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Zeitungen von CH-Media verleumden Infosperber

St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote etc. verbreiten eine Covid-Verschwörungsphantasie.

Von Martina Frei*

Ein identischer ganzseitiger Artikel in den genannten Zeitungen des CH-Media-Konzerns wirft alle in den gleichen Topf, welche die offiziellen Informationen über die Impfstoffe gegen das Corona-Virus hinterfragen. Unter dem Titel «Eine Wahnidee jagt die nächste – warum hört das nicht auf?» nennen diese Zeitungen als neustes Beispiel Berichte einiger Medien über mRNA-Impfstoffe, die mit DNA verunreinigt waren. Dies sei eine «abstruse Behauptung», die «schnell entlarvt» sei, schrieben die Zeitungen.

Autorin Sabine Kuster war lange im Regionalressort tätig und ist keine Wissenschaftsjournalistin. Dass der Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt ist, sei «die neueste einer nie endenden Kette von abstrusen Behauptungen von Impfgegnern. […] Über die angebliche Verschmutzung der Impfdosen mit DNA haben wir bisher nicht berichtet. Zu absurd erschien die Behauptung», schrieb sie.

Merke: In diesen CH-Media-Zeitungen werden Informationen nicht aufgenommen, wenn sie «absurd erscheinen». Ob sie zutreffen, wird nicht recherchiert. Dabei wäre das die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten.

240118 Titel St. Galler Tagblatt
Seitentitel am 18. Januar 2024 im St. Galler Tagblatt: Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt – eine Wahnidee. © CH-Media

 

Was CH-Media ausser acht liess …

Der gross aufgemachte Artikel in den Zeitungen von CH-Media zitiert einzig ein deutsches Labor, das DNA im Impfstoff gefunden haben will und stellt dessen Laborleiterin als zweifelhaft dar. Zu Wort kommt die kritisierte Laborleiterin nicht.

Die CH-Media-Zeitungen haben den Eindruck erweckt, nur dieses Labor habe in Impfstoffen Verunreinigungen mit DNA nachgewiesen. Kuster verschweigt unter anderem die DNA-Funde von Phillip Buckhaults.

Buckhaults ist Molekularbiologe, Spezialist für Krebsgene und Professor an der Universität South Carolina. Er hat seine Ausbildung unter anderem an der Johns Hopkins University gemacht und in Wissenschaftszeitschriften wie «PNAS» oder «Nature Communications» Fachartikel veröffentlicht. Von einer solchen Karriere können viele Wissenschaftler nur träumen.

Buckhaults riet allen, die ihm am Herzen liegen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Er ist also weder «Verschwörungstheoretiker» noch «Anti-vaxxer», im Gegenteil. Der bekannte Krebsforscher Wafik El-Deiry bezeichnete Buckhaults als kompetent und integer.

Die Aussagen vor dem Senatsausschuss

Im September 2023 sagte Buckhaults vor einem Senatsausschuss von South Carolina aus. Die Aufzeichnung seiner nicht öffentlichen Aussagen wurde publik. Er habe Milliarden von DNA-Stückchen im Pfizer mRNA-Impfstoff gefunden, berichtete Buckhaults vor dem Ausschuss und sagte: «Ich bin etwas beunruhigt, welche Konsequenzen das für die menschliche Gesundheit und Biologie haben könnte.»

Buckhaults hat seine Untersuchungen nicht veröffentlicht. Er teilte die Resultate dem Senatsausschuss mit, damit Gesetzgeber, Arzneimittelbehörde, Hersteller und Wissenschaftler diese Verunreinigung von Impfstoffen ernst nehmen. Buckhaults schlug vor, möglichst viele fachkundige Wissenschaftler sollten abklären, ob bei Covid-geimpften Menschen im Erbgut von Stammzellen Stücke der fremden DNA aus dem Impfstoff zu finden sind.

Die Grenzwerte für DNA-Verunreinigungen in Impfstoffen seien zu einer Zeit eingeführt wurden, als es um das Spritzen von «nackter» DNA ging, gab Buckhaults zu bedenken. In den mRNA-Impfstoffen sei die DNA aber im Körper transportfähig in Nanopartikel verpackt.

Die CH-Media Journalistin konstatiert «eine läppische Unsorgfältigkeit»

Weil der Journalistin die Information «zu absurd» erschien, erstaunt es nicht, dass die CH-Media-Zeitungen auch nicht darüber informierten, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA bereits Ende 2020 und erneut im Frühling 2021 die DNA im Pfizer-Biontech-Impfstoff als Problem erkannte und beanstandete. Das geht aus Dokumenten hervor, die gehackt wurden oder welche die Behörde herausgab.

Möglicherweise betraf dieses Problem nicht alle Produktionsstätten, und vielleicht war es im zweiten Halbjahr 2022 behoben, vielleicht auch nicht. Vieles bleibt im Ungewissen, weil die EMA in den freigegebenen Dokumenten ganze Abschnitte einschwärzte.

Spekulationen oder Befürchtungen könnten Pfizer/Biontech leicht ausräumen, wenn sie offenlegen würden, wie viel DNA sie mit welchen Methoden im Impfstoff gemessen haben.

Die Geheimniskrämerei sollte Medien, die sich als vierte Gewalt im Staat verstehen, hellhörig machen. Doch die Autorin des CH-Media-Artikels nannte die Verunreinigung «eine läppische Unsorgfältigkeit».

Im Patentantrag von Moderna stand etwas anderes

Was sie ebenfalls nicht erwähnte, ist das Patent, das Moderna seit dem Jahr 2018 hält. Darin geht es um Methoden, wie DNA, die bei der Herstellung in das mRNA-Produkt gelangt, entfernt werden kann. Im Patentantrag schrieben Stéphane Bancel, der Mitbesitzer von Moderna, und seine Kollegen: «Die DNA muss entfernt werden, um die Wirksamkeit und die Sicherheit der Therapeutika zu gewährleisten, denn in den Produkten verbleibende DNA könnte die angeborene Immunabwehr aktivieren und hat das Potenzial, bei Patientengruppen krebserregend zu wirken.»

Das deutsche «Paul-Ehrlich-Institut» (PEI), zuständig für die Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland, wandte sich in Sachen DNA-Verunreinigung kurz vor Weihnachten 2023 mit einer Mitteilung an medizinische Fachkreise. Aus seiner Sicht hätten die nicht von den Herstellern, sondern von anderen Laboren durchgeführten DNA-Analysen methodische Mängel, schrieb es. Was im Schreiben des PEI nicht steht: Die methodischen Mängel führen laut mehreren Wissenschaftlern dazu, dass der DNA-Gehalt bei den Analysen der Impfstoffe eher unterschätzt wurde.

