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«watson» verbrät nun zweisprachig Geld

Jetzt haben auch die Romands das Geschenk. Pardon, nous sommes desolés.

Was ist besser als ein Millionengrab? Zwei, sagt sich offenbar Familie Wanner. Obwohl der begnadete Geld-Verröster Hansi Voigt schon länger entsorgt wurde, versteht niemand wirklich, wieso Wanners an «watson» festhalten wollen.

«Wir wollen im Kern die 20- bis 40-Jährigen abholen, die keine ‹Tagesschau› mehr schauen und keine Zeitung mehr lesen», verrät Watson-CEO Michael Wanner der NZZaS. Abholen ist gut, sieben Jahre lang mussten Lastwagen Geld aus der Privatschatulle der Wanners abholen, um die Millionenlöcher zu stopfen.

Aber 2020 könne man «einen kleinen Gewinn verbuchen», jubelt Wanner. Daran war Voigt gescheitert, der Jahr für Jahr den angekündigten Wechsel in schwarze Zahlen weiter hinausschob. Und was ein «kleiner Gewinn» bedeuten soll, im Verhältnis zu jahrelangen Millionenverlusten?

Die Welt von «watson» und die reale Welt

Aber die Welt von «watson» hatte schon immer eher wenig mit der Realität zu tun. Listicals zu allem und jedem, eine Mischung aus Nonsense und kleinen Realitätseinsprengseln, dazu Werbekampagnen, die kein Mensch versteht:

Was soll uns diese Image-Kampagne eigentlich sagen?

Ein roter Strich auf der Wange ist gezeigte Haltung? Das ist wirklich News ohne Blabla? Dieser Ansatz ist einfach zu intellektuell für mich, ich kapier’s nicht.

Was aber jeder versteht: diesen kleinen Gewinn erzielte Wanner, indem er auf Marketing setzte. Kein banales Einwerben von Inseraten mehr, statt dessen Beratung der Werbekunden bei ihrer «Kommunikationsherausforderung». Auf Deutsch: Redaktoren texten Texte. Über News, über Unsinn, über Listicals oder für Werbekampagnen. Am besten im Doppelpack. Sogenannter redaktioneller Beitrag, gleich daneben die Werbung. Gleich aufgemacht, gleich schmissig getitelt, deutliche Trennung von Content und bezahlter Werbung? Ach, das ist ja so von gestern.

Heute ist «Content Bridge», so zum Beispiel:

Ist doch alles ein Teig, sagt sich «watson».

Sehr verständlich ist hingegen der Ansatz, dass «watson» in die Romandie expandieren will, um seinen Werbekunden auch einen nationalen Auftritt für digitale Kampagnen bieten zu können. Da räumt bislang «20 Minuten» alleine ab.

Wanner wirft 5 Millionen auf – Stiftung Medienvielfalt hilft

Dafür schmeisst Familie Wanner nochmal 5 Millionen Franken auf. Genauer 2,5 Millionen, die andere Hälfte kommt – von der «Stiftung für Medienvielfalt». Die hat sich fest vorgenommen, nach dem Riesenflop «TagesWoche» weitere Möglichkeiten zu finden, das Geld einer reichen Pharma-Erbin unter die Leute zu bringen.

Zu den unterstützungswürdigen Organen gehören natürlich die «Republik», «Journal B», «Saiten» oder auch «bajour». Alles zum Untergang verurteilte Randgruppenorgane, immerhin mit gewissen Ansprüchen. Aber wie um Oeris Namen kommt die Stiftung dazu, Familie Wanner ein 2,5-Millionen-Darlehen zu geben, damit die nun auch nationale Werbekampagnen fahren können? Auf sechs präzise Fragen antwortet die Stiftung «zusammenfassend»: «Dieses Darlehen ist verzinst und mit einer festen Rückzahlverpflichtung verbunden. Es ist somit kein à fonds perdu-Förderbeitrag wie für Medienprojekte von gemeinnützigen Trägerschaften.»

Aha, aber wieso denn ausgerechnet für diese Schande des Journalismus? «Watson hat im Übrigen durchaus einen publizistischen Anspruch und unsere Wahrnehmung der Inhalte ist bei Weitem nicht so negativ wie Ihre Wahrnehmung. Wir möchten das nicht weiter kommentieren, sondern Sie für Fragen dazu wie auch zur finanziellen Situation der Familie Wanner an Watson bzw. an die Familie Wanner direkt verweisen.»

Aha, wir illustrieren kurz den journalistischen Anspruch:

Wahre Lebenshilfe und wahrer publizistischer Anspruch.

Die schnippische Empfehlung, sich an Familie Wanner zu wenden, brockte die Frage ein, wieso die Stiftung denn ausgerechnet einer nicht gerade am Hungertuch nagenden Verlegersippe von Multimillionären unter die Arme greifen will.

Ein Querschnitt aus dem darlehenswürdigen Angebot von «watson».

