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Die «Republik» tief im Elend

Jeder «Untersuchungsbericht» macht’s noch schlimmer.

Es ist ein Bericht aus dem Gagaland: «Zwei der Betroffenen sollen zum Zeitpunkt der Vorfälle bei der Republik angestellt gewesen sein, ob auch heute noch ein Arbeits­verhältnis mit der Republik besteht, konnte die Republik nicht abschliessend beantworten. Die Vorwürfe wurden anonym erhoben, die Republik kennt die Identität der Betroffenen nicht.»

Die «Republik» untersucht also Vorwürfe von anonymen, angeblichen «Betroffenen». Gaga.

Darüber hinaus liess sie den «Anstellungsprozess der beschuldigten Person» untersuchen. Das habe ergeben, «dass die Republik eine Hinweis­geberin unangebracht und ohne Wertschätzung behandelt sowie keine geeigneten Massnahmen ergriffen hat, um künftige sexuelle Belästigungen im Arbeits­umfeld möglichst zu vermeiden». Unangebracht und ohne Wertschätzung. Gaga.

Interessanter dann der «Prozess nach der Meldung an die Geschäftsführung». Vielmehr der Nicht-Prozess, das gelähmte Zuwarten. Die GL habe prima gehandelt, «sich aber durch die rechtliche Beratung bei ihren Entscheidungen fehl­leiten» lassen. Gaga.

Nur zwei Wochen lang installierte die «Republik» eine «Meldeplattform». Da hätten «ca. 20 Personen 35 Meldungen abgegeben», also ein Paradies für Denunzianten. «Teilweise war ihnen (den externen Betreibern, Red.) die Identität bekannt, teilweise waren die Meldungen anonym. Sie erhielten aber auch Meldungen von Zeuginnen, die etwas selbst gesehen haben, oder denen etwas zugetragen wurde. Dadurch lassen sich auch anonyme Meldungen plausibilisieren.» Denunziationen auch vom Hörensagen. Gaga.

«Zum Schutz der meldenden Personen und da eine sofortige Trennung aufgrund des ausgewerteten Materials für die Arbeit­geberin alternativlos war, hat keine erneute Konfrontation des Beschuldigten mehr stattgefunden.» Bis heute für die GL anonyme Personen erheben Anschuldigungen. Auf der Meldeplattform gibt es weitere, teilweise anonyme Anschuldigungen. Und diese anonymen Denunzianten müssen dann «geschützt» werden? Dem Angeschuldigten wird das vorher zugesagte fundamentale Recht der Konfrontation verweigert? Das sei im merkelschen Sinne «alternativlos»? Gaga.

Aber es wird noch bedenklicher: «Eine sorgfältige Analyse aller Meldungen zeigt, dass die Republik AG von Anfang an mit personellen Konflikten, Führungs­kämpfen und verletzendem persönlichem Verhalten auf verschiedenen Ebene konfrontiert war.»

Hoppla. Das Magazin für die Besserung der Welt, die Heimat des erhobenen Zeigefingers, der Besserwisserei, der Verurteilung allen Fehlverhaltens bei anderen ist ein wahrer Intrigantenstadl, wo jeder jeden (und jede) in die Weichteile tritt?

Oder wie sagte die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger noch im Februar dieses Jahres so schön wie peinlich: «Diese NZZ-Polemik ist vollkommen haltlos. Ich habe die Tamedia 2017 verlassen, um mich an der Gründung der Republik zu beteiligen – und ich kann Ihnen versichern, dass die Tamedia- und Republik-Betriebskultur nichts miteinander zu tun haben.» Die NZZ hatte beim Roshani-Skandal die Rolle der übrigen Medien (und auch die von einigen ehemaligen Tamedia– und inzwischen «Republik»-Redaktoren) scharf kritisiert; allerdings nicht die eigene, verfehlte Berichterstattung.

Übrigens kläffte damals auch der inzwischen fristlos Gefeuerte: «Ich habe das Magazin 2014 wegen Finn Canonica verlassen … Wenn die NZZ das heute für Republik-Bashing missbraucht, kann ich ihr auch nicht helfen. Ich war drei Jahre beim Magazin, 2011 bis 2014, und kann ehrlich gesagt nicht viel Gutes über die Zeit dort sagen. Dass ich schweigender Teil irgendeiner Kultur gewesen sein mag, ist, entschuldigen Sie den Ausdruck, geradezu lachhaft.»

Ob der Mann heute noch lacht?

Schon interessant, wie diese Herren damals noch auf dem hohen Ross ritten. Erinnert an den Kinderreim:

«Hoppe, hoppe Reiter.
Wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er ins grüne Gras,
macht er sich die Hosen nass.»

