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Es darf gelacht werden

Für Ostblock-Nostalgiker: Das Tagi «Qualitätsmonitoring».

Sowohl in der «Pravda» wie im «Neuen Deutschland» und bis heute noch in «Granma» und «Rondong Sinmun» war und ist die Welt noch in Ordnung. Es gibt nur Lobenswertes über die Leistung der Partei, der Werktätigen, der Künstler, der Wissenschaftler, der Bauern und vor allem der Führer zu berichten.

Da werden ständig Pläne übererfüllt, die Zufriedenheit aller steigt in kaum mehr zu überbietende Höhen, Probleme und Rückschläge existieren nicht. Oder wenn, dann sind sie gelöst oder Versuche des Klassenfeinds, den Gang des Proletariats ins Paradies zu behindern.

Seit einigen Jahren gibt es in der Schweiz einmal jährlich eine Schriftensammlung, die sich erfolgreich bemüht, all diesen Organen nachzueifern. Das ist das «Qualitätsmonitoring» von Tamedia, das 2022 «zum sechsten Mal stattfand

Verantwortet wird das vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle, der vielleicht nostalgisch seine linksradikale Vergangenheit mit dieser Huldigung kommunistischer Staatmedien aufleben lassen möchte. Man könnte sich nun, wenn man Masochist ist, den gesamten Bericht antun. Man kann es auch bei seiner Zusammenfassung bewenden lassen:

«Die jährliche Qualitätsanalyse attestiert den Tamedia-Redaktionen professionelles Handwerk.»

Konkreter: Dabei «ergaben sich wie schon im Vorjahr … keine gravierenden handwerklichen Fehler der Redaktionen

Wer noch eine Überdosis Eigenlob braucht: «Das Bestreben, ein vielfältiges Angebot für ihr Zielpublikum zu schaffen, war bei allen Redaktionen erkennbar und wurde in der Regel professionell umgesetzt.»

Gnadenlos setzen wir noch einen drauf: «Positiv wurde aus Expertinnensicht die Fusion der Berner Redaktionen «Bund» und «Berner Zeitung» beurteilt. Die Chefredaktionen und Nachrichtenchefs schafften es, die unterschiedliche Identität der beiden Titel zu wahren.»

Ach, da hätten wir noch einen Knaller ganz am Schluss, denn natürlich äussert sich auch der Big Boss Pietro Supino: «Verleger wie Journalist/innen müssen der regelmässigen Auseinandersetzung mit der publizistischen Qualität ihrer Medien einen hohen Stellenwert einräumen.»

Das ist sicherlich alles korrekt und richtig, nur muss ZACKBUM bei diesem Zitat von Supino leider eine klitzekleine Korrektur anbringen: Natürlich müsste es «Verleger/innen» heissen, lieber Herr.

Allerdings würde schon eine gelegentliche und oberflächliche Lektüre von ZACKBUM gewisse Zweifel an dieser Darstellung einer heilen Tagi-Welt wecken. Aber statt hier mit unzähligen Gegenbeispielen zu langweilen:

Wie kann Tamedia, Pardon, der Coninx-Clan, ernsthaft glauben, dass der Bericht des pensionierten Wendehalses Strehle, der dafür bezahlt wird, Puderzucker auf alles zu blasen, irgend jemanden beeindruckt? So wie schon das Protestschreiben von 78 erregten Tamedia-Frauen im Bericht 2021 kein Thema war, ist der Roshani-Skandal, die Sparrunde von sagenhafte 70 Millionen Franken, die Skelettierung der Redaktionen, die Übernahme grosser Teile des Inhalts von der «Süddeutschen Zeitung» in München, die teilweise hirnrissigen Kommentare und das Gebolze gegen Kritiker der Corona-Massnahmen, die einseitige Parteinahme im Ukrainekrieg, die unverfrorene Kritik an Grundsätzen des Rechtsstaats, ist all das kein Thema.

Oder kurz: Qualitätsmonitoring? Was für eine Qualität, was für ein Monitoring?

Wumms: Andreas Tobler

Talentfrei keilen. Muss man können.

Konzernjournalist Tobler mag es faktenfrei und meinungsstark. Sei es als tiefergelegter Frauenversteher, sei es, um in einem Brachial-Porträt den Chefredaktor eines Konkurrenz-Organs niederzuschreiben, den er schon vor Amtsantritt als untauglich bekrittelte.

Nun arbeitet er sich am Komiker Marco Rima ab:

Dem obrigkeitshörigen Verbeller von allem Unbotmässigem ist Rima schon länger unangenehm aufgefallen. Spätestens, seit der sich als mutiger Kritiker von Corona-Massnahmen positionierte, kann ihn Tobler nicht mehr leiden.

Nun hat Rima ein Kinderlied neu vertont. Dessen Original-Titel kann der woke Tobler gar nicht aussprechen oder niederschreiben:

«Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert über die «Zehn kleinen …» (Sie wissen, wie es weitergeht)».

Würde Tobler das Wort «Negerlein» verwenden, müsste er anschliessend den Mund ausspülen und die Finger desinfizieren und sich Gendersternchen auf die Stirn tätowieren.

Rima macht sich im Musikvideo über alle modernen Unarten von Toblers Gesinnungsgenossen lustig. Daher tritt Rima als er selbst, mit Blackfacing, mit Rastalocken und als Indianer auf.

Um seinen Abscheu darüber zum Ausdruck zu bringen, schreibt Tobler über sich selbst: «Mit der Bewirtschaftung von Reizthemen will er sich im Gespräch halten. Er arbeitet also an der Vergrösserung seines Selbst, wie viele, die in die Öffentlichkeit drängen – ausgestattet mit einer grossen Portion Gratismut.»

Erstaunlich, zu welch tiefen Erkenntnissen Tobler über Tobler kommt: «Aber letztlich ist er nichts anderes als das Maskottchen vorgefasster Meinungen.» ZACKBUM würde bei Tobler eher den Begriff Hampelmann verwenden.

Hampelmann vorgefasster Meinungen, his master’a voice, immer bereit, talentbefreit den woken Gesinnungsjournalismus zu bedienen. Er bringt es sogar fertig, die Verbindungen Schweizer Linksradikaler mit dem internationalen Links-Terrorismus in einem Buch nachzuzeichnen – ohne die Rolle auch nur mit einem Wort zu erwähnen, die dabei der ehemalige Tagi-Chefredaktor Res Strehle spielte. Noch 1984 war der Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution».

Solange Tobler bei Tamedia schreiben darf, weiss man, dass die Qualitätskontrolle in Zwangsferien ist.

 

Der doppelte Rohner

Was macht man, wenn eine Story wehtut? Man bestellt den Weichspüler.

Der Langzeit-Chefredaktor der «Bilanz» wirkt immer freundlich und konziliant. Das kann aber täuschen, denn er schlägt auch gnadenlos zu. So klatschte er in der Oktober-Ausgabe den Versagerrat Urs Rohner aufs Cover:

Was Schütz von der Performance des ehemaligen CS-Bosses hält, das fasst er knackig zusammen:

Es ist eine Abrechnung und Hinrichtung: «Die Krise ist das schlimmste Führungsdebakel der Schweiz seit dem Swissair-Grounding.» Nicht nur das, von Schuldbewusstsein, Zur-Verantwortung-Ziehen oder gar finanzieller Wiedergutmachung könne bei Rohner keine Rede sein: «Kein Prozess, keine Zurückzahlung

Also kommt Schütz zum wenig schmeichelhaften Fazit schon im Titel der Story:

Das alles hat sich «weisse Weste» Rohner unredlich verdient, durch seine zwölfjährige Tätigkeit als VR-Präsident der einstmals stolzen Credit Suisse. Die Bank wankte in dieser Zeit durch eine Krise nach der anderen; während seiner obersten Verantwortung sank der Aktienkurs von über 60 auf unter 10 Franken, heute dümpelt er um die 4 Franken herum. Besonders peinlich für den Juristen und ehemaligen Chief Legal der CS: In seiner Amtszeit zahlte die CS 7,8 Milliarden Bussen.

