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Besonders schwarzer Tag für die Pressefreiheit

Der Ständerat schützt Reiche und Mächtige vor Kritik durch die Medien. Ein Skandal.

Das Unheil kommt manchmal auf ganz besonders leisen Sohlen. Eine Mehrheit in der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) beantragte die Streichung eines einzigen Wortes aus dem Artikel 266 der Zivilprozessordnung.

Pipifax? Keinesfalls. Es handelt sich hier um den einzigen Gesetzesartikel, der etwas in unserem Rechtssystem sonst Wesensfremdes regelt. Nämlich eine präventive staatliche Massnahme, ohne dass der davon Betroffene Gelegenheit hat, vorab dazu Stellung zuz nehmen, Protest einzulegen, seine Position zu verteidigen.

Es handelt sich um sogenannte superprovisorische Massnahmen. In der Annahme, dass im Bereich der Medien die Publikation eines Artikels nicht wiedergutzumachende Schäden auslösen könnte. Deshalb wurde Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt, mittels einer sogenannten Superprovisorischen eine Veröffentlichung zu untersagen, sollte die «einen besonders schweren Nachteil» bewirken.

Besonders schwer ist eine eigene juristische Kategorie und kein Pipifax

Wobei «besonders schwer» für Juristen nicht das Gleiche ist wie «schwer». Da ein Richter ohne Anhörung der Gegenpartei entscheiden muss, bedeutet «besonders schwer» eine höhere Hürde als nur «schwer». Federführend bei diesem schweren Anschlag auf die Pressefreiheit ist der Anwalt und Glarner FDP-Ständerat Thomas Hefti. Was ihn dabei geritten hat, sagt er nicht.

Er (mitsamt den anderen verantwortungslosen Gesellen, die bei diesem Frontalangriff auf eine der wichtigsten Kontrollinstanzen einer offenen und demokratischen Gesellschaft mitmachen), behauptet, dass die Medien eben immer übergriffiger und mächtiger würden, der Einzelne ihnen ohnmächtig ausgeliefert sei, daher bessere Möglichkeiten haben müsse, sich schon im Vorfeld einer ungeheuerlichen Beschädigung durch Skandalberichte zu schützen. Eben mit einer Superprovisorischen, bei der er «nur» noch einen «schweren Nachteil» geltend machen müsse.

Das Argument ist so fadenscheinig und falsch, dass es sich nur um den verzweifelten Versuch handeln kann, einen insgeheim geplanten heimtückischen Angriff zu legitimieren, nachdem nun doch der Scheinwerfer der Öffentlichkeit darauf gerichtet ist. Das Argument ist fadenscheinig, weil eine solche Senkung der Hürde weder dem öffentlich hingerichteten gefallenen Raiffeisen-Star Pierin Vincenz genützt hätte. Noch dem schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann, der zuerst mithilfe der Panama-Papers ans Kreuz genagelt wurde, dann aber von allen, restlos allen Vorwürfen freigesprochen.

Was sind die eigentliche Motive?

Das Argument ist falsch, weil die Medien gar nicht mehr das Monopol auf solche Schädigungen haben; ein Shitstorm auf den asozialen Plattformen kann viel verheerender sein. Warum dann dieser Angriff? Ganz einfach. Die wenigen verbliebenen Recherchiermedien sollen weiter eingeschüchtert werden. Man muss sich dazu den Ablauf konkret vorstellen.

Ein russischer Oligarch in seiner Villa in Lausanne kriegt mit, dass ein Medium über die schmutzige Herkunft seines Vermögens recherchiert. Er nimmt sich den besten Anwalt, der mit Geld zu haben ist, behauptet eine mögliche, aber sicher schwere Rufschädigung, die Verletzung seiner Privatsphäre, ungeheuerliche wirtschaftliche Nachteile durch die Publikation – und hat gute Chancen, dass sie unterbleibt.

Nordkoreanische Zustände in der Schweiz? Gemach. Der Unterschied ist, dass diese superprovisorische Entscheidung im Nachhinein angefochten werden kann. Aber: das dauert und kostet. Dauert und kostet. Welches der wenigen überlebenden Medien kann sich das leisten? Selbst wenn viele Monate später und mit nicht unbeträchtlichem finanziellen Aufwand die Superprovisorische niedergekämpft wurde – interessiert sich dann überhaupt noch jemand für diesen Artikel?

Also alleine die Drohung «ich habe mitbekommen, dass Sie in meinem Umfeld recherchieren. Passen Sie bloss auf, am besten lassen Sie das. Oder ich nagle sie mit Superprovisorischen solange zu, bis Ihnen der Schnauf ausgeht».

Unrealistisch, alles kein Problem, «nur eine Angleichung», also da soll man sich doch nicht so aufregen, beschwichtigen die Attentäter auf die Pressefreiheit.

