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Endspiel der Demokratie

Wenn die Volksvertretung übergangen wird.

Das Parlament beschliesst, die Regierung führt aus. So sollte es sein. Die Regierung beschliesst, das Parlament hat nichts zu sagen. So ist’s neuerdings in der Schweiz.

Es ist ein Skandal. Ein Sündenfall. Etwas Unerhörtes. Aber kaum einer regt sich gebührend auf. Der Bundesrat hat unter Anwendung der wackeligen Rechtsgrundlage «Notrecht» insgesamt 259 Milliarden Franken ins Risiko gestellt.

Der Bundesrat hat hektisch, übereilt, überfordert die Credit Suisse an die UBS verscherbelt. Ohne Alternativen wirklich zu prüfen. Es war beschämend, zwei inkompetente Bundesräte, einen desinteressierten Nationalbankpräsidenten, eine nichtssagende Figur der Bankenaufsicht FINMA und das Paar Plisch und Plum von der CS am 19. März auf der Bühne zu sehen.

Sprechpuppen, dominiert von Colm Kelleher, dem übermächtigen VR-Präsidenten der UBS. Er herrscht über eine Bank, deren Bilanzsumme doppelt so gross ist wie das BIP der Schweiz, die Summe aller in einem Jahr hergestellten Werte. Nirgendwo anders auf der Welt steht ein solch riesiger Dinosaurier in einem Land. Dass es vor der Finanzkrise eins zwei noch grössere gab, spendet keinen Trost.

Die beiden Bundesräte, alle sieben Bundeszwerge, hätten dem UBS-Boss auch gleich die goldenen Schlüssel der Schweiz überreichen können. Von jetzt an muss jede Sitzung der Landesregierung mit den bangen Fragen beginnen: Wie geht es der UBS heute? Wie ist das werte Befinden von Kelleher? Ist seine Laune gut, der Stuhlgang befriedigend, der Nachschub von irischem Whiskey sichergestellt?

Allerdings kann eine überforderte Finanzministerin, teuer, aber parteiisch beraten von einer Anwaltskanzlei, die gleichzeitig die Interessen der UBS vertritt, einen Fehlentscheid treffen. Glücklicherweise gibt es in einer Demokratie Korrekturmöglichkeiten.

Denn eigentlich ist es so, dass die Regierung dazu da ist, vom Parlament beschlossene Gesetze und Richtlinien auszuführen. Walten besondere Umstände, gibt es die Möglichkeit, dass die Regierung vorprellt, handelt, um dann im Nachhinein die Zustimmung des Parlaments zu erbitten. Handelt die Regierung klug und nachvollziehbar, ist das eine reine Formsache.

Da der Bundesrat weder klug, noch nachvollziehbar handelte, verweigerte das Parlament seine Zustimmung zu den getroffenen Vereinbarungen. Das ist sehr peinlich für die Regierung; im Normalfall müsste sie nach einer solchen Ohrfeige zurücktreten. Nun werden in der Schweiz die Bundesräte einzeln gewählt und bilden eine Kollegialregierung. Also müsste die verantwortliche Finanzministerin Karin Keller-Sutter zurücktreten.

Das hat sie offenbar nicht einmal in Erwägung gezogen. Aber noch schlimmer: sie und die Landesregierung haben vor der Parlamentsdebatte erklärt, dass eine Zustimmung im Nachhinein erwünscht, eine Ablehnung bedauerlich – aber völlig wirkungslos sei.

Hier muss der Staatsbürger einen Moment innehalten, rot anlaufen und vor Wut fast explodieren. Wozu haben wir ein Parlament als oberste Entscheidungsinstanz – wenn es schlichtweg keine Rolle spielt, ob es ja oder nein sagt?

Es war ein demokratisches Trauerspiel, als eine Bundesrätin wie eine Sprechpuppe ihre unbefriedigenden Argumente vortrug, wieso der Beschluss richtig gewesen sei und – natürlich – alternativlos. KKS zeigte keinerlei Bereitschaft, dem Parlament in irgendeiner Form entgegenzukommen. Das war die pure Arroganz der Macht, das deutliche Signal: ihr könnt machen, was ihr wollt, ist mir doch egal.

Nachher zu sagen, dass der Bundesrat dieses «Signal» sehr ernst nehme, ist an Heuchelei kaum zu überbieten. Wir nehmen das sehr ernst, aber gleichzeitig pfeifen wir drauf.

Das Parlament selbst hat sich allerdings auch nicht mit Ruhm und Ehre bekleckert. Der sinnvolle Vorstoss, die verbleibenden vier Übersaurier in beherrschbare Einzelteile zu zerlegen, wurde von der SP in der vorberatenden Kommission versenkt – er hatte in der SVP den falschen Absender.

Nach dem Nein zum Multimilliardendeal gab es kurzzeitig eine Debatte, ob der Bundesrat dennoch die gemachten Zusagen honorieren dürfe und die entsprechenden Vereinbarungen unterzeichnen. Hilflose Versuche, dem Parlament doch noch zu seinem Recht zu verhelfen.

Von der Mainstream-Presse wurde das Nein der Volksvertreter teilweise scharf kritisiert. Das bringe nichts, sei Zwängerei, verunsichere die Märkte, schade dem neuen Übersaurier UBS plus CS. Als hofften sie immer noch auf zusätzliche Steuermillionen, beeilten sich die Medien, vor dem Bundesrat einen Kotau zu machen.

Der Besitzer und Verleger von CH Media (die auch das St. Galler «Tagblatt» herausgibt) orgelte: «Für die Rettung der CS hätte Karin Keller-Sutter statt einer Ohrfeige Standing Ovations verdient». Stattdessen beklagt Peter Wanner ein «unheilvolles Signal», «Selbstprofilierung» sei wichtiger gewesen als «die Übernahme von Verantwortung». Wanner hatte schon verantwortungsvoll eine Flugverbotszone über der Ukraine gefordert und den Einsatz von NATO-Truppen angeregt.

