gibt es Klagen über «ganz normalen Alltagssexismus». Der äussere sich darin, dass Frauen unter Druck gesetzt würden, ein Vorgesetzter habe einmal einer Mitarbeiterin erklärt, wofür deren Geschlechtsorgane gut seien.

Die allgemein übliche Lohndiskriminierung

Schliesslich die in der gesamten Schweizer Arbeitswelt vorhandene Lohndiskriminierung. Das ist nun wirklich kein spezifisches Problem der SNB. «Die hier geschilderten Vorfälle wiegen schwer», urteilt die «Republik» in eigener Sache. Publizitätshungrige Politiker eilen natürlich herbei und kündigen gewichtig parlamentarische Vorstösse an.

Ohne einen einzigen der geschilderten Vorfälle verniedlichen oder bezweifeln zu wollen: Die SNB hat 937 Mitarbeiter. Dass es unter denen den einen oder anderen testosterongesteuerten Macho gibt, ist bedauerlich. Lohndiskriminierung per Geschlecht ist nicht nur bei der SNB ein Problem. Aber angesichts der geringen Zahl und der geringen Schwere der geschilderten Vorfälle hat SNB-Direktor Thomas Jordan natürlich recht, wenn er von inakzeptablen Einzelfällen spricht.

Dass sich weder er noch die SNB zu spezifischen, einzelnen Fällen äussern, ist keine Dialogverweigerung, sondern schlichtweg als Arbeitgeberpflicht vorgeschrieben.

Zwei Fragen drängen sich allerdings auf

Zwei Fragen stellen sich aber doch bei diesem Artikel: Fabio Canetg bezeichnet sich darin selbst als «Geldökonom». Da täte vielleicht eine Fortbildung not, denn mit seiner Behauptung, die SNB verwalte «ein Volksvermögen von 950 Milliarden Franken», würde er bei jedem Anfängerkurs an der HSG durchfallen.

Und müsste eigentlich von der Uni verwiesen werden, da er selbst auf Nachfrage sich nur artig für das Interesse bedankt und auf die Webseite der SNB verweist, wo als «Anlagevolumen» per Ende Juli 949 Milliarden Franken aufgeführt sei. Meiner Treu, wenn das die wissenschaftliche Zukunft der Schweizer Volkswirtschaft ist. Setzen, Strafaufgabe: Wir basteln uns eine doppelte Buchhaltung, schreiben links Aktiva und rechts Passiva und schauen, was rechts übrig bleibt, wenn man die Passiva von den Aktiva abzieht. Waseliwas?

Schliesslich ist dieser «Republik»-Artikel die Fortsetzung eines Werks für swissinfo. Sich selbst kopieren ist durchaus erlaubt, wenn auch nicht rasend originell. Aber im Kampf gegen Frauendiskriminierung muss die Frage erlaubt sein, wieso in der «Republik» die Mitarbeiterin, mit deren «Unterstützung» Canetg das Original schrieb, unerwähnt bleibt. Die Nachfrage nach der verschwundenen Mitarbeiterin am Artikel beantwortet Canetg einfach nicht. Auch auf die Gefahr hin, sich damit doch einem verschärften Sexismusverdacht auszusetzen. Stolz vermerkt Canetg im «Republik»-Artikel hingegen, dass ebenfalls der «Blick» über dieses Männerproblem bei der SNB berichtet habe.

Darf man das Inzucht nennen, oder wäre das irgendwie -istisch?

Wäre es wirklich ein Platzproblem geworden, wenn er erwähnt hätte, dass die «Blick»-Kolumnistin Patrizia Laeri, seine Mitautorin, in ihrer «Blick»-Kolumne seinen swissinfo-Artikel lobend erwähnte? Eingeleitet mit der vorwurfsvollen Schilderung, dass sich Thomas Jordan doch erfrecht habe, auf eine Reihe blöder Fragen von ihr bei einer Pressekonferenz höflich zu antworten: «Frau Laeri, diese Fragen meinten Sie aber nicht ernst?»

Wenn Jordan wüsste, wie knapp er da einem Sexismus-Vorwurf entkam, wo Laeri doch einen grünen Rock trug und sich nach der Nachhaltigkeit von SNB-Anlagen erkundigte.

Wie viele Mitarbeiter braucht es, um Externe Artikel schreiben zu lassen?

Sozusagen in eigener Sache noch zwei Bemerkungen zur «Republik». Trotz 50 Nasen auf der Payroll wurde dieser Artikel, mit dem das Online-Magazin mal wieder in die Schlagzeilen kommen will, von zwei Externen geschrieben. Genauso wie die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals und seine Enthüllung in der «Financial Times» der Einfachheit halber von der FT übernommen wurde.

Wenn man alles zusammenzählt, hat die «Republik» in den vergangenen sieben Tagen 29 Stücke rausgepustet. Davon höchstens 27 eigene. Also nur unwesentlich mehr als ZACKBUM.ch. Was dort pro Monat so eine halbe Million kostet, hier bei drei Nasen null.

Wollen sich die Genossenschafter der «Republik» so nebenbei entmannen lassen?

Und so ganz nebenbei gibt die «Republik» bekannt, dass es mal Zeit für eine Statutenänderung sei. Nix wirklich Wichtiges, einfach eine Anpassung, Präzisierungen, you know, ladies and gentlemen. Darin versteckt wird die Budgethoheit von der Genossenschafterversammlung auf den Vorstand verschoben. Dessen Mitglieder auch nicht mehr jedes Jahr, sondern nur noch alle drei Jahre gewählt werden sollen.

So genossenschaftlich-republikanisch und basisdemokratisch soll es also bei der «Republik» künftig zu und hergehen. Erinnert irgendwie an die «Animal Farm» von Orwell, finde ich.

Man darf gespannt sein, ob die dafür nötige Zweidrittelmehrheit bei der Urabstimmung erzielt wird; sich die Genossenschafter also selber, Pardon, entmannen wollen. Wo doch die Finanzen nicht so wirklich die Kernkompetenz der «Republik»-Macher sind.