Sind das alles vielleicht Figuren, und die wollen moralische Instanz sein und die Demokratie retten. Gaga.

 

Nach dem Feuern ist davor …

Tamedia macht’s schon wieder: rausschmeissen.

Tamedia arbeitet unermüdlich daran, das Qualitätsniveau weiter zu steigern – mit immer weniger Mitarbeitern. Ein Wunder in der Liga von Wasser in Wein verwandeln. Denn schon rauscht die nächste Kündigungswelle durch den Newsroom und durch das Glashaus.

Psychologisch geschickt nützt die unfähige Teppichetage die Spalte zwischen Nationalratswahlen und Monatsende. Da sind doch hoffentlich die anderen Medien ausgelastet. Wahlen, Naher Osten, ein wenig Ukraine, wo soll’s da noch Platz für die Meldung geben, dass schön nach Ressorts aufgeteilt mal wieder unerfreuliche Nachrichten verkündet werden mussten.

Im neu eingeweihten, schnuckeligen Newsroom, wogegen die Käfigtierhaltung geradezu grossräumig und grosszügig erscheint, hat einer der Gekündigten vor lauter Freude über einen so sozialen und verantwortungsbewussten Arbeitgeber dermassen fest in einen Papierkorb getreten, dass man in den Verrichtungsboxen kurz aufschreckte.

Schon bei der letzten Sparrunde wurden manche Ressorts faktisch halbiert. Aber wenn die Überlebenden meinten, dass man nun ein Skelett nicht mehr weiter abmagern könne, dann haben sie sich getäuscht. Einer geht noch, muss wohl die Devise von oben sein.

Die Stimmung erreicht neue Höhepunkte in der Tamedia-Mannschaft. Überall wird geschmürzelt, gespart und gefeuert. Nur nicht beim hypertroph aufgeblasenen Overhead. Ganz oben sind es Familienbande, im Verwaltungsrat regiert vernetzte Hilflosigkeit, aber in der Redaktionsspitze ist der einzig entscheidende Faktor das Geschlecht. Peinlichkeit ist hingegen hier kein Kriterium, Untätigkeit auch nicht.

Also, liebe Überlebende, weint den Verflossenen nicht zu viele Tränen nach. Spart noch ein paar für euch selbst auf.

Missing!

Ukraine, Israel, schrecklich. Aber: wo ist Kim?

Nein, wir sprechen hier nicht von Kim dem Dickeren in Nordkorea. Dessen Aufenthalt und vor allem seine Taten sind bestens dokumentiert. Leider wird die grossartige Seite kimjongunlookingatthings nicht mehr aktualisiert. Aber sie ist immer noch zum Totlachen.

Grossartig auch der hier:

Und als Absackerchen:

Aber wir schweifen ab. Denn hier soll die Rede sein von einem anderen Herrn mit Frisurproblemen. Von einem gefeierten Literaten, mit Preisen überschüttet, immer zu einem Dichterwort über seine Arschbacken und andere Körperteile in der Lage.

Ein Mann, ein Wort. Nun ja, also eigentlich kein Mann, mehr so etwas Fluides, Non-Binäres, das nicht weiss, was es bedeuten soll, geschweige denn, wie man Worte anders als stammelt. Nun wurde dieser «Shootingstar» der Schweizer Literatur flugs vom Qualitätskonzern Tamedia als Ersatz für Rudolf Strahm auserwählt. Erst im Februar wurde er/sie/es als Mitglied eines neuen Kolumnistenteams stolz präsentiert.

Dann schrieb er/sie/es, wenn man das so nennen mag, tatsächlich ein paar Kolumnen. Aber oh Schreck, seit Wochen, ja Monaten ist er/sie/es verstummt. Eine besorgte Nachfrage, was denn mit Kim de l’Horizon geschehen sei, bekam nach länglichem Zögern eine besorgniserregende Antwort: «Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kann Tamedia dazu keine Auskunft geben

Ein anderer Blog war etwas erfolgreicher und wurde so beschieden: «Nach drei Tagen meldete sich Tamedia dann doch noch: Kim de l’Horizon habe die Kolumne aus persönlichen Gründen vorübergehend unterbrochen. Sie werde zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt.»

«Da steh› ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor», da hilft ja nur noch Goethe. Das ist, liebe Nora Zukker, aber lassen wir das. Persönliche Gründe? Wurde er Opfer eines neuerlichen Eier-Attentats? Hat ihn die Schreibkraft nicht mehr übermannt, sondern entmannt? Heisst es bei ihm «zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust»? Auch Goethe, auch «Faust», aber wozu Zukker weiter quälen.