Bei den DNA-Messungen verliessen sich die Behörden voll auf die Angaben der Hersteller. Eigene Messungen nahmen die Behörden nicht vor.

Anstatt zu recherchieren einfach abgetan

Freilich können Zeitungen wie jene von CH-Media zum Schluss kommen, über die DNA-Verunreinigung nicht zu informieren, weil die Redaktion diese als wenig relevant beurteilt. Doch anderen Medien, die darüber informieren, «Wahnvorstellungen» und das Verbreiten «abstruser Behauptungen» vorzuwerfen, entspringt einer Verschwörungsphantasie. Zu den Verbreitern solcher «Wahnideen» zählt die Autorin auch Infosperber. Mit dieser üblen Nachrede versucht CH-Media, die unabhängige Online-Zeitung Infosperber als unglaubwürdig darzustellen.

Die Arzneimittelbehörde EMA, der Molekularbiologe Philipp Buckhaults und weitere Wissenschaftler (hier ab Minute 13:04 oder hier im «WDR» ab Minute 17:33) hingegen hielten es für nötig, den DNA-Funden in den Impfstoffen nachzugehen.

Eine Replik von Infosperber zum Artikel in den CH-Medien lehnte Chefredaktor Patrik Müller ab: «Wir halten an unserer Darstellung fest.» Er akzeptierte einen «Leserbrief mit maximal 1200 Zeichen».


CH-Media-Zeitungen untergraben ihre eigene Glaubwürdigkeit

upg. Die Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das seriöse Zeitungen besitzen. Die beiden erwähnten Artikel in den CH-Media-Zeitungen St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote u.a untergraben die Glaubwürdigkeit unserer Online-Zeitung Infosperber, indem sie Infosperber mit «Verschwörungstheoretikern», «Wahnideen» und «abstrusen Behauptungen» assoziieren.

Konkret «belegt» wird diese Assoziierung nicht etwa mit konkret bezeichneten Artikeln. Falsche Darstellungen in den Artikeln von Infosperber werden keine genannt.

Seit Ausbruch der Epidemie hat Infosperber zu Corona über 500 Artikel veröffentlicht. Dabei hat Infosperber im Gegensatz zu vielen anderen Medien die Rolle der Vierten Gewalt wahrgenommen und Aussagen und Entscheide von Behörden und Pharmafirmen kritisch hinterfragt.

Infosperber deshalb vorzuwerfen, Verschwörungstheorien oder Wahnideen zu verbreiten, ist eine bösartige Unterstellung.

Die CH-Media-Zeitungen zitieren keinen einzigen Beleg, dass Infosperber eine Verschwörungstheorie oder eine Wahnidee verbreitet hätte.

Das Gegenteil ist der Fall: Infosperber hat über Verschwörungsphantasierer informiert, deren Namen genannt und deren Verschwörungsphantasien als solche aufgezeigt. Auch hat Infosperber über den Nutzen der Impfungen für vulnerable Personen informiert und auf das grosse Ansteckungsrisiko ohne Masken in geschlossenen Räumen mit vielen Personen regelmässig hingewiesen.

Die Redaktion von Infosperber besteht ausschliesslich aus professionellen Journalistinnen und Journalisten. Die meisten Artikel zur Corona-Pandemie haben Urs P. Gasche, seit langem Mitglied des «Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus» und Autor mehrerer Bücher über die öffentliche Gesundheit, sowie Martina Frei, ebenfalls Mitglied im «Klub für Wissenschaftsjournalismus», geschrieben. Als praktizierende Ärztin im Nebenberuf hat Martina Frei Menschen gegen Covid-19 geimpft und solche mit Covid behandelt.


*Der Artikel erschien zuerst auf «Infosperber». Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Wenn sich die UBS räuspert, …

… dann verschluckt sich CH Media.

Der CH-Media-Wirtschaftsjournalist Benjamin Weinmann wagte eine Glosse über die neue Werbekampagne der UBS «Eine Bank wie die Schweiz». Das hätte er besser bleiben lassen. Warum, das erklärt Beat Schmid vom Tippinpoint.

Von Beat Schmid*
Eine Glosse über die UBS ist nicht mehr online. Nach einem Gespräch zwischen einer Vertreterin der Grossbank und dem viertgrössten Verlagshaus der Schweiz verschwand der Beitrag. Die UBS buchte ein Werbevolumen über mehrere 100’000 Franken.

Sich über Werbung lustig zu machen, ist immer heikel. Schliesslich sind es die Werbeauftraggeber, die für einen beträchtlichen Teil der Kosten einer Redaktion aufkommen. Ein langjähriger Wirtschaftsjournalist der Zentralredaktion von CH Media («Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung», «Watson» etc.) hat es trotzdem gewagt, sich in einer Glosse über die neuste, von einer Berliner Agentur konzipierte Werbekampagne lustig zu machen.

Wie es in der Glosse «Bonzen, Böötli und Berge» heisst, zeichne die UBS in ihrer neusten Werbekampagne eine Hochglanzwelt von «Business-Männern mit Sonnenbrillen und Yuppie-Böötli». Der Werbefilm wirke, als sei Sergio Ermotti «höchstpersönlich in die Schauspiel-Hosen» gestiegen. «Eine Bank wie die Schweiz» – aber eine ohne Migros-Kassiererin, Hauswart oder Krankenpflegende. «Also eine Schweiz ohne all die Steuerzahlenden, die schon einmal die UBS retteten und ihr auch das CS-Schnäppchen des Jahrhunderts ermöglichten.»

Die Glosse wurde Ende Oktober in Print und Online publiziert. Eine Woche nach der Publikation wurde der Artikel auf allen Websites der CH-Media-Titel gelöscht. Wie Recherchen ergaben, löste der Artikel in der Marketingabteilung der UBS negative Reaktionen aus. Es kam zu einem Telefongespräch zwischen der Marketingverantwortlichen der UBS und dem Chief Commercial Officer von CH Media.

Dieser rief daraufhin die Redaktionsleitung an, die den Artikel umgehend vom Netz nahm – oder wie es bei CH Media heisst: depublizierte. Offenbar wollte man einen wichtigen Werbeauftraggeber nicht unnötig verärgern. Die UBS soll einen mittleren sechsstelligen Betrag gebucht haben.

