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Postfaschistisch

Sprachreinigung oder korrektes Sprechen ist elitär-postfaschistisch und angebräunt.

Ein Blick in die Geschichte hilft häufig, die Gegenwart besser zu verstehen. Schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der Hitler-Faschisten in Deutschland, wurde das «Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda» geschaffen. Hier wirkte das böse Propaganda-Genie Joseph Goebbelswollt ihr den totalen Krieg?»).

Möglicherweise wurde hier auch der Begriff «Sprachregelung» erfunden. Berüchtigt bis heute sind Begriffe wie «Endlösung der Judenfrage» für den Holocaust, «Kinderlandverschickung» für die Evakuierung aus bombardierten Städten. Wer in den 1970er-Jahren von der BRD statt von Deutschland sprach, von West-Berlin statt von Berlin, von der Baader-Meinhof-Gruppe statt der Baader-Meinhof-Bande, konnte sich leicht ein Berufsverbot einfangen, also mit dem «Radikalenerlass» in Konflikt geraten. Die Tradition solcher Beschönigungen wird natürlich in der Politik bis heute betrieben; so hiessen Ausgangssperren in der Coronazeit in Deutschland offiziell «Ausgangsbeschränkung».

«Wider den undeutschen Geist» war der Kampfruf. Den verkörperte für die Nazis der Jude. Entlarvend hiess es in einem Flugblatt der «Deutschen Studentenschaft»: «Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutlich denkt, ¡st ein Verräter

Das führt dann zu dieser Schlussfolgerung: «Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im deutschen Geiste.»

Wem es bei diesen Sätzen kalt den Rücken hinunterläuft, der hat ein gutes Sprachgefühl. Natürlich würden es heute nur noch verblendete rechtsradikale Kreise wagen, solchen Unfug über Juden zu schreiben.

Aber die gleiche Mentalität, die gleiche Ideologie metastasiert sich weiterhin durch Universitäten und hat leider auch ihre Anhänger in den Medien. Die jüngste Philippika von Tamedia gegen «Blackfacing» oder das Verkleiden als Indianer an der Fasnacht ist das letzte von unzähligen Beispielen, wie Sprachreiniger gewisse Begriffe so stigmatisieren wollen, dass sie «nicht mehr verwendet werden» sollten, wie «20 Minuten» in einem wiedererwachten völkischen Geist sich nicht entblödet zu schreiben.

Einen einsamen Höhepunkt setzten Andreas Tobler (noch am Gerät) und Aleksandra Hiltmann (inzwischen entsorgt) in der «SonntagsZeitung»:

Selten erschien unter dem Rubrum «Kultur» etwas dermassen kulturloses. Das hätte problemlos, unter Verwendung anderer Kampfbegriffe, zwischen 1933 und 1945 in Deutschland erscheinen können. Es erschien aber am 28. März 2021; bis heute hat sich Tamedia dafür weder entschuldigt, noch davon distanziert, um mit der gleichen inquisitorischen Strenge vorzugehen wie die beiden Autoren.

Sie handelten auf ganzen drei Seiten das Thema «richtig gendern» ab. Mit Handlungsanleitungen und allen weiteren Dummheiten:

ZACKBUM war damals davon überzeugt, dass nun diese Genderwelle ihren Scheitelpunkt erreicht hätte und dieser Blödsinn wieder verschwände. So kann man sich täuschen. Der Schoss ist bis heute fruchtbar, aus dem das kroch: «Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Aber nicht nur Journalisten zeigen bis heute, dass sie Grundprinzipien der Sprache und der Kommunikation nicht verstanden haben. Dass sie sich mit Inbrunst um Pipifax-Themen kümmern und immer wieder erstaunt bis angeekelt zur Kenntnis nehmen müssen, dass die der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung (und ihrer Leser) schwer am Hintern vorbeigehen. Da sehen sie nicht etwa ein, dass sie eine Dienstleistung gegen Bezahlung erbringen sollten, sondern schwingen sich zu Lehrmeistern auf. Und geben Irrlichtern (nur ein Beispiel unter ach so vielen im wuchernden Genderlehrstuhl-Wahnsinn) wie dem Zürcher AL-Gemeinderat David García Nuñez das Wort: «Als Arzt hat er eine wissenschaftliche Studie geleitet, die zeigt, dass auch bei Transmenschen, die den Geschlechtsangleichungsprozess hinter sich haben, die falsche Ansprache traumatisierend wirkt und Depressionen hervorruft

