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Ho, ho Hollenstein

Der Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin hat wieder seines Amtes gewaltet.

Diesmal hat Pascal Hollenstein keine Sperrfrist gebrochen, um als Erster über neue Entwicklungen in der unendlichen Geschichte von Rechtshändeln berichten zu können. Er gibt einfach wieder, was ihm zugesteckt wurde, allerdings, so viel Qualität muss bei einer journalistischen Leiter nach unten sein, schräg und falsch.

Das Bundesgericht hat Massnahmen wieder in Kraft gesetzt, die vom Zuger Obergericht aufgehoben worden waren. Es geht um den Streit über ein noch nicht veröffentlichtes Buch einer Tamedia-Journalistin zum Thema feuchtfröhliches Zusammensein bei einer Zuger Politikerfeier.

Eine erste Instanz hatte zuerst superprovisorisch, dann als Massnahme der Autorin des Buchprojekts verboten, diverse Themenbereiche der Feier zu behandeln, bei der es zu intimen Kontakten über Parteigrenzen hinweg kam. Denn die daran Beteiligte mutmasst, dass die Journalistin ihre Persönlichkeitsrechte verletzen könnte.

Unerhörter Eingriff in die Pressefreiheit

Ein bedenklicher Eingriff in die Pressefreiheit, der von jedem anständigen Journalisten aus Prinzip scharf verurteilt werden müsste. Ausser, man gibt sich als Sprachrohr von JSH hin, betreibt nebenbei noch Konzernjournalismus (CH Media gegen Tamedia) und profitiert davon, alle nötigen Informationen brühwarm durchgestochen zu bekommen. Natürlich entsprechend parteilich gefärbt, denn das Bundesgericht selbst hat keine Medienmitteilung herausgegeben zu seiner vorsorglichen Massnahme.

Also behauptet Hollenstein:

«Bundesgericht stoppt umstrittene Passagen in geplantem Buch über Jolanda Spiess-Hegglin».

Für eine solche Verdrehung würde jeder Volontär streng gemassregelt, vielleicht sogar mit dem Ratschlag bedacht, sich einen anderen Beruf zu suchen. Denn davon steht kein Wort in der Verfügung.

Der einzige Sinn dieser Massnahme ist zu verhindern, dass einer von zwei möglichen Entscheide des Bundesgericht durch Fakten präjudiziert werden könnte. Denn ein Urteil steht noch aus. Stützt das oberste Gericht den Entscheid der Vorinstanz, dann kann das Buch erscheinen. Fällt es einen gegenteiligen Entscheid oder weist es den Fall wieder zurück, hätte die Möglichkeit bestanden, dass das Buch zwischenzeitlich erschienen wäre.

Damit wäre dann dieses mögliche Bundesgerichtsurteil «gegenstandslos» geworden, wie der Jurist so schön sagt. Und das wollen die obersten Richter natürlich nicht.

Ist Juristenfutter, aber eigentlich leicht verständlich. Wenn man will. Aber Hollenstein will natürlich nicht, also behauptet er den Unsinn, dass das Bundesgericht «umstrittene Passagen» gestoppt habe.

Von Unsinn zu Verdrehung

Das ist schon deswegen Unsinn, weil es noch gar keine Passagen gibt, die deswegen auch nicht umstritten sein können. Was hier als «Etappensieg» für JSH verkauft werden soll, ist nichts weiter als die verständliche Absicht des Bundesgerichts, keine seiner möglichen Entscheidungen durch die Macht des Faktischen präjudizieren zu lassen. Daher kommt diese Massnahme auch nicht überraschend; noch viel weniger kann man aus ihr auf ein mögliches Urteil schliessen.

Kein Grund, die Korken knallen zu lassen.