Es ist ein Zeichen von Dysfunktionalität der Medien, wenn der Besitzer mit über 10’000 Anschlägen seine unqualifizierte Meinung in seinen Quasi-Monopolblättern ausgiessen darf – und natürlich traut sich niemand, ihm zu widersprechen, Arbeitsplatzsicherung.

Inzwischen wurden auch die letzten juristischen Zweifel an der Legitimität des Notrecht-Entscheids niedergebügelt, der Bundesrat und seine Helfershelfer wissen die Macht des Faktischen hinter sich. Allerdings hat die Eidgenossenschaft noch eine ganze Latte von Schadensersatz- und Staatshaftungsklagen vor sich, denn klaglos lassen sich keine internationalen Grossinvestoren einfach mal 16 Milliarden Franken auf null abschreiben. Ob das rechtens war, ist zumindest sehr umstritten.

Darauf machten aber zuerst englische Medien aufmerksam, die Schweizer Presse hatte diesen Aspekt, dass das zusätzliche Kernkapital einfach per Federstrich für wertlos erklärt worden war, schlichtweg übersehen.

Es ist offenkundig, dass eine Teilverstaatlichung der CS plus eine unbegrenzte Liquiditätsgarantie durch die Nationalbank, wie sie nicht nur der Überbanker Oswald Grübel forderte, also eine Rettung à la UBS 2009, die beste Lösung gewesen wäre. Begleitet von einer Auswechslung des unfähigen Managements, einer Zerlegung und anschliessendem Börsengang.

Natürlich wäre das möglich gewesen, denn der Niedergang der CS zeichnete sich ja nicht erst wenige Tage vor der fatalen Medienkonferenz am 19. März ab. Selbst notfallmässig eine bessere Führungscrew zu installieren, das wäre bei diesen amtierenden Pfeifen ein Leichtes gewesen. Natürlich kann und soll weder der Bundesrat, noch die SNB eine Privatbank führen. Aber er hätte sie aus der Bredouille führen können.

Stattdessen liess sich der Bundesrat unter Druck setzen und vorführen. Die UBS ist prächtig ausgestattet, mit Liquidität überschüttet und mit einem 9-Milliarden-Risikopolster beschützt.

Aber das ist nicht mal der wirkliche Skandal. Der besteht in einer Beschädigung der Schweizer Demokratie, wie sie ohne Beispiel ist. Wer das Parlament entmündigt, seine Entscheidungskompetenz aushebelt, vergreift sich an den Grundlagen unseres politischen Systems. Es kann übergesetzliche Notstände geben. Dieser war keiner. Es wurde eine Drohkulisse aufgebaut, von der niemand weiss, ob eine schwere Störung des internationalen Finanzgefüges stattgefunden hätte.

Der Bundesrat hat sich mit einer Macht ausgestattet, die ihm nicht zusteht. Empowerment auf ganz spezielle Art. Wer das tut, wer das gutheisst, ist nicht verantwortungsbewusst. Sondern ein Antidemokrat. Nichts rechtfertigt eine solche Beschädigung unserer politischen Institutionen. Es ist ein Sündenfall. Und nicht der erste. Wie viel weitere verträgt die Schweizer Demokratie noch?

Neues vom Wanner-Clan

Das Familienunternehmen bestellt das Haus.

Patriarch Peter Wanner zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück und behält als Verleger und VR-Präsident die Zügel in der Hand, sollte die fünfte Generation Unsicherheiten zeigen.

Als CEO amtiert ohne Scherz seit dem 1. April Michael Wanner. Bruder Florian ist Leiter der elektronischen Abteilung mit den TV- und Radiostationen, Schwester Anna leitet das Inland der Mantelredaktion und ist, obwohl auch noch im VR, theoretisch dem Oberchefredaktor Patrik Müller unterstellt.

In ihren Kommentaren zeichnete sich Anna Wanner bislang nicht wirklich durch Treffsicherheit aus. So behauptete sie vor den letzten Bundesratswahlen: «Vorentscheidung beim SP-Ticket: Eva Herzog ist die Richtige».

Wanner senior schwingt gerne den Zweihänder; so rief er schon mal dazu auf, sich von einem möglichen Atomkrieg nicht ins Bockshorn jagen zu lassen und über den Einsatz von NATO-Truppen in der Ukraine sowie die Durchsetzung einer Flugverbotszone ernsthaft nachzudenken. Schliesslich sei die NATO bislang einfach «feige» gewesen.

Auch für die Schweiz hatte er handfeste Ratschläge: «Selbstverständlich muss sie die Handelsdrehscheibe für Öl-und Gaslieferungen und die damit verbundenen Geldströme sofort stilllegen und die Vermögenswerte einfrieren, auch jene der russischen Oligarchen, denn sonst macht sie sich mitschuldig an der Finanzierung von Putins brutalem Krieg.»

Der Neubestellung des Hauses ging eine eher rumpelige Personalpolitik voraus. So trennte sich Wanner Knall auf Fall von seiner publizistischen Leiter nach unten Pascal Hollenstein. Der war durch abschätzige Bemerkungen über die Print-Leser («Milchkühe») aufgefallen, durch seine Rolle als Büttel für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet – und eher weniger durch eine Vorbildfunktion.

Ziemlich gekracht hatte es dann beim erfolgreichen CEO Axel Wüstmann, der nach zehn Jahren das Unternehmen im November Knall auf Fall verlassen hatte. Zunächst war noch ein geordneter Übergang bis diesen April angekündigt gewesen, aber dann muss es intern zu einem schweren Zerwürfnis über die weitere Entwicklung des Konzerns gekommen sein.