Alleine im Steuerstreit mit den USA rekordhohe 2,6 Milliarden Dollar, während die UBS mit 800 Millionen davonkam.

Inzwischen ist Rohner abgetaucht, aus der Öffentlichkeit verschwunden, gibt keine Interviews, will keine Stellungnahmen abgeben, ist nicht mal mehr auf dem grünen Teppich des von seiner Lebensgefährtin begründeten Zürcher Filmfestivals anzutreffen.

Dabei könnte Rohner sich eigentlich sagen: 80 Millionen sind doch genügend Schmerzensgeld, da geht mir eine «Bilanz»-Klatsche doch schwer an einem gewissen Körperteil vorbei. Sagt sich Rohner aber nicht. Was tun, wenn einen ehemals mächtigen Mann eine Titelgeschichte schwer angurkt? Na, er organisiert sich eine andere.

Die muss natürlich auf einem gewissen Niveau stattfinden, also kommen die Organe seines Freundes Marc Walder eher weniger in Frage. Die NZZ würde sich niemals für eine Weisswäsche hergeben, das Verhältnis zu CH Media ist nicht ganz spannungsfrei. Ausserdem, in der «Schweiz am Wochenende» auftauchen? Das hält Rohner auch für unter seinem Niveau. Da bleibt dann nur noch eins:

Und wer kann ein solches liebedienerisches, höchstens mit pseudokritischen Einsprengseln versehenes Porträt schreiben? Denn das ist auch nicht gerade förderlich für die Reputation. Da kann es nur einen geben. Den obersten Qualitätshüter von Tamedia, den längst pensionierten Wendehals Res Strehle.

In seiner Jugend schrieb er emotionale Nachrufe auf Linksterroristen, daraus ist er längst herausgewachsen. Obwohl auch er seine fette Pension plus die Zusatzeinnahmen aus seiner angeblichen Qualitätskontrolle genüsslich verzehren könnte, greift er in die Harfe, wenn’s gewünscht wird.

«Republik»-lange 35’615 Anschläge darf er im «Magazin» schleimen, um den «gestrauchelten Hürdenläufer» Rohner zu rehabilitieren. Natürlich ist Strehle viel zu clever, eine reine Lobhudelei abzuliefern. Zu dramatisch und erinnerlich ist das Versagen Rohners.

Also wählt Strehle als naheliegend-banales Leitmotiv Rohners Sportart: «Hürdenläufer sind ganz besondere Menschen, Abenteurer und Schrittzähler zugleich.»

Dass Rohner den Einzug ins Halbfinale bei Europameisterschaft in Athen um 20 Hundertstelsekunden verpasste, sei «eine der wenigen Niederlagen im Leben des Urs Rohner, vielleicht die einzig wichtige, bis zu seinem Straucheln im März 2021 auf einem der höchsten Posten, die die Schweizer Wirtschaft zu bieten hat».

Der schmähliche Abschied ohne Décharge, Dankesreden oder wenigstens einer dem hinterlassenen Desaster angemessenen Entschuldigung, das war ein «Straucheln»? So geht schönschreiben.

Seither sei Rohner abgetaucht, aber natürlich im ganz grossen Sinne: «er teilt mit Friedrich dem Grossen das Motto «servir et disparaître».» Wow, Friedrich der Grosse, Rohner der Kleine, ein gemeinsames Motto.

Immerhin gibt Strehle dann offenherzig bekannt, was der Anlass für sein Schönschreibwerk ist: «Aber diesen Oktober hat ihn die Titelgeschichte des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» aus der Feder des Chefredaktors verärgert.» Also nix mit dienen und verschwinden, das will Rohner nicht auf sich sitzen lassen, das wäre ja ein Fleck auf der weissen Weste.

Schliesslich sei er noch geschäftlich aktiv: «In Zug hat er mit Vega Cyber Associates eine Sicherheitsfirma für Cybertechnologie eintragen lassen, deren Verwaltungsrat einem James-Bond-Drehbuch entnommen sein könnte. Sir Alex Younger sitzt darin, der ehemalige Chef weltweiter Operationen des britischen Geheimdienstes MI6, Vorlage des Agenten M im Film «No Time to Die»

Leider versteht Strehle von der Geschäftswelt ungefähr so viel wie von James-Bond-Filmen und der Rolle von M darin. Aber wie dort folgt Strehle dem gleichen Drehbuch. Zuerst ein knalliger Anfang, dann die Retrospektive in Form eines – Leitmotiv! – Hürdenlaufs.

Sprung eins bis sechs wird nacherzählt, nicht ohne dass sich «der Autor dieser Zeilen» an die eine oder andere Begegnung erinnert, so viel Eitelkeit muss dann schon sein.

Aber welch eine Karriere darf hier aus der Kammerdienerperspektive beschrieben werden. Was für ein «Man in Full», wie ihn Tom Wolfe vielleicht genannt hätte. Aber das ist nicht Strehles Gehaltsklasse, er himmelt billiger: «Auch die Philosophie, Mutter aller Geisteswissenschaften, nimmt ihn in ihren Kreis auf: Katja Gentinetta, zuvor stellvertretende Direktorin des Thinktanks Avenir Suisse, lädt ihn am ersten Adventstag desselben Jahres zum einstündigen Gespräch in die «Sternstunde Philosophie» des Schweizer Fernsehens ein. … Auch diese Aufgabe meistert er unangefochten.»

Eigentlich ist Rohner auch noch ein unbekannter Held, wie er offenbar in einem zweistündigen Gespräch in seinem Büro im Seefeld verrät, obwohl er vom «Autor dieser Zeilen» nicht direkt zitiert werden will. Aber diese Heldentat muss natürlich erzählt werden, aus den Zeiten des Steuerstreits mit den USA:

«Rohner erwägt, den USA eigenhändig einen Stick mit CS-Kundendaten zu übergeben, sich danach anzuzeigen und die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Notstand zu begründen. Er verzichtet dann darauf, der US-Justizminister begründet in der Folge die hohe Busse mit mangelnder Kooperation der Bank. Diese hätte die Schweizer Regierung zur Zustimmung zwingen sollen – ein seltsames Verständnis von Demokratie

Was für ein Mutanfall, welche Grösse, das wäre seit Winkelried die zweite Selbstaufopferung eines Schweizers gewesen. Aber leider, leider, er verzichtete dann bescheiden auf die Heldentat, wahrscheinlich wäre es Rohner unangenehm gewesen, dass man dann auf dem Paradeplatz ein Denkmal für ihn errichtet hätte.