Die Entscheidung des Chefredaktors

Der Verlag bestätigt die Löschung des Artikels. CH Media dementiere jedoch den «Vorgang», heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. Im erwähnten Fall habe es weder seitens des Kunden noch von Seiten des Verlags «Druck» gegeben. «Es war die Entscheidung des Chefredaktors Patrik Müller, diese ‹Glosse›, die zuvor in Print publiziert worden war, nach einer Woche vom Netz zu nehmen». Über die Höhe des Werbevolumens machte der Verlag keine Angaben.

Fast identisch klingt es bei der UBS. Ein Sprecher der Grossbank schreibt, die Bank dementiere «ausdrücklich», dass es seitens der UBS Druck auf CH Media gegeben habe, den Artikel zu löschen.

Artikel werden von Redaktionen nie leichtfertig vom Netz genommen. Das geschieht in der Regel nur dann, wenn ein Artikel falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt, ein Gericht die Löschung eines Artikels anordnet oder schwerwiegende rechtliche Konsequenzen drohen. Einen Artikel zu löschen, weil er einem Inserenten nicht passt, ist dagegen höchst ungewöhnlich und vor allem heikel, weil damit die Unabhängigkeit der Redaktion tangiert wird.

UBS hat das grösste Werbebudget

Dass es sich ausgerechnet um einen Artikel über die UBS handelt, ist umso heikler. Durch die Fusion mit der Credit Suisse wird die Bank in der Schweiz zum Elefanten. In verschiedenen Bereichen des Retail- und Firmenkundengeschäfts verfügt die Bank über sehr hohe Marktanteile. Der Wettbewerbskommission sind zwar die Hände gebunden, aber sie hat vor kurzem ihre Untersuchungen zur Marktbeherrschung der Finma zur Beurteilung übergeben.

Die Übernahme der CS hat auch dazu geführt, dass die UBS künftig über das mit Abstand grösste Werbebudget aller Schweizer Banken verfügen dürfte. Da wäre es schlecht, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, dass sie ihre Macht als Druckmittel gegen kritische Berichterstattung einsetzen könnte.

Anfang November kündigte CH Media den Abbau von 150 Stellen an, davon rund 90 Entlassungen. Das Unternehmen begründete die Massenentlassung mit sinkenden Werbeeinnahmen. Im zweiten Halbjahr habe sich der Einbruch noch verstärkt, teilte CH Media mit. Eine Erholung des Werbemarktes sei kurzfristig nicht zu erwarten.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

PS: In der Mediendatenbank SMD ist die Glosse übrigens immer noch abrufbar. Banker halt …

 

 

1. August ohne Feuerwerk

Das gilt auch fürs Mediale.

Nehmen wir als Beispiel das Mittelmass. Also CH Media. Das Wanner-Imperium profitiert normalerweise davon, dass es zwar nicht so intellektuell ist wie die NZZ, dafür aber auch nicht so gender-kreischig wie Tamedia. Das erspart es CH Media häufig, in die ganz grossen Fettnäpfchen zu treten.

In die kleinen schon gelegentlich, wenn es sich auf Art des Hauses an der Hatz auf den ehemaligen Chefredaktor des «Magazin» beteiligt, dafür den Big Boss von Tamedia anrempelt – und zerknirscht eine öffentliche Entschuldigung vor den gelöschten Artikel stellen muss.

Idealtypisch wird Mass und Mitte vom Überchefredaktor Patrik Müller verkörpert. Kein Zufall, dass er inzwischen der einzige Überlebende des Triumvirats Christian Dorer, Arthur Rutishauser und eben Müller ist. Dorer wurde in ein «Nie mehr»-Sabbatical geschickt, Rutishauser wurde als Bauernopfer auf den Rang eines SoZ-Chefredaktors zurückgestuft.

Müller hingegen leitet, zeigt sich im «Sonntalk» und absolviert überhaupt einen Marathonlauf. Und schreibt den obligaten Kommentar zum 1. August.

Der fängt harmlos an: «Die Neutralität ist genial – aber sie braucht dringend einen neuen Anstrich.» Es gab da allerdings schon mal so einen Anstreicher, aber gut, Bilder sind so eine Sache. Dann wird Müller geschickt persönlich, Familienferien im Norden, Zwischenstopp in Brüssel, der zehnjährige Sohn tippt als Wunsch für Europa ein: «Neutral sein wie die Schweiz

Wunderbar, Leser abgeholt, sich als Familienvater gezeigt, schon Sohnemann beweist mit zehn Jahren politisches Bewusstsein. Bis hierhin wäre es einfach ein 08/15-Kommentar. Aber leider muss Müller dann Gas geben.

Neutralität sei identitätsstiftend, «solange daraus nicht Selbstgefälligkeit und die Neutralität nicht zum Götzen wird». Ohä, und wie könnte sie dazu denaturieren? Na klar, Ukrainekrieg: «Eigentlich war klar, dass es bei einem solch krassen Verstoss gegen das Völkerrecht keine neutrale Haltung geben konnte

Zuvor vergleicht Müller die Invasion der Ukraine mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Ohne sich bewusst zu sein, dass die Schweiz damals auch neutral war – und blieb. Aber mit historischen Vergleichen ist es halt so eine Sache, wenn Leichtmatrosen unterwegs sind.

Die aber mit starken Worten nicht sparen: «Es scheint, als wirke die Neutralität wie ein politisches Narkotikum, auch mehr als ein Jahr danach: Das Aufspüren russischer Oligarchengelder gehen unsere Behörden im Halbschlaf an. Da erstaunt es nicht, dass aus den USA Vorwürfe auf die Schweiz einprasseln, sie finanziere Putins Krieg.»

Dann legt sich Müller wieder in die Kurve, das sein «grösstenteils pure Polemik». Aber eben, bei den nachrichtenlosen Konti sei anfänglich auch unterschätzt worden, welche Bedeutung Kritik aus den USA habe – «was den Ruf der Schweiz beschädigte und den Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses markierte».

Richtig wäre allerdings, dass das der erste Anschlag auf die Schweizer Rechtssouveränität war, dem weitere folgten, bis sich der Bundesrat tatsächlich entschloss, US-Gesetze auch in der Schweiz gelten zu lassen. Was damals im Übrigen von ebendiesem Müller scharf kritisiert worden war. Aber seither sind einige 1.-August-Feiern ins Land gegangen.