In diesem Dreiseiter wurden auch einige Schweizer Literaten gefragt, wie sie es denn mit dem Genderstern hielten. Korrekterweise wurde der Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss nicht gefragt, der kann bekanntlich kein richtiges Deutsch. Unvergesslich aber die Antwort von Peter von Matt, dem wohl intelligentesten und elegantesten Essayisten der Schweiz. Der drückte seine Verachtung für diese Frage mit einem kurzen Wort als Antwort aus: «Nein

Nun werden aber bis heute Diskussionsrunden wie der «Club» im Schweizer Farbfernsehen, Meinungsumfragen (mit erschütternden Ergebnissen für die Anhänger einer sauberen und diskriminierungsfreien Sprache) durchgeführt, an diversen Universitäten in der Schweiz korrektes Gendern als Benotungskriterium verlangt.

Als Männerhasserin outete sich damals die einschlägig bekannte Tamara Funiciello. Sie schrieb sich in einen wahren Rausch hinein:

«Genug Männer, die uns Gewalt antun oder angetan haben, dass wir mit unserem Schlüssel zwischen den Fingern nach Hause laufen, flache Schuhe zum Rennen dabeihaben, keine Musik hören, wenn wir alleine sind, damit wir die Gefahr hören, wenn sie kommt. … Wir sind in unserer Freiheit eingeschränkt, weil wir Angst haben müssen vor Übergriffen, Gewalt, Belästigung, Drohung. Es ist ein bisschen wie Corona – nicht jeder Mensch, den du triffst, ist eine reelle Gefahr – dennoch schützen wir uns, weil es eine sein könnte.»

Zu solchen Absurditäten, die nichts mit der Schweizer Realität zu tun haben, versteigen sich völlig verpeilte Feministinnen, die mit jedem Wort der Sache der Frau schaden. All diese Sprachreiniger verwechseln eine gesäuberte Sprache mit einer verbesserten Realität. Nicht das Wort Mohrenkopf ist diskriminierend, seine Ächtung macht die Welt um keinen Biss rassismusfreier.

Modernisieren wir doch kurz den damaligen Aufruf der «Deutschen Studentenschaft».

«Wider den unkorrekten Geist. Der Macho kann nur männlich denken. Schreibt er genderkorrektes Deutsch, dann lügt er. Der Mensch, der deutsch schreibt, aber nicht genderkorrekt denkt, ist ein Verräter. Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im genderkorrekten, inkludierenden Geiste.»

Das könnten ach so viele dieser moderneren, postfaschistischen Sprachreiniger ohne zu zögern unterschreiben. Sie sind so geschichtsvergessen, dass ihnen nicht einmal das Angebräunte in ihren Gedankengängen auffällt.

 

Innehalten? Ach was

Schreiben kann nur aus sich selbst erfolgen.

Honoré de Balzac war wohl der grösste Schöpfer von nicht-realen Menschenleben, den es jemals gegeben hat (zumindest für alle, die nicht an Gott glauben). Mehr als 2000 Figuren hat er in seiner «Comédie humaine» erfunden.

Woher er diese Kreativität nahm, ist völlig unverständlich. Man weiss nur, dass er sich dafür sein eigenes Leben gestohlen, Nacht um Nacht, begleitet von seiner Kaffeekanne, sich ums Leben geschrieben hat. Sozusagen erschwerend kommt noch hinzu, dass er alle seiner 88 Werke eigentlich mehrfach schrieb. Für die Setzer seiner Bücher war es die Horrormeldung, wenn die Fahnen wieder von Balzac zurückkamen. Da gab es dann seitenlange Ergänzungen, Streichungen, Umstellungen. Wieder und wieder.

Neben der Verbeugung vor einem Ausnahmegenie wollen wir damit sagen: jeder Schreibende kann nur das beschreiben, was er in sich hat. Das müssen wir noch etwas präzisieren. Natürlich hat der Kriegsreporter den Krieg nicht in sich. Der Porträtschreiber erfindet nicht den Porträtierten. Die Zusammenfassung einer Parlamentsdebatte hat ihren Ursprung nicht im Kopf des Berichterstatters.