Aber Strehle hat noch weitere gute Eigenschaften am Menschen Rohner entdeckt: «Noch gefährlicher als Finanzrisiken ist die Gefahr des persönlichen Abhebens in diesem Job: Da verdient einer vier Millionen im Jahr, hat jederzeit einen Privatchauffeur zur Verfügung und bei riskanteren Auslandsreisen Bodyguards. Urs Rohner benutzt den Privatchauffeur nur selten, den Firmenjet kaum. Er fliegt in jener Zeit mit eigenem Flugbrevet selber, eine einmotorige Cessna 172, ab dem Flughafen Kloten.»

Geradezu ein früher Berset, dieser Rohner. Chauffeur, Bodyguards, Firmenjet? I wo, bescheiden wie Otto Normalverbraucher eine einmotorige Cessna, höchstselbst pilotiert. Also an seinen Spesen kann der Niedergang der CS nicht erklärt werden.

Nun kommt’s aber knüppeldick, Milliardendesaster nach Milliardendesaster, immer unter der Verantwortung des Cessna-Piloten. Da muss Strehle einräumen: «Rohner kann diese beiden Hürden nur noch strauchelnd überspringen.»

Da wird Strehle zum Abtemperieren ganz nostalgisch: «Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich an die glanzvollen CS-Weihnachtsessen im vornehmen Saal des bankeigenen Hotel Savoy um die Jahrtausendwende.»

Aber auch die längste Schreibstrecke geht mal zu Ende, wie nähert sich der Hürdenläufer, der Schönschreiber Strehle dem Schlussspurt?

«Jetzt steht der ehemalige Leichtathlet vor der zehnten und letzten Hürde. Für ihn wird es der schwierigste Sprung: Er muss Fehler eingestehen, ein Wort der Entschuldigung würde helfen. Urs Rohner sieht dafür keinen Grund.»

Nun ja, vielleicht hätte er sich entschuldigen sollen. Aber er ist ein guter Mensch, will doch Gutes tun, nur lässt man ihn nicht: «Das versuchte er, als er im Schweizer Komitee der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Einsitz nahm. Aber inzwischen hat man ihn von der Liste entfernt. Ein anderes Mitglied hatte mit Rückzug gedroht, wenn Rohner dabeibleibe.»

Es ist halt schon schlimm, wenn so viele, von Schütz abwärts, Mensch und Werk nicht richtig zu würdigen wissen. Aber dafür gibt es doch Strehle. Den Worte-Zuckerbäcker, den Zuschwiemler. Mit diesem Stück hat er sich dafür qualifiziert, dereinst die Biographie Rohners zu schreiben. Wetten, dass?

Zuvor sind wir aber gespannt, ob und wie er diesen Schleimhaufen eines Artikels in seinem nächsten Qualitätsbericht erwähnen wird. Wir setzen auf «überhaupt nicht». Wettet einer dagegen?

Konzernjournalist Tobler

Der Prototyp des Niedergangs des Qualitätsjournalismus.

Wer im sich zu Tode sparenden Journalismus überleben will, muss flexibel sein. Sehr flexibel. In alle Richtungen dehnbar, verwandelbar, immer zur Stelle, wenn es gilt, eine Meinung abzusondern. Die eigene? I wo.

Andreas Tobler ist der Mann für alle Fälle bei Tamedia. Einen unliebsamen Konkurrenten niedermachen? Tobler begeht sogar Rufmord am Rufmord.  Es geht gegen den Chefredaktor der NZZaS? Auf ihn. Es geht gegen die neue Radiostation «Kontrafunk»? Hau drauf. Faktenbefreit und meinungsstark.

Es geht drum, einen Kritiker des Schweizer Staatsfernsehens niederzumachen? Tobler liefert die Schmiere dafür. Verständnis für den Genderwahn und für Frauen im Allgemeinen heucheln? Tobler ist zur Stelle.

Schon ganze 32 Mal musste sich ZACKBUM mit dieser Zierde seines Berufs befassen. Jedes Mal dachten wir: eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Jedes Mal zeigt uns Tobler: doch. Tamedia hilft dabei. Denn offenbar stockt der Nachschub mit Secondhand-Artikeln aus München. Was  tut da ein Qualitätsmedium, um dem Konsumenten den Kauf schmackhaft zu machen? Es rezykliert ausgewählte Artikel und präsentiert die auf seiner Homepage, als wären sie gerade aus dem Ei geschlüpft.

Vielleicht ein Test des Kurzzeitgedächtnisses des Lesers. Oder man will die Reaktion provozieren: über diesen Unsinn habe ich mich doch schon mal geärgert. Das trifft eigentlich auf jeden Artikel der Literaturchefin Nora Zukker zu. Ganz trübe wird’s bei der regelmässig, wenn Alkohol im Spiel ist:

Das beschwipste Interview ist vom 11. Juni, aber es prangt stolz wieder auf der aktuellen Homepage des «Tages-Anzeiger». Vielleicht soll das ZACKBUM provozieren, aber wir bleiben nüchtern.

In diesem Ringelreihen «empfiehlt» die Redaktion aktuell besonders auch diesen Artikel:

Diese «exklusive Recherche» gerann zu einem Buch von Andreas Tobler. Darüber durfte er selbst ganz exklusiv am 24. April 2022 auf zwei Seiten in der «SonntagsZeitung» berichten. Tobler erzählt hier die Geschichte der WG in der Bändlistrasse in Zürich nach. Dafür blendet er zum April 1972 zurück. Es waren wilde Zeiten damals. 1968 waren die Studenten in Europa und in den USA auf die Strasse gegangen und wollten alles ändern. Das System, den Kapitalismus, die Welt. Hatte nicht ganz geklappt.

Danach splitterte sich die Bewegung auf. Die einen traten den Marsch durch die Institutionen an, die anderen gaben auf und verschwanden in Landkommunen, im Drogenrausch oder setzten sich zu Füssen eines Gurus. Wieder andere kamen zur Überzeugung, dass das herrschende Schweinesystem nur mit Gewalt geändert werden könnte. Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Personen. Gegen die Charaktermasken des Kapitals.

Da sprang im April ’72 ein junger Mann im LSD-Rausch durch die Scheibe der WG in der Bändlistrasse und landete schwer verletzt auf der Strasse. Die Polizei durchsuchte, fand Waffen, Sprengstoff, die kindische Inschrift RAF an der Wand. Das stand für «Rote Armee Fraktion», eine Gruppe von Linksterroristen in Deutschland. Ihre militanten Mitglieder um Andreas Baader, Gudrun Enslin und der ehemaligen «konkret»-Kolumnistin Ulrike Meinhof hatten gerade ihr erstes Autobombenattentat verübt. Später sollten sie mehrere deutsche Wirtschaftsführer ermorden, berühmt wurde die Entführung und Hinrichtung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer.

Es gab damals enge Kontakte zwischen der Bändlistrasse und der RAF. Es gab enge Kontakte zwischen Schweizer Linksradikalen und Linksterroristen in Deutschland und in Italien, insbesondere zu den Brigate Rosse, den Roten Brigaden.

Tobler hatte einen Überlebenden und Zeitzeugen aufgetrieben, der ihm offen Auskunft über die damaligen Zeiten gab. Dazu stellt Tobler die üblichen Geschichten von André Chanson und Co. Im Mai gab es dann eine Buchvernissage, moderiert vom Westentaschen-Co-Chefredaktor Mario Stäuble vom «Tages-Anzeiger».