Aber dieses Geholper soll nur auf die Zielgerade führen; die Bevölkerung sei schon viel weiter «als manche Ideologen in der Politik:Neutralität als Mittel zum Zweck statt als Selbstzweck. Entwickeln wir sie nicht weiter, so wie das seit ihrer Begründung 1815 wiederholt geschah, verliert sie ihre Genialität – und wird zum falschen Zauber.»

Das ist wieder einmal ein Gedankenflug, dem nur schwer zu folgen ist. Neutralität war noch nie Selbstzweck, was sollte das auch sein? Sie solle weiterentwickelt werden? Wieso nicht, kann man darüber diskutieren. Aber einleitend meinte Müller ja, dass es bezüglich des Ukrainekrieg keine Neutralität geben könnte. Hätte die Schweiz auch 1939 diesem Prinzip nachgelebt, wären aber wohl Diskussionen über Neutralität überflüssig; wozu auch in einem durch den Krieg zerstörten Land.

Werde sie nicht weiterentwickelt, offenbar in Richtung partieller Aufgabe, verlöre sie «ihre Genialität», werde gar «zum falschen Zauber». Genial an der Neutralität war und ist allerdings, dass sie beinhaltet, dass sich die Schweiz mit nichts und niemandem gemein macht. Weder mit der guten Sache, noch mit der schlechten. Wenn die gute Sache aber behauptet, wer nicht mit ihr sei, unterstütze die schlechte, dann muss man das aushalten und als machtpolitischen Egoismus durchschauen.

Statt schon wieder auf den falschen Zauber der USA hereinzufallen. Die haben tatsächlich das Schweizer Bankgeheimnis geknackt. Und sind seither noch unbestrittener der sichere Hort für Schwarzgeld, für kriminelle Gelder, betreiben die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, in denen Milliarden Drogengelder blütenweiss werden – und pfeifen auf jede Teilnahme an Informationsaustauschsystemen wie den AIA. Im Gegenteil, mit ihrer Datenkrake FATCA zwingen sie alle Finanzhäuser der Welt, mittels der Weltmacht Dollar, alle Informationen herauszurücken, auf die die USA lustig sind. Umgeht gilt allerdings nicht.

Das ist falscher Zauber, nicht das Festhalten an der Schweizer Neutralität. Vielleicht sollte sich Müller doch leichtere Themen für seinen 1.-August-Kommentar aussuchen.

 

Ein Klaps für CH Media

ZACKBUM ist gerecht und kritisiert alle.

Durch das Fehlen eines Leitmediums gerät CH Media immer wieder etwas aus dem laserscharfen Fokus von ZACKBUM. Hoppla, das war ja ein Bild, das die CS verwendete, als sie noch plapperte. Aber item, wie schlägt sich denn der Konzern der Träger von weissen Socken und Lederkrawatten, also der Aargauer, in der CS-Krise? Es geht.

Oberchefredaktor Patrik Müller (der letzte Überlebende des einstigen Triumvirats Dorer, Rutishauser, Müller) kommentiert sehr originell: «Bankenbeben. Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen.» Kam es aber, was sagst du nun. Seine Wirtschaftschefin Florence Vuichard ergänzt mit dem nächsten Stehsatz-Titel: «Erst scheitern, dann kassieren: Auf das CS-Ende folgt die Boni-Malaise».

Es folgen im «Tagblatt» die «Wandertipps», dann «Essen & Trinken», denn das muss ja auch sein.

Weiter oben berichtet das CH Media-Imperium über die «Rolle der Saudis im CS-Drama». Das hört sich nach einer guten Idee an, bis man liest, dass sie von «watson» stammt. Die Berichterstattung des Listicals-, Katzenvideos- und Blödel-Blatts sieht insgesamt so aus:

Wenn Philipp Löpfe einen Ratschlag gibt, ist man gut beraten, genau das Gegenteil zu tun. «40’000 Jobs auf der Kippe: Panische CS-Banker fluten Personalvermittler», so lautet eine weitere Schlagzeile. Die halten sich offenbar nicht an den Ratschlag von Löpfe. Um auf diese Horror-Zahl zu kommen, zählt «watson» einfach die Stellen der UBS und der CS in der Schweiz zusammen – und rundet schwer auf. Befindet sich also mal wieder im weiteren Streubereich der Wahrheit. Oder eigentlich ausserhalb.

Aber was weiss denn die Praktikantin Lea Oetiker über die Scheichs? Nun, all das, was sie aus meist englischen Quellen brav abschreibt. Dass die Scheichs im Allgemeinen zu den Grossaktionären der CS gehörten, dass die Saudi National Bank bei der letzten Kapitalerhöhung der CS zuschlug und mit knapp 10 Prozent der grösste Aktionär wurde. Und dass deren Präsident den berühmten Ausspruch auf die Frage tätigte, ob er weiter Liquidität einschiessen würde: «Absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, der regulatorischer und gesetzlicher Natur ist.»

Soweit, so bekannt und gähn. Das nennt man im Journalismus Rehash; man hackt Bekanntes, mixt es neu zusammen und serviert es dem Leser als Aufgewärmtes.

Interessant wäre allerdings gewesen, zu erfahren, warum der Bankenpräsident das sagte. Denn anscheinend machte die gleiche Saudi-Bank in letzter Minute ein 5-Milliarden-Angebot, um die CS zu retten. Das wurde angeblich abgelehnt, weil die Saudis die gleichen Garantien forderten, die die UBS dann bekam.

Spinnt also der Scheich? Keineswegs, denn sein Hinweis auf regulatorische Bestimmungen war natürlich völlig richtig. Beim Überschreiten bestimmter Grenzen sind in der Schweiz bürokratische Formalien zu erledigen, es gibt sogenannte Aktienschwellen, deren Überschreiten Meldepflichten nach sich ziehen. Davon gibt es jede Menge: bei mehr als 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33⅓, 50 oder 66⅔ Prozent der Aktien.

Offensichtlich wollte die saudische Bank die Schwelle von 10 Prozent nicht überschreiten, aus welchen Gründen auch immer. Und genauso offensichtlich war sich der Bankpräsident nicht bewusst, in welch wackliger Verfassung sich die Bank bei seiner Aussage befand. Er hatte den Behauptungen der Bank und der Schweizer Behörden vertraut – ein schwerer Fehler heutzutage.

Also hört die Story von «watson», gleich von den anderen Medien von CH Media übernommen, dort auf, wo es eigentlich interessant werden würde. Irgendwie typisch.

Wumms: Arthur Rutishauser

Zugegeben, manchmal ist’s ein Scheissjob.