Aber auf welcher intellektuellen Höhe beschrieben wird, welcher Wortschatz zur Anwendung kommt, auf welche Art der Leser mitgenommen wird, welche Metaphern, Anspielungen, Vergleiche, Wortspiele, Analysen und Interpretationen dazukommen, das hängt nun ausschliesslich vom Kopf des Schreibenden ab.

Wer den Schmerz einer Mutter über den Verlust ihres Kindes gültig beschreiben will, muss diesen Schmerz in sich tragen. Wer ein Gemälde von Picasso beschreiben will, muss diesen Maler verstehen. Wer ein kontemporäres Ereignis beschreibt, muss Kenntnisse über seine historischen Wurzeln haben. Wer fremde Länder beschreibt, muss die Mentalität der Bewohner verstanden haben.

Das alles ist eine Mischung aus dem erlernbaren Teil. Der besteht aus Handwerk. Aus der Beherrschung der deutschen Sprache. Aus der Liebe zu ihr. Aus eher banalen Kenntnissen über Aufbau, Einleitung, Cliffhanger, Neueinstiege, über verschiedene Tonalitäten, Stile, Darstellungsformen. Aus der Beherrschung von Tempo, Perspektive, sprachlichen Kamerafahrten, dem Zoom, dem Panoramabild.

Zum erlernbaren Teil gehört auch das Bemühen, dem Beschriebenen gerecht werden zu wollen. Gerecht im Sinne von: so wirklichkeitsnah und innerhalb des Objekts zu formulieren wie möglich. Nichts einfacher, als sich über die Dummheit eines dummen Menschen lustig zu machen. Nichts einfacher, als mit dem Besitz des letzten Wortes jemand vorzuführen. Ihn sprechen zu lassen, um das Gesprochene anschliessend in der Luft zu zerreissen oder der Lächerlichkeit preiszugeben.

Zu diesem Teil gehört auch die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können. Quellen richtig einzuschätzen, die Frage «cui Bono?» muss den Journalisten immer begleiten, wenn er angefüttert wird oder von ihm verlangt wird, angebliche Zeugen nur anonym zu zitieren.

Das und noch einiges mehr ist erlernbar. Ein Journalist auf der Höhe eines Kisch, eines Tucholsky, eines Mailer, eines Wolfe zu werden, das setzt dann noch einiges Nicht-Erlernbares voraus. Denn nicht jeder Maler kann ein Picasso, ein Goya, ein Rembrandt werden. Das ist dann die Abteilung Genie, herausragende Begabung; finden, nicht suchen. Hier erhebt sich dann Sprachmächtigkeit in den Olymp, bleibt der Leser beeindruckt, verstört, aufgewühlt, bereichert und unterhalten zurück.

Das war der einfachere Teil dieser Abhandlung. Nun kommt der schwierige: wie viele Journalisten, wie viele Publizisten, wie viele Schriftsteller (Voraussetzung: lebend), fallen einem in der Schweiz ein, auf die wenigstens die meisten dieser Kriterien zutreffen, wobei das Geniale durchaus fehlen darf?

ZACKBUM sendet hier das anhaltende Pausenzeichen. Nimmt den Telefonjoker. Hofft auf die Hilfe seiner Leser (und *innen, auch Nonbinäre willkommen, Hybride sind nicht ausgeschlossen, alle Diversen sollten sich angesprochen fühlen).

Wir wissen nur: alle, die sich ausgiebig mit sich selbst oder mit einer gendergerechten Sprache befassen, fallen schon mal weg. Alle, die lieber Antworten geben als Fragen stellen, ebenfalls. Alle, die nicht die Welt beschreiben wollen, sondern ihre Auswirkungen auf ihr Selbst ebenfalls.

Ja, da wird die Luft dann verdammt dünn. Immerhin, eine Ausnahme fällt uns doch noch ein, weil wir gerade von seinem neusten Werk auf das Angenehmste unterhalten und bereichert werden. Wir sind natürlich stolz darauf, dass es sich um unseren Doktorvater handelt, der nach seiner Emeritierung eine zweite Karriere als der sicherlich interessanteste Essayist, unterhaltsamer Gebildeter und souveräner Führer durch Landschaften der Erkenntnisse angetreten hat.