Denn sie als «Literaturchefin» des hochwohllöblichen «Tages-Anzeiger» müsste doch mehr wissen; der aktuelle Literaturpreisträger ist ernannt und wurde (allerdings nicht von ihr) auch im Tagi gewürdigt (allerdings nicht vom Tagi, sondern von der Süddeutschen im Tagi). Also gäbe es doch genug Zeit für eine Spurensuche. Zeichnet sich hier ein neuer Fall B. Traven ab? Ist der/die/das Dichter verschwunden? Dichtet er/sie/es etwas Neues? Oder ist er/sie/es nicht mehr ganz dicht?

ZACKBUM findet: auch neben der Ukraine und Israel muss noch Platz sein für die Frage: Wo ist Kim? Vor allem muss eine Antwort gefunden werden, das ist Tamedia dem zahlenden (und auch dem nichtzahlenden) Leser schuldig. Schliesslich muss man sich doch geistig darauf vorbereiten, von einer neuerlichen Sprachvergewaltigung aus dem Hause Kim überfallen zu werden. Auf leeren Magen geht das ganz schlecht. Dafür muss man sich zuerst sammeln, stärken, tapfer sein.

Also bitte, lieber Tagi: sollte Kim seine Kolumne tatsächlich fortsetzen (und ist das nicht nur eine leere Drohung), dann bitte mindestens 5 Tage Vorwarnzeit. BITTE.

Kultur im Keller

Tamedia hat nachgelegt. Eine Würdigung von Jon Fosse …

Manchmal nutzt es doch, wenn ZACKBUM meckert. Inzwischen hat das Heim der hochstehenden Qualitätsmedien in Sachen Literaturnobelpreis nachgelegt. Statt der nicht gezeichneten Klebaktion wird nun Mensch und Werk angehimmelt.

Wunderbar. Ist die Leiterin (was leitet sie eigentlich?) der Literaturredaktion (was für eine Redaktion?) Nora Zukker aufgewacht, backt nicht mehr Kuchen, sondern tut ihre Pflicht?

Das wäre zu viel verlangt. Ein Felix Stephan greift für Tamedia in die Tasten. Stephan who? Na, der Autor der «Süddeutschen Zeitung» natürlich.

Auch er kämpft etwas unglücklich mit den Worten und beginnt merkwürdig: «In Jon Fosses siebenteiliger, aus einem einzigen Satz bestehender Romanreihe «Der andere Name» gibt es eine Szene …» Aber dann schwingt sich Stephan in den Olymp des Geschwurbels auf. Da muss nun der Leser durch:

« … den Bereich der monastischen Innerlichkeit, das transzendente Zwiegespräch mit dem Allumfassenden verlassen … Mit dieser Szene, einer kunsttheoretischen Mise-en-abyme, ist auch die Ästhetik des norwegischen Romanschriftstellers … Die Versuchung ist gross, die Heptalogie «Der andere Name» autobiografisch zu lesen … Neben Jacques Derrida ist Fosse vor allem von dem mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart beeinflusst … Diese Selbstverdopplung und die Erfahrung, in zwei Dimensionen gleichzeitig präsent zu sein, ist in seiner Heptalogie konstitutiv … Gilles Deleuze und Félix Guattari haben in ihrem berühmten Aufsatz über Kafka den «kleinen Literaturen» eine revolutionäre Kraft zugeschrieben …»

Etwa verstanden? ZACKBUM musste auch Heptalogie nachschlagen, das ist ein banaler Siebenteiler. «Miss-en-abyme» muss man nicht kennen, man kann auch schlicht Bild-im-Bild sagen, aber das hört sich natürlich nicht so geschwollen an. Dann noch etwas abgelegene französische Philosophen wie Derrida oder Deleuze, wobei ZACKBUM sich wundert, dass Foucault und Althusser fehlen.

Zuerst liebloses Geschwätz, dann selbstverliebtes Geschwafel. Und wo ist Zukker? Wo bleibt die «Literaturredaktion» von Tamedia? Die ist wohl dorthin verschwunden, wo sich das «Kultur-Team» schon seit Monaten aufhält: im Abyme, im Abgrund.

Bis zu 759 Franken im Jahr für Schrott, für copy/paste aus der «Süddeutschen», für selbstverliebte Nabelschau von Kommentatoren, die keiner liest oder die gar nicht mehr schreiben? Für ein Organ, in dem «Persönlichkeitsschutz» jede Auskunft über die Befindlichkeit von gross angekündigten neuen Kolumnisten verbietet? Für ein Blatt, das unter weiblicher Leitung immer mehr vor die Hunde geht?