Dabei wäre ein ehemaliger Chefredaktor des Tagi viel geeigneter gewesen, über dieses Thema zu diskutieren. Er hätte viel aus eigenem Erleben beisteuern können. Das hätte sich auch prima bebildern lassen. Denn vom Augenzeugen des damaligen Fenstersprungs veröffentlichte Tobler das Polizeifoto:

Nun hätte man Res Strehle genau gleich für den Anlass porträtieren können:

Screenshot Artikel «Weltwoche».

Die Verhaftung von Strehle fand 1984 statt, also 12 Jahre später. Diesmal waren es die Zeiten der 80er-Jugendbewegung. Der nicht mehr so ganz jugendliche 32-jährige Strehle hatte mit Gesinnungsgenossen ein Gebäude nahe dem Zürcher Stauffacher besetzt, sozusagen einen Steinwurf von seiner späteren Wirkungsstätte beim «Tages-Anzeiger» entfernt. Auch damals waren Brandanschläge im Schwange, so wurde die McDonald’s-Filiale am Stauffacher von «Aktivisten» abgefackelt.

Im Februar 2013 veröffentlichte der damalige «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut unter dem Titel «Der süsse Duft des Terrorismus» die Ergebnisse seiner Recherche in der linksradikalen Vergangenheit des damaligen Tagi-Chefredaktors. Der hatte sich inzwischen dem Marsch durch die Institutionen angeschlossen und war bequem auf einem Chefsessel gelandet. Während er sich allerdings früher noch für die Unterdrückten und Entrechteten eingesetzt hatte, exekutierte Strehle damals die ersten Sparrunden des Konzerns mit brutaler Effizienz.

Was wohl der jüngere Strehle vom älteren gehalten hätte? Denn noch 1993 «verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler», der sei dann sogar der von Strehle mitbegründeten WoZ  zu radikal gewesen, merkt Gut süffisant an, sie verweigerte, auch wegen inhaltlichen Fehlern, den Abdruck. Kistler hatte sich in der Türkei einer leninistischen Splittergruppe angeschlossen, «sie ist nicht im Bett gestorben, sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war», schwärmte Strehle damals. Ebenfalls vom konsequenten Handeln, die Revolutionärin habe «für viele Genossinnen und Freundinnen einen Massstab gesetzt».

Aber nicht für Strehle, der solche Kämpfe lieber aus Distanz wohlwollend mit Worten begleitete. Schon 1986 hatte er über eine portugiesische Terrorgruppe geschwärmt und den Lesern erklärt: «Revolutionäre Gewalt ist die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfs gibt.» Klassenkampf wurde für Strehle dann aber immer mehr der Kampf um einen Platz in der Business Class, mit möglichem Upgrading in First.

Noch 1984 war er Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution». Aber spätestens ab 2009 war er dann für die Zerstörung eines kleinen Teils des Profits des Coninx-Clans, indem er erst als Co-, dann als alleiniger Chefredaktor ein exorbitantes Gehalt bezog.

Also wer wäre prädestinierter gewesen, die Vernissage des Buchs von Tobler mit eigenen Erfahrungen zu bereichern. Aber so meinungsstark Strehle als Chefredaktor auch war, indem er unzählige staatstragende Kommentare absonderte, so schweigsam ist er, was seine linksradikale Vergangenheit betrifft. Als alter Medienprofi machte er das einzig Richtige: er sagte nichts. Keine Stellungnahme, keine Erwiderung, keine Erklärung. Nichts. Er setzte nur juristisch die Streichung einiger Passagen im WeWo-Artikel durch und beschwerte sich beim Presserat, der als Köppel-Hasser natürlich eine «Verletzung der Privatsphäre» Strehles monierte.

Einen besonders widerlichen Geruch bekommt diese alte Affäre dadurch, dass Tobler bekanntlich einen sogenannten «künstlerischen Mordaufruf» gegen den WeWo-Chefredaktor Roger Köppel verharmloste. Das sei doch nur ein «Theatermord», der als Reaktion auf Äusserungen Köppel «verstanden werden» könne, sülzte Tobler. Und sein damaliger Chef Strehle sah darin keine «journalistische Fehlleistung».

Vielleicht ein kleiner nostalgischer Rückfall in seine eigene Vergangenheit. Nun ist es aber so, dass in dem ganzen Buch von Tobler über die Bändlistrasse, Linksterrorismus und die bewegten Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren zufällig ein ziemlich prominenter Name fehlt. Der ist dem Recherchiergenie irgendwie entgangen. Durchs Raster gefallen. Entwischt. Welcher Name? Ach, den wollen wir nicht enthüllen; unsere intelligenten Leser kommen sicherlich nach reiflichem Nachdenken auf das richtige Resultat. Kleiner Tipp: Der Mann mit diesem Namen ist zwar schon längst pensioniert, veröffentlicht aber jährlich einen «Qualitätsbericht» über das Schaffen von Tamedia. Jeweils ein Quell unbändigen Gelächters für die Leser.

«Satan auf dem Weg zur Hölle»

 So jubelt die iranische Presse über den Mordanschlag auf den Schriftsteller Salman Rushdie.

Erst kürzlich wurde das Kopfgeld auf ihn erhöht. Unglaublich, diese schiitischen Fanatiker.

Die regierungsnahe Teheraner Zeitung «Kayhan» kriegt sich gar nicht ein: «Die Hand des Mannes, der dem Feind Gottes den Hals umgedreht hat, muss geküsst werden.» Wahnsinn, diese religiösen Fanatiker, die einen feigen Anschlag auf den Menschen, auf die Redefreiheit, auf die Grundwerte aufgeklärter und moderner Gesellschaften nicht nur rechtfertigen, sondern begrüssen. Schön, dass es das in der Schweiz nicht gibt.

Immerhin, der hiesige Islamische Zentralrat «verurteilt die feige Attacke» und «ruft den Iran auf, die Fatwa rückwirkend zu annullieren». Schön, dass sich auch Moslems in der Schweiz so klar äussern. Schön, dass es solche Mordaufrufe in der Schweiz nicht gibt.

«Roger Köppel tötet! Tötet Köppel Roger!»

Im «führenden Strassenmagazin der Schweiz» erschien 2015 dieser Mordaufruf als Inserat. Ein Schweizer Schmierenjournalist verniedlichte das zum «Theatermord» und zeigte viel Verständnis: Dieser «Aufruf zum Mord» könne als eine Reaktion auf Köppels Auftritt in der Talkshow «Menschen bei Maischberger» im deutschen Fernsehen «verstanden werden», wo er sich «in gewohnt pointierter Manier» geäussert habe, erklärte Andreas Tobler im «Tages-Anzeiger». Diese «Künstleraktion» stehe halt in der Tradition von Christoph Schlingensief, merkte der Redaktor noch kunstsinnig an.

Auf Anfrage schwieg Tobler verkniffen, sein damaliger Chefredaktor Res Strehle sprang ihm zur Seite: er sehe in diesem «nachrichtlich und nicht reisserisch aufgemachten Beitrag» keine «journalistische Fehlleistung». Auch der emeritierte Strafrechtsprofessor Peter Aebersold, Präsident des Trägervereins des Strassenmagazins «Suprise», sah «strafrechtlich kaum ein Problem».

Ein Mordaufruf gegen einen Chefredaktor, der 2006 die Mohamed-Karikaturen nachgedruckt hatte, worauf islamische Hetzer auch gegen Köppel einen Mordaufruf lancierten. Ein pakistanischer Student versuchte, mit einem Messer den Worten die Tat folgen zu lassen. Im Fall Köppels glücklicherweise erfolglos.

