Spar-spa-sp-sp
Auch wir müssen sparen. Schon mit Buchstaben. Das kommt wohl noch überall.
Nach der Sparrunde ist während der Sparrunde. Während der Sparrunde ist vor der Sparrunde. Im Jammertal der Medien gibt es eigentlich nur mehr drei Trompeten, in die gepustet wird.
Die erste Trompete jammert herzerweichend. Inserate weg, Leser weg, Geld weg, Ideen weg, Alarm, die vierte Gewalt im Staate ist am Verröcheln. Hilfäää!
Diese Trompete lässt man erschallen, wenn Verleger und Verlage die hohle Hand machen. Her mit der Staatsknete, aber subito. Und bitte schön, grosse Verlage haben natürlich grosse Aufgaben bei der Bewahrung von Demokratie, der Kontrolle von allem und überhaupt. Also müssen die auch mehr Kohle kriegen als kleine, ist doch klar.
Aber es gibt die übliche Kakophonie der Schweizer Verleger, wo man sich kräftig zankt, nach welchen Kriterien die Staatshilfe ausgeschüttet wird; insbesondere online. Da tröten dann verschiedene Blasinstrumente dissonant durcheinander.
Spitze Trompetenstösse wie von Lully
Die zweite Trompete wird angestimmt als wäre es ein Stück von Lully oder Händel. Spitze Trompetenstösse dekorieren das Eigenlob. Die neuste Sparmassnahme sei keinesfalls in erster Linie eine Sparmassnahme. Im Gegenteil, immer wieder wird der Journalismus gestärkt, die Kompetenz erhöht, selbstverständlich werden niemals und keinesfalls Abstriche bei der Qualität gemacht.
Unbedingt wird weiterhin auf die strikte Trennung zwischen redaktioneller Eigenleistung und Werbeformen geachtet. So strikte, dass es der Leser meistens gar nicht mehr merkt, was denn was ist. Stellenabbau, Mittelkürzungen, geringeres Angebot, höhere Preise? Aber nein, so sollte man das nicht sehen, jubilieren die Trompeten. Bis die Speicheltaste gedrückt werden muss, damit der ganze Schleim abfliesst.
Die dritte Trompete dudelt nur leise
Die dritte Trompete wird eher beiläufig und gestopft gespielt. Denn hier soll die Melodie einen Klangvorhang zwecks Verhüllung liefern. Sie trötet «nö, nö, nö», wenn vorwitzige Fragen gestellt werden. Zum Beispiel, wieso denn auch Verlagshäuser von Kurzarbeit und von Corona-Krediten profitieren, aber dennoch Stellen abbauen. Das wurde exklusiv von ZACKBUM.ch recherchiert und durchgerechnet.
Oder wie es denn sein kann, dass die Grossverlage trotz allem Gejammer noch Gewinne einfahren, während die Mediensparten meistens in den roten Zahlen stecken. Ob da nicht Quersubventionierung möglich sei, denn die ertragreichen Internet-Tausch- und Handelsplattformen generieren ihre Gewinne ja, weil sie aus dem Print herausgewachsen sind und ursprünglich zur gedruckten Zeitung gehörten.
Das sei ganz und gar unmöglich, wird hier gedudelt, eine ganz falsche Auffassung, das seien unterschiedliche Profitcenters, Holding, halt kompliziert, nix für Laien, hat aber alles seine Richtigkeit.
Der Meister der Trompeten ist eine Liga für sich
Ein bemerkenswertes Solo gab gerade der Chefredaktor der NZZ. In einem Interview auf persoenlich.com zeigte Eric Gujer, dass er nicht nur gnadenlos staatstragend und intellektuell vor Holztäfelung am Tisch sitzen kann, sondern auch verbal mehr draufhat als seine Kollegen.
Denn selbst er muss, nun ja, wie er «offen sagen kann», «auch» Sparmassnahmen verkünden. Mit der Betonung auf «auch», denn in Wirklichkeit handelt es sich natürlich um Verbesserungen. Von seinen Begründungen können sich alle anderen Verkünder von Sparmassnahmen ein paar dicke Scheiben abschneiden.
Zunächst ist die Reduktion auf zwei Bünde eigentlich keine Reduktion, sondern vielmehr «die von vielen Kunden erwartete Reduktion auf das Wesentliche». Das ist die Message, meine Damen und Herren. Unsere Leser wollen das, erwarten das, fordern das. Und bevor es Demonstrationen vor der Falkenstrasse gibt, ist die Geschäftsleitung bereit, dieser Forderung nachzugeben.
Ein interessantes, genialisches Marketing
Eine dünnere Zeitung für den gleichen, bald wohl wieder erhöhten Preis, ein interessantes Marketing. Die Schokolade wird geschrumpft, dafür kostet sie mehr, schmeckt aber besser. Grossartig. Oder in Gujers Worten: «Insgesamt bietet die NZZ ihren Kunden mehr als früher.»
Denn die Kunden, früher als Leser bezeichnet, hätten sich darüber beschwert, dass die NZZ zu dick sei «und fast schon eine Belastung». Alt und dick, das geht natürlich selbst der bei der Tante NZZ nicht. Man stelle sich das nur bildlich vor, wie sie auf ihren Lesern, Pardon, Kunden liegt. Schön, dass da Abhilfe und Erleichterung geschaffen wurde.
Gujer hat angesichts dieser – nennen wir es analog zu historischen Ereignissen – grossen Erleichterung noch mehr gute Nachrichten zu verkünden. So habe die NZZ inzwischen wieder 160’000 Abonnenten. Das ist ganz wunderbar, bei einer verkauften Auflage von rund 75’000 Exemplaren.
Mehr als doppelt so viele Abonnenten wie Printauflage
Auf 160’000 kommt man, wie auf ZACKBUM.ch schon durchgerechnet wurde, indem man alle Abos, Schnupper-, Studenten-, Lockvogel-Angebote mitrechnet. Hat Gujer noch mehr drauf? Natürlich, denn am Ende wird er noch m seine Meinung zur staatlichen Medienförderung befragt.
Selbstverständlich «sind wir aus liberaler Sicht» dagegen, denn das sei eindeutig Marktverzerrung. Das löst die Nachfrage aus, ob dann die NZZ solche Gelder verweigern würde. Im Gegensatz zur «Republik», die bei dieser Frage rumeiert, hat Gujer kein Problem, ein klares Wort zu finden: «Wir würden das Geld annehmen. Denn alles andere wäre ja dann auch wieder eine Wettbewerbsverzerrung.»
Das ist alles marketingmässig so toll, dass eigentlich nur die Frage offenbleibt, wieso Gujer nicht in die Werbung gegangen ist; mit dieser Gabe hätte er den Wettbewerb nicht verzerrt, sondern jeden gewonnen.