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Sparmassnahmen in der Wirtschaft

Bei Schweizer Banken wird an Kompetenz gespart. In den Wirtschaftsredaktionen auch.Die  Ergebnisse sind ernüchternd.

Es gibt die versammelte Schweizer Wirtschaftspresse. Die NZZ bemüht sich immerhin noch, Schatten alter Grösse an die Höhlenwand zu werfen. Aber sonst? Der Prozentsatz von Wirtschaftsjournalisten, der ohne zu stottern sagen könnte, was ein ETF ist, nimmt sozusagen täglich ab.

Der Prozentsatz der Journalisten, die in der Lage wären, die Schieflage der Credit Suisse à fond zu analysieren, liegt im Promillbereich. Für Schlagzeilen kann diese Journaille eigentlich nur noch auf zwei Arten sorgen.

Tamedia beteiligt sich mal wieder an der Ausbeutung von Hehlerware. Also irgendwelche irgendwo auf der Welt von unbekannten Tätern gestohlene Geschäftsunterlagen werden aufbereitet und portionenweise auf die beteiligten Medien verteilt. Dann werden sie in Leaks, Papers oder Files umbenannt, je nachdem, was am besten alliteriert. Also niemals Panama Leaks, sondern natürlich Panama Papers.

Dann wird ein grosses Gegacker und Flügelschlagen veranstaltet, Abgründe von Verbrechen gemutmasst – bis sich alles in Luft auflöst. Wie bei einem schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann, dem übelste Machenschaften bei der Verwaltung eines angolanischen Staatsfonds vorgeworfen wurden. Alles Unsinn, stellte sich heraus.

Die zweite Art entsteht durch Anfüttern. Also der Oberchefredaktor oder wer auch immer wird mit ganz heissen News angefüttert. Die er dann als Ergebnis einer schweisstreibenden Recherche unter Einsatz von Leib und Leben an seine Leserschaft verfüttern kann.

Interessiert das Schicksal einer der beiden Schweizer Grossbanken überhaupt noch?

Es gäbe noch theoretisch eine dritte Möglichkeit. Durch eigene Recherchen zu Ergebnissen kommen. Für die meisten Wirtschaftsjournalisten in der Schweiz ist das aber Jägerlatein aus Zeiten, wo möglicherweise tatsächlich nicht die pfannenfertig angelieferte Kommentierung des Geschäftsberichts per copy/paste ins Blatt gehoben wurde.

Wer überhaupt noch den Nerv hat, sich für das Schicksal der beiden einstmals grossen Schweizer Grossbanken zu interessieren (selbst als Aktionär will man lieber einfach nichts mehr wissen), dürfte mitbekommen haben, dass die Credit Suisse neue Höhepunkte der verantwortungslosen Zockerei mit grösseren Teilen des Eigenkapitals vorgeführt hat.

So ging die Bank beim Hedgfonds eines wegen Insiderdelikten Vorbestraften mit Milliarden ins Risiko. Genauer, sie zockte bei Wetten mit, die mit max. 10 Prozent Eigenkapital unterlegt waren, in den schlimmsten Zeiten hatte die CS über 20 Milliarden Dollar in diesem Spekulantenfonds im Feuer; die Hälfte des Eigenkapitals.

Wie ist eine solche Verluderung nur möglich?

Bei einem anderen wilden Zocker in Australien passierte fast zeitgleich genau dasselbe. Wie war das möglich? Nun, da sendet die Schweizer Wirtschaftspresse mal wieder das Pausenzeichen, nachdem sie wiederholte, was die «Financial Times» recherchierte. Eigenleistung: null. Aufmerksam gemacht auf die Berichterstattung der FT wurde die Journaille erst noch durch den munteren Finanzblog «Inside Paradeplatz», bei dem eine Einzelmaske die wohl grösste Anzahl von Primeurs der letzten Jahre zu verantworten hat.

Wenn berichtet wird, dann so oberflächlich wie aktuell in Tamedia, dass der neue VR-Präsident der CS «aneckt». Weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger versuchen will, den Kahn vor dem völligen Absaufen zu bewahren. Das fänden irgendwelche anonymen Nulpen in den oberen Rängen nicht so toll. Was für die Zukunft der CS ungefähr so wichtig ist wie die farbliche Gestaltung der Menükarte in der Angestellten-Mensa.