Denn der Wanner-Clan fuhr in den letzten Jahren einen scharfen Reifen, was Übernahmen anbetrifft. So kaufte er ein Privat-Radio und eine Privat-TV-Station nach der anderen, darunter «Radio 24», «Tele Züri» und die 3+-Senderfamilie. Dazu noch ein Joint Venture mit den Lokalzeitungen der NZZ, in dem Wanners inzwischen auch die Mehrheit übernahmen.

Kein Wunder, dass Wanner Junior nun davon spricht, dass es nun darum gehe, «organisch zu wachsen», zudem «neue Umsatzströme zu generieren. Dies insbesondere im digitalen Bereich». Genau dort ist das Medienhaus aus dem Aargau schwach auf der Brust. Denn es hatte sich für eine Multichannel-Lösung entschieden. Also Ausbau von Print, Radio, TV, plus es Bitzeli digital, bei völligem Verzicht auf Handelsplattformen.

Nun ist die Frage, ob bei der Bündelung der News-Herstellung genügend Synergien erzielt werden können, um gleichzeitig einen ganzen Zoo von Kopfblättern und elektronischen Medien zu bespielen, ohne dass die Konsumenten in Scharen davonlaufen.

CEO Wanner soll angeblich «watson» in die schwarzen Zahlen geführt haben. Was beim Initianten dieses Projekts doch erstaunt, denn Hansi Voigt hat noch nie etwas im Internet angestellt, was schwarze Zahlen produzierte.

Eine höhere Lernkurve hat sicherlich Florian Wanner vor sich. In der Debatte um die Fortführung der UKW-Frequenzen blamierte er sich bis auf die Knochen und legte offen, dass er ausser der Eigenschaft Sohn nicht gerade einen gefüllten Rücksack mitbringt, um in die elektronisch-digitale Zukunft vorzustossen.

Patriarch Wanner meint, dass ein Unternehmen fest in Familienhand langfristiges Denken ermögliche, gleichzeitig wettert er gegen die Bonusunkultur in den Banken. Entweder ist das ein versteckter Seitenhieb gegen Wüstmann, oder aber, väterlicher Stolz lässt ihn mögliche Schwächen seiner Sprösslinge übersehen. Denn wer am Schluss recht behält, Wüstmann mit seinen strategischen Vorstellungen oder der Familienclan Wanner, das wird sich erst noch weisen.

Alles Müller ohne was

Patrik Müller ist der Alleinherrscher im Reich CH Media.

Natürlich thront über ihm noch der Wanner-Clan, angeführt vom Patriarchen Peter Wanner. Darunter füllte Pascal Hollenstein die Position des «publizistischen Leiters» aus. Nicht zuletzt wegen seiner Doppelfunktion als Sprachrohr einer Beteiligten am Zuger Sexskandal (ZACKBUM kritisierte das mehrfach) wurde Hollenstein Ende Januar 2022 ziemlich abrupt entfernt: «Über die Gründe der Vertragsauflösung wurde Stillschweigen vereinbart.» Denn auch intern sorgte Hollenstein für rote Köpfe.

Patrik Müller, der mit Hollenstein das Heu überhaupt nicht auf der gleichen Bühne hatte, übernahm interimistisch, die Nachfolge werde später geregelt, hiess es damals.

Nun ist geregelt; Müller muss sich eine extrabreite Visitenkarte drucken lassen. Denn er ist nun, wir holen kurz Luft, Chefredaktor aller CH Media Zeitungen, und das sind jede Menge Kopfblätter. Zudem von deren Onlineportalen. Zudem ist er Chefredaktor des gemeinsamen Mantelteils und der «Schweiz am Wochenende», der zur Sparausgabe geschrumpften ehemaligen Sonntagszeitung des Hauses Wanner. Und schliesslich ist er noch der nicht mehr interimistische publizistische Leiter.

«Neue und klare Struktur», so nennt das der Verwaltungsrat. Machtmonopol für Müller ist’s in der Realität. Die Frühstücks-Chefredaktoren der einzelnen Kopfblätter dürfen sich ausschliesslich noch um das Lokale kümmern, alles andere erledigt Müller. Publizistische Leitlinien und Prinzipien kann er nun mit sich selber besprechen.

Ideal auch: fürs Wirtschaftliche ist er nicht zuständig. Genauso wenig für die versammelten TV- und Radiostationen. Dafür, dass mehr Kohle reinkommt als rausgeht, ist der Wanner-Clan verantwortlich. Mit 47 Jahren hat «alles Müller» den Zenith der Macht erklommen. Von hier aus kann’s eigentlich nur noch in die Geschäftsleitung, den Verwaltungsrat – oder zu einem Kommandoposten bei der Konkurrenz gehen.

Ab in die Wanne

Original und Fälschung – oder: wer war das?

ZACKBUM kennt sich beim Thema Falschschreibung von Namen aus. Wie unsere Leser unermüdlich bemerken müssen, haben wir da eine kleine Schwäche. Die reden wir uns jeweils so schön, dass bei dem Output einer One-Man-Show halt schon dies und das passieren kann. Zudem sind wir unser eigenes Korrektorat und haben das nicht mal nach Banja Luka ausgelagert.

Das alles gesagt, darf nun gelacht werden:

Dieser Kommentar ziert die Frontseite aller CH Media Kopfblätter, und davon gibt es eine Menge. Inhalt unwichtig, erschwerend kommt auf jeden Fall hinzu, dass es sich um die Tochter des Chäfs handelt. Des Besitzers. Des Bosses Peter Wanner. Des obersten Befehlshabers, der in kriegerischer Stimmung ist und sowieso gerne den Dritten Weltkrieg anfangen möchte.