«Übeltäter, trockne Schleicher, Lichtgestalten», so heisst seine neuste Sammlung. Eigentlich hätten wir uns diese ganzen Ausführungen auch sparen können und einfach schreiben:

Lest dieses Buch.

Lest alle Bücher von Peter von Matt.

Es lohnt sich. Es bereichert ungemein. Es unterhält aufs köstlichste. Es gibt Hoffnung, dass in dieser finsteren Höhle der Mediokrität, stammelnden Unfähigkeit und selbstverliebten Geschreibsels doch noch einer die Laterne der Vernunft, der Aufklärung, der Bildung geistreich und unaufdringlich hochhält.

Die närrischen Weltverklärer

Brauchen wir nicht alle etwas Halt in haltlosen Zeiten?

Peter von Matt ist der wohl bedeutendste lebende Intellektuelle der Schweiz, der beste engagierte Schriftsteller. In einem NZZ-Interview wehrt er sich gegen solche Etikettierung: «Die Frage können Sie sich sparen. Superlative sind immer verdächtig.» Auf die Frage, ob er eher Optimist oder Pessimist sei, antwortet der weise alte Mann:

«Wer heute den Propheten spielt, ist ein Narr.»

Daher sind die meisten Massenmedien wahre Narrenschiffe, mit Narrentanz und Narrenspiegeln, wie es Sebastian Brant nicht besser hätte einfallen können.

So sah’s Hieronymus Bosch um 1500.

Es ist verblüffend, wie genau die Definition eines Narren auf heutige Medienschaffende zutrifft: «Als Narr wird eine männliche Person bezeichnet, welche sich töricht verhält und auf lächerliche Weise irreführen oder täuschen lässt.» (Wikipedia) In den heutigen Zeiten der political correctness sei erwähnt, dass es natürlich auch die Närrin gibt. Die Variante für d wie divers wurde noch von keinem Narren erfunden.

Mediale Narren lassen sich nicht nur selbst irreführen und täuschen, sondern tun das auch ihren Lesern und Zuhörern an. Dabei ist es den meisten Narren nicht gegeben, ihr närrisches Tun zu reflektieren. Zur grossen Gaudi einiger Beobachter verrichten medialen Narren ihren närrischen Dienst mit tiefer Ernsthaftigkeit, mit geradezu religiöser Inbrunst und mit fanatisch flackerndem Blick, ausgelöst durch das sichere Wissen und die Bürde, mit der einzig seligmachenden Wahrheit und der Fähigkeit zur unfehlbaren Trennung von Gut und Bös die Welt auf den rechten Pfad führen zu müssen.

Nun arbeiten die meisten Mediennarren mit intellektuell eher kleinem Besteck, also muss die Welt in mundgerechte Portionen unterteilt werden. Da ist für Differenzierungen, Widersprüche, Komplexitäten, gar überkomplexe Systeme kein Platz. Das würde das Fassungsvermögen des Schrumpfkopfs sprengen. Ausserdem geben solche Beschreibungen der Welt als recht ungeordnetes, kunterbuntes Chaos keinen Halt.

Halt braucht der Mensch in haltlosen Zeiten, und Halt kann man nur mit Haltung geben. Haltung entwickelt man normalerweise nicht selbst, sondern leiht sie sich aus. Man holt sie aus dem sogenannten Wertesystem, auch bekannt als die «westlichen Werte». Diese westlichen Werte bestehen aus einem kleinen Kanon von abgenützten Allgemeinplätzen: Freiheit, Demokratie, Zivilisation.

Was genau das sei, wird von Narren nicht hinterfragt. Denn dann würde ja die Schwarzweisskartographie der Welt nicht mehr funktionieren. Die Antipoden dieser Begriffe sind Unfreiheit, Autokratie und Barbarei. Es versteht sich von selbst, dass unsere moralisch überlegenen Werte dagegen verteidigt werden müssen. Dafür werden sie närrisch über Situationen gestülpt, die in Wirklichkeit viel komplexer und komplizierter sind. Aber wer hat schon den Nerv, die Ukraine als korrupte Oligarchie anzusehen, die sich in der Auseinandersetzung mit einer militärisch überlegenen korrupten Oligarchie befindet.