Das von einem inkompetenten Big Boss zum Skelett runtergespart wird, während sich der Coninx-Clan eine Sonderdividende gönnt? Wo Corona-Kreischen, SVP-Basher, Genderstern-Heros mit  ihren Hobbys die Leser quälen dürfen? Wo Digital-Chefs lauwarme Luft ausstossen? Wo «Digital Storytelling» gepflegt werden soll, davon aber nix zu sehen ist? Wo die verbleibenden Redakteure so zusammengepfercht werden, dass der Tierschutz schon längst auf der Matte stünde, wenn es sich um Nutzvieh handelte?

Da bleibt nur noch die Flucht in den «Bereich der monastischen Innerlichkeit», was immer das sein mag.

Wo ist Zukker?

Schon wieder eine Frage des Persönlichkeitsschutzes?

Einmal im Jahr greift so ziemlich jeder Literaturchef jedes Mediums in die Tasten. Nämlich dann, wenn der Literaturnobelpreis vergeben wird.

Dieses Jahr trifft es den nicht wirklich überragend bekannten Jon Fosse aus Norwegen. Nun gut, es gab schon Schlimmeres. Oder wer kennt schon Annie Ernaux, Abdulrazak Gurnah oder Mo Yan? Und wer hat schon verstanden, wieso Bob Dylan den Preis bekam – und nicht mal persönlich abholte?

Wie auch immer, Fosse ist nun nicht so abgelegen, dass der Literaturchef zuerst mal googeln müsste, bevor er zu einer Lobpreisung (oder Kritik) ansetzt. Das gilt auch für Literaturchefinnen.

Nun ist es aber so, dass der Bildungsrucksack von Nora Zukker von Tamedia nicht gerade randvoll gefüllt ist. Sie umgibt sich lieber mit Schwachmaten oder Tieffliegerinnen wie Simone MeierJuden canceln»). Oder findet Kim toll.

Nun ist es aber so, dass der Artikel im Reiche der Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia nicht mal gezeichnet ist, der eher lustlos den neuen Nobelpreisträger vermeldet, auf vergangene zurückblickt und überhaupt zusammenkehrt, was man nicht unbedingt wissen will. Zu vermuten steht, dass er aus Tickermeldungen zusammengeklebt wurde.

Drangeklebt ist noch eine etwas aufdringliche persönliche Betrachtung von Alexandra Kedves: «Als ich Fosse damals zur Offenheit der Besetzung in dem formal radikal verdichteten Zweistimmenstück befragte, lächelte er kurz und sagte …»

Formal radikal verdichtet, hm, kann der Kenner abschmecken, riecht allerdings etwas nach verhoben, verkrampft, verschweisselt, pseudo. Aber immerhin, Kedves kennt den Genobelten, wunderbar. Und hat sogar mal ein Stück von ihm gesehen, noch wunderbarer.

Aber: wo ist Zukker? Schliesslich fragt sie auf ihrer Webseite: «Sie suchen eine Kulturvermittlerin, Moderatorin, Journalistin?» Und führt unter «Referenzen» an: «Tamedia: Nora Zukker übernimmt die Leitung der Literaturredaktion». Genau das suchen wir gerade, finden aber nichts.

Gut, sie fragt auch noch, ob man ihr «einfach so was Nettes schreiben» wolle. Ja, will ZACKBUM: Nora, wo sind Sie? Wurden Sie ein Opfer von Sparmassnahmen? Wurden Sie doch von einem schweren Buch erschlagen, das Sie im Bett lesen wollten? Ging das Internet nicht, also konnten Sie nicht nachschlagen, wer Fosse eigentlich ist und was der geschrieben hat?

Wir trauen uns nun nicht, die Medienstelle von Tamedia zu fragen. Nein. Denn wir befürchten, dass man uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes auch über Ihren Verbleib keine Auskunft erteilen wird. Was uns natürlich zur Frage führt: oder hüllen Sie sich zusammen mit Kim, dem Könner, in einem Schutzraum in Watte ein? Trösten Sie ihn nach einem neuerlichen Eier-Attentat?

Wir wissen es nicht. Wir werden es vielleicht auch nie erfahren. So rätselhaft kann eben Literatur sein. Schliesslich titelt in Ihrer Abwesenheit der Tagi, Fosse gebe «dem Unsagbaren eine Stimme». Was immer das bedeuten mag – ausser, dass es eine unsägliche Flachheit ist. Aber, wer weiss, vielleicht versagt Ihre Stimme vor dem Unsagbaren? Oder verstimmt Sie das Sagbare? Sagen, stimmen, schweigen, kritzelte so etwas Ähnliches nicht Kurt Tucholsky in sein Tagebuch? Wer das war? Ach, lassen wir das alles am besten.

 

Lieblingsjob der Medien

Die Beispiele für Leserverarschung purzeln nur so herein.