Nun handelt es sich hier um das PDF des Kommentars; im Print sieht die gleiche Stelle es Bitzeli anders aus:

Man kann vielleicht zum Trost sagen, dass Anne Wanne noch schlimmer gewesen wäre.

Für Aussenstehende ist das ziemlich lustig. Aber nachdem wir uns die Lachtränen abgewischt haben, stellen wir uns mal vor, was intern im Hause CH Media los ist. Da schallt nämlich durch die Verrichtungsboxen der Zentralredaktion die Frage: «Wer war das

Denn sicherlich gibt es bei CH Media, wie bei Tamedia, eine unerbittliche Qualitätskontrolle; das ist man sich doch schuldig. Gerade auf der Frontseite, besonders bei einem Kommentar der Tochter des Chefs. Da schaut sicher der Korrektor (in Banja Luka oder so) drüber. Der Blattmacher. Der Ressortverantwortliche. Diverse Chefredaktoren und auch der Oberchefredaktor. Der Produzent, wenn man sich einen solchen Luxus noch leistet. Und alle haben das nicht bemerkt?

Das ist die eine Möglichkeit. Die andere: es war Absicht. Bösartigkeit. An die dritte Variante wollen wir gar nicht denken: Es gibt Mitarbeiter bei CH Media, die nicht wissen, wer Anna Wanner ist. Oder Wanne. Oder Wanna. Oder wie auch immer.

Wir fragen uns jetzt: wird das zu Köpferollen führen? Einem Korrigendum? Wir der Fehler transparent gemacht? Muss die nicht verwandte Namensvetterin Alina Wanner von der NZZaS eingreifen? Wir bleiben dran. Wir finden’s raus.

Tamedia und CH Media: Fusion!

Eine kurzfristig anberaumte PK mit vier Teilnehmern.

Das ist eine faustdicke Überraschung. Mit ultrakurzer Frist luden heute Morgen Tamedia und CH Media zu einer Pressekonferenz per Videocall. Weil die falschen Zugangsdaten verschickt wurden, gelang es nur wenigen Medien, darunter ZACKBUM, teilzunehmen. Obwohl eine Sperrfrist bis 8 Uhr verhängt wurde, setzen wir uns im Stile von publizistischen Leitern darüber hinweg.

Im geviertelten Bildschirm sah man Peter Wanner und Patrik Müller von CH Media. Dazu Pietro Supino und Arthur Rutishauser als Vertreter von Tamedia.

Die Vier von der Geldtankstelle.

Wanner, Alter vor Schönheit, wie er launig bemerkte, eröffnete die Veranstaltung und liess sofort die Katze aus dem Sack.

«Angesichts eines anhaltend herausfordernden Umfelds haben Tamedia und CH Media beschlossen, unsere Printaktivitäten im Bereich Tageszeitungen zu bündeln.»

Supino übernahm und führte aus, dass ein Gewinn von über 800 Millionen Franken und eine Sonderdividende in der TX Group nur dann nachhaltig garantiert werden könne, wenn in der Business Unit Tamedia die Verluste gekürzt und die Gewinne verlängert würden. Das sei aber nicht weiter durch Sparmassnahmen realisierbar.

«Wir versprechen uns davon eine deutliche Qualitätssteigerung des Angebots», fügte Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, hinzu. «Wir bringen das Korrespondentennetz und das Know-how der «Süddeutschen Zeitung» ein, ausserdem wird nun «Das Magazin» auch sämtlichen Printtiteln von CH Media beigelegt.»

Supino erläuterte, dass natürlich «TX Markets», «Goldbach» und «20 Minuten» nicht fusioniert werden. «Bei uns bleibt «watson» ausserhalb der Fusion», ergänzte Müller; «unsere TV- und Radiostationen werden wir ebenfalls in Eigenregie weiterbetreiben».

«Leider wird diese Fusion nicht ohne die Freistellung einiger Mitarbeiter genügend Synergien schaffen», sagte dann Supino routiniert. «Es ist eine lineare Kürzung von 25 Prozent auf allen Hierarchiestufen vorgesehen.»

«Das neue Unternehmen wird logischerweise CH Tamedia heissen», erwähnte Wanner; «mein Freund Pietro und ich werden uns das Präsidium des VR teilen, die Geschäftsleitung werden Arthur und Patrik gemeinsam bespielen. Mittelfristig ist hier vorgesehen, dass es dann nur einen CEO geben kann und wird. Möge der Bessere gewinnen.»

Dann setzten die Vier noch einen Akzent zum Schluss, der nicht bei allen Zuschauern gleichgut ankam. Supino schnippte mit den Fingern und sagte leise an «eins, zwei, drei.» Darauf riefen alle im Chor:

«Wir sind CH Tamedia. Wir bleiben dran. Wir finden’s raus. Stoppt den Krieg in der Ukraine.»

Chäfs auf dem Kriegspfad

Der eine Verleger und Besitzer, der andere Oberchefredaktor. Beide Kriegsgurgeln.

Wenn Peter Wanner in seinem Herrensitz zum Griffel greift, dann werden die Frontseiten seiner Kopfblätter freigeräumt. Von Patrik Müller abwärts stehen die Chefredaktoren Gewehr bei Fuss und sondern Ergebenheitsadressen ab.

«Ich habe sehr viele Komplimente aus der Redaktion erhalten. Die denken gleich in dieser Frage», sonnt sich Wanner im Lob seiner Untertanen. Die folgen dem alten Indianersprichwort:

«Der Häuptling singt immer am schönsten.»