Die eine korrupte Führung hat die andere korrupte Führung überfallen und gemeint, militärisch schnell mit der Ukraine fertigzuwerden. Die andere Oligarchie meint, mit Hilfe des Westens militärisch einen vollständigen Sieg erringen zu können. Zwei Narreteien.

Aber die Mediennarren sehen das anders. Hier gehe es um die Verteidigung von Freiheit, Demokratie und Zivilisation gegen ihre Antipoden, letztlich also um den uralten Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch, zwischen himmlischen Heerscharen und den Horden des Teufels. So schaut’s aus. Das trifft selbstverständlich auch für Taiwan zu. Oder für jeden beliebigen Konfliktherd der Welt, wenn er die Aufmerksamkeit der Mediennarren erregt.

Das militärische Konflikte entweder mit der vollständigen Vernichtung eines der beiden Beteiligten oder mit Verhandlungen beendet werden, diese einfache Wahrheit wollen die Narren ums Verrecken nicht einsehen.

«Es ist kompliziert und komplex, daher spannend und eine Herausforderung für Beschreibungen», das ist ein Satz, den der Narr fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. So geht das nicht. Da wird ein grenzseniler US-Präsident lieber zum energiegeladenen Führer der freien Welt hochgeschrieben, sein Vorgänger zum Scharlatan, Lügner, Versager, zum Kriminellen, der kurz vor Verurteilungen steht, heruntergemacht. Dass den allerdings die US-Stimmbürger freiwillig zum Präsidenten gewählt hatten, das verzeihen die Narren den Amis nie. Denn mit ihren krachenden Fehlanalysen und ihrer vorschnellen Gratulation in Richtung der ersten Präsidentin der USA machten sie sich in aller Öffentlichkeit lächerlich. Wie es sich halt für Narren geziemt.

Zur Grundausstattung eines Narren gehören Schellen. Also Lärminstrumente. Im Zeitalter der zunehmend virtuellen Kommunikation hat sie der Mediennarr durch Wortgeklingel ersetzt. Er mahnt, warnt, fordert, kritisiert und weiss grundsätzlich alles besser als die Handelnden. Denn es ist der Vorteil des Mediennarren, dass er völlig haftungsfrei und verantwortungslos drauflosschreiben kann. Und Prognosen absondern. Immer in der berechtigten Hoffnung, dass das Kurzzeitgedächtnis seiner Leser den Quatsch, den er gestern schrieb, heute schon längst vergessen hat.

So segeln also die Narrenschiffe durch die Weiten des Internets. Allerdings wendet sich immer mehr Publikum von der Zurschaustellung solcher Narretei ab, vor allem, wenn für die Betrachtung auch noch ein Entgelt gefordert wird. Als Gipfel der Narretei fordern dann die Schiffskapitäne doch tatsächlich staatliche Unterstützung für ihr Treiben. Zahlt der Zuschauer nicht freiwillig, dann soll halt sein Steuergroschen dafür herhalten.

All das Tun gibt nicht viel Halt in haltlosen Zeiten, närrische Rechthaberei weckert das Publikum ungemein, weder ein Weltuntergang noch Abhilfe ist in Sicht.

 

Es darf gelacht werden: Richtig gendern mit der SoZ

ZACKBUM sieht sich gezwungen, bereits die zweite Lieferung von «Satire & Gelächter» auf die Rampe zu schieben. Vorsicht, ist nicht kurz. Aber sehr lustig.

Beim Coiffeur lag die aktuelle «Sonntagszeitung» auf dem «Nebelspalter». Den kenne ich schon, unterhaltsam oder witzig ist er weniger. Also griff ich zur SoZ – und wurde nicht enttäuscht.

Der Coiffeur musste mich mehrfach bitten, mich nicht so zu schütteln vor lachen, das täte dem Haarschnitt nicht gut. Also riss ich mich zusammen, aber den Lesern von ZACKBUM möchte ich die gleiche Erheiterung zukommen lassen.