Der Beitrag vom «Blick» zum Thema: kann man so oder so sehen. Kleine Hilfe für den verwirrten «Blick»-Leser: Das KOF ist meistens doof und muss seine Prognosen regelmässig korrigieren …

Man muss schon sagen, «20 Minuten» befasst sich mit den letzten Fragen der Menschheit, mit ungelösten Rätseln, die die Jahrtausende überdauerten, seit der Neandertaler das erste Mal dem Thema Körperhygiene nähertrat und sich die Hände abwischte, nachdem er ein Mammut verspeist hatte. Aber erst sehr viel später begann er damit, etwas gegen Achselschweiss zu unternehmen.

Das hier ist nun eine absolute Null-Meldung; richtig aus «watson». Natürlich gibt es Beschwerden gegen solche Sendungen, ist doch sonnenklar. Ganze vier seien beim Ombudsmann der SRG eingegangen. Soweit, so gähn. Was wird genau beanstandet, hat das Hand und Fuss? Sobald die interessanten Fragen beginnen, sagt «watson»: öh, das wissen wir doch auch nicht. Das ist echte Leserverarschung mit Anlauf.

Und nun als Absackerchen die Lieblingsbeschäftigung der Journalisten: mit sich selbst, über sich selbst, gegen die anderen.

Gleich ein Team und eine Einzelkämpferin befassten sich mit einem wirklich weltbewegenden Aspekt der Läderach-Affäre. Die liegt bereits in den letzten Zügen, noch ein wenig «ich auch», noch Zusammengekehrtes («wie viele solcher Schulen gibt es in der Schweiz?»), und tschüss.

Aber vorher noch:

So titelt CH Media in seinen unzähligen Kopfblättern. Und erzählt die Geschichte nach, die Roger Schawinski auf seinem «Radio 1» erzählte. Er habe den Chef des Zürcher Film Festivals (ZFF) Christian Jungen am Freitagabend angerufen und davon überzeugt, den Dok-Film anzuschauen. Das habe den sensiblen Mann so geschüttelt. dass er bis spätnachts nicht habe schlafen können, erzählte Schawinski weiter. Und schon am Samstag trennte sich das ZFF von seinem «Partner» Läderach.

CH Media gibt sich erstaunt: «Am Freitag hatte sich das ZFF noch selbstbewusst hinter seinen Sponsor gestellt. Gegenüber verschiedenen Medien wurde betont, man stehe «voll und ganz zur Partnerschaft mit Läderach».» Und dann das. Dabei hätte das ZFF doch wissen müssen, dass Läderach nicht ganz unumstritten sei.

Mit etwas spitzeren Fingern fasst Nina Fargahi (Ex-«Edito») das Thema an. Ihr Artikel für die vielen Kopfblätter von Tamedia beginnt mit einer Einleitung, die man jedem Journalistenschüler um die Ohren hauen würde: «Die Ereignisse überschlagen sich …» Was für eine Leserverarschung; hier überschlägt sich nichts, von Ereignissen ganz zu schweigen.

Überschlagen tut sich höchsten Fargahi: «Radiomacher Roger Schawinski will eine Rolle gespielt haben. Das sagt er zumindest in seiner letzten Sendung «Roger gegen Markus».» Darauf habe schon seit Streitpartner Markus Somm ironisch reagiert: «Dieser fasst spöttisch zusammen: «Roger Schawinski war also entscheidend für diesen Boykott.»»

Worauf sich die beiden verbal gebalgt hätten. Dann rapportiert Fargahi, dass Jungen doch tatsächlich die Aussagen von Schawinski bestätigt habe; er sei aber nicht für das Sponsoring zuständig. Das lässt die Recherchierjournalistin so stehen, weil das wieder Zweifel an der Bedeutung der Rolle von Schawinski lässt. Dabei ist es lachhaft, dass der Big Boss des Festivals solche Entscheide nicht anordnen kann.

Vielleicht ist man bei Tamedia immer noch nachtragend, weil man vor vielen Jahren das TV- und Radioimperium von Schawinski zu einem exorbitanten Preis übernahm – und anschliessend gewaltig abschreiben musste.

Halt einer der vielen Fehlentscheide des Hauses. Aber noch lange kein Grund, dass sich gleich die beiden Duopolisten im Deutschschweizer Zeitungsmarkt («Blick» kann man ja nicht wirklich ernst nehmen) darum kümmern, ob und wie und wie wichtig eine Intervention von Schawinski gewesen sei. Das interessiert ausser ihm selbst und die Journaille nun eigentlich niemand wirklich. Aber wenn Journalisten über Journalisten schreiben können, und erst noch leicht hämisch, dann ist die Versuchung übergross.