Dabei ist es ein recht garstiger Gesang, den Wanner angestimmt hat. «Klare Kante» müsse der Westen zeigen, die Nato sei «feige». Offensichtlich hat Wanner einen gut ausgerüsteten Bunker unter seinem Schlösschen: «Nur weil der russische Machthaber droht, Atomwaffen einzusetzen, darf man noch nicht in die Knie gehen

«Erbärmliches Schauspiel», MiG-29-Kampfjets hätte man doch einfach «still und heimlich liefern» sollen, dagegen gab es einen «weinerlichen Auftritt» des deutschen Vizekanzlers in einer Talkshow.

Und wenn Wanner schon so schön in Fahrt ist, als gehöre er zum Ensemble des Geniestreichs von Kubrick «Dr. Strangelove», nimmt er sich auch noch die Schweiz zur Brust: «Selbstverständlich muss sie die Handelsdrehscheibe für Öl-und Gaslieferungen und die damit verbundenen Geldströme sofort stilllegen und die Vermögenswerte einfrieren, auch jene der russischen Oligarchen, denn sonst macht sie sich mitschuldig an der Finanzierung von Putins brutalem Krieg.»

Was kann die Schweiz sonst noch tun? Natürlich, «sich solidarisch zeigen, Flüchtlinge aufnehmen und helfen, wo sie nur kann». Wunderbar, Herr Multimillionär, und was tun Sie denn so, traut sich persoenlich.com zu fragen.

Da wird’s dann allerdings peinlich. Sehr peinlich:

«Ich werde sicher Geld spenden für die Flüchtlinge und wenn es um den Wiederaufbau des Landes geht.»

Man beachte: Futur. Von der Frage kalt erwischt, schnell sich was ausgedacht. Als ob es auf dem Herrensitz nicht jede Menge Platz für die Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen gäbe. Aber gross mit Forderungen auftrumpfen, klein mit eigenen Taten werden, wie peinlich ist das denn.

Ganz abgesehen davon, dass es Wanner offenbar schnurz ist, ob die Befolgung seiner Forderungen einen Dritten Weltkrieg auslösen würde oder nicht. Schliesslich geht der ansonsten zu Vernunft fähige deutsche Medienmanager und Mitbesitzer des Springer-Verlags noch einen Schritt weiter: «Die Nato-Mitglieder müssen jetzt ihre Truppen und Waffen dahin bewegen, wo unsere Werte und unsere Zukunft noch verteidigt werden», schrieb Mathias Döpfner, eine Ansicht, die Wanner «weitgehend» teile.

Jede Menge Kriegsgurgeln kommen aus den Löchern

Damit sind die beiden Kriegsgurgeln nicht alleine. Nachdem sich Big Boss Pietro Supino noch etwas von der krachenden Niederlage im Kampf um eine zusätzliche Steuermilliarde erholen muss, springt bei Tamedia Arthur Rutishauser in den Schützengraben. Allerdings bleibt sein «Editorial» hinter der Bezahlschranke verborgen.

«Flugverbotszone errichten, wirksame Waffen liefern, die Nato vielleicht sogar Truppen.»

Die Schweiz muss sofort den Rohstoffhandel stoppen und alle Russengelder «sperren». Also ist auch Sandkastengeneral Rutishauser bereit, den Weg in den Dritten Weltkrieg zu befehlen. «Mir nach», kräht er aus der mit russischen Erdgas wohlbeheizten Redaktionsstube. Für ihn ist es ein hinnehmbarer Kollateralschaden, dass er gleichzeitig den Rechtsstaat Schweiz zu Kleinholz verarbeiten möchte. Wo bislang selbst für Russen eine Eigentumsgarantie galt und selbst für Rohstoffhandel die Gewerbefreiheit.

Manchmal hilft historische Distanz zur Einschätzung von Gegenwärtigem. Wer sich bislang angewidert fragte, wieso die Massenmedien spätestens ab dem Ersten Weltkrieg zu üblen, chauvinistischen Hetz- und Propagandaorganen denaturierten, wo der Gegner entmenschlicht und für verrückt erklärt wurde, versteht das angesichts von aktuellem Anschauungsmaterial viel besser.

Wer sich fragte, wieso denn damals die Massen dieser hysterischen Kriegspropaganda glaubten und martialische Forderungen bejubelten, von Schreibtätern und Schreikräften, die andere in die Schützengräben beorderten – auch der findet hier seine Antworten.

Mattscheibe

Auf den Mann spielen? Muss man sich trauen.

Die einen machen sich mit einem SVP-stilisierten Wilhelm Tell lächerlich.

Die anderen lassen es richtig krachen:

Vielleicht wäre es besser gewesen, aus den Milliarden Millionen zu machen, aber item. Klare Botschaft, klare Personalisierung, voll auf die Zwölf.

Offenbar fand das aber einer der Porträtierten gar nicht komisch. Alle drei fanden’s nicht komisch, aber Peter Wanner schickte seinen Anwalt los, der dies und das und jenes androhte.

Zunächst wurde noch tapfer Widerstand geleistet, nun sieht aber die mit dem Plakat verknüpfte Webseite so aus:

Das nennt man Mattscheibe.

Abgang Hollenstein

CH Media probiert’s per sofort ohne publizistische Leiter nach unten.

Pascal Hollenstein war laut Impressum die Nummer zwei bei CH Media. Über ihm thronte nur noch Peter Wanner, unter ihm werkelte der Oberchefredaktor Patrik Müller und alle anderen noch überlebenden Redaktoren und Chefs der unzähligen Kopfblätter.