Die Medienkonzentration in der Schweiz, bei der Weniger und Sparmassnahmen als Mehr und Synergie verkauft wird, hat den Posten des Oberchefredaktors geschaffen.

Denn in den ganzen Kopfblättern, die lediglich noch Regionalberichterstattung betreiben, sitzen nur noch Pro-Forma-Chefredaktoren am Fenster und tun wichtig.

Bei Ringier hat Christian Dorer das letzte Wort über die gesamte «Blick»-Gruppe (also wenn man Marc Walder ausser Acht lässt, aber das wäre ein anderes Thema). Bei CH Media ist’s Patrik Müller (also wenn man den Wanner-Clan ausser Acht lässt, aber das wäre ein anderes Thema). Die NZZ ist sowieso ein anderes Thema, aber da ist Eric Gujer schon ziemlich nahe am God almighty.

Und schliesslich gibt es Arthur Rutishauser, Oberchefredaktor bei Tamedia und Immer-noch-Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Der muss nun schauen, wie er aus dem «Magazin»-Schlamassel unbeschadet rauskommt.

Ein Kommunikationsgenie war er noch nie, also tut er mal das, was er kann. Er schreibt über Wirtschaft und Finanzen. Das hört sich dann so an: «Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten, und sich ansonsten einigelt. Ungläubige Journalistinnen, Analysten und Anleger.»

Schreibt er in einem SoZ-Editorial über die Credit Suisse. Könnte er aber genauso über Tamedia, bzw. die Tx Group schreiben. Schliesslich hat jetzt auch noch der Aktionärsvertreter Ethos angekündigt, möglicherweise dem Big Boss Pietro Supino die Decharge verweigern zu wollen. Peinlich.

Denn auch für die Führungsriege bei Tx gilt: «die Ratlosigkeit ist mit Händen greifbar». Zuerst schweigen, dann dementieren, dann lamentieren, dann abwiegeln und den Fall für ordentlich erledigt erklären. Ansonsten habe man natürlich nichts gewusst, bzw. erst spät.

Das soll alles sein, was ein Medienhaus an Krisenkommunikation hinkriegt? Da ist Feuer im Dach, Und wo es raucht, erhebt sich immer die Frage: wer war das? Dabei ist aber nicht der Brandstifter oder der versagende Feuerwehrmann (Pardon, der Feuerwehrmensch) gemeint. Sondern: wer eignet sich als Sündenbock?

Der Dachstock brennt bereits so lichterloh, dass eigentlich nur vier Personen in Frage kommen. Die beiden Mitglieder der Geschäftsleitung, der Big Boss himself oder Arthur. Man könnte sich nun vom deutschen Neuzuzug trennen, der für den ebenfalls abgängigen Boselli an Bord geholt wurde. Der kann nämlich nicht viel, hat keine grosse Ahnung von der Schweiz und ist bislang mit nichts aufgefallen. Also der Klassiker: er würde eine Lücke hinterlassen, die ihn vollständig ersetzt.

Auf der anderen Seite, neu an Bord, sähe schon blöd aus, wenn der nun die Verantwortung für teils Jahre zurückliegende mögliche Verfehlungen übernehmen müsste. Das andere GL-Mitglied: denkbar, aber nicht direkt zuständig für das Tamedia-Schlamassel. Der Big Boss? Niemals, ausgeschlossen, unmöglich. Der und Verantwortung übernehmen? So weit kommt’s noch.

Also bleibt, nach dem Prinzip Ene, mene, muh, nun ja, tut uns ja Leid: da bleibt eigentlich nur Rutishauser. Denn jemand aus dem Overhead, aus der Administration, Human Resources oder so, das dürfte nicht mehr reichen.

Wir drücken Arthur die Daumen, denn verdient hätte er es nicht. Wir wollen ihn aber ausdrücklich nicht loben, wenn das von ZACKBUM käme, wäre das fatal.

Die WoZ spinnt

Das Gefäss «Die Welt spinnt» ist gestrichen. Das erledigt die WoZ selbst.

Eigentlich sollte man die Lektüre einstellen, wenn ein Artikel so beginnt: «Der Mann ist ein intimer Kenner der SVP, einer aus der parteinahen Presse. «Berset ist die grösste Trophäe!», meint er im Lärm des Zürcher Schützenhauses Albisgüetli.»

Eigentlich sollte man die Lektüre einstellen, wenn dieser Satz auftaucht: «Die WOZ sprach mit Dutzenden Beteiligten und Expert:innen aus Politik, Justiz und Medien.» Die aber leider alle anonym bleiben wollten.

Eigentlich sollte man gar nicht mit der Lektüre beginnen, wenn der Artikel so ausgestattet ist:

Treibjagd? Zu Fall bringen? Niederungen der Zürcher SVP? Schön, dass von Anfang an klargestellt wird, dass hier ergebnisoffen recherchiert wurde.

Selbstverständlich wird auch nicht mit maliziösen Unterstellungen in Frageform gearbeitet: «Der Druck auf Marti ist immens. Endet seine Karriere mit einem komplett verpfuschten Verfahren? Und ist das schon ein Motiv für die Weitergabe von Untersuchungsakten

Auch absurde Forderungen wie die, dass ein Journalist seine Quellen offenlegt, haben im Text der WoZ nichts zu suchen: Patrik «Müller (Oberchefredaktor bei CH Media, Red.), der in allen seinen Texten gegen Berset zielt, will nicht offenlegen, ob er weiss, auf welchem Weg die Dokumente zu ihm gekommen sind, wer dahintersteckt und was das Motiv ist.»

Neu ist auch, dass Müller in «all seinen Texten» gegen Berset ziele, aber wenn’s die WoZ sagt, die in all ihren Texten gegen die SVP zielt …

So nebenbei werden auch noch Hiebe gegen unliebsame Konkurrenz ausgeteilt: «Warum führt er (Untersuchungsrichter Marti, Red.) sein Verfahren so treffsicher in Richtung Lauener, Ringier und Corona? Ein Motiv, das sagen verschiedene Auskunftspersonen, könnte darin bestanden haben, dass Marti eine Art Coronaverschwörung witterte. Er habe bei den Verhören auch aus dem Schwurblerportal «Die Ostschweiz» zitiert».

Schwurblerportal? Abgesehen davon, dass ZACKBUM-Redaktor René Zeyer dort schwurbelt: eine so bösartige Unterstellung aus Corona-Zeiten sollte dann vielleicht schon ein wenig belegt sein, oder nicht, Kollegen von der Wäffel-WoZ.