Auf noch viel dünneres Eis begibt sich Hollenstein, wenn er fröhlich aus der Eingabe der Anwältin von JSH zitiert. Die behauptet nämlich unverdrossen, dass bereits ein Manuskript vorliege und schon Verlagen angeboten worden sei. Zudem ginge daraus hervor, zitiert Hollenstein aus der Schrift der Anwältin:

«Der Inhalt sei, so eine in der Rechtsschrift zitierte Quelle, «brutal», stellenweise «diffamierend und herablassend». Jolanda Spiess-Hegglin würde «vom Manuskript hart getroffen; auch ihre Familie bleibe nicht verschont»

Aber damit ist Hollensteins Feldzug noch nicht beendet: «Haben Tamedia-Mitarbeitende also hinsichtlich Existenz und Inhalt des Buches Justiz und Öffentlichkeit gegenüber Falschbehauptungen aufgestellt?» Diesen Verdacht lenkt Hollenstein auf die Autorin und den Oberchefredaktor von Tamedia.

Als Feigenblatt legt er drauf, dass das vom Anwalt der Autorin «bestritten» werde. Es ist zudem so, dass JSH damit bereits vor Obergericht baden ging, es schenkte diesen Behauptungen keinen Glauben. Alleine schon deswegen, weil die Identität dieser «Quellen» nicht offengelegt wurde. Eigentlich ein juristisches Unding, angebliche Belege vorzulegen, ohne deren Urheber zu identifizieren.

Stellungnahme? Aber nicht bei Hollenstein

Auch damit begibt sich Hollenstein ausserhalb primitivster journalistischer Benimmregeln. Er zitierte zwar kurz aus der Stellungnahme des Tamedia-Anwalts zuhanden des Gerichts, hielt es aber in der Eile und Hitze des Gefechts nicht für nötig, den persönlich angegriffenen Tamedia-Journalisten die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Nur einer könnte ihm Einhalt gebieten …

Hollenstein ist in dieser Sache Wiederholungstäter, der sich nicht als Vorbild für seine Redaktoren eignet. Höchstens als abschreckendes Beispiel. Seine bisherigen Untaten sind auf ZACKBUM schon ausführlich – und unwidersprochen – dargelegt worden. Aber offenbar lebt auch Hollenstein nach dem Prinzip: ist der Ruf erst ruiniert …

Natürlich bekam er Gelegenheit, zu diesem Artikel Stellung zu nehmen. Auch hier ist er Vorbild für Anstand und Fähigkeit zur Debatte: keine Antwort.

Immer unverständlicher wird allerdings, wieso Besitzer Wanner diesem Treiben weiterhin zuschaut.

Vorliegende Dokumente

Früher einmal Qualitätsmerkmal, heute immer häufiger Symbol für Schmierenjournalismus.

Die Fichen-Affäre oder die Beschattungsorgie bei der Credit Suisse in der Schweiz. «Neue Heimat» oder die Parteispendenaffäre in Deutschland. Das waren hart recherchierte Skandalstorys. Das Zusammensetzen eines Puzzles aus Informationen, so oder so beschafften Dokumenten, Spuren und detektivischem Gespür.

Die Hitler-Tagebücher hingegen waren im deutschen Sprachraum das erste grosse Beispiel, wohin es führen kann, wenn man zugehaltenem und sogar gekauftem Material zu blindlings vertraut.

Im Armutsjournalismus von heute ist’s ähnlich. Zum einen gibt’s grosse Kracher, wie sie noch nie zuvor gezündet wurden. Hunderte von Journalisten in Dutzenden von Ländern weiden Datengebirge aus, die ihnen von unbekannter Quelle zugesteckt wurden. Ohne Kenntnis der Motive, der Hintergründe, einer möglichen Vorselektion der Daten.

Denn immer geht es um Steuerhinterziehung. Blutgeld. Kriminelle Gewinne, Diktatorengelder, schmutziges Geld, zumindest Vermögen, die von geldgierigen und verantwortungslosen reichen Säcken auf meistens kleinen Inseln parkiert werden. In Tarnkonstruktionen, die ihnen von willfährigen Helfern gebastelt werden.

Gute Aufmachung, schwacher Inhalt.

So die Mär, die grossartige Ankündigung. Die Wirklichkeit sieht dann immer viel prosaischer aus. Eher kläglich sogar. Von den Hunderttausenden von Konstrukten fallen gerade mal ein paar Dutzend auf, in den wenigsten Fällen werden Straffverfahren eingeleitet, in noch wenigeren kommt es zu einer Verurteilung.