Hollenstein stiess zu CH Media, als die NZZ Gruppe sich von ihren Regionalmedien trennte und sie in ein Joint Venture mit der AZ-Mediengruppe einbrachte, in der Wanner das Sagen hat. Damit endeten alle Karrierepläne von Hollenstein innerhalb der NZZ, wo er sich mehrfach Hoffnungen gemacht hatte, Chefredaktor der NZZaS zu werden. Das Schicksal blieb dem Blatt erspart.

Dafür durfte er «Leiter Publizistik» werden, in die Geschäftsleitung Einsitz nehmen und auch in einem «Publizistischen Ausschuss» neben Koryphäen wie Peter Hartmeier, Esther Girsberger und natürlich Wanner himself.

Furztrockener kann man nun aber einen Abgang nicht kommunizieren: Wanner und Hollenstein hätten sich «auf eine Aufhebung des Arbeitsvertrags verständigt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.»

Wenn das so weit oben in der Chefetage so passiert, hat’s gekracht, aber gewaltig. Da nützen auch die Krokodilstränen des CEO von CH Media nichts, der sich artig bedankt und hinzufügt: «Entsprechend kann ich den Weggang nur bedauern.»

Das Bedauern in den Redaktionen und bei der Leserschaft, die er schon mal als Milchkühe verunglimpfte, die man noch melken müsse, bis man sie zur Schlachtbank führe, dürfte sich in Grenzen halten.

Akzente nur bei einem einzigen Thema gesetzt

Auch sein unermüdlicher Einsatz als Büttel und Sprachrohr für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass und Diskriminierung im Internet ist vielen unangenehm aufgefallen. Da ihm bei seinen Artikeln niemand widersprechen konnte, fantasierte er auch schon mal eine krachende Niederlage vor Gericht in einen Triumph um oder hielt sich nicht an gerichtliche Sperrfristen, um als Erster mit einer News herauszuplatzen.

Immer gut dokumentiert von seiner Quelle, was es ihm erlaubte, ungeniert aus Gerichtsunterlagen zu zitieren.

Wo da der Vorbildcharakter eines publizistischen Leiters abblieb? In letzter Zeit war er eher schweigsam geworden, bis er sich in einem «Leitartikel» nochmals für die Annahme des Medienpakets stark machte, die auch seinem Besitzerclan viele Millionen in die Taschen spülen würde.

«Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten»,

stellte er noch fest. Dann fragte er rhetorisch: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen?» Dass er damit ein Junktim herstellte, dass nur die zusätzliche Subventionierung mit einer Milliarde Franken nicht etwa nur die Medien, sondern gar die direkte Demokratie retten würde – leicht verständlich war er nie.

Sicherlich ist auch Wanner der Auffassung, dass die Demokratie »uns» etwas kosten darf. Vor allem, wenn unsere Steuerfranken in die Taschen der Medienclans wandern. Allerdings ist Wanner auch der Auffassung, dass er sich einen Hollenstein nicht länger etwas kosten lassen will.

Eine kleine Verschlechterung für Hollenstein, eine grosse Verbesserung für CH Media.

Wirklich schmerzlich ist der Abgang aber für eine Zugerin, die einige Internetportale betreibt. Staatliche Unterstützung gestrichen, die Prozesse laufen schlecht, ein Lautsprecher ist verstummt, es bleibt nur noch Hansi Voigt. Und das ist nie eine gute Nachricht.

Tell tot?

Das Befürworterkomitee «Die Meinungsfreiheit» weibelt. Ohne Tell?

Leser von ZACKBUM wissen: Es gibt ein Abstimmungsplakat, das so bescheuert ist, dass es eigentlich verboten gehört:

Das wurde von geschäftsführenden Cracks der beiden Werbeagenturen Farner und Rod nichtsahnenden Medienhäusern aufs Auge gedrückt. Leider ist es so: wer sich das aufschwatzen lässt, ohne sofort Schadenersatz und Schmerzensgeld zu fordern, ist so unterbelichtet, dass jegliche Staatssubvention rausgeschmissenes Geld wäre.

Das Werbeverbrechen wird daher auch sehr zurückhaltend, um es höflich auszudrücken, sehr zurückhaltend plakatiert.

Nun gibt der «Verband Schweizer Medien» auch mit einem «Sondernewsletter» nochmals Gas. Denn nicht nur dank diesem abverheiten Werbegag sind die grossen Medienclans mit ihrer Medienmacht schwer in die Bredouille geraten. Eine als sicher im Sack geglaubte Abstimmung wird immer mehr zum nervenzerfetzenden Thriller und es ist durchaus möglich, dass ein paar Komiteemitglieder mit Pfupf das Unmögliche schaffen könnten: das Medienpaket versenken.

Dann wäre immerhin eine Steuermilliarde futsch, und wie Clanchef Peter Wanner kürzlich jammerte: dann würde CH Media in vier, fünf Jahren rote Zahlen schreiben.

Echt jetzt? Der Besitzer einer grossen Bude kündigt weinerlich an, dass man dann mal in die roten Zahlen rutschen werde? Das sei nur zu verhindern, wenn man Staatsknete reingeschoben kriegt, noch mehr als jetzt schon.

Völlig falsche Einstellung

Was ist denn das für eine Einstellung? Unternehmerisch tätig werden, um das abzuwenden? Das unfähige Management feuern und viel Geld sparen? Das Millionengrab «watson» zuschaufeln? Endlich mal den Ansatz einer Idee haben, wie man im Internet Geld verdienen könnte?

Ach was, wieso denn, Kohle kommt. Oder auch nicht. Aber das sollte Wilhelm Tell höchstpersönlich verhindern. Wir wollen nicht wissen, was dieses Schwachsinns-Plakat gekostet hat.

Aber, Wunder über Wunder, der VSM verschickt seinen «Sondernewsletter» zur Abstimmung. Sauber aufgebaut; Intro, Grafiken, Testimonials. Kein visuelles oder inhaltliches Glanzstück, aber solide.