Wunderbar sind auch immer geschwurbelte Unterstellungen, die sich auf Hörensagen und angebliche persönliche Verbindungen abstützen: «Offen ist auch, ob Marti Getriebener war oder Geschobener, ob er also für seine Ermittlungen Anstösse von aussen erhalten hat. Schliesslich ist er Teil eines Zürcher SVP-Bekanntenkreises, zu dem Alexia Heine gehört, die Präsidentin der Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft, ebenso wie Nationalrat Alfred Heer, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.»

Es gab vor vielen Jahren vor allem in Italien die Tradition des Politthrillers, der immer so anfing, dass in Neapel einer tot vom Fahrrad fällt, in Mailand ein Untersuchungsrichter knapp einem Attentat entgeht, und in einem Hinterzimmer üble Gestalten ein Komplott ausbrüten.

Offenbar haben die WoZ-Redaktoren zu viel solcher Filme gesehen: Der Generalsekretär des EDA Markus «Seiler stand wiederholt im Verdacht, Urheber der Leaks gegen Berset zu sein. Tatsächlich gibt es zeitliche Parallelen: Wann immer Seiler unter Druck geriet, gab es ein Leak zu Berset. «Die Luft wird dünn für Seiler», hiess es wegen des Crypto-Untersuchungsberichts am 11. November 2020 im «Tages-Anzeiger». Nur zehn Tage später sprachen alle Medien nur noch von der Erpressungsaffäre gegen Berset».

Zufälle aber auch. Wobei, wenn’s nicht Seiler war, könnte es auch so gewesen sein: «Durchaus denkbar, dass ein SVP-Maulwurf sie weitergab.»

Und wenn sich die WoZ schon im Konjunktiv der Verschwörungstheorien verliert, kann sie auch gleich völlig ins Gebüsch fahren: «Falls die Kampagne gegen Berset in den hohen Berner Regierungssphären oder in den Zürcher SVP-Niederungen ihren Ursprung hätte, käme das einem politischen Skandal gleich.»

«Falls hätte, käme gleich», welch ein Geschwurbel.

Am Schluss setzt die WoZ dann noch ein letztes Glanzlicht. Den Autoren ist nämlich doch noch aufgefallen, dass sie eigentlich die Einzigen sind, die solchen Verschwörungstheorien nachhängen. Das könnte nun, um eine Konjunktiv-Vermutung zu äussern, damit zu tun haben, dass man bei abstrusen Konstrukten immer ziemlich alleine auf weiter Flur steht.

Aber das kann natürlich nicht sein, also gibt es laut WoZ einen schlimmen Verdacht, wieso sich nur die aufrechten und furchtlosen Zwei, das Dream-Team Renato Beck und Kaspar Surber, unter Lebensgefahr an eine solche Recherche wagen: «Die Frage, ob es nicht mindestens so zwingend wäre, die jetzige Kampagne gegen Berset politisch zu untersuchen, hat bisher niemand in Bern offen gestellt. Den Grund, den man im Off hört, ist durchaus beunruhigend: Wir wollen nicht selbst plattgewalzt werden.»

Da sind wir aber beunruhigt und platt. Und hoffen, dass den beiden nichts zustösst, bevor ihnen die Tapferkeitsmedaille für angst- schwindel- und realitätsfreien Journalismus verliehen wird.

Alles Müller ohne was

Patrik Müller ist der Alleinherrscher im Reich CH Media.

Natürlich thront über ihm noch der Wanner-Clan, angeführt vom Patriarchen Peter Wanner. Darunter füllte Pascal Hollenstein die Position des «publizistischen Leiters» aus. Nicht zuletzt wegen seiner Doppelfunktion als Sprachrohr einer Beteiligten am Zuger Sexskandal (ZACKBUM kritisierte das mehrfach) wurde Hollenstein Ende Januar 2022 ziemlich abrupt entfernt: «Über die Gründe der Vertragsauflösung wurde Stillschweigen vereinbart.» Denn auch intern sorgte Hollenstein für rote Köpfe.

Patrik Müller, der mit Hollenstein das Heu überhaupt nicht auf der gleichen Bühne hatte, übernahm interimistisch, die Nachfolge werde später geregelt, hiess es damals.

Nun ist geregelt; Müller muss sich eine extrabreite Visitenkarte drucken lassen. Denn er ist nun, wir holen kurz Luft, Chefredaktor aller CH Media Zeitungen, und das sind jede Menge Kopfblätter. Zudem von deren Onlineportalen. Zudem ist er Chefredaktor des gemeinsamen Mantelteils und der «Schweiz am Wochenende», der zur Sparausgabe geschrumpften ehemaligen Sonntagszeitung des Hauses Wanner. Und schliesslich ist er noch der nicht mehr interimistische publizistische Leiter.

«Neue und klare Struktur», so nennt das der Verwaltungsrat. Machtmonopol für Müller ist’s in der Realität. Die Frühstücks-Chefredaktoren der einzelnen Kopfblätter dürfen sich ausschliesslich noch um das Lokale kümmern, alles andere erledigt Müller. Publizistische Leitlinien und Prinzipien kann er nun mit sich selber besprechen.

Ideal auch: fürs Wirtschaftliche ist er nicht zuständig. Genauso wenig für die versammelten TV- und Radiostationen. Dafür, dass mehr Kohle reinkommt als rausgeht, ist der Wanner-Clan verantwortlich. Mit 47 Jahren hat «alles Müller» den Zenith der Macht erklommen. Von hier aus kann’s eigentlich nur noch in die Geschäftsleitung, den Verwaltungsrat – oder zu einem Kommandoposten bei der Konkurrenz gehen.

Falsches Pathos

Ganz schlimm wird es, wenn sich minderbemittelte Schreibkräfte um Pathos bemühen.

«Man mag verzweifeln ob Wladimir Putin und der Grausamkeit der Welt. Man muss aber nicht. Hoffnung gibt es auch in dieser dunklen Stunde der Menschheit.»

Philipp Loser, der Superstar der schräg-dunklen Formulierungen.

Daniel Schneebeli spricht auch bei Tamedia ein wahres Wort in eigener Sache gelassen aus: «So verlangt die SVP zum Beispiel Sprachkenntnisse, die auch ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer nicht erfüllen.» Daher sollte man die Beherrschung der deutschen Sprache, an der auch gestandene Journalisten scheitern, bei Einbürgerungen nicht zur Voraussetzung machen. Denn Ausländer «sorgen hier für Wohlstand, sind vielen Schweizerinnen und Schweizern zu Freunden geworden. Mit ihnen wollen wir keine Spielchen treiben.»