Der Gipfel ist: der Ständerat hat am Mittwoch diese Streichung durchgewinkt. Bei den meisten Ständeräten wohl aus einer Mischung von Unkenntnis und Wurstigkeit. Zudem wurde das offenbar als Pipifax im Umfeld der Verabschiedung der neuen Multimillionenhilfe für Medien angeschaut. So ein Zufall aber auch, in dieser brenzligen Situation wollte natürlich kein Organ diese Veränderung als das bezeichnen, was sie ist:

ein hinterhältiger, absichtlicher, bösartiger Anschlag, zugunsten klar identifizierbarer Kreise.

Auch zackbum.ch warnte als eine der ersten Medien davor; aber leider wachten die Grossverlage, die Journalisten-Organisationen und auch einzelne Parteien viel zu spät auf, um dann in einer historisch einmaligen gemeinsamen Erklärung (alle, einfach alle machten mit, ausser SRG, und das ist sogar für einmal verständlich) Bundesrat und Parlament inständig zu bitten, diese Streichung nicht zuzulassen.

Wer ist dafür, wer ist dagegen?

Sogar die federführende Bundesrätin war in der Debatte des Ständerats gegen die Streichung. Nur ganz wenige Stimmen, wie die des Anwalts für ganz schwere (und lukrative) Fälle, Daniel Glasl, erschallten zur Verteidigung dieser Zensur. Ein Skandal im Skandal ist’s, dass zwar zwei SP-Ständeräte in dieser Kommission sich vehement, aber vergeblich gegen die Streichung aussprachen.

Hingegen der Rechtsprofessor, Wendehals und Bundesratsaspirant Daniel Jositsch stimmte sowohl in der Kommission wie im Ständerat dafür. Da das Internet nichts vergesse, liessen sich Fehlinformationen nie mehr beseitigen, behauptete Jositsch. Wieso das mit einer Erleichterung des Verpassens eines Maulkorbs ausschliesslich für regelmässig erscheinende Medien geheilt werden soll, weiss auch nur Jositsch selbst.

Solange das die Medien noch können, sollten Juristen wie Hefti, Glasl, Jositsch sowieso ihre Helfershelfer an den Pranger gestellt werden. Zur Abwahl vorgemerkt, sofern sie öffentliche Ämter ausüben. Alle Medienschaffenden, alle Verlage, alle Journalistenorganisationen haben nun noch die letzte Gelegenheit, die Verabschiedung auch im Nationalrat zu verhindern.

Nach diesem schändlichen Umfallen des Ständerats muss die Antwort massiv, laut, energisch und unmissverständlich sein. Leute wie Jositsch wissen, was sie tun. Das ist würdelos. Andere haben vielleicht nicht die Brisanz des Vorgangs verstanden. Das ist verantwortungslos. Das darf sich im Nationalrat nicht wiederholen. Auch zackbum.ch wird alles uns Mögliche tun, um die Vollendung dieses Angriffs auf unsere Grundwerte zu verhindern.

 

 

 

Endlich: die Medien machen mobil

Still und leise sollte ein Zensurartikel gegen Medienberichte verschärft werden. Nun nimmt der Protest dagegen Fahrt auf.

Vermeintlich harmlos geht es um die Streichung eines Wortes: «besonders». Was hat das mit drohender Zensur zu tun? Besonders viel. Denn dieses Wort legt die Hürde fest, die übersprungen werden muss, um eine vorsorgliche Massnahme zu erreichen.

Allgemein unter «Superprovisorische» subsumiert, bedeutet das, VOR der Publikation eines Berichts sein Erscheinen zu verhindern. Unter weiteren Voraussetzungen gehört dazu bislang, dass ein «besonders schwerer Schaden» nicht anders vermieden werden könnte.

Alles in unserem Rechtssystem, was zunächst einmal dem Betroffenen keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegen eine ihn möglicherweise schädigende gerichtliche Anordnung gibt, ist suspekt. Aber in Ausnahmefällen natürlich zulässig. Im Allgemeinen und auch gegen Medien. Da das aber mit dem Grundsatz «Zensur findet nicht statt», mit der Pressefreiheit im Clinch liegt, hat hier der Gesetzgeber absichtlich den «besonders schweren Schaden» zur Voraussetzung gemacht.

Und genau dieses Wort soll auf Antrag des Glarner FDP-Ständerats Thomas Hefti gestrichen werden. Aber damit nicht genug. Auch bereits publizierte Artikel könnten ohne Anhörung der Medienhäuser gelöscht werden.

Zuerst Einzelne, nun auch alle Akteure protestieren

Das ist nichts weniger als ein brandgefährlicher Anschlag auf die Pressefreiheit. Längere Zeit protestierten nur Einzelne, darunter der Medienanwalt Matthias Schwaibold, gegen diese unter dem Radar der Wahrnehmung fliegende Bombe gegen kritischen Journalismus.