Der Flurschaden ist aber immens; unbescholtene Personen kommen kurzzeitig ins Visier der selbsternannten Ankläger, Rächer und Richter, werden namentlich ans Kreuz genagelt. Und dann klammheimlich wieder abgenommen, war leider nix, alles Verdachts- und Vermutungsjournalismus.

Die grössten Verbrecherstaaten bleiben unbehelligt

Aber immer basierend auf Dokumenten, Daten, Kontoauszügen, Verträgen. Auf Hehlerware, aber was soll’s, wenn’s der vermeintlich guten Sache dient. Der Transparenz. Dem Kampf gegen Steuerhinterziehung. Geldwäsche. Ironischerweise wird dabei immer übersehen, dass die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, die grössten Oasen für Steuerhinterzieher in Ländern liegen, die nie in all diesen Leaks und Papers vorkommen. Nämlich zuerst in den USA, dann in Grossbritannien, gefolgt von Deutschland, dem Geldwäscherparadies. Oder von Luxemburg und Irland, den idealen Staaten für legale Steuervermeidung.

Aber das sind die grossen Dinger. Richtig unappetitlich wird’s im Kleinen. Geschäftliche Auseinandersetzungen, private Fehden, ja sogar Beziehungsknatsch – immer findet sich ein Organ, das willig ist, angefütterte Informationen auszuschlachten. Der Primeur, die Exklusiv-Story, da gerät man gerne in Schnappatmung und wirft alle journalistischen Grundsätze über Bord.

Moderner Anfütter-Journalismus.

Der Erste sein, da bricht die publizistische Leiter nach unten von CH Media schon mal gerichtliche Sperrfristen, um zuerst – und falsch – einen Triumph seiner Schutzbefohlenen Jolanda Spiess-Hegglin zu vermelden. Da stützt sich ein Oberchefredaktor auf schlüpfrige Fotos, die ein triebgesteuerter Stadtammann in seinen Amtsräumen von seinem Gemächt machte – und sich nicht entblödete, sie auch zu verschicken.

Da berichtet ein anderer Chefredaktor detailliert über Spesenabrechnungen eines gefallenen Banken-Stars im Rotlichtmilieu – oder über die Kosten, die die Renovation einer Hotelsuite verursachte, wo es wegen unfähiger Terminplanung zu Handgreiflichkeiten zwischen zwei käuflichen Damen kam.

Es geht noch toxischer

Immer, wenn man denkt, tiefer geht’s nicht, treten die Medien den Beweis an: doch. Jüngstes Beispiel ist eine fatale Affäre, die ein Banker in Führungspositionen hatte. Seine verschmähte Geliebte sinnt auf Rache, will sich öffentlich – nur unzureichend verkleidet in einer fiktiven Story – an ihm rächen, diesem «toxic leader», einem Psychopathen, Narzissten, Manipulator, mit «vielen Leichen im Keller».

Er lässt das verbieten, darauf macht sie das, was heutzutage eigentlich immer funktioniert: sie wendet sich an eine Zeitung. In diesem Fall an den SoBli, der sofort eine scharfe Story wittert. Eine Aussprache mit dem betroffenen Banker bringt nichts, er benützt wieder das Mittel einer superprovisorischen Verfügung.

Von einem anonymen Mail-Accout, dessen Besitzer nicht zu eruieren ist, kommt die Story doch in Umlauf. Das Manuskript mitsamt Belegen und Beilagen dürfte zu diesem Zeitpunkt nur dem Autor und der Chefetage des «SonntagsBlick»  bekannt gewesen sein. Und wohl der Betroffenen selbst, wie das im heutigen Elendsjournalismus nicht selten der Fall ist.

