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Was macht der Elefant im Raum?

Vor lauter Gejammer der Medienkonzerne kümmert sich kaum einer um SRF.

Sicher ist das Tessin ein Sonderfall. Dennoch ist es schon merkwürdig, dass das Schweizer Farbfernsehen der zweitgrösste Arbeitgeber im Kanton ist. Nach der Kantonsverwaltung. Wobei es auch einen regen Austausch zwischen beiden gibt.

Aber zunächst staatstragend: Wir sprechen natürlich von SRF, dem gebührenfinanzierten Service Publique für die einen, dem Staatsfunk mit Linksdrall für die anderen. Und der Gottseibeiuns für die Medienhäuser in der Schweiz.

SRF machte bislang allen privaten Versuchen, Funk und Fernsehen schweizweit zu etablieren, den Garaus. Viele, viele Millionen wurden in Experimente wie den Business Channel, TV3 oder gar CNN Money Switzerland verröstet. Selbst dem grossen Pionier Roger Schawinski gelang es nicht, mit Tele24 das Defacto-Monopol zu brechen.

Grosse Preisspanne bei der Sendeminute

Zurzeit bemüht sich einzig CH Media, mit einer Kollektion von Lokalradios, Lokal-TV-Stationen und Serien-Abnudel-Sendern, so etwas wie eine Konkurrenz aufzubauen. Trotz einzelnen Erfolgen wie «Bauer sucht Frau» oder munteren Talk-Sendungen ist das weit davon entfernt, von SRF als Konkurrenz empfunden zu werden.

Dabei spielt zunächst einmal hinein, dass die Herstellung einer Sendeminute einen gewaltigen Spielraum bei den Kosten hat. Eine halbe Stunde eingekaufte Serie kostet zwischen 2000 bis 5000 Franken. Je nach Alter, Beliebtheit und Sendetermin. 75 Minuten «Literaturclub» kosten hingegen knapp 60’000 Franken, 34 Minuten «Kassensturz» gar knapp 100’000 Franken. Roger Schawinski talkte dagegen für schlappe 15’000 Franken pro Sendung.

Aber das alles wir natürlich von einem Sendegefäss in den Schatten gestellt, bei dem die noch lebenden privaten Radio- und TV-Stationen gar nicht mithalten wollen: den Newssendungen. Für alle tagesaktuellen Nachrichtensendungen wirft SRF 50,3 Millionen Franken pro Jahr auf. Das ist mehr als jedes beliebige Redaktionsbudget in der Schweiz im privaten Medienbereich.

Die Nachrichtensendungen als das Filetstück der öffentlich-rechtlichen Sender

In der Schweiz probiert’s erst niemand wirklich, aber während in Deutschland zumindest in der werberelevanten Zielgruppe 14 bis 49 Jahre die grossen Privat-Sender ZDF und ARD weit hinter sich gelassen haben, sieht es bei einer Sendung ganz anders aus.

Die «Tagesschau» um 20 Uhr versammelt immer noch rund 10 Millionen Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund vor dem Bildschirm. «heute» um 19 Uhr im ZDF bringt es auf rund 4 Millionen. Erst dann kommt «RTL aktuell» mit  3 Millionen, weit abgeschlagen sind die «Sat1-Nachrichten» mit 1,3 Millionen Zuschauern.

Traumhafte Zahlen hat die «Tagesschau» von SRF; sie ist zwar nicht mehr das Lagerfeuer der Nation, aber bis zu 1,5 Millionen Zuschauer oder ein Marktanteil von weit über 60 Prozent um 19.30 Uhr, dagegen kommt niemand an.

Niemand? Nun, erst langsam und mühsam werden die Messgeräte für Einschaltquoten an moderne Zeiten herangeführt. Denn das «es wird gesehen, was auf die Mattscheibe kommt»-Publikum nimmt deutlich ab und stirbt auch langsam weg, weil das Durchschnittsalter der SRF-Zuschauer bei über 60 Jahren liegt; Tendenz Richtung AHV-Alter.

Analoges Fernsehen dämmert mit seinem Publikum weg

Falls Jugendliche überhaupt noch Nachrichten schauen, tun sie das immer häufiger zeitversetzt oder benützen eine Vorauswahl innerhalb ihrer Community. Auf jeden Fall haben sie eine sehr hohe Affinität für digitale Medien. Nun machen wir einen kurzen Ausflug auf die meistbesuchten Websites der Schweiz.

Natürlich nach Google, Facebook und Wikipedia.  «20 Minuten.ch» gelingt es immerhin, sich auf Platz 6 zu positionieren, noch vor der ersten Porno-Webseite. Dann hätten wir noch Kopf an Kopf «Blick.ch», «bluewin.ch» und «srf.ch.».

Die übrigen News-Seiten? Ach ja, da hätten wir «Tages-anzeiger.ch» dann auf Platz 39. Natürlich gibt es verschiedene Zählweisen und nicht wirklich objektive Rankings. Aber die Tendenz ist klar. Die Nase vorne haben zwei private Anbieter und zwei, nun, staatsnahe.

Wer wird sein Angebot in nächster Zeit kräftig ausbauen?

Dass bluewin.ch eine der meistbesuchten Newsseiten in der Schweiz ist, mag einige überraschen, die aber vielleicht auch nicht wissen, dass Migros und Coop die beiden mit Abstand auflagestärksten Zeitungen der Schweizer herausgeben.

Nun ist nicht anzunehmen, dass bluewin.ch sein News-Angebot in nächster Zeit massiv ausbauen wird. Das gilt wohl ebenfalls für «20Minuten» und «Blick». Bleibt, kopfkratz, grübel, studier, genau, der Kandidat hat 100 Punkte, SRF mit seinem 50 Millionen-Budget im Newsbereich.

Was macht da die privatwirtschaftlich organisierte sogenannte vierte Gewalt im Staate? Nochmal kopfkratz, grübel, ach ja: nichts macht sie. Einfach nichts. Ausser jammern und wehklagen. Immerhin müssen wir uns das nicht mehr anhören, wenn srf.ch das Meiste auf diesem Gebiet plattgemacht hat.

Das wird SRF auch schaffen, nachdem dort der Blitz einschlug; minus 250 Stellen, Einsparungen von 50 Millionen.