Nachdem aber die FT vorgelegt hat, zieht das «Wall Street Journal» nach. Mal wieder «Inside Paradeplatz» wagt es, den Inhalt des ausführlichen und sich vom Schweizer Niveau wie Tag und Nacht unterscheidenden Artikels zusammenzufassen:

Er «entlarvt eine der grössten und wichtigsten Firmen der Schweiz als einen Hallodri-Laden, bei dem die höchsten Chefs null Ahnung haben von dem, was tatsächlich vor sich geht, und die sogenannte Key Risk Takers mit Millionen vergolden, welche mit ihren Wetten das ganze Unternehmen aufs Spiel setzen.»

Nichts hat sich gebessert, fast alles hat sich verschlimmert

Will man dem WSJ glauben, und wie die FT unterlaufen dem Blatt selten bis nie gravierende Fehler, ist es diesmal noch schlimmer als bei der Finanzkrise eins. Ein Laden, der völlig und im wahrsten Sinne des Wortes ausser Kontrolle geraten ist. Wenn der aktuelle CEO (muss man sich den Namen eigentlich merken?) blubbert:

«Risk control has always been a top priority, it’s key to every bank. I’m absolutely focused on that, not only now: I was, and I will be»,

erregt das nicht mal mehr Ärger oder Kritik, sondern reines Mitleid.

Trauriger Plauderi vor Bankfassade.

Ärgerlich sind nur drei Dinge. Dass diese versammelten Pfeifen immer noch Multimillionengehälter verdienen. Dass der Schweizer Steuerzahler – too big to fail – in der Haftung ist. Und dass die Schweizer Wirtschaftspresse, die sich weiterhin angelegentlich um jeden Pipifax in der Affäre Vincenz kümmert, angesichts des Niedergangs einer der beiden Symbolbanken der Schweiz schlichtweg stumm bleibt.

Abschreibt, was die letzten englischsprachigen Wirtschaftsmedien mit der Fähigkeit zum Recherchieren herausfinden. Dabei genauso schamlos Gehälter von einigen hundert sogenannten «Wirtschaftsjournalisten» kassiert werden, die etwa gleichviel leisten wie die Chefetage der Credit Suisse.

Grossverlage und Grossbanken haben inzwischen staatliche Unterstützung

Staatsgarantie haben inzwischen beide. Weitere Parallelen sind unverkennbar. Die grossen Clans, die die Schweizer Medienlandschaft beherrschen, kassieren weiterhin Multimillionen, ohne nur den Schatten eines Gedankens zu produzieren, wie ihre Verlage aus eigenen Kräften aus der aktuellen Misere herausfinden könnten.

Während das Angebot ausgedünnt wird, die Redaktionen zusammengelegt und -gehackt, und das Ganze als Verbesserung, Synergie, Straffung dem fluchenden Abonnenten verkauft wird. So wie die CS jeden verzweifelten Rettungsversuch als tolle Leistung den fluchenden Aktionären verkaufen will.

Verblüffend, wie sich da zwei gefunden haben. Die Schweizer Privatmedien und die Privatbanken. Arm in Arm in den Sonnenuntergang wankend.

 

 

 

 

 

 

 

 

Lob der NZZaS

Wieder mal eine –seltene – Gelegenheit. Wir loben die NZZaS. Warum? Sie hat über die Credit Suisse berichtet.

Nur der völlig unschuldig-naive Zeitungsleser kann sagen: na und? Alle anderen haben doch auch geschimpft. Das stimmt, aber hinter Mundschutz. Mit Schalldämpfer. In einem Tonfall, den man auch bei einem widerspenstigen Kind anschlägt. Leichte Gereiztheit, aber von pädagogischem Geist beflügelt.

Die NZZ selbst schaffte ein Interview mit dem CEO Thomas Gottstein. So viel Subersivität kann man ihr nicht zutrauen, dass sie ihn absichtlich so viele Bankerblasen blubbern liess, dass er sich damit innerhalb und ausserhalb der CS zum Deppen machte.

Aber nun kommt die NZZaS. Da geht’s schon mit dem Titel los: «Wie die Credit Suisse Milliarden verbrennt». Wie tut sie das? Nun, über das katastrophale Risk Management und die immer wieder erwiesene Unfähigkeit der Gierbanker wurde schon kräftig geschimpft.

Die NZZaS weiss eben, wie man das wirkliche Problem adressiert, nicht mit dem Finger in der Luft fuchtelt, sondern ihn schmerzhaft in die Wunde bohrt. Oder die Geldvernichtungsmaschine CS gnadenlos auseinandernimmt.

Mit wenigen Schnitten zum Kern des Problems durchgedrungen

Mit drei vermeintlich einfachen, aber punktgenau gesetzten Sonden.