Also, Spielen mit Ausländern verboten, meint Sprachkenner Schneebeli.

Auch «Blick»-Oberchefredaktor und Busfahrer Christian Dorer weiss, wie man in die Harfe greift. Soll der Staat helfen? Schliesslich sei genug Flüssiges vorhanden, bei den Kantonen und dem Bund: «Dieses Geld könnten sie für Inflationshilfe einsetzen – gezielt für jene, die es brauchen. Alle anderen sollten sich bewusst werden: Freiheit, Demokratie und Frieden haben ihren Preis. Und der wird gerade etwas höher.»

Wer es braucht, muss den Preis für Freiheit, Demokratie und Frieden nicht zahlen, weil der gestiegen ist. Also tanken für den Frieden. Heizen für die Freiheit. Kochen für die Demokratie. Gezielt geholfen oder reich genug, um diese Preise selbst zahlen zu können.

Pascal Tischhauser, stellvertretender «Blick»-Politikchef, verliert sich hingegen in eher dunklem Geraune: «Wie ernst es der Schweiz mit eigenen Sanktionen ist, zeigt sich erst dann, wenn – hoffentlich nie mehr – wieder ein Staat einen anderen überfällt. Dann aber kann sich die Regierung kein Zaudern mehr erlauben.»

Also, der Ernst zeige sich dann, wenn wieder ein Staat einen anderen überfällt. Was aber nie mehr geschehen sollte. Womit es dann nicht ernst wäre. Auf jeden Fall dürfte dann nicht gezaudert werden. Oder so, oder ganz anders.

Auch Patrik Müller, der Oberchefredaktor bei CH Media, versucht sich am hohen C: «Dank Bidens Brillanz gibt es berechtigte Hoffnung, dass die Ukraine gewinnen wird – und mit ihr die Freiheit und Demokratie.»

Denn: «Historiker vergleichen Joe Biden bereits mit Harry Truman, dem US-Präsidenten von 1945 bis 1953, der die Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg massgeblich prägte

Alt, senil und vertrottelt? Gar nicht, schwärmt Müller: «Es zeigt sich nun, wie wertvoll jahrzehntelange Führungserfahrung und auch ein hohes Lebensalter in Krisen von epochaler Dimension sein können.»

Da passt natürlich ein Hinweis auf die persönliche Krise Bidens mit der Ukraine weniger ins Heldeneopos. Dass der vor ein paar Jahren ultimativ verlangte, dass ein ukrainischer Staatsanwalt («that son of a bitch») umgehend gefeuert werde – weil der krummen Geschäften seines Sohnes Hunter Biden auf den Spuren war. Der drogenabhängige und sexsüchtige Tunichtgut hat zu allem Übel vertrottelt sein Laptop zum Reparieren gegeben – und vergessen, abzuholen. Worauf nun genüsslich der kompromittierende Inhalt an die Öffentlichkeit verklickert wird.

Ob dagegen ein genauso korrupter «US-Präsident Trump ein Horrorszenario» wäre, wie Müller meint?

In der NZZ tritt Ulrich Speck in grosse Fussstapfen. Er darf stellvertretend für Eric Gujer dessen Lieblingsgefäss «Der andere Blick» bespielen. Daher bemüht sich Speck um den richtig georgelten, staatsmännischen Ton: «Die SPD muss sich daher fragen lassen, inwieweit sie sich unwillentlich zum Handlanger des Machterhalts eines autokratischen Regimes hat machen lassen, das jetzt mit einem Angriffs- und Eroberungskrieg die europäische Friedensordnung attackiert.»

Ja, das muss sich die SPD fragen lassen, wird aber nicht antworten. Dabei sind die Folgen besorgniserregend: «Diese Erbschaft macht es der SPD äusserst schwer, heute als zentrale Regierungspartei eine neue Russlandpolitik auf die Beine zu stellen. Doch nur wenn die Fehler der Vergangenheit eingesehen werden, können die richtigen Lehren daraus gezogen werden – was wiederum nötig ist, um der Führungsverantwortung der Partei, die den Kanzler stellt, gerecht zu werden. Inmitten einer internationalen Krise, in der es auf Deutschland ankommt wie selten zuvor

Aus Fehlern lernen, Führungsverantwortung, internationale Krise, auf Deutschland kommt es an wie selten. Keine Worthülse, die Speck auslässt, um seinen Kommentar so ernsthaft wie gleichzeitig lächerlich ausklingen zulassen.

Bei pathetisch Geschwurbeltem darf natürlich der Champion aller Klassen des sprachlich Geholperten und inhaltlich Verstolperten nicht fehlen. Genau, Daniel Binswanger liefert das Absackerchen heute.

Er kümmert sich auch mal wieder um die grossen Linien, also um die Ukraine, Atomkrieg und das Schreiben von deutschen Intellektuellen an Kanzler Scholz, das bislang von mehr als 230’000 Bürgern (darunter auch der Autor dieser Zeilen) unterschrieben wurde. Obwohl:  Der Brief «strotzt nur so von absurden Verkürzungen und Einseitigkeiten». Zum Beispiel? «Die Forderung, den Atomkrieg zu vermeiden, wird weiss Gott niemand infrage stellen. Doch daraus für die Ukrainer eine Art Verpflichtung zur Kapitulation abzuleiten, ist argumentativ absurd und moralisch beschämend.»

Auch für Binswanger gilt leider, dass der Dreisprung «lesen, verstehen, kommentieren» nur selten gelingt. Aber immerhin, Jürgen Habermas findet Gnade vor dem strengen Auge des Kritikasters Binswanger: «Habermas benennt das «Dilemma», mit dem der Westen umgehen muss, sehr adäquat.» Ein Dilemma adäquat benennen? Vielleicht sollte es Binswanger mit weniger Fremdwörtern versuchen.

Aber immerhin, am Ende seiner endlosen 10’000 Anschläge gibt er dann klar den adäquaten Tarif durch: «Verhandlungen werden erst zielführend sein, wenn auch für Russland die Kosten zu hoch werden. Deshalb sind Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine das dringende Gebot der Stunde. Alles andere ist zu riskant.»

Lieber einen Atomkrieg riskieren als Appeasement. Was für ein verantwortungsloser Schwätzer.

Tamedia und CH Media: Fusion!

Eine kurzfristig anberaumte PK mit vier Teilnehmern.