Bajour mit beachtlicher lokaler Bedeutung

Auch bei «bajour» hat die Stiftung ein ähnlich lockeres Verhältnis zur Realität wie «watson»: «Entgegen Ihrer Behauptung sind wir nie davon ausgegangen und war es nie das Ziel, dass bajour bereits nach drei Jahren selbstfinanzierend sein wird. Bajour hat nach etwas mehr als einem Jahr bereits eine ansehnliche Community und eine beachtliche lokale Bedeutung erlangt.»

In einem Jahr 2505 Zahler, Januar und Februar 2021 fehlen. Beachtliche Bedeutung?

Wie’s in Wirklichkeit aussieht, haben wir bereits umfangreich dargestellt. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Stiftung überzeugt ist, dass «bajour» nach Auslaufen der dreijährigen Unterstützung mit insgesamt 3 Millionen Franken in der Lage sein wird, aus eigenen Kräften eine halbe Million einzunehmen (aktuell rund 100’000), damit die Stiftung mit einer weiteren halben Kiste das aufgeblasene Budget von aktuell über einer Million füttern wird.

Immerhin, die Chance, dass Wanners das Darlehen mit Zinsen und pünktlich zurückzahlen, ist entschieden höher als bei allen anderen Projekten der Stiftung. Wozu Wanners aber überhaupt ein solches Darlehen brauchen, wo man ihnen heutzutage im Negativzinsumfeld auch Geld nachwerfen würde, ist genauso unerfindlich wie die Entscheidungen dieser Stiftung. Ob Beatrice Oeri weiss, welcher Unfug hier getrieben wird?

 

 

 

«Die Stiftung Medienvielfalt unterstützt uns»

Das Wissenschaftsportal «Higgs» scheint über dem Berg.

Der umtriebige Journalist Beat Glogger schlug vor gut einem Jahr Alarm. Das fehlende Geld bei seinem Portal «Higgs» müsse über ein Crowfunding zusammenkommen. Falls dieses fehlschlage, «geht der Laden zu», so die NZZaS. Dass «man auf allen Ebenen am Kämpfen» sei wegen der Finanzierung, sagte Glogger schon im Doppelpunkt von Radio 1 im April 2019. Wie sieht die Situation heute aus?

Im Doppelpunkt bei Roger Schawinski zeichneten Sie die Zukunft Ihrer Firma eher düster. Zudem erfolgte ein ziemlich negativer Artikel in der NZZaS mit dem Titel «Glogger bald am Ende». Wie waren die Reaktionen darauf? 

Ich habe bei Schawinski nicht über meine Firma gesprochen. Sie verwechseln da wohl was. Das Zitat, das Sie mir hier vorlegen, kenne ich nicht. Ich finde es auch nicht in der SMD. Meinen Sie allenfalls «Magazin «Higgs» vor dem Aus»? Allerdings war der betreffende Artikel überhaupt nicht negativ – wie Sie sagen. Er hat aufgezeigt, dass higgs ein Problem hat, weil die Finanzierung durch die Gebert Rüf Stiftung entfallen ist. Und er hat auf unser Crowdfunding aufmerksam gemacht. Das war alles sehr neutral bis motivierend.

Dann war das Echo positiv?

Sollten Sie diesen Artikel meinen, dann waren die Reaktionen super. Wir haben das Crowdfunding kurz vor dem Lockdown im März erfolgreich abschliessen können und über Fr. 120.000 generiert. Die Summe, die wir fürs Überleben des Jahres 2020 brauchten. Seither sind auch die direkten Einzelspenden erfreulich gestiegen. Wir haben 2020 nicht nur überlebt, sondern auch die Grundlage geschaffen, um optimistisch ins 2021 zu steigen.

Somit hat Ihnen Corona keinen Strich durch die Rechnung gemacht?

Nein. Auch bezüglich der Resonanz ist das Jahr 2020 für higgs eine Erfolgsstory. Unsere unaufgeregte, zuverlässige und kontinuierliche Corona-Berichterstattung hat sich ausbezahlt. Wir haben mengenmässig nur noch halb so viel kurze Newsstorys publiziert wie im 2019, dafür deutlich mehr Zeit in investigative Geschichten gesteckt. Das hat sich ausgezahlt:  Die Visits haben sich verdreifacht, die Unique Clients mehr als verdoppelt. Unsere Geschichten werden von der Republik und der NZZ empfohlen. Man kann also mit gutem Gewissen sagen, higgs ist zu einem immer noch kleinen, aber relevanten Player im Schweizer Mediensystem geworden.

Mussten Sie – wie viele andere Medienfirmen auch – Kurzarbeit anmelden?

Nein.

Jetzt  scheint laut einem Stelleninserat von Higgs eh alles besser zu laufen. Warum?

Das Stelleninserat deutet nicht darauf hin, dass wir ausbauen, sondern rührt daher, weil eine Redaktorin uns verlässt. Was seit unserem Überlebens-Aufruf gegangen ist, habe ich in obiger Frage schon teilweise beantwortet. Kurz: wir haben aus verschiedenen Quellen Unterstützung gefunden, die uns das Überleben sicherten.