  1. Schon 2011 wurde der CS von der Anlagestiftung Ethos vorgerechnet, dass ihre grossartige Investmentbank bislang 7 Milliarden Fr. Verlust produziert hatte. Der in zwei Wochen abtretende VR-Präsident Urs Rohner meinte damals noch arrogant: «Ich halte nichts von der Idee, aus der CS eine Art übergrosse Schweizer Privatbank zu machen
  2. Seit dem Amtsantritt dieses Versagers hat die CS zwar kumuliert einen Gewinn von 8,1 Milliarden erzielt. Allerdings: mit zehnmal weniger Angestellten hat das die ZKB in ähnlicher Höhe auch geschafft.
  3. In der Schweiz hat die CS auch kumuliert 15 Mrd. Fr. seit 2011 verdient. Also hat das weitergführte Abenteuer bei den Big Boys im Investmentbanking weitere 7 Milliarden Verlust beschert.

Sonst noch Fragen? Eigentlich nicht, aber noch ein paar weitere Antworten. Geradezu symbolisch für den Drang, ganz gross rauszukommen, war der Kauf von DLJ im Sommer 2000 für einen absurd hohen Preis. Dann platzte die Dotcom-Blase, und DLJ  wurde zur unglaublich schrumpfenden Investmentbank.

Sehr interessant ist auch der Gewinn-Vergleich zwischen CS und ZKB. Aber noch interessanter ist die Grafik daneben.

Links rot Gewinne und Verluste der CS, rechts blau die Anzahl der Geldvernichter.

Denn hier lodert das Fegefeuer, in dem Milliarden verröstet werden. Es handelt sich um die sogenannten «Key Risk Taker». Das ist das Fettauge auf den «Managing Directors». Von diesen «Risikonehmern» gibt es inzwischen rund 1400 in der CS (rechts blaue Linie). Die vermehrten sich wie die Schmeissfliegen. Von etwas über 400 auf über 1400 in zehn Jahren.

Die meisten arbeiten – where else – in London oder New York. Und haben als Söldnerseelen keinerlei innere Bindung an die CS. Eine sehr enge aber an den eigenen Geldbeutel. Diese Pfeifenbande hat ebenfalls seit 2011 bis heute sagenhafte 14 Milliarden Franken kassiert. Von verdient kann da keine Rede sein.

Das entspricht wiederum dem Doppelten des Gewinns, den der ganze Konzern mit seinen immer noch 40’000 Mitarbeitern in dieser Zeit erwirtschaftet hat. Das wurde diesen Multimillionären nachgeschmissen. Für welche «Risiken» denn? Nein, natürlich nicht für deren eigene, die Risiken musste immer die CS übernehmen. Und dafür Milliarden um Milliarden Verluste kassieren.

Milliardenverluste mit Milliardengehältern erkaufen? Macht Sinn

Wir fassen zusammen. Für einen Verlust von 7 Milliarden Franken (die aktuellen Klatschen noch gar nicht eingerechnet), hat die CS 14 Milliarden bezahlt. Das konnte sie (bislang) nur wegstecken, weil der Teil, auf den Rohner die CS auf keinen Fall reduzieren wollte, nämlich der Schweizer Ableger, Jahr für Jahr stabile Gewinne abwarf.

Noch Fragen? Ach, wieso die CS einen solchen Wahnsinn zehn und mehr Jahre durchzieht? Ein Geschäftsmodell, zu dem jeder Knirps sagte, der eine einfache Addition und Subtraktion an den Fingern abzählend beherrscht: «völlig gaga»?

Alles im grünen Bereich. Allerdings auf bescheidenem Niveau …

Das ist eine gute Frage. Dazu fällt mir auch keine Antwort ein. Ausser einer Anregung, die ich schon in St. Gallen deponierte. Dort ist die Polizei doch sehr erfahren in Wegweisungen. Zürich müsste auf den Knien um die Entsendung eines Detachements bitten. Es dann um die CS herum aufstellen und jeden, den eine Krawatte, Anzug und Bürolistenschuhe, sowie ein leicht arroganter Gesichtsausdruck als Banker enttarnt, sofort wegweisen.

Angesichts des Schadens, den er anrichten könnte, ist auch der Einsatz des Schlagstocks, von Reizgas und eine Verhaftung mit Kabelbinder und einem kräftigen Stoss in den Transporter absolut verhältnismässig.

Banker im Tränengas. Allerdings in Hongkong.