Auch dieser Versuch, via Medien den Bankboss zu Fall zu bringen, scheitert. Aber wenn die Medien willig sind … Diesmal kommt Tamedia zum Handkuss. Dem Oberchefredaktor wird eine Strafanzeige zugehalten, aufgrund derer sich der Bankboss vor dreieinhalb Jahren einer Indiskretion schuldig gemacht habe. Er soll – auf Aufforderung und Bitte – ein internes Papier an seine Geliebte ausgehändigt haben. Möglicherweise mit börsenrelevanten Informationen, wie er in seinem Liebesrausch damals selber eingestand.

Es liegt vor – Geschwurbel für «zugesteckt bekommen»

Höchstwahrscheinlich aber nicht, denn vielleicht wollte er sich nur etwas aufplustern. Damit genug? Damit nicht genug. «Dieser Zeitung liegt sowohl die Klage Lachappelles vor als auch die Klageantwort seiner Ex-Partnerin.» Schreibt CH Media. Schon das entspricht nicht der Wahrheit. Das liegt nicht vor, das wurde ihnen zugesteckt. Einmal darf der intelligente Leser raten, von wem.

Den Justizbehörden? Wohl kaum. Von Lachappelle? Wohl kaum. Behändigte Pascal Hollenstein das Papier höchstselbst, indem er ins Archiv der zuständigen Staatsanwaltschaft einbrach? Wohl kaum. Steht in diesen Papieren irgend etwas, was

  1. erhellende neue Erkenntnisse bringt?
  2. für die Öffentlichkeit von Interesse ist?

Ob sich Lachappelle mit seiner Kurzzeitflamme in der Öffentlichkeit sehen liess oder nicht? Ob er sich von seiner Frau trennte, und wenn ja, wie lange, oder nicht? Dann setzt Hollenstein – unterstützt von einem Redaktor – zur Rechtsbelehrung an: «Denn nur, wenn andere «Joe» mit Guy Lachappelle identifizieren konnten, könnten die Schilderungen auch ehrverletzend sein.» «Joe» nennt die verschmähte Geliebte die Figur, in der sich Lachappelle wiedererkannte und deren Darstellung er als ehrverletzend ansieht. Was bislang vom Gericht auch so gesehen wird.

Nach der Rechthaberei durch den Laien kommt’s noch knüppeldick:

«Was ist wahr an dieser Beziehungsgeschichte, die Guy Lachappelle vor den nationalen Medien am Donnerstag ausgebreitet hat? Was ist unwahr? Und was lässt sich überhaupt beweisen?»

Falsche Frage. Was interessiert’s? Was geht das Hollenstein an? Oder die Öffentlichkeit?

Zuerst Intimes ausbreiten, dann darüber den Kopf schütteln

«Fest steht: Die Basler Justiz wird sich aufgrund einer Strafanzeige mit sehr Persönlichem befassen müssen, das nicht an die Öffentlichkeit gehört.»

Vor einer solchen Aussage würde Tartuffe, würden alle schmierigen Gestalten von Heuchlern in der Kunst vor Neid erblassen. Zuerst wird’s von CH Media an die Öffentlichkeit gezerrt, dann wird das beklagt.

Blick in einen modernen Newsroom.

Wenn die publizistische Leiter nach unten ihrem Übernamen schon alle Ehre macht, kommt natürlich noch hinzu: Erwähnung, dass für alle Beteiligte die Unschuldsvermutung gilt, bislang nicht mal ein Strafverfahren gegen Lachappelle eingeleitet ist? Ach was, gehörte zwar zur Minimalanforderung eines den primitivsten Regeln des Journalismus entsprechenden Artikels. Aber doch nicht bei Hollenstein.

Bekam der so durch den Dreck Gezogene wenigstens die Möglichkeit zur Stellungnahme? Ach was, könnte doch nur stören. Wenn ein blutiger Anfänger einen Artikel mit diesen beiden Defekten einreichen würde, er würde vom Hof gejagt. Aber der Hofherr kann sich solche Schlampereien erlauben.

Blick ins Archiv einer modernen Redaktion.

Über all diese «Widersprüche» habe Lachappelle in seiner PK nichts gesagt, schmiert Hollenstein unheilschwanger aufs Papier. Hätte er, was selbst dem nicht zimperlichen Tagi einfiel, nachgefragt, hätte er die gleiche Antwort bekommen: zu dieser Strafanzeige konnte Lachappelle nichts sagen, weil sie ihm nicht vorliegt.