Das ist eine faustdicke Überraschung. Mit ultrakurzer Frist luden heute Morgen Tamedia und CH Media zu einer Pressekonferenz per Videocall. Weil die falschen Zugangsdaten verschickt wurden, gelang es nur wenigen Medien, darunter ZACKBUM, teilzunehmen. Obwohl eine Sperrfrist bis 8 Uhr verhängt wurde, setzen wir uns im Stile von publizistischen Leitern darüber hinweg.

Im geviertelten Bildschirm sah man Peter Wanner und Patrik Müller von CH Media. Dazu Pietro Supino und Arthur Rutishauser als Vertreter von Tamedia.

Die Vier von der Geldtankstelle.

Wanner, Alter vor Schönheit, wie er launig bemerkte, eröffnete die Veranstaltung und liess sofort die Katze aus dem Sack.

«Angesichts eines anhaltend herausfordernden Umfelds haben Tamedia und CH Media beschlossen, unsere Printaktivitäten im Bereich Tageszeitungen zu bündeln.»

Supino übernahm und führte aus, dass ein Gewinn von über 800 Millionen Franken und eine Sonderdividende in der TX Group nur dann nachhaltig garantiert werden könne, wenn in der Business Unit Tamedia die Verluste gekürzt und die Gewinne verlängert würden. Das sei aber nicht weiter durch Sparmassnahmen realisierbar.

«Wir versprechen uns davon eine deutliche Qualitätssteigerung des Angebots», fügte Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, hinzu. «Wir bringen das Korrespondentennetz und das Know-how der «Süddeutschen Zeitung» ein, ausserdem wird nun «Das Magazin» auch sämtlichen Printtiteln von CH Media beigelegt.»

Supino erläuterte, dass natürlich «TX Markets», «Goldbach» und «20 Minuten» nicht fusioniert werden. «Bei uns bleibt «watson» ausserhalb der Fusion», ergänzte Müller; «unsere TV- und Radiostationen werden wir ebenfalls in Eigenregie weiterbetreiben».

«Leider wird diese Fusion nicht ohne die Freistellung einiger Mitarbeiter genügend Synergien schaffen», sagte dann Supino routiniert. «Es ist eine lineare Kürzung von 25 Prozent auf allen Hierarchiestufen vorgesehen.»

«Das neue Unternehmen wird logischerweise CH Tamedia heissen», erwähnte Wanner; «mein Freund Pietro und ich werden uns das Präsidium des VR teilen, die Geschäftsleitung werden Arthur und Patrik gemeinsam bespielen. Mittelfristig ist hier vorgesehen, dass es dann nur einen CEO geben kann und wird. Möge der Bessere gewinnen.»

Dann setzten die Vier noch einen Akzent zum Schluss, der nicht bei allen Zuschauern gleichgut ankam. Supino schnippte mit den Fingern und sagte leise an «eins, zwei, drei.» Darauf riefen alle im Chor:

«Wir sind CH Tamedia. Wir bleiben dran. Wir finden’s raus. Stoppt den Krieg in der Ukraine.»

Vermisst!

Wo ist Pascal Hollenstein, die redaktionelle Leiter nach unten?

Gerne machte er den Lautsprecher und Boten für Jolanda Spiess-Hegglin. Dabei hielt er sich nicht mal an gerichtliche Sperrfristen, um der Erste zu sein. Kein Anlass zu niedrig, um seiner Vorbildfunktion bei CH Media nachzuleben: schaut, Mitarbeiter, so sollte man das nicht machen.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit dieser Schande des Journalismus befassen. Der auch sonst gerne auf allen Gebieten dilettiert. Als staatstragender Kommentator, als aufrechter Genderspezialist.

Aber als es seiner Schutzbefohlenen Spiess-Hegglin dreckig ging, ihr wegen unangemessenem Verhalten und Nichterfüllen von Auflagen Staatssubventionen gestrichen wurden: wo war Pascal Hollenstein? Man hörte kein Wort von ihm. Kein Wort des Bedauerns, der Verteidigung. Wegducken, tiefes Schweigen.

Noch Anfang Oktober hatte sich Hollenstein zum gewichtigen Thema «Gendergerechte Sprache: so macht es CH Media» geäussert. Und eine Lanze für korrekten Umgang mit Leserinnen gebrochen:

«Der generische Maskulin ist zwar praktisch, denn er ist kurz. Aber er taugt nicht mehr zur Beschreibung einer Welt, in der Frauen einen gleichberechtigten Platz einnehmen sollten. Er ist oft unpräzise. Und vor allem: Er stösst viele Leserinnen unnötig vor den Kopf.»

Einleitend definierte Hollenstein, wie die journalistische Sprache zu sein habe: «Präzise, verständlich und elegant sollten die Formulierungen sein.» Das wäre das Ziel, die Verwendung der richtigen Formulierung «das generische Maskulinum» wäre ein Schritt in diese Richtung.

Was macht Hollenstein den lieben, langen Tag?

Dann fiel Hollenstein noch bei einer Podiumsdiuskussion zum Mediengesetz, also zur umstrittenen Ausschüttung von einer Milliarde Steuerfranken an Medienclans, mit solchen Plattitüden auf: «Medien wird es immer geben, auch Journalisten und unabhängigen Journalismus.»

Aber sonst? Wo ist die «Leiter Publizistik» bei CH Media? Der zweitwichtigste Mann nach Clan-Chef Peter Wanner? Unter dessen Leitung Oberchefredaktor Patrik Müller arbeitet? Der Mann verdient doch ein Heidengeld, in dieser Position. Was tut er eigentlich in den letzten Monaten dafür?

Nicht, dass der Qualitätsjournalismus ohne ihn ärmer geworden wäre. Es mag sogar Leser geben, die es als Erleichterung empfinden, dass er verstummt ist. Die Sendepause gibt. Uns mit neuen Erkenntnissen von und über die hässige Chefin einer Organisation gegen Hass und Hetze verschont.

Oder leidet er unter Schreibstau? Ein Mann ohne Mission? Burn-out gar? Spielt Corona eine Rolle? Müssen wir uns Sorgen machen?

In den USA werden Milchtüten dafür verwendet, Fotos von vermissten Personen unter die Leute zu bringen. Vielleicht wäre es an der Zeit, diesen Brauch auch in der Schweiz einzuführen.

Schliesslich hatte sich Hollenstein mit viel Mühe und Schweiss einen festen Platz im Personal von ZACKBUM erobert. Und wir kümmern uns um unsere Leute.