Schlagwortarchiv für: Preisverleihung

Preisträger: Alles Frauen oder was?

Der «Schweizer Journalist*In» fährt auch die Preisverleihung an die Wand.

Rankings, Auszeichnungen, immer eine gute Sache, um Aufmerksamkeit zu erregen. Damit konnte der «Schweizer Journalist» jahrelang punkten; ähnlich wie die «Bilanz» mit ihren «300 Reichsten».

Meistens waren die Preise verdient, und der Publikumspreis wurde unter lebhafter Beteiligung des Publikums vergeben. Das ist dieses Jahr alles ein wenig anders. Das Publikum bestand aus 892 Abstimmenden. Nun ja.

Ein Sportjournalist ist der einzige männliche Preisträger

Journalist des Jahres wurden die drei Journalistinnen der «Rundschau», die einen Beitrag zur Aufdeckung des Crypto-Skandals geleistet haben. Dass auch das ZDF und die «Washington Post» – die nebenbei am besten darüber berichtete – dabei waren: nun ja, beide sind nicht weiblich.

Das Geschlecht muss dieses Jahr eine herausragende Rolle gespielt haben, denn gerade ein einziger Mann schaffte es, Kategoriensieger zu werden. Noch-Präsident Trump würde da sicher von Betrug twittern, aber uns ist das Geschlecht von Preisträgern völlig egal. Die Frage, ob sie ihn auch verdient haben, beschäftigt uns schon mehr.

Welche Meriten, ausser das richtige Geschlecht?

Nehmen wir zum Beispiel die «Kulturjournalistin des Jahres». Dabei soll es sich um eine Namensvetterin von Simone Meier von «watson» handeln. Denn diese Meier kann nicht gemeint sein, für die ist Kultur ein Schreibfehler von Kult. Deren kultureller Horizont liegt so tief, dass sie geschmacklos davon schreibt, dass im Dritten Reich Juden «gecancelt» wurden. Und nicht mal einen Grund dafür sieht, sich wenigstens zu entschuldigen.

Gleich drei Preise regnen auf drei Frauen der «Republik» herunter. Darunter Wirtschaftsjournalistin des Jahres: Olivia Kühni. Nichts gegen sie, aber aufgrund welcher Leistung? Womit genau tritt sie in die Fussstapfen von Lukas Hässig, zum Beispiel? Die anderen beiden Preisträgerinnen der «Republik» sind leider namentlich oder leistungsmässig nicht bekannt.

Eine philosophische Gesellschaftsjournalistin, eine Kurzzeit-Chefredaktorin

Dann hätten wir noch die Nachfolgerin von Michèle Binswanger als Gesellschaftsjournalistin des Jahres: Barbara Bleisch von «Sternstunde Philosophie». Echt jetzt? Für ihre philosophischen Höchstleistungen wie diese, gegen die Platons Höhlengleichnis gewaltig abstinkt: «Wer das Schlangenbrot am Holzstecken in die lodernden Flammen hält, statt auf die Glut zu warten, muss einen Teigklumpen verspeisen, der aussen verkohlt und innen roh ist.» Mit solchen Sottisen sorgt sie im «Tages-Anzeiger» regelmässig für Heiterkeit, aber was soll das mit Gesellschaftsjournalismus zu tun haben?

Riesenfreude auch bei Nicole Meier von Keystone-SDA. Sie wurde zur «Chefredaktorin des Jahres» gewählt. Meier ist seit einem Jahr die Chefin der Nachrichtenagentur. Auf eine Ausschreibung wurde damals verzichtet. Das hat innerhalb der Redaktion zu Misstönen geführt. Sie sei eben «Wunschkandidatin der Geschäftsleitung» gewesen, heisst es auf Anfrage. «Unter diesen Umständen wurde konsequenterweise auf eine Ausschreibung verzichtet.»

Die rasende Reporterin des Jahres

Nehmen wir noch eine letzte Preisträgerin. Sarah Serafini von «watson» ist «Reporterin des Jahres». Mal ein Blick auf ihre letzten Reportagen, in chronologischer Reihenfolge: «Corona-Impfung: Was du über den Impfstoff wissen musst», «Coronavirus: Deutschland will Schulferien über Weihnachten verlängern», «Johnson sieht «hohe Wahrscheinlichkeit» eines No-Deal-Brexits». Und: «Skandalflug aus Surinam – Fifa-Chef Infantino steht vor Strafverfahren.»

Also entweder reiste die rasende Reporterin in den letzten Tagen nach Deutschland, London und fand noch Zeit für einen Abstecher nach Surinam – oder sie ist gar nicht so rasend. Das muss ja nicht gegen sie sprechen, aber «Reporterin des Jahres»?

Vielleicht nicht ganz alles verstanden

Vielleicht hat der neue Chefredaktor des «Schweizer Journalist» den zweiten Teil der guten Masche, durch Rankings und Auszeichnungen Aufsehen zu erregen, nicht verstanden. Oder vielleicht wollte er mit fast ausschliesslich weiblichen Preisträgern ein Zeichen setzen. Wie auch immer, Preise mit preiswürdigen Preisträgern sind gut. Preise, um ein Zeichen zu setzen oder um Preisträger zu küren, die nicht unbedingt preiswürdig sind, das ist schlecht. Denn wer möchte denn zum Beispiel gerne Nachfolger der Westentaschenphilosophin Bleisch werden? Oder der kulturfernen Simone Meier?

Also ich nicht. Aber ich bin ja auch disqualifiziert. Als Mann.