Anstatt juristische Ratschläge zu erteilen, könnte sich Hollenstein mal mit dem Ablauf nach dem Einreichen einer Strafanzeige vertraut machen. Aber wozu auch. «Vorliegende Dokumente» erlauben es, alle journalistischen Ansprüche fahren zu lassen. Einseitig, unqualifiziert und nur aufgrund unbewiesener Behauptungen einen Artikel zu basteln, den als einäugig zu bezeichnen noch ein Euphemismus wäre.

Der Fisch stinkt vom Kopf, heisst es richtig. Lachappelle hat die Konsequenzen gezogen. Ist Hollenstein auch dafür zu feige?

Was macht eigentlich …

… Pascal Hollenstein? Die journalistische Leiter nach unten von CH Media?

Sein Megaphon im Dienste von Jolanda Spiess-Hegglin verstaubt zurzeit in der Ecke. Publizistischer Bedarf besteht auch nicht. Eigentlich könnte Pascal Hollenstein in die Frühpensionierung abschwirren. Der Leser würde es ihm danken. Ausser, er machte den Felix E. Müller (Ex-Chef der NZZaS, pensioniert und weiterschreibende Sparmassnahme) und schriebe und schriebe und schriebe.

So ist Pascal Hollenstein nicht. Hat er nichts zu sagen, schweigt er. Schweigt er nicht, hat er trotzdem nichts zu sagen. Item, zum Abbruch der Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen mit der EU hielt die Welt gespannt den Atem an und kriegte schon ein rötliches Gesicht.

Die hat sich nun entladen, endlich. Hollenstein präsentiert das Resultat tiefen Nachdenkens, unermüdlichem Polierens, einem titanischen Kampf mit der Sprache (nach dem dritten K.o. warf sie das Handtuch).

Hollenstein geht’s ums Ganze, worum denn sonst

In seinem Kommentar geht es ums Ganze:

«Ein Sieg von Blocher und der SVP, für den die Partei einen hohen Preis zahlen könnte».

Hollenstein versucht sich hier an einem gepflegt-staatstragenden Ton, der Helmut Schmidt gut anstand. Auch Hollenstein will das ganze Orchester auffahren. Warnen, mahnen, erinnern. Analytische Schärfe aufblitzen lassen. Sozusagen das Wort zum Sonntag der Politik sprechen. Oder in einem Wort: klugscheissen.

Auch das muss man können. So versemmelt es Hollenstein schon mit der Einleitung: «Die Schweiz mag die politische Folklore. Zum festen Inventar gehört dabei die Illusion, Bundesräte stünden immer und in jedem Fall über parteipolitischen Interessen.» Keine Ahnung, bei wem – ausser vielleicht Hollenstein – diese Illusion zum festen Inventar gehört. Wer trotzdem weiterliest, wird dafür nicht belohnt. Eher gequält.

Wohin und zurück mit Hollenstein.

Denn Hollenstein hat eine (in Zahlen 1) Idee gehabt. Nicht originell, nicht umwerfend, aber he, immerhin eine Idee. Die lautet so: durch den Abbruch der Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen ist der SVP der nächste Wahlkampfschlager, wenn nicht die Seele der Partei abhanden gekommen. Ihre Daseinsberechtigung. Denn wäre es doch noch zu einer Einigung gekommen: «Ein Traumszenario für die Volkspartei, deren einstiger kometenhafter Aufstieg eng mit der EWR-Abstimmung 1992 zusammenhängt.»

Dieser Abbruch trifft die SVP hart, meint Hollenstein

Also sozusagen a one trick pony, wie der Ami sagt. SVP, das ist Anti-EU. Lassen wir mal die Partei als Hort von Volksverhetzern, Corona-Leugnern, staatliche Massnahmen laienhaft und verantwortungslos kritisierenden Dumpfbacken beiseite. Also Anti-EU. Denn für sie sei mit dem Abbruch der Verhandlungen

«der Feind abhandengekommen, das Lieblingsthema weg und kein anderes in Sicht. Kurz: Ein Desaster.»

