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Mal positiv gesehen …

Schon wieder eine neue Rubrik. Ist alles schlecht im Journalismus? Nein, nur fast.

 

Würdigung für Pia Zanetti

In der Schweiz sind viele Fotografen stille Stars. Selbst René Burri, dem grossen Magnum- und Reportage-Fotografen, richtete seine Heimatstadt Zürich eine geradezu peinliche Hommage für seinen 80. Geburtstag aus. Viel würdiger wurde er in Havanna gefeiert, im zentral gelegenen Nationalmuseum der Schönen Künste.

Als Menschenfreund genoss er die Anerkennung in Havanna, und sah mit einem Lächeln über die Geschmacklosigkeit in Zürich hinweg.

Pia Zanetti, die grosse Menschenfotografin, bekommt jetzt, mit 77 Jahren, eine Hommage an ihr Lebenswerk in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur. Kein Zufall, dass das eine private Stiftung und kein staatliches Museum ist. Zu den Stiftungspräsidenten gehörten unter anderem Manuel Gasser oder Hugo Loetscher.

Hier findet nun endlich, leider natürlich recht bedrückt durch Corona, eine Werkschau der seit 60 Jahren überall auf der Welt das Menschliche suchenden Fotografin statt.

Und, Wunder über Wunder, der «Blick» widmet ihr zu diesem Anlass ein Interview, das informiert, respektvoll und interessant geführt wird. Die Fotos dazu steuert Luca Zanetti bei, Sohn und ebenfalls Fotograf.

Dem «Schweizer Monat» ist’s noch aufgefallen, der WoZ und Swissinfo

 

Wirecard? War da mal was?

Ja, da war mal der typische Wisch-und-weg-Journalismus. Alle Spalten gefüllt, per copy/paste und Google jede neue Entwicklung nachgetickert. Und dann neues Thema, neues Spiel, ach ja, Wirecard.

Ist das überall so? Nein, das gibt es ein kleines gallisches Dorf, Pardon, eine kleine Trutzburg an der Falkenstrasse, wo ein Deutschland-Korrespondent Zeit und Musse hat, sich durch die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zu wühlen.

Diesmal greift er «das kriminelle Meisterstück» des flüchtigen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek heraus, das Verbot von Leerverkäufen durch die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Ein weiteres Meisterstück von Marsalek ist, dass er sich bislang der Verhaftung entziehen konnte.

Vom DAX-Konzernvorstand zum Fahndungsplakat. Eine Karriere.

Damals bestand es daraus, dass der Aktienkurs von Wirecard Anfang 2019 unter Druck geriet, weil die «Financial Times» (FT) unermüdlich kritische Artikel über das Geschäftsmodell des DAX-Unternehmens veröffentlichte. Da erfand Marsalek eine wahre Räuberpistole und speiste die bei der Münchner Staatsanwaltschaft via Anwaltskanzlei ein. Mitarbeiter der FT sollen demnach der Nachrichtenagentur Bloomberg angeboten haben, in die negative Berichterstattung einzustimmen. Daraufhin habe Bloomberg sich bei Wirecard gemeldet und 6 Millionen Euro gefordert, sonst werde man das Angebot der FT annehmen.

Tolle Story, nur: Beweislage null. Dennoch meldete sich die Staatsanwaltschaft bei der Bafin. Diese sah Gefahr in Verzug, dass Leerverkäufer, die auf fallende Kurse spekulieren, die arme Wirecard weiter ins Unglück stossen könnten. Die vor einem drakonischen Entscheid zu konsultierende Deutsche Bundesbank kam zwar zum Schluss, dass die Finanzmarktstabilität nicht gefährdet und daher ein Leerverkaufverbot nicht nötig sei.

Ein Beschluss über die Grenzen aller Vernunft hinaus

Auf Ebene Vizepräsidentin telefonierte man dann, und frau einigte sich darauf, dass die Bundesbank ihre Stellungnahme nicht publizieren – und die Bafin ein Leerverkaufverbot aussprechen werde. Ein Geschenk des Himmels für Wirecard. Die Schwindel-Firma konnte sich nun sozusagen amtlich unterstützt als Opfer eines Komplotts gebärden.

Das zögerte die eigentlich unvermeidliche Pleite noch um einige Monate hinaus. «Zusammenspiel von Nachlässigkeit, Fehleinschätzungen, allzu enge Auslegung von Zuständigkeiten und fehlende Gesamtschau», bilanziert René Höltschi NZZ-milde. Nein, das war wirklich ein kriminelles Meisterstück, das die Überforderung der staatlichen Kontrollstellen in aller Hässlichkeit demaskierte.

Und der Artikel gereicht der NZZ zur Ehre; die anderen Redaktionen, nun ja, wir wollen hier ja loben.