Und der zahlende Leser fühlt sich mal wieder verarscht.

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.

 

 

 

Versager 1

Nach dem Rausschmeissen ist vor dem Rausschmeissen.

Es muss unbändig Spass machen, bei Tamedia zu arbeiten. Der Journalismus geht vor die Hunde, nur die Attitüde bleibt gleich. Ihren Bauchnabel betrachtende Wichtigtuer belästigen die flüchtenden Leser mit ihren Befindlichkeiten und Ansichten über die Welt. Vor allem über Themen wie Gendern, obwohl sie selbst einräumen müssen, dass das der Mehrheit ihrer Leser schwer am Popo vorbeigeht. Aber da sehen sie dann eine Erziehungsaufgabe. Im Journalismus gibt es nichts Schlimmeres.

Das ist das eine.

Das andere ist ein Management, das aus Versagern besteht. Wir wollen nicht vertiefen, dass diverse leitende Redakteurinnen nicht qua Kompetenz, sondern qua Geschlecht in ihre Positionen kamen. Dort können sie jede Menge Quatsch machen, denn wer würde sich trauen, freiwillig in den Sexismus-Hammer zu laufen?

Das ist das andere.

Aber noch schlimmer als das – doch, es lässt sich steigern – ist das Versagen des männlichen obersten Managements. Nach dem Hammer in der Romandie (3,5 Millionen Sparübung, wohl 28 Stellen weg, mehr als 10 Prozent!) kommen nun wie angekündigt nochmal 2,5 Millionen und rund 20 Stellen in der Deutschschweiz obendrauf.

Das findet statt, nachdem in nur drei Jahren bereits 70 Millionen eingespart werden mussten. Kurzer Zwischenstopp: 2021 spülte es 832,7 Millionen Gewinn nach Steuern (EAT) in die vielen Taschen des Coninx-Clans. Sondergewinn durch das Joint Venture mit Ringier mit den Verkaufsplattformen. 2022 schnurrte das dann auf einen Verlust von 4,6 Millionen zusammen. Natürlich gab es zuvor Champagner und Sonderdividende, im letzten Jahr dann nur Champagner. Denn Big Boss Pietro Supino ist unkaputtbar. Im Gegensatz zu seinem Konzern.

Wie wurde das schöngeredet? Ein Satz für Humoristen: «TX Group steigert den Umsatz organisch um rund 7 Prozent und schliesst das Geschäftsjahr 2022 mit einem normalisierten Betriebsergebnis von 100 Mio. CHF ab.»

Wir Beobachter können uns die Lachtränen aus den Augen wischen, für die Tamedia-Mitarbeiter ist es entschieden weniger lustig. Während Supino beim Verkünden solcher Bad News lieber segelt, müssen seine Untergebenen Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron (wir nennen den Herrn einfach Müller) den neusten Rausschmiss rundreden.

Erosion im Printmarkt, Stabilisierung des publizistischen Geschäfts, das Digitalgeschäft wachse zwar, könne die Verluste nicht kompensieren. Aber: Kostenoptimierung, zukunftsfähig, schlagkräftig, Blabla.

Realität ist: der neue Digital-Guru Müller bringt’s nicht. Er hat’s auch in seinen vorherigen Stellen nicht wirklich gebracht; man sah ihn immer lieber gehen als kommen. Die von seinem vorherigen Arbeitgeber «Tagesspiegel» abgekupferte Idee «Der Verkehrsmonitor – Mehr als nur Neuigkeiten» wird’s garantiert nicht rumreissen.

Genauso wenig die neue CEO Jessica Peppel-Schulz. Die war nach einem «Sabbatical Break» von schlappen neun Monaten für 28 Monate CEO bei Conde Nast. Dem deutschen Ableger des Lifestyle-Konzerns. Das forderte sie so, dass sie sich neuerlich ins Sabbatical Break von gleich 10 Monaten begab – bis zum Stellenantritt am 1. Oktober bei Tamedia. Das gibt Hoffnung.

Was die Fähigkeiten des obersten Chefs betrifft, wollen wir uns nicht wiederholen.

Das ist das dritte und Fatale. Natürlich gibt es im Journalismus Herausforderungen zu bewältigen. Nachdem uns das Internet erst vorgestern aus heiterem Himmel angesprungen hat, sucht das Management noch nach Antworten. Verständlich.

Oder im Ernst: wer wirklich meint, er könne deutlich weniger Leistung, deutlich weniger Angebot für deutlich angehobene Preise erfolgreich verkaufen, der ist wohl mal mit dem Kopf in die Druckmaschine geraten.