Am Schluss kommt dann noch dieser hier:

So weit, so gut. Der Hinweis aufs «Komitee Die Meinungsfreiheit» geht in Ordnung. Obwohl der Name ebenfalls bescheuert ist. Die grossen Medienclans, die in den letzten Jahren ständig Kopfblätter aufgekauft haben und aus zwei Küchen insgesamt 36 Tageszeitungen mit der gleichen Sauce abfüllen, die sind die Totengräber der Meinungsfreiheit. Wenn schon.

Zum Fremdschämen. Und dann noch Hansi Voigt

Aber item, blöder Name, unglücklich kämpfendes Komitee, desaströse Kommunikation. Zum Fremdschämen. Seit sich auch noch Hansi Voigt auf die Seite der Befürworter geschlagen hat, kann man getrost Wetten über den Ausgang der Abstimmung abschliessen. Denn wer den im Lager seiner Gegner erspäht, weiss: ich gewinne.

Aber es gibt eine gute Nachricht: dieser NL wäre eine prima Gelegenheit gewesen, das Tell-Plakat weiter unter die Leute zu bringen. Nur: ist nicht. Kein Tell. Keine Mauer, die mit der Ausgabe der NZZ vom 1. August 1291 niedergehauen wird. Nichts. Tell ist tot.

Auch in der extra gebastelten und 8 Seiten umfassenden «Abstimmungszeitung» ist eigentlich alles enthalten, was auch im Newsletter verbraten wurde. Was auch etwas schlapp ist. Aber auch hier kein Tell. Absurd, aber wahr: Da gibt es ein Komitee. Da gibt es ein breites Bündnis vieler Medienhäuser. Und Organisationen. Allesamt Medienprofis.

Die eigentlich wüssten, wie man eine Kampagne führt, die Volksseele richtig massiert, wie wichtig es ist, mit klarer Symbolik und Aussage in die Abstimmung zu ziehen. Also liess man ein Plakat entwerfen, drucken und gab auch dafür einen Haufen Geld aus. Um es stolz zu präsentieren – und anschliessend in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Es braucht schon die geballte Fachkompetenz von grossen Medienhäusern, denen es immerhin um einen hübschen Anteil an einer Milliarde geht, um dermassen kläglich zu versagen.

Was muss denn noch alles passieren, damit die Clanchefs – Coninx-Supino, Ringier-Walder, Wanner-Wanner und Lebrument-Lebrument – einsehen, dass sie einen Haufen Geld sparen können, wenn sie den Overhead, die Teppichetage, das Verlagsmanagement mehr oder minder ersatzlos einsparen.

Denn eines ist sicher: schlimmer kann’s nicht mehr werden; diese Kampagne für das Medienpaket wird noch in Jahren Lachtränen verursachen. Schenkelklopfer und unkontrollierbare Kicheranfälle.

Ist’s die NZZ vom 1. August 1291?

Jodeln für die Clans

Die Freiheitsjodler der grossen Medienkonzerne singen das hohe Lied auf das Medienpaket.

Meinungsvielfalt, das ist eines der Argumente, die von den Befürwortern des Medienpakets verwendet werden. Denn am 13. Februar wird darüber abgestimmt, ob die Schweizer Presselandschaft mit zusätzlich einer Milliarde Steuergelder gedüngt werden soll – oder nicht.

Überraschungsfrei sind die grossen Medienclans – Coninx-Supino (Tamedia), Wanner-Wanner (CH Media) und Ringier-Walder (Axel Springer Ringier) dafür. Das sei nötig, um die Medienvielfalt zu schützen und zu unterstützen.

Das ist der schöne Schein. Die Wahrheit dahinter ist: der Konzern Tamedia besitzt heute 15 Tageszeitungen. Vor 20 Jahren war es nur der «Tages-Anzeiger» plus ein wenig Anteil an «Luzerner» und «Berner Zeitung».

CH Media – nach der Fusion mit den NZZ-Regionalzeitungen – beschallt sogar mit insgesamt 21 Tageszeitungen die Schweizer Leser. Von Vielfalt kann da keine Rede mehr sein. Denn alle diese Zeitungen werden von zwei Zentralredaktionen bespielt. Also die gleiche Einheitssauce ergiesst sich in alle Kopfblätter.

 

Die halten sich dann jeweils noch eine Lokalredaktion und einen Chefredaktor, weil das halt so Brauch ist. Zu sagen hat der nix, und die Lokalredaktion arbeitet motiviert unter dem Damoklesschwert, dass nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist.

3,3 Milliarden Gewinn, dafür eine Milliarde obendrauf?

Wie der Ktipp vorrechnet, haben die drei grossen Medienclans von 2011 bis 2020 einen Betriebsgewinn von netten 3,3 Milliarden Franken eingefahren (vor Steuern und Abschreibungen).

Ihr Problem ist also nicht, dass sich mit dem Modell Grossverlag kein Geld mehr verdienen liesse. Ihr Problem ist vielmehr, dass ein unfähiges Management verpasst hat, sich den neuen Herausforderungen des Internets zu stellen.

Rund 90 Prozent des Online-Werbekuchens werden in der Schweiz von Google, Facebook und Amazon abgefrühstückt. Für die Grossverlage bleiben nur kleine Krumen übrig. Selten hat eine Branche dermassen in einem Wandel der Technologie versagt. Selbst die Hersteller von Dampflokomotiven oder Pferdekutschen sind innovativer mit dem Aufkommen von Elektroloks und Autos umgegangen.

Alte digitale Herausforderungen

Gleichzeitig beherrschen die drei grossen Medienclans rund 80 Prozent des Pressemarkts in der Schweiz. Eine Monopolstellung haben und nicht mal die richtig ausnützen können – mehr Versagen ist nicht denkbar.