Immerhin entschuldigte sich die Redaktion von «Surprise» in einer gewundenen Erklärung. Dagegen gibt es in der Schweiz Verpeilte, die feinsinnig zwischen echten und «künstlerischen» Mordaufrufen unterscheiden wollen. Ist das Ziel eine Hassfigur von ihnen, ist das eine lässliche Sünde. Selbst Strafrechtsprofessoren verlieren völlig den Kompass und die Contenance. Sich nachträglich wenigstens entschuldigen, auch im Licht der aktuellen Schandtat? Niemals, stattdessen hoffen diese Figuren auf das Vergessen. Vergeblich.

Es gibt genügend fundamentalistische Irre auf der Welt, die sich motiviert fühlen, mit Feuer und Schwert Beleidigungen ihrer Gewaltreligion mit Gewalt zu begegnen. Wo Korangläubige an der Macht sind, senkt sich Dunkelheit, mittelalterliche Zivilisationsferne und grausame Willkür übers Land.

Wo sie sogenannte islamische Staaten errichten oder errichten wollen, herrschen Barbarei, Mord und Totschlag und Untergang. Wo sie nicht an der Macht sind, fühlen sie sich zu recht als Modernitätsverlierer, viele von ihnen werden aus Minderwertigkeitskomplexen heraus fanatisch.

Ob in Nizza, auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, ob gegen die Redaktion von «Charlie Hebdo» oder gegen die Mohamed-Karikaturisten: der Islam ist völlig humorlos, überschnell beleidigt und kennt nur ein Urteil gegen jedwelche Form von Kritik, Satire, Polemik: das Todesurteil. Dass das Sicherheitsdispositiv im Fall von Rushdie versagt hat, dass man meinte, nach so vielen Jahren sei das gegen ihn vom Ajatollen Chomeini ausgesprochene Todesurteil vergessen, ist ein Fehler.

Dass die aufgeklärten und toleranten Gesellschaften der Welt, die wenigen, die es gibt, dem Treiben von Islamisten zusehen, Hassprediger mit Samthandschuhen anfassen, zusammenzucken, wenn intolerante Fanatiker sich auf Religionsfreiheit und Toleranz berufen, die sie in ihren Herrschaftsgebieten nicht im Traum gewähren würden, das ist unser Fehler.

Der Islam ist eine unzivilisierte, gewalttätige, Fanatiker am Laufmeter produzierende Ideologie. Überall, wo er herrscht, herrscht Rückschritt, werden Frauen unterdrückt, Andersdenkende verfolgt, werden vormals moderne Gesellschaften unter das Joch einer mittelalterlichen Verblendung gepresst.

Natürlich ist noch nicht erwiesen, dass der Attentäter ein weiterer fundamentalistischer Irrer ist, der gewalttätig wurde. Aber genügend Indizien sprechen dafür, obwohl auch für ihn die Unschuldsvermutung gilt. In unserer Gesellschaft wird er nicht ausgepeitscht, auch nicht gesteinigt, er wird nicht gefoltert und es werden ihm keine Gliedmassen abgehackt.

Aber das ausgerechnet Rushdie nun um sein Leben kämpfen muss, offenbar schwer verletzt wurde, künstlich beatmet werden muss, ein Auge verlieren könnte, nachdem er so viele Jahre untertauchen musste, sich erst in den USA wiederfrei fühlte und ungefährdet, das ist unser aller Versagen.

Es ist unser Versagen, weil wir nicht lautstarker, deutlicher und entschlossener fordern, dass unsere Toleranz dort aufhören muss, wo sie von intoleranten religiösen Fanatikern missbraucht wird. Dafür hat die Aufklärung nicht unter so viel Opfern erkämpft, dass wir uns frei äussern können.

Wer aber diese Freiheit so unsäglich missbraucht wie derjenige, der zu einem «künstlerischen Mord» an Köppel aufrief, wer sie so verächtlich missbraucht wie dieser Schmierenjournalist, der das verniedlicht und verständlich machen will, auch die verdienen unsere ganze Verachtung und Missbilligung.

Bock zum Gärtner

Res Strehle wühlt nochmals in der Vergangenheit von Emil Bührle. Statt in seiner eigenen.

Gibt es noch Neues vom Waffenfabrikanten und Stifter der bedeutendsten Sammlung von Impressionisten ausserhalb Frankreichs? Es scheint, dass gewisse Kreise nicht ruhen wollen, bis dieser Ausstellungsmagnet des Erweiterungsbaus des Kunsthauses Zürich weggeschrieben ist. Da einzelne Kunstwerke bereits ausführlich – wenn auch vergeblich – skandalisiert wurden, der Lebenslauf Bührles zur Genüge dargestellt, seine Waffenlieferungen an Nazi-Deutschland (mit Einverständnis des Bundesrats und von ihm mit Krediten finanziert) genügend niedergemacht wurden, was bleibt?

Dieser Ansatz: «Bührle und seine Lakaien: Wie der Nazi-Profiteur mit dem Kunsthaus die Herzen der Schweizer Elite eroberte».

Auch das ist nicht gerade originell, und Strehle überschüttet und überfordert den Leser in seinem Artikel in «Republik»-Länge (22’791 A) mit einer Flut von Namen, eher zusammenhangslos aneinandergereiht. Das kommt eben davon, wenn ein ehemaliger Tagi-Chefredaktor in die Tasten greift: keiner traut sich, ihn anständig zu redigieren.

Im Wesentlichen will Strehle aufzeigen, wie es Bührle gelungen sei, sich mit Aktivitäten im kulturellen Bereich zu rehabilitieren und die Aufnahme in die besseren Kreise zu bewerkstelligen. Dabei ist ihm keine Häme zu billig: «Im Haus Bührle reichte ein Gärtner, der mit dem Fahrrad angeradelt kam, weil ihm der Patron die Anfahrtskosten der Strassenbahn nicht abgelten wollte.»

Auch wenn Bührle etwas nicht tat, bekommt er dafür von Strehle keine Absolution: «Bührle war klug genug gewesen, nur drei Jahre nach seiner Einbürgerung die «Eingabe der Zweihundert» nicht zu unterzeichnen.»

Besonders ein Dorn im unbestechlichen Auge Strahles sind sozialdemokratische Helfershelfer von Bührle:

«Die SP-Politiker halfen mit, den Waffenindustriellen in Zürich salonfähig zu machen, ähnlich wie ihre späteren Parteigenossen dessen Kunstsammlung allzu unbesehen mit einer eigenen Abteilung im Erweiterungsbau des Kunsthauses adeln würden.

Stadtpräsident Elmar Ledergerber setzt drei Jahrzehnte später die guten Beziehungen seiner Vorgänger zur Bührle-Familie fort und bahnt nach der Jahrtausendwende zusammen mit Walter Kielholz und Kunsthaus-Direktor Christoph Becker die Überführung der Bührle-Sammlung in einen Erweiterungsbau des Kunsthauses an.»

Was stört Strehle genau daran? Ganz zum Schluss lässt er die Katze aus dem Sack: «die zweitwichtigste Sammlung französischer Impressionisten weltweit, aber leider noch nicht unabhängig in ihrer Provenienz erforscht und beschönigend deklariert. Ein Mahnmal der jahrzehntealten Wahlverwandtschaft Emil Georg Bührles mit Zürichs Elite.»