Denn die SoZ hat – neben Corona – endlich ein zweites Schwerpunktthema gefunden. Eine Debatte, eine Auseinandersetzung, die schon lange die ganze Welt in Atem hält. Eine kleine Welt zwar, aber dafür eine lautstarke. Eine mit Zugang zu Multiplikatoren. Also die Welt von Journalisten, die zwar gewohnheitsmässig der deutschen Sprache Gewalt antun, sie auch regelmässig vergewaltigen, mit Gestümper, Gestammel, mit Fehlern, die das flachgesparte Korrektorat, das nur noch aus einem Microschrott-Programm besteht, nicht bemerkt.

Endlich: die Totalwürdigung eines kleinen Sternchens

Aber das wäre ein anderes Thema. Hier geht es um «gendern, aber richtig». Für die Wenigen, die noch nicht mit diesem fundamental wichtigen Thema belästigt wurden: In der deutschen Sprache (in anderen nicht, aber was soll’s, geht’s hier um Logik?) herrscht das sogenannte generische Maskulinum. Das bedeutet, dass angesichts von zwei Geschlechtern in der Realität und drei Genera in der Sprache, plus irgendeinem Idioten (männlich), der das nicht mit Gattung, sondern mit Geschlecht übersetzte, schon länger ein Kampf mottet.

Stern vor dem Kopf: Die Kulturreste bei Tamedia.

Der wird von Gesinnungstätern geführt, die eine fanatische Mission haben und daher wie die meisten Fanatiker alles ausblenden, was ihrer Mission widersprechen könnte. Ihre Mission lautet: durch die übermässige Verwendung des maskulinen Genus bei Personen- und Berufsbezeichnungen werden Frauen diskriminiert, ausgegrenzt. Ist zwar völliger Unsinn, aber dieses Kampffeld hat einen unbestreitbaren Vorteil.

Wie die Flachdenker, die meinen, mit einem Pappkarton vor der Stirn könne man toll demonstrieren, meinen diese Fehlgeleiteten, durchaus vorhandene Diskriminierung qua Geschlecht liesse sich vornehmlich dadurch bekämpfen, dass man die deutsche Sprache verhunzt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Doppelnennungen (Journalist, Journalistin) zwar schon ein Schritt in die richtige Richtung sei. Aber: was ist dann mit dem ganzen Zoo von weiteren Geschlechtern, non-binären, und überhaupt?

Damit verlagerte sich die Verhunzung vom Pflanzen eines Binnen-I oder der absurd falschen Verwendung des Partizips Präsens (Studierende) zum Sternchenhimmel. Da sind wir heute, und die SoZ ist vorne dabei. Sie gehört ja zum einzigen Medienkonzern der Schweiz, bei dem sich Frauen massenhaft über Sexismus, Diskriminierung, Ausschluss, Negierung und vieles andere beschweren.

Da muss Trauer- und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Also landet die SoZ gleich einen Viererschlag. Wahnsinn. Sogar ohne Methode.

Kultur besteht bei der SoZ aus einem einzigen Thema

Sagenhafte drei Seiten widmet der «Kultur»-Bund der Sache mit dem Stern. Also allen Platz, den Kultur bei Tamedia noch hat. Bevor dann zwei Seiten TV-Programm (ohne Genderstern!) und als Gipfel eine – natürlich von einem Mann – geschriebene Lobeshymne auf den neuen McLaren Elva folgen. Der Schwanzvergleich: «in 2,8 Sekunden von 0 auf 100. Schluss wäre bei 328 km/h.» Dazu ein Schnäppchen: «1,7 Millionen Euro» zahlt der Mann für diesen Penisersatz, den er bei Regen in der Garage stehen lassen muss.

Aber zurück zum Thema, bei dem Frau und Mann in 0 Sekunden von 0 auf dumm beschleunigen. Zunächst ergreifen die beiden Sprachwissenschaftler Aleksandra Hiltmann und Andreas Tobler (der alte Abschreiber will sich offenbar überall einschleimen) das Wort. Hiltmann qualifiziert sich durch die Unterzeichnung und federführende Lancierung des Frauen-Protestschreibens. Und hat bezüglich Zigeunerschnitzel und so noch etwas gutzumachen.