Die beiden Hauptargumente, um mehr Staatsbatzeli zu kassieren, sind Medienvielfalt und Hilfe bei der technologischen Bewältigung der neuen digitalen Herausforderungen.

Was drakonische Einsparungen, das Zusammenlegen von Redaktionen, das Ausschütten einer Einheitssauce aus Zentralredaktionen mit Medienvielfalt zu tun haben soll, ist völlig unerfindlich.

Wie man 25 Jahre lang das Internet verschnarchen kann, mit offenem, Mund dabei zuschauen, wie grosse US-Konzerne sich den Werbekuchen untereinander aufteilen, ist blamabel.

Nach dieser Vollklatsche staatliche Unterstützung erbetteln, um diesem angeblichen Innovationsdruck gewachsen zu sein, das ist schon nassforsch.

Jämmerliches Niveau

Auf welchem Niveau sich die Abstimmungskampagne der Verlegerclans abspielt, zeigt schon die die Webseite «Die Meinungsfreiheit» mit ihrem Begriff und Slogan «Demokratie braucht starke Medien».

Als ob es darum ginge, dass bei einer Ablehnung der Zusatzsubvention die Meinungsfreiheit gefährdet wäre. Als ob die Schweizer Demokratie starke, staatsunabhängige, pluralistische Medien hätte.

Noch lächerlicher machen sich die Befürworter mit ihrer Plakatkampagne mit einem Wilhelm Tell, der mit einer Zeitung (!) eine Mauer niederhaut, auf der «Fake News» steht. Dabei ist dieses Sujet selbst von A bis Z Fake News.

Wie ein durchgesickertes internes Strategiepapier der an dieser Schwachsinnskampagne beteiligten Werbeagenturen Farner und Rod belegt, geht es überhaupt nicht um den Kampf gegen Fake News: «In politischen Debatten sind nicht Fakten, sondern der gedankliche und emo­tionale Deutungsrahmen entschei­dend.»

Das ist zwar seit Gustave Le Bons «Psychologie der Massen» bekannt. Aber dennoch entlarvend als Kontrast zu den staatstragenden Aussagen der Sprachrohre der Verlegerclans.

Schein und Wirklichkeit

So sagt Tamedia-Boss Pietro Supino, ohne rot zu werden: «Der wichtigste Beitrag, den wir als Branche leisten können, ist die verlässliche Information der Bevölkerung über Fakten und Meinungen.»

Peter Wanner vom Wanner-Clan (CH Media) assistiert: «Eine Demokratie braucht Medien, die sich der Wahrheitsfindung verpflichtet fühlen

Das stimmt beides. Nur liefern diese Konzerne, von Ringier ganz zu schweigen, weder verlässliche Informationen, noch fühlen sie sich der Wahrheitsfindung verpflichtet. Sie wollen vielmehr die Regierungen unterstützen, wie Ringier-CEO Marc Walder unverblümt zu Protokoll gab.

Oder sie verlieren sich in absurden Kampagnen über das welterschütternde Problem, ob ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen darf. Zum Skelett abgemagerte Redaktionen sind kaum mehr zu Hintergrundrecherche, zu Einordnung, Analyse und Schaffung eines Mehrwerts für den Leser in der Lage.

Kompensationsgesten

Ihren Bedeutungsverlust kompensieren sie mit meinungsstarken, aber haftungsfreien Kommentaren, Forderungen und Rechthabereien. Ihre zunehmende Unwichtigkeit im öffentlichen Diskurs kompensieren sie mit Ausflügen in die Betrachtung des eigenen Bauchnabels, der Beschreibung von erfundenen oder geklauten Leiden. Mit absurden Verkrampfungen über Gendersprache, Inklusion, Exklusion, Diskriminierung und anderen Themen, die den meisten Lesern völlig gleichgültig sind.

Die Medien sind selbstverschuldet in diese Krise geraten. Sie verstärken sie selbst durch die Unfähigkeit von Management und überlebenden Redaktionen.

Im Kapitalismus ist es ganz einfach: wenn es Nachfrage gibt, gibt es auch Angebot. Wenn es Bedarf an qualitativ hochstehender Information gibt, wird es Angebote geben. Wenn grosse Medienclans lieber in Kunstsammlungen, Yachten und Fahrzeugpark investierten, als Geld für Zukunftstechnologien auszugeben, dann sind ihre Firmen halt zum Untergang verurteilt.

Deswegen geht nicht die Demokratie zu Grunde. Dieses Argument hatten die Hersteller von Dampflokomotiven oder Pferdekutschen oder Textilien oder Stahlprodukten in der Schweiz nicht. Sie kreischten und jammerten auch, gingen dann unter. Weder sie noch ihre Produkte fehlen uns.

Wer ragt schon aus dem Einheitsbrei heraus

Niemand sollte den Medienclans und ihren Produkten eine Träne nachweinen. Entweder, sie schaffen den Turnaround aus eigener Kraft, oder sie sind obsolet geworden. Aber bevor sie eine weitere Milliarde Staatshilfe bekämen, sollten sie vielleicht zuerst ihre Yachten, Kunstsammlungen und den Fahrzeugpark verkaufen. Oder in den eigenen Sack greifen und etwas von den 3,3 Milliarden Franken Profit reinvestieren.

Oder mindestens die Redaktionen nicht weiter zu Tode sparen, mit der verlogenen Behauptung, dass das Kompetenz, Content und Informationsmehrwert sowie Meinungspluralismus stärke.

Die eigenen Leser, das Publikum, die Stimmbürger für dumm verkaufen, das war noch nie eine gute Idee.