Nichts gegen Vergangenheitsbewältigung und das neuerliche Umwühlen längst vergangener Taten oder Untaten. Nur: gerade Res Strehle wäre gefordert, das endlich einmal in eigener Sache zu tun. In Sachen der eigenen linksradikalen Vergangenheit. Die wurde mehrfach von der «Weltwoche» thematisiert. Aber ausser mit juristischen Massnahmen sah sich Strehle bis heute nicht dazu veranlasst, zu sich selbst Stellung zu nehmen.

Auch seine Haltung in der Vergangenheit war den damaligen Zeiten und Umständen geschuldet, und jeder hat das Recht auf Vergessen und Veränderung. Ausser, er seziert dermassen beckmesserisch die Vergangenheit eines anderen. Zitieren wir einmal anrüchige Aussagen des sich aufs hohe moralische Ross schwingenden Strehle aus anderen Zeiten:

«Im März 1993 etwa verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler, der selbst der WoZ, die er 1981 mit gegründet hatte, zu weit ging. Die ­Redaktion lehnte die Veröffentlichung ab, auch weil die Einschätzungen offenbar nicht stimmten. Kistler, von Strehle liebevoll «Babs» genannt, hatte sich in der Türkei einer militanten leninistischen Splittergruppe angeschlossen. «Sie ist nicht im Bett gestorben, wie es ihr grösster Horror war», so Strehle, «sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war.» Mit «der Konsequenz ihres Handelns» habe die Revolutionärin «für viele GenossInnen und FreundInnen einen Massstab gesetzt», schrieb Strehle. Er schloss den pathetischen Aufruf mit dem Guerilla-Gruss: «Barbara presente!» Laut der WOZ-Redaktion hatten zum fraglichen Zeitpunkt allerdings gar keine Kämpfe in dieser Region der Türkei stattgefunden. Doch Strehle liess sich von den Tatsachen nicht beirren: Er warf seinen Kollegen hinterher vor, «jegliche Solidarität» mit der Gewalttäterin vermissen zu lassen.»

Schon zuvor hatte Strehle ein recht lockeres Verhältnis zu Gewalt unter Beweis gestellt, revolutionäre Gewalt, versteht sich: Am 10. Januar 1986 erklärt er den Lesern, warum die portugiesische Terrorgruppe «Volkskräfte des 25. April» (FP-25), die die junge Demokratie – entstanden nach der friedlichen Nelkenrevolution 1974 – abschaffen wollte, mordend und brandschatzend das historisch Notwendige und ­moralisch Richtige tue.

««Revolutionäre Gewalt», so Strehle, sei « die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfes gibt». Vor «diesem Hintergrund» seien «die militärischen Aktionen der FP-25 zu verstehen: Erschies­sung von Unternehmern, Grossgrundbesitzern, Aktionen gegen die Nato und Geldbeschaffung». Minutiös vermerkt Terrorversteher Strehle eine Liste der Heldentaten, welche die FP-25 verübt hat: «6. 12. 82: Erschiessung des Unternehmers Monteiro Pereira, 19. 10. 83: Anschlag gegen das Arbeitsministerium, 7. 2. 84: Erbeutung von umgerechnet 2 Mio. Franken in Lissabon, 30. 4. 84: Anschlag auf einen Grossgrundbesitzer, 30. 5. 84: Erschiessung des Unternehmers Canha E Sá», und so fort. Das ist längst nicht alles: In der Manier des pflichtbewussten Buchhalters nennt Strehle ein Dutzend weiterer Terrorakte, darunter ein Angriff auf «BRD-Militärs». 

Strehle stimmt zu: Politische Gewalt ist inte­graler Bestandteil des sozialistischen Projekts. «Die Aktivitäten der FP-25 erfolgen nicht isoliert von anderen Formen des Klassenkampfes. Die FP-25 kämpfen für die Zerstörung des kapitalistischen Staates durch eine sozialistische Revolution, die sich in allen Strukturen der Arbeiter durch den lang andauernden täglichen Kampf entwickelt.»

Nun könnte man meinen, dass das halt längst vergangene linksradikale Haltungen eines im Marsch durch die Institutionen geläutert in der Chefredaktion des «Tages-Anzeigers» Angekommenen seien. Aber die alten Reflexe spielten auch noch viele Jahre danach.

Ein verpeiltes «Zentrum für politische Schönheit» wagte 2015 die launige Schlagzeile «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!», das Strassenmagazin «Surprise» druckte diesen Mordaufruf ab und der Tagi-Mitarbeiter Andreas Tobler zeigte Verständnis für diesen «Theatermord», er könne als eine Reaktion auf Köppels Auftritt in der Talkshow «Menschen bei Maischberger» im deutschen Fernsehen «verstanden werden», wo er sich «in gewohnt pointierter Manier» geäussert habe.

Der «Tages-Anzeiger» verstand sich den höchsten journalistischen Standards verpflichtet, denen auch der Autor Tobler nachzuleben hätte. Res Strehle sah damals auf Anfrage in diesem «nachrichtlich und nicht reisserisch aufgemachten Beitrag» keine «journalistische Fehlleistung». Im Übrigen sei seine persönliche Meinung, dass der Mordaufruf «geschmacklos» sei.

Immerhin hatte sich seine Haltung zu Mord und Gewalt in der politischen Auseinandersetzung verändert. Aber über seine eigene Verwicklung mit der linksradikalen Szene in Zürich sagt Strehle bis heute nichts – oder nur Beschönigendes. Was er im Fall Bührles aufs schärfste kritisieren würde, erlaubt er sich selbst.

So wird der Bock, mit oder ohne Velo, zum Gärtner gemacht, werden zwei Massstäbe angelegt, feiert typisch linke Heuchelei, Doppelmoral Urständ.

 

Selbstkritik ist was anderes

Tamedia berauscht sich am neusten «Qualitätsreport». Alles in allem alles super; stinksaure Frauen kommen nicht vor.

Gutes Timing ist alles, das weiss jeder Journalist (und jeder Politiker). Zu früh ist schlecht, zu spät auch. Und dann gibt es noch die ärgerlichen blöden Zufälle. Wie zum Beispiel den, dass der als Zubrot vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle jährliche «wir klopfen uns auf die Schulter»-Report ausgerechnet dann erscheint, wo Tamedia in den Schlagzeilen ist wegen angeblich unerträglicher Behandlung von Mitarbeiterinnen.

Aber davon soll der Gottesdienst natürlich nicht gestört werden, auch im Interview mit persoenlich.com wird Strehle nicht auf dieses sehr dominante Thema angesprochen. Wahrscheinlich aus der Überlegung heraus: Steht in diesem Report nicht drin, also lassen wir das.

In dem Report stehen klitzekleine Kritiken und ein grosses Lob.Gespendet von völlig unabhängigen Experten wie dem Rentner Felix E. Müller, Vinzenz Wyss und Otfried Jarren.

Das «Magazin» soll spitze sein?

Wie der – von Strehle an der Hand geführt – zum gemeinsamen Schluss kommen kann, dass das «Magazin» in «allen Qualitätsuntersuchungen» gut wegkomme und das Thema Corona ansprechend abgehandelt habe, ist schleierhaft. Diese zum Skelett abgemagerte Ruine, wo früher einmal ein wirklich hochstehendes Magazin gestaltet wurde, mit guten und extra dafür durchgeführten Reportagen, Essays und Analysen.