Schön für die bürgerlichen Parteien, und da kann es für die NZZ nur eine geben. Aber da sieht Hollenstein ein kleines Fünklein Licht, das er nun auch während Dusche und Bad nie mehr erlöschen lässt: «Nicht gut, aber immerhin etwas besser sieht es für FDP, Mitte und SP aus. Allen drei Parteien drohten bei einem Abstimmungskampf zum Rahmenabkommen hässliche interne Querelen. Der SP mit ihrem Gewerkschaftsflügel. Insbesondere aber die Freisinnigen boten im Rahmenabkommen-Dossier ein pitoyables Bild, ihr Aussenminister Ignazio Cassis wäre in den Wahlen zur ernsthaften Belastung geworden.»

Wir lieben es, wenn ein Tiefflieger das Wort «pitoyabel» verwendet, weil er meint, damit eine geradezu goetheanistische Flughöhe zu simulieren.

Nachdem Hollenstein die Auswirkungen dieses historischen Moments (meiner Treu, Verhandlungen wurden abgebrochen, das kann doch mal passieren, passiert auch ständig) abgeschmeckt, abgewogen, staatmännisch eingeordnet hat, in einer verstaubten Grossbürgersprache, wie es sich nicht einmal mehr die NZZ trauen würde, sondern nur noch Möchtegerns, wie sieht denn das Orakel die Zukunft?

Höret und staunet:

«Für die FDP und insbesondere Ignazio Cassis geht es in den nächsten Wahlen um viel, der Formstand der Partei ist miserabel. Gewiss, nach dieser Woche ist nun die Konkurrentin SVP thematisch geschwächt. Aber ob das reicht, um den freisinnigen Absturz zu verhindern, bleibt offen. Denn die eigentliche Gefahr droht den Freisinnigen ohnehin von den Grünliberalen. Mit dem historischen europapolitischen Entscheid vom Mittwoch ist sie nur noch grösser geworden.»

Ein Desaster. Dieser Kommentar von Hollenstein

Wer einen Ausblick auf kommende Wahlen mit «für xy geht es um viel» beginnt, hat eigentlich schon jede Kontrolle verloren. Denn, vielleicht abgesehen von Diktaturen, wann geht es bei Wahlen für Parteien mal nicht um viel? Wann hört man aus Parteizentralen: Ach, die nächsten Wahlen? Sind uns egal, wir müssen noch überall das Gendersternchen einpflegen.

Ich schwör’s, Hugo Bütler hätte so einen Satz vielleicht noch per Montblanc Meisterstück und grüner Cheftinte aufs Papier gekritzelt. Dann angeschaut, kurz den Kopf geschüttelt, leise «Quatsch» gesagt, das Papier zerknüllt, Papierkorb, neuer Anlauf. Nicht nur das unterscheidet Hollenstein von Bütler.

Der ehemalige Chefredaktor der NZZ, dessen Kürzel Bü. lautete, wurde von Niklaus Meienberg selig (Nora Zukker, das war, aber lassen wir’s) völlig richtig damit vorgeführt. Ob Bü. wohl für Büttel stünde? Oder für Bünzli? Nein, das stehe für Bürgertum, donnerte Meienberg. Wofür steht denn dann hol.? Genau, für ein fehlendes h nach dem o.

 

H wie Hollenstein, H wie Heuchler

Die publizistische Leiter nach unten bei CH Media sieht den Splitter, aber den Balken nicht.

Natürlich ist es für Journalisten immer ein Genuss, auf hohem moralischen Ross sitzend, der Boulevard-Konkurrenz eine reinzuwürgen. Damit beschäftigt sich Pascal Hollenstein, wenn es über Jolanda Spiess-Hegglin gerade mal nichts zu berichten gibt. Denn sonst ist er dort eher ausgelastet, als Sprachrohr.