Rechtsbüttel wie Daniel Glasl oder Marcel Bärtschi sehen da überhaupt kein Problem. Weil es ihre Arbeit als Vertreter sogenannter Medienopfer erleichtern würde.

Aber nun sind – endlich – die Medien selbst aufgewacht. Haben sich zu einer historisch einmaligen Allianz zusammengeschlossen. Medienunternehmen – darunter SRG, Tamedia, CH Media, Ringier und NZZ – plus eigentlich alle Verbände im Medienbereich sind dabei: Verlegerverband Schweizer Medien, Impressum, Syndicom, Verband Medien mit Zukunft, Telesuisse, Media Forti, Öffentlichkeitsgesetz.ch, Medien für alle, Reporter ohne Grenzen Schweiz, Investigativ.ch, Junge Journalistinnen & Journalisten Schweiz, Radio Régionales Romandes, MAZ, Lobbywatch.ch, Gotham City, SSM, Schweizer Presserat und Verband Schweizer Online-Medien.

Das hat es noch nie gegeben, und es ist dringend nötig:

«Die Allianz bittet den Ständerat sehr, den Medienschaffenden in der Schweiz nicht unnötige Hürden in ihrer für die Demokratie zentralen Arbeit aufzustellen.»

Dieses Communiqué wurde an alle Ständeräte verteilt, denn schon im Juni wird er darüber abstimmen, ob dieser Anschlag auf die freie Meinungsbildung abgesegnet wird.

Verteidigung mit ausschliesslich untauglichen Argumenten

Verteidigt wird das mit untauglichen Argumenten. Die Streichung von «besonders» sei ja nur eine Anpassung an die Hürden, die es für eine Superprovsorische ausserhalb der Medien brauche. Falsch, denn angesichts der Bedeutung der Medien wurde hier absichtlich die Hürde höher gelegt.

Aber die Streichung mache es Medienopfern leichter, sich zur Wehr zu setzen. Falsch, es ermöglicht in erster Linie finanzkräftigen Firmen oder Einzelpersonen, mit einer solchen Superprovisorischen kritische Berichterstattung zu verhindern.

Das betroffene Medium könne sich doch anschliessend vor Gericht gegen eine solche Massnahmen wehren. Richtig falsch. Das ist möglich, kostet aber viel Geld und noch mehr Zeit. Ist der Bericht allenfalls nach Jahren freigekämpft, ist er schon längst veraltet und nicht mehr interessant.

Die Medien hätten zunehmend einen Hang zu Boulevardisierung, Personfizierung, würden die Privatssphäre von Personen immer weniger ehren. Falsch, bereits jetzt haben die genügend Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen.

Aber es sei doch bekannt, dass so stigmatisierte Betroffene diesen Makel nie mehr wegkriegen, wenn ein kritischer Bericht erst mal publiziert sei. Falsch, weil das kein Argument für eine Verschärfung eines Zensurparagraphen ist. Zum Beispiel Pierin Vincenz, der gefallene Starbanker, hätte weder in der aktuellen, noch in einer verschärften Form diese Artikels die Möglichkeit gehabt, sich gegen die völlige Ruinierung seines Rufs zur Wehr zu setzen.

Schliesslich sind Persönlichkeitsrechte, der Schutz der Intimsphäre usw., keine absoluten Rechte. Es ist auch hier abzuwägen, was schwerer wiegt: das öffentliche Interesse oder dieser Schutz. Dass das den Medien nicht immer gelingt, ist eine Binsenwahrheit. Aber bei der Formulierung dieses Artikels hat sich ein mehrköpfige Expertengruppe sehr viele Gedanken gemacht, bevor sie den «besonders schweren Schaden» als Voraussetzung für einen Zensureingriff in die Medien ins Gesetz schrieb.

Ein Anschlag aus der Dunkelkammer

Wieso nun ein FDP-Ständerat, angeblich doch liberaler Freiheit verpflichtet, hier eine Zensur gegen missliebige Medienberichterstattung verstärken will, ist völlig schleierhaft. Genauso, wie die Tatsache, dass in der ständerätlichen Kommission nur zwei Sozialdemokraten dagegen stimmten – während alle anderen Mitglieder diesen Antrag durchwinkten.

Die sollten sich nun vor ihren Wählern dafür rechtfertigen müssen, der Ständerat sollte diesen Anschlag unbedingt bachab schicken. Und die versammelten Medienverbände sollten den Finger weiterhin ausserhalb einer dafür nicht vorgesehenen Körperöffnung lassen und weiterhin kräftig Gas geben. Damit es nicht nur bei Einzelkämpfern bleibt, zu denen auch ZACKBUM von Anfang an gehörte.