Um das so zu sehen, reicht schönsaufen nicht aus, da müssen auch verbotene Substanzen im Spiel gewesen sein. Ebenso bei dieser krachlustigen Selbstbeweihräucherung von Strehle zu Corona: «Das Qualitätsmonitoring kam insgesamt zum Schluss, dass die Tamedia-Redaktionen mit hoher Kadenz zu diesem Thema berichteten und dabei eine Mischung von vermittelnder und behördenkritischer Berichterstattung boten.»

Echt jetzt? Von welchen Redaktionen spricht er da? Gibt es ein Paralleluniversum, in dem ein solcher Tamedia-Konzern existiert? In unserer Welt wurden in hoher Kadenz Forderungen, Kritiken, fachmännische Meinungen von Laienjournalisten im Wechsel mit geradezu kriecherischer Übername aller offiziellen Positionen geboten.

Offenbar ist im ganzen Thema Qualitätskontrolle bei Tamedia der Wurm drin. Da darf eine Mitunterzeichnerin eines Protestschreibens in aller Objektivität untersuchen, ob die darin erhobenen Vorwürfe auch zutreffen. Und hier darf ein durch seine Flexibilität in Erinnerung gebliebener Ex-Chefredaktor einen Qualitätsraport federführend gestalten?

Der Begriff Feigenblatt ist da geradezu ein Euphemismus.

Feigenblatt? Sitzt.

Das Heesters-Phänomen

Die fidelen Tagi-Rentner

Irgendwann wurde es peinlich. Als Johannes Heesters noch mit 80 «Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen» trällerte, hörte sich das eher nach Katzenmusik an. Das Problem war, dass Hesters noch weitere 27 Jahre lang leben sollte und mit Frack und Zylinder in jedes Mikro krächzte.

Martin Ebel durfte 150 Mal literarische Sprachanalysen in die laufende Kamera sprechen.  Mit der «Kleinen Sprachsprechstunde» wollte der langjährige Kulturchef das «Sprachgefühl pflegen und gegen sprachlichen Egalismus angehen». Damit die Sache nicht zu spannend wird, sollten die Videos ausserdem «ein Bewusstsein wecken für so vieles, was man tagtäglich (…)  an subtiler Beeinflussung zugemutet bekommt.»

Jetzt könnte eigentlich Schluss sein. Denn Ebel geht in den wohlverdienten Ruhestand. Oder eben doch nicht. «Martin Ebel», so der Verlag, «wird auch nach seiner Pensionierung in einem reduzierten Pensum weiterhin für Tamedia tätig sein.» Folgen also noch weitere dieser unverzichtbaren Literaturbetrachtungen? «Wir bitten um Verständnis», antwortet die Pressedame, als wäre jemand gestorben, «dass wir keine weiteren Details zu den Anstellungsverhältnissen unserer Mitarbeitenden kommunizieren.»

Res Strehle hört auf

Ebel ist nicht der einzige frischfröhliche Tagi-Pensionär, der anderen Journalisten vor der Sonne steht und das Redaktionsbudget belastet. Res Strehle hatte bis im Oktober ein Autorenfixum, das im «gegenseitigen Einvernehmen beendet» wurde, wie er auf Anfrage schreibt. Auch die anderen Rentner Ruedi Baumann, Miklós Gimes oder Fredy Wettstein hauen arthrosenbefreit in die Tasten und versperren dadurch anderen, jüngeren Journalisten die paar Redaktionsseiten, die noch übrig geblieben sind.

Und auch Ruedi Baumann

Einspruch allerdings bei Ruedi Baumann, dem alten Schlachtross des Lokaljournalismus›. Seine Antwort sagt auch viel über die Nachrückenden und ist so bestechend, dass wir sie in der ganzen Länge lesen wollen:

«Ich habe seit meiner offiziellen Pensionierung im Februar 2017 meinem Vorgesetzten immer gesagt, dass er mich per sofort und ohne schlechtes Gefühl rausstuhlen kann. Ich wurde immer wieder quasi auf den Knien gebeten, doch bitte noch etwas weiterzumachen. Ich hatte in den letzten drei Jahren seit meiner Pensionierung ein 40-Prozent-Pensum und habe dies jeweils vor allem in den Ferienzeiten abgestrampelt, wenn die Jungen in den Ferien waren. Ich bin zudem in einem Gebiet tätig, um das sich hoffnungsvolle Jungjournalisten nicht reissen: kantonale Politik, Kantonsrat, Bausachen, Planung etc. Die Jungen suchen vor allem aufwendige Recherchen und Reportagen und keine Kurzschnurz-Artikel aus dem Tag heraus. Ich hatte in den letzten drei Jahren keinerlei Sonderbefugnisse – im Gegenteil – und habe über jede Hundsverlochete berichtet, vom Campingplatz über langfädige Kantonsratssitzungen bis zu SVP-Delegiertenversammlung bis Viertelvormitternacht. Ich habe allermeistens über Themen berichtet, um die sich niemand gerissen hat. Wer geht zum Beispiel schon freiwillig am Freitagabend ins Albisgüetli oder berichtet über den Bau des Gubristtunnels? 
 
Ein Argument für meine Weiterbeschäftigung war zudem, dass ich sehr viele Leute kenne und Zugang zu Informationen habe, die ich den Jungen weitergeben kann. Ich bin quasi das Gedächtnis der Redaktion. Viele Politiker im Regierungs- oder Nationalrat oder Chefbeamte hatten zusammen mit mir begonnen und haben ein besonderes Vertrauensverhältnis. Was mühsam und hemmend, aber auch nützlich sein kann.
 
Wir hatten immer genügend Abgänge, so dass ich niemanden auch nur ein Stellenprozent weggenommen habe. Vielmehr wären meine Stellenprozente von der TX Media wohl eingespart worden, wenn ich früher aufgehört hätte.
 
Und nun – Ende Jahr – höre ich endgültig auf. Im Alter von bald 69 Jahren.»

MAZ Runner: Die Auserwählten im Labyrinth

Das MAZ arbeitet an Unterrichtsmaterialien für Privatgymnasien. Geldgeber? Unbekannt.

Ich habe zwei Verwandte. Eine kann ausser Ivrith: nichts. Also unterrichtet sie an der Migros-Klubschule Ivrith für Anfänger. Die andere kann noch weniger, aber hat mehrere Kinder. Also passt sie auf andere Kinder auf. Gegen Bezahlung, natürlich.

Was aber machen Journalisten, die keinen Job, keine Lust oder keine Nerven mehr haben? Sie gehen ins MAZ, der sogenannten „Schweizer Journalistenschule“ in Luzern. Die Liste der Dozierenden ist länger als der Flaum von König Drosselbart, länger als die Streichliste von Nathalie Wappler und länger als die längste Praline der Welt, nämlich:  295 Dozentinnen und Dozenten.

Diese 295 müssen irgendwie ernährt werden. Nur die wenigsten taugen etwas als Strassenmusikantinnen und Strassenmusikanten. Wie soll das also funktionieren, in Zeiten von Corona? Nun, zum Glück gibt es viele Projekte, die ein bisschen Geld abwerfen. Zum Beispiel die Initiative «Publizistische Medienkompetenz in Ausbildung und Schule».