Nun geht es aber um etwas anderes. ««Blick» verletzte Intimsphäre von Kindern», entrüstet sich Hollenstein. Endlich mal Gelegenheit, journalistische Aufklärungsarbeit zu leisten. Über «die wichtigsten Regeln im Journalismus». Trommelwirbel: «Bei Berichten über Straftaten ist auf die Opfer besonders Rücksicht zu nehmen.» Steigerung: «besonders bei Sexualdelikten». Nochmalige Steigerung: «Und in noch höherem Mass, wenn es um Kinder geht.»

Lehrer Lämpel steht nun auf den Zehenspitzen, den Warnfinger hoch in der Luft. Dann lässt er ihn, samt Stock, auf den «Blick» niedersausen. Der habe in einem Fall von sexuellem Missbrauch von Kindern durch einen Pfarrer so berichtet, so recherchiert, dass dadurch die armen Kinder identifizierbar wurden; «es kam in der Schule zu Hänseleien und Mobbing».

Dennoch sei der «Blick» störrisch gewesen und habe eine Persönlichkeitsverletzung abgestritten. Bis dann endlich das Obergericht in Aarau «die Argumente des Ringier-Anwalts Punkt für Punkt zerpflückt». Schliesslich habe «Ringier Genugtuung für die Kinder» gespart. Also alles in allem: widerlich, aber typisch.

Aber nur dann, wenn man so ziemlich alles ausspart, was nicht zu dieser These passt. Vielleicht sollte Hollenstein mal nachschlagen, was auch zu den «wichtigsten Regeln» im Journalismus gehört. Nämlich, die Realität nicht so hinzuschnitzen, wie sie einem in den Kram passt.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Regel à la Hollenstein

Fangen wir mal mit der Heuchelei an. Das Boulevard-Organ habe also rücksichtlos die Intimsphäre von Kindern verletzt. Wie das? Durch identifizierende Berichterstattung. Und was hatte das für Folgen? Die Kinder seien in der Schule gehänselt und gemobbt worden.

Nur Hollenstein weiss, wie das bei einer damals ungefähr 3-Jährigen möglich gewesen sein soll. Wenn die Schulpflicht im Aargau nicht schon so früh beginnt, ist das schlichtweg Unsinn. Dann behauptet Hollenstein, Ringier habe Genugtuung gespart. Insgesamt für vier Kinder wurde Genugtuung gefordert und in erster Instanz gewährt, darunter auch für diese Dreijährige. Also insgesamt 80’000 Franken, für ein Leiden, das jedenfalls bei ihr aus Altersgründen gar nicht vorhanden gewesen sein kann.

Dass dieser Betrag auf 40’000 Franken reduziert wurde, ist eine völlig richtige Entscheidung des Obergerichts. Nun ist Hollenstein zwar als furchtloser Kritiker solcher Boulevard-Methoden unterwegs. Aber er ist eigentlich von Beruf das publizistische Gewissen von CH Media, dafür steht er im Impressum sogar oberhalb des Oberchefredaktors Patrik Müller.

Also kann man doch sicherlich davon ausgehen, dass in seinem Medienhaus alles getan wurde, um eine identifizierende Berichterstattung zu vermeiden. Oder nicht?

So sieht eine nicht-identifizierende Berichterstattung à la Hollenstein aus

«Der 68-jährige Beschuldigte war in verschiedenen reformierten Kirchgemeinden als Pfarrer tätig gewesen, zuletzt mehrere Jahre in der Gemeinde D. im Bezirk F. Bis ins Jahr 2001 waltete er dort als Pfarrer für die reformierte Kirche. Laut Recherchen von Tele M1 soll der Beschuldigte Mitte der 80er- und 90er-Jahre auch in der Gemeinde R. als Pfarrer tätig gewesen sein. Der Beschuldigte soll mehrere Kinder und Jugendliche über Jahre sexuell missbraucht haben, darunter auch seine eigenen Enkelkinder.»

Ist das ein Zitat aus dem Boulevard-«Blick»? Aber nein, das ist ein Zitat aus den Organen, für die Hollenstein doch angeblich publizistische Verantwortung trägt. Offensichtlich ist es für ihn ausgeschlossen, dass man mit diesen