Worüber äussern sich die beiden? Schwer zu sagen, Genderstern, Genderstern, Genderstern, Glottis-Stopp (sicher gegoogelt), damit mäandern sie sich zur Schlussfolgerung durch: «Gendern ist also nicht einfach eine Modeerscheinung oder ein Sprachspiel – sondern ein Wirtschaftsfaktor. Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Mit Verlaub, was für ein gequirlter Schwachsinn. Dass Firmen beim Anpreisen ihrer Produkte und dank des Internet-Targeting immer gruppenspezifischer werben, also nicht mehr nur Männlein und/oder Weiblein ansprechen, sondern gerne auch den schwulen, schwarzen Aktivisten in einem Vorort einer Grossstadt, macht das Sprachverbrechen gendern weder zu einem Wirtschaftsfaktor, noch hebt es diesen Unfug auf die Ebene von Nachhaltigkeit oder Umwelt.

Höhepunkt auf Höhepunkt

Ein Höhepunkt in diesem 13’000 Anschläge-Erguss (Pardon) ist die Stelle über den Zürcher AL-Gemeinderat David García Nuñez: «Als Arzt hat er eine wissenschaftliche Studie geleitet, die zeigt, dass auch bei Transmenschen, die den Geschlechtsangleichungsprozess hinter sich haben, die falsche Ansprache traumatisierend wirkt und Depressionen hervorruft.» Liebe Transmenschen, wenn ihr bis hierher gelesen habt: sofort aufhören und den Arzt oder Psychiater konsultieren.

Alleine schon die in diesen Schwulst eingestreuten Regeln für «richtig gendern» sind kabarettauglich.

Schlag zwei: Zu diesem Endlos-Gesülze als wär’s ein Stück aus der «Republik» wird – originell – eine Umfrage unter Schweizer Autoren gestellt: Wie haltet Ihr’s mit dem Stern? Wir vermissen schmerzlich – nein, nicht wirklich – unseren Büchnerpreisträger Lukas Bärfuss, aber der fiel noch nie durch Beherrschung der deutschen Sprache auf.

Die Reaktionen sind entlarvend. Sich zum frauenbewegten Lager zählende Autoren (generisches Maskulinum) verwenden das Unglücks-Sternchen entweder, oder eiern drum herum, wieso es in Lyrik oder Prosa dann so eine Sache sei. Völlig zum Deppen, aber auch das ist nichts Neues, macht sich Mundart-Poet Pedro Lenz. Er will sich locker und pragmatisch geben, verrät aber immerhin, dass er «nicht mehr «die Lehrer» schreibe, wenn er «Lehrerinnen und Lehrer» meine, sondern «die Lehrerschaft».

Vielleicht ist das in der Mundart anders, aber Lehrerschaft wurzelt in Lehrer. Wo bleibt da die Frau, lieber Poet? Vielleicht weniger poetisieren, dafür Deutsch lernen?

Genau richtig liegen drei Schriftsteller mit ihren Antworten. In aufsteigender Reihenfolge: «Literarisch unbrauchbar»; soweit gut, aber dann setzt Franz Hohler zu einer überflüssigen Erklärung an. «Ich liebe die deutsche Sprache und finde diese Genderei zum Kotzen.» Gut und scharf, aber auch Thomas Hürlimann wird dann etwas zu lang.

Unerreichter Todesstern für den Genderstern ist aber Peter von Matt. Der grosse Germanist, eleganteste Essayist der Schweiz und – wie ich nicht ohne Stolz sagen darf – mein Doktorvater. Der antwortet unübertreffbar:

«Nein.»

Diese Nein hat ungefähr so viel Wucht wie der Gag mit dem grossen Pantomimen Marcel Marceau, der in der Slapstick-Komödie «Silent Movie», eine ironische Verbeugung vor dem Stummfilm, am Schluss und als einziger ein Wort sagt: «non.»

Wohl der Grösste von allen: Marcel Marceau (1923 bis 2007).

Schlag drei: Wie immer mutig und zugleich vorsichtig versucht sich Michèle Binswanger an einem historischen Abriss: «Die Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache sind so alt wie der Kampf um die Gleichstellung.» Sie zitiert Für und Wider, auch aus feminsistischer Sicht, denn niemals kann man es allen Recht machen, der Genderstern zerstöre «eine gewachsene feministische Lösung: da grosse I». Komisch, hier, aber nur hier bin ich für den Genderstern.