Gibt es immer noch Stiftungen im Hintergrund, die Geld bezahlen?

Die zwei grössten sind der Schweizer Nationalfonds SNF, die Stiftung Medienvielfalt, die Stiftungen Avenira und Wissen für alle sowie einige kleinere Unterstützer aus der Wirtschaft und dem Bildungsbereich. Aber auch Kleinvieh macht Mist. Das Jahr 2021 ist noch nicht voll ausfinanziert, aber wir nehmen die Herausforderung an und sind optimistisch die verbleibenden Löcher im Budget noch zu stopfen.

Sind die «Blocher-Medien» immer noch Abnehmer Ihrer Inhalte?

Nachdem wir im Zuge der finanziellen Neuaufstellung unsere Angebote für die Zeitungen kostenpflichtig gemacht haben, sind alle Regionalzeitungen (Aargauer Zeitung, Bieler Tagblatt, Freiburger Nachrichten, Zürcher Oberländer) ausgestiegen. Ausgestiegen sind infolge der neu eingeführten Kostenpflicht auch die Online-Portale Blick.ch und Nau.ch. Alle Titel der Tamedia sind schon ausgestiegen, bevor wir unsere Inhalte kostenpflichtig gemacht haben.  Geblieben sind die Titel der Swiss Regiomedia (Blocher-Zeitungen, wie Sie es nennen) und das Tagblatt der Stadt Zürich. Diese bezahlen unseren Content.

Wen haben Sie neu akquiriert?

Neu hinzugekommen sind drei Zeitungen in der Westschweiz: Le Nouvelliste, Le Quotidien Jurassien und La Liberté. Mit dem Portal heidi.news unterhalten wir eine Content-Partnerschaft. Sie übernehmen Artikel von uns und wir von ihnen. So geben wird der Forschung aus der Romandie mehr Präsenz in der Deutschschweiz und umgekehrt. Diese Kooperation in die Westschweiz ist Teil des Abkommens mit dem Schweizer Nationalfonds.

Reut es Sie nie, dass Sie nicht einen etwas «normaleren» Firmennamen gewählt haben?

Mir ist nicht klar, was Sie mit «normaler» meinen. Etwa so wie ZACKBUM? Spass beiseite. Ich vermute, Sie verwechseln da gewisse Dinge. Die Firma heisst Scitec-Media GmbH. Das Webportal heisst higgs. Ich finde beide Namen normal. Scitec ist ein Zusammenzug von Science und Technology. Solche Verkürzungen sind für Firmennamen ziemlich üblich, weil sie genau beschreiben, was die Firma tut: wir erstellen Medien in den Themenbereichen Wissenschaft und Technik.

 Alles klar. Aber ist Higgs tatsächlich eingängig genug als Name?

Higgs, der Name des Portals, ist jedem halbwegs wissenschaftlich interessierten Menschen bekannt. Das Higgs-Boson und das zugehörige Higgs-Feld vermitteln gewissen subatomaren Teilchen die Schwerkraft. Auch wenn das so wohl niemand genau weiss, ist das Higgs-Boson aber ein Star, weil es auch das Gottesteilchen genannt wird. Ausserdem ist der Entdecke Peter Higgs für seine Entdeckung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Den Namen eines berühmten Physikers als Namen für ein Wissenschaftsmagazin zu wählen, scheint mir auch ziemlich normal. Vgl. Galileo, Leonardo, Einstein. Der einzige Unterschied besteht darin, unser Physiker lebt noch. Und Kinder und Jugendliche, die mit higgs nichts anfangen können, finden den Namen halt trotzdem cool, weil er irgendwie auch lustig ist.

Was halten Sie als ehemaliger SRF-Wissenschaftsmitarbeiter vom heutigen SRF-Angebot in dieser Sparte?

Sie sprechen auf das Magazin an, das eben auch den Namen eines berühmten Physikers trägt: Einstein. Ich mag die Sendung gut. Obschon das Konzept etwas völlig anderes ist, als wir damals gemacht haben. Es ist monothematisch als Moderatorenreise gestaltet und kein Magazin. Dafür aber erstaunlich aktuell und cool und modern gemacht. Ich schaue es ab und zu.

War eine Rückkehr nie ein Thema?

Kommt wieder drauf an, wie genau Sie diese Frage meinen. Nie ein Thema. Natürlich denkt man darüber nach. Also ist es Thema. Aber ein Going-Back stand nie konkret zur Diskussion. Ich gehe in meinem Leben immer weiter.

Demnach bezog SRF nie Inhalte von Ihrer Firma?

Auch hier habe ich wieder die Unsicherheit, was Sie mit «Firma» meinen. Scitec-Media hat in den Nuller-Jahren einige Beiträge für SRF produziert. Higgs nicht.

Herr Glogger, besten Dank.

(Das Interview wurde schriftlich geführt.)