Finanzierung noch nicht abgeschlossen

Das MAZ durfte da an Unterrichtsmaterialien mitarbeiten, die ab September an vorwiegend christlichen Privatschulen verteilt werden: Freie Evangelische Schule, Freie Katholische Schule Zürich, Freies Gymnasium Zürich u.a. «Das Programm beinhaltet», so MAZ-Stiftungsratspräsident Res Strehle, «eine Medienwoche mit Erstellung eines journalistischen Beitrags, die Aufbereitung von aktuellen Unterrichtsmaterialien sowie die Weiterbildung von Lehrpersonen und Schülern.»

Das Recherchemagazin «Republik» hätte unter anderem seine Mitwirkung versprochen. Jesus, Maria! Das grössere Problem ist aber die Finanzierung. Sind die Lehrmaterialien denn bereits fertig erstellt? «Nein», schreibt Strehle auf Anfrage, «unser Finanzierungsgesuch für die Aufbereitung aktueller Unterrichtsmaterialien ist bei einer Stiftung hängig.» Welche Stiftung, denn? Vielleicht die Ave-Maria-Republik-Stiftung mit Pfarrer Dünnschiss im Vorstand?

Strehle reicht den Kelch weiter an Herrn Dr. Lucht, vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög), das ebenfalls mit an Bord ist.  Man sei zwecks Aktualisierung des Unterrichtsmaterials mit mehreren «Drittmittelgebern/Stiftungen» in Kontakt. «Haben Sie bitte Verständnis», so Lucht, dass man sich erst dann äussern wolle, wenn konkrete Ergebnisse vorlägen.

Wir haben für alles Verständnis. Sind ja nicht unsere Kinder, die gepiesackt werden.

Schreiben mit der Klosettbürste

Tagi-Journalist Andreas Tobler ist Wiederholungstäter.

Die feine Klinge ist seine Sache nicht. Wenn Tobler in die Tasten haut, geht’s zu, als ob er mit einer Klosettbürste hantieren würde.

Ein dümmlicher Schlingensief-Imitator wollte im Theater am Neumarkt provozieren und entwarf ein Plakat mit dem Text: «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!» Das druckte dann das Strassenmagazin «Surprise» ab, laut Selbsteinschätzung «journalistisch hochwertig».

Nachdem ihn fundamentalistische Wahnsinnige mit dem Tod bedroht hatten, weil er mutig Mohammed-Karikaturen nachdruckte, musste sich Roger Köppel zum zweiten Mal Sorgen um seine persönliche Sicherheit und die seiner Familie machen.

Viel Verständnis für einen Mordaufruf

Die Redaktion von «Surprise» zeigte sich damals einsichtig, die Publikation sei «ein Fehler» gewesen, der ihnen «Leid tut». Aber da hatten sich schon Linksausleger in Stellung gebracht, um den Mordaufruf umzudeuten: Es handle sich um den «Versuch, mittels eines künstlerischen Statements zum Nachdenken anzuregen», säuselte Sylvia Egli von Matt, sonst die Siegelbewahrerin von Sitte und Anstand im Journalismus.

Viel Feingefühl zeigte auch der Mitarbeiter Kultur beim «Tages-Anzeiger». «Dieser Mordaufruf», so Tobler damals, könne als Reaktion auf die Auftritte Köppels in deutschen Talkshows «verstanden werden», zudem stehe diese «Künstleraktion» in der Tradition Schlingensiefs, der auch wiederholt zum Mord an Helmut Kohl und Christoph Blocher aufgerufen habe. Es sei ja wirklich nur ein «Theatermord».

Man stelle sich vor, wie Tobler ins Hyperventilieren mit Schnappatmung geraten wäre, wenn in aller künstlerischen Freiheit ein solcher Mordaufruf gegen den damaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle ergangen wäre.

Nun reitet er gegen die «Cancel Culture»

Feige verzichtete Tobler damals darauf, sich auf Anfrage zu erklären. Nun reitet er wieder, diesmal gegen die sogenannte «Cancel Culture». Sie sei die Beschwörung eines «Phantasmas», wer davon rede, wolle sich endlich als Opfer präsentieren.

Dann zählt Tobler einige Beispiele aus Deutschland auf, wo sich Künstler darüber beschwerten, dass man sie wegen ihrer Gesinnung zensiert oder boykottiert habe. Das sei nun keineswegs so, urteilt Tobler, es hätten höchstens «viele Menschen ihre demokratischen Rechte wahrgenommen», indem sie im Netz den üblichen Hassmob bildeten.

Das würde Tobler sicherlich als Anschlag auf die Freiheit der Kunst beklagen, wenn die Betroffenen nicht eine in seinen Augen falsche Gesinnung hätten. So sei es völlig richtig, dass der Sänger Xavier Naidoo in München keinen Termin für ein Ersatzkonzert bekommen habe, nachdem das geplante Corona zum Opfer gefallen war.

Naidoo sei ein Antisemit

«Der Antisemitismus und die Homophobie eines Naidoo» seien »nichts, was geschützt ist, denn Hass ist keine Meinung». Meint Tobler hasserfüllt. In seiner Verblendung ist ihm offenbar entgangen, dass Naidoo in Deutschland gerichtlich untersagen liess, dass man ihn als Antisemiten anrempelt.

Denn der dunkelhäutige Naidoo engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Muss er erwähnen, dass sein Sohn einen hebräischen Namen trägt und ihn auch sein – im Übrigen jüdischer – Konzertveranstalter gegen solche unqualifizierten Verleumdungen in Schutz nimmt?

Naidoo wird insbesondere vorgeworfen, er verbrüdere sich im Lied «Marionetten» populistisch mit deutschen Rechten. Obwohl man das diesem Text nicht entnehmen kann. Aber das alles ist Tobler in seinem blinden Hass egal, schliesslich treibe Naidoo «in Netzwerken wie Telegramm weiter sein Unwesen».

Gegen jeden Sinn, jede Logik

Während an der Meinung Toblers wohl die Welt genesen solle. Denn von «Cancel Culture» sprächen «rechtskonservative Publizisten gesetzteren Alters», weil im Netz deren «Machtanspruch in Sachen Meinungsbildung unterlaufen» würde.

In Wirklichkeit wird hier nur jeder Sinn, jede Logik unterlaufen. Denn in den Leitmedien herrscht bekanntlich nicht die Meinung konservativer, alter weisser Säcke vor. Sondern von dümmlichen Traumtänzern wie Tobler. Und im Netz wird kein Machtanspruch in Frage gestellt, weil es den gar nicht gibt. Und Shitstorms, üble Beschimpfungen unter dem Deckmantel der Anonymität zu einem Akt des zivilen Aufbegehrens umzuschreiben, das zeugt von pathologischem Realitätsverlust.

Mehr braucht es nicht zum Heuchler

Austeilen und sich dann feige vom Acker machen, das hat bei Tobler Methode. So rempelte er auch im «Tages-Anzeiger» Roger Schawinski anlässlich von dessen Buch über Narzissten an, warf ihm Plagiat und unsaubere Zitiermethoden vor, verwendete unautorisierte Zitate von Schawinski. Als der ihm daraufhin anbot, die Sache vor laufendem Mikrophon auszudiskutieren, kniff Tobler.

So wie er sich beim «Theatermord» nicht erklären wollte, so wie er es Roger Köppel nicht gönnt, als «brillanter Journalist» bezeichnet zu werden. Neid, Einseitigkeit und fehlende Standfestigkeit: mehr braucht es nicht zum Heuchler.