Das Schlimmste zum Schluss

Schlag vier: Wenn man meint, man habe das Schlimmste hinter sich, kommt SP-Nationalrätin und Co-Präsidentin (Schreibweise, ihr Tagi-Machos, Schreibweise?) der SP Frauen Schweiz. Tamara Funiciello beginnt ihren «Standpunkt» zuckersüss: «Lieber anonymer Mann …»

Ich atme auf, denn ich bin kein anonymer Mann und auch kein Tamedia-Machomann. Aber diese Süsse hört schnell auf, nachdem Funiciello die neusten Zahlen der Kriminalstatistik zitiert hat. Es gibt mehr häusliche Gewalt. Bekannt und erklärbar, wenn Familien mitsamt Kindern den ganzen Tag in dafür nicht vorgesehenen Wohnungen zusammengepfercht sind.

Daraus könnte man die Forderung nach mehr Wohnraum ableiten. Aber doch nicht die SP-Genossin. Denn es gibt Schlimmeres: «Femizide, also Morde an Frauen, die getötet wurden, weil sie Frauen sind, sind aber nur die Spitze der Gewaltepidemie, die Frauen erleben.» Sie bezieht sich dabei auf in diesem Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordete Frauen.

Wie jeder gewaltsame Tod sehr bedauerlich, aber wurden die wirklich umgebracht, weil sie Frauen sind? Als Mann, Kind, non-binär, mit Gendersternchen wäre ihnen das nicht passiert? Absurde Logik, aber das soll nur als Sprungbrett für einen wahren Amoklauf dienen:

«Genug Männer, die uns Gewalt antun oder angetan haben, dass wir mit unserem Schlüssel zwischen den Fingern nach Hause laufen, flache Schuhe zum Rennen dabeihaben, keine Musik hören, wenn wir alleine sind, damit wir die Gefahr hören, wenn sie kommt. Wir lassen uns von Freundinnen orten, telefonieren, tun so, als würden wir telefonieren. Es sind genug Männer, dass wir uns nicht so anziehen, wie wir möchten, nicht tanzen, wie wir möchten, dass wir zum Teil gar nicht erst hingehen und schon gar nicht allein. Wir sind in unserer Freiheit eingeschränkt, weil wir Angst haben müssen vor Übergriffen, Gewalt, Belästigung, Drohung. Es ist ein bisschen wie Corona – nicht jeder Mensch, den du triffst, ist eine reelle Gefahr – dennoch schützen wir uns, weil es eine sein könnte

 

«Nicht alle», aber genug, tobt Funicello, und was sage der anonyme Mann dazu? «Ja, aber ich war’s nicht.» Darauf sie: «Ich will dir erklären, anonymer Mann, wieso ich die Wut, die mich erfasst bei diesem Satz, fast nicht aushalte.» Oh je, dabei hat sich Funiciello doch schon medienwirksam des männlichen Unterdrückungsapparats namens BH entledigt.

Ich nehme das Privileg in Anspruch, als nicht-anonymer Mann zu antworten: abgesehen davon, dass ich’s wirklich nicht bin, selten eine solche absurde Darstellung der Schweizer Realität gelesen, als wäre sie für Frauen von Syrien nur dadurch unterscheidbar, dass keine Ruinen die Strassen säumen.

Es gibt noch einen todesmutigen Mann bei Tamedia

War’s das? Ja, das war’s an Schreckensnachrichten. Ein Mann hingegen muss nun bei Tamedia ganz, aber ganz tapfer sein. Sein Name ist Rico Bandle, und er hat – Gottseibeiuns – Esther Vilar interviewt. Kennen viele genauso wenig wie Alice Schwarzer? Schade, lohnt sich aber. Wer Mühe mit Lesen hat: Roger Schawinski hat sie natürlich in seinen Doppelpunkt heute geholt. Als Podcast hörenswert. Und Alex Baur, pfuibäh, hat eine Biographie über sie geschrieben.

Mehr will ich dazu nicht sagen, sondern einfach hinter Bandle in Deckung gehen, wenn dann die ganz groben Brocken fliegen werden.

Der Mann hat Eier in der Hose. Aber dieser Spruch hilft immer sicher auch nicht.