Im Ernst: Der Niedergang des Qualitätsjournalismus im Hause Tamedia, im Gebäude Tx, ist nicht in erster Linie den Umständen geschuldet. Sondern dem krachenden Versagen des leitenden Managements. Wem jahrelang nur dumme Sprüche, Gedöns und haltlose Behauptungen («Digitalisierung!») einfallen, wem in Wirklichkeit nichts anderes als Zu-Tode-Sparen einfällt, wer damit den Leser für dumm verkaufen will («noch besser, noch näher»), der hat’s nicht anders verdient.

Dabei verdient sich die Teppichetage unverdient weiterhin dumm und krumm. Ausbaden müssen dieses einmalige Versagen die Mitarbeiter. Entweder werden sie gefeuert, oder sie gehen freiwillig. Oder sie resignieren. Wer bleibt, muss – weil er zu alt oder zu unfähig ist, woanders einen Job zu finden.

Widerspruch wagt keiner, denn hier sind die Manager mal clever. Sie geben zuerst die Zahl der Gefeuerten bekannt, dann werden die in den einzelnen Redaktionen über ihr Schicksal informiert. So traut sich keiner zu offenem Protest. Denn das könnte ja die Stelle gefährden.

So soll attraktiver Journalismus entstehen, dem Leser der Mund wässrig gemacht werden, dazu animiert, das Portemonnaie weit zu öffnen und die exorbitanten Abopreise zu bezahlen?

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, keine dritte. Entweder, die Führungscrew von Tamedia glaubt das wirklich. Dann haben sie allerdings ein Verhältnis zur Realität wie Kim Jong-un. Oder aber, in Wirklichkeit ist ihnen Journalismus schlichtweg scheissegal, wenn man damit keine Subventionen absaugen kann.

Man darf einmal raten, welche Variante es ist.

Wumms: Pietro Supino

Der Mann spart ein. Leider nicht sich selbst.

Supino ist der Mann der grossen Töne und der kleinen Taten. Er singt das hohe Lied der Verantwortung der Medien, des Qualitätsjournalismus, Wächter- und Kontrollfunktion, Blabla.

Damit sorgt er regelmässig dafür, dass die Medien im Allgemeinen, Tamedia im Speziellen, an Glaubwürdigkeit und an Lesern verlieren. Das soll ihm mal einer nachmachen: die geballte Medienmacht des Verlegerverbandes gegen ein kleines Häuflein von Unerschrockenen, die gegen die Subventionsmilliarde für reiche Verlegerclans das Referendum ergriffen hatten. Und auf die Schnauze gekriegt.

Was fällt Supino im eigenen Haus so ein, um der Misere abzuhelfen? Einen Dampfplauderer als Vorreiter für das Digitale einsetzen. Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz durchsetzen.

Und vor allem und immer wieder: sparen. Sparen. Sparen und sparen. Sparen, begleitet vom immer gleichen Gelaber. In der Romandie werden wohl zehn Prozent aller Mitarbeiter rausgehauen.

Warum? Geschäftsmodell unter Druck, Werbemarkt, Umsatzrückgang, Blabla. Und die guten Nachrichten? Prozesse vereinfachen, Marken stärken und – der ewige Brüller – die Nähe zum Leser erhöhen.

Nun will Tamedia schon seit der ersten Sparrunde immer näher an den Leser, das will auch der Dampfplauderer im Digitalen, das wollen alle. Da erhebt sich doch die Frage, wie nahe man denn nun beim Leser sei. Kriecht man ihm schon unters Hemd? Steckt man in seinem Rachen? Im Gehörgang? Unter den Augenlidern?

Es ist eigentlich verwunderlich, dass bei dieser Wiederholung des Ewiggleichen noch kein Gefeuerter einen Blutrausch bekommen hat. Mehr sparen, aber mehr Qualität? Weniger Geld, aber mehr Synergie? Mehr Inkompetenz, denn in erster Linie bleiben ja die Duckmäuser, aber mehr Content? Mehr zahlende Leser durch mehr Bauchnabelbetrachtungen und seichte Analysen und dummes Gerüpel aus der Gesinnungsblase? Mehr Oktoberfest, weniger Schwingfest?

Es ist erbärmlich. Es ist ärmlich. Es ist eine Bankrotterklärung des leitenden und wohlbezahlten Managements, das sich und den Besitzern gerne mal eine Sonderdividende ausschüttet.

Das sorgt dann unheimlich für Stimmung in der Mannschaft, wo immer weniger mit gleichviel Rudern die Galeere durch die Wellen treiben sollen. Nach der Devise: rudert schneller, der Käpt’n will Wasserski fahren.

Beziehungsweise mit seiner Yacht in der Karibik schippern. Oder im Mittelmeer. Heute werden dann noch die Entlassungen in der Deutschschweiz bekanntgegeben. Mit dem gleichen Blabla.

Aber mal Hand aufs Herz, Herr Supino: fällt Ihnen wirklich keine sinnvolle Sparmassnahme ein? Nein, nicht im Maschinenraum. Oben, ganz oben, zuoberst oben. Oder schützt Familie vor allem?

Gibt Tamedia die Kultur auf?

Es ist Wüste. Und es gibt kein Leben dort.

ZACKBUM hat vor Kurzem die Kulturlosigkeit der unzähligen Tamedia-Kopfblätter kritisiert. Das hat gewirkt. Inzwischen verzichten die immerhin sieben Kulturschaffenden völlig auf eigene Beiträge. Man muss vermuten, dass sie in einen Streik getreten sind:

Das schämt sich auf der Homepage von Tamedia nicht, unter der Rubrik «Kultur» zu erscheinen. Im «Magazin» wurde ein Autor zu einem Kinoerlebnis befragt. Journalisten interviewen Journalisten, das ist immer das Begräbnis der Berichterstattung.

Weil nun wirklich nichts, einfach nichts produziert wurde, kommt sogar eine Kolumne aus dem «Magazin» zum Handkuss und wird unter «Kultur» aufgereiht. Die Kolumnisten werden sich sicherlich fragen, wie sie denn zu dieser zweifelhaften Ehre kommen. Nun, sie dürfen sich von jetzt an Kulturschaffende nennen, was sicherlich zu Lachsalven im Publikum führen wird.

Dann wird am «News-Ticker Kultur» weitergetickert. Hier überrascht uns die Kulturredaktion mit der Nachricht, dass der US-Schauspieler Danny (who the fuck) Masterson zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Denn er habe vor 20 Jahren zwei Frauen vergewaltigt. Aber die Berichterstattung ist nicht einmal eine Eigenleistung, sondern einfach von der SDA übernommen.

Und wenn sie sich schon mal bei der SDA eingetickert hatten, übernahmen sie auch gleich noch den epochalen Bericht über die neusten Entwicklungen im «Missbrauchsskandal». Wo, wie, was, haben wir etwas verpasst, wer wird denn in der Schweiz oder in Deutschland ans Kreuz genagelt? Aber nein, es geht um «Geständnisse in Japans Entertainment-Branche». Auch auf die Gefahr hin, als Sexist beschimpft zu werden: sowohl dieser Skandal wie auch seine Geständnisse im fernen Japan gehen uns so was von an einem bestimmten Körperteil vorbei, das lässt sich gar nicht in Worte fassen.

Aber zum grossen Leidwesen der Tamedia-Kulturredaktion bestehen diese Rubriken jeweils aus vier Ankündigungen. Da wurde aber Grosses geleistet. Denn die «Streaming-Tipps» für den Monat August wurden tatsächlich durch die Tipps für den Monat September ersetzt. Nach dieser herkulischen Anstrengung herrscht da aber wenigstens bis Oktober Ruhe.

Aber, manchmal gibt es Gedankenübertragung, beim Schreiben dieses Artikels tat sich plötzlich was in der Tamedia-Kulturwüste:

 

Wer bemerkt den Unterschied? Richtig, der «Kulturticker» ist weg. Dafür gibt es einen neuen Beitrag. Na also, geht doch. Geht nicht, denn das würde nun aber der Zentralredaktion zu viel abfordern. Also greift sie auf den Autor der «Süddeutschen Zeitung» zurück. Immerhin hat Willi Winkler das richtige Alter, um den neusten Streich der Altherrencombo «Rolling Stones» zu würdigen. Hat man zwar überall schon gelesen und gehört, aber halt noch nicht hier. Die haben ein neues Studio-Album aufgenommen. Wow. Nach 18 Jahren. Sagenhaft. Was soll man denn  dazu sagen? Da greift Winkler zum Kunstmittel, die Ankündigung in einem einzigen Bandwurmsatz abzuhandeln. Genial, originell, ungefähr so Neuland wie das erste Stück aus dem neuen Album.

Sehr beunruhigend dabei: dass die alten Säcke zur alten Nummer «wir sind ganz böse Jungs» ein leicht geschürztes Busenwunder sich auf einem roten Mercedes-Cabrio räkeln lassen, das muss sich noch unbedingt einen scharfen Verweis der Gender-Fraktion einfangen. Wo bleiben Tobler und Loser (hops, den Namen wollten wir ja nie mehr nennen), wo bleibt Hiltmann, ja wo bleibt Birrer, wenn man sie mal braucht?

Des Rätsels Lösung dürfte sein: alle sind so beschäftigt, dass sie keine Hand mehr frei haben, um sich über diesen neusten Sexismus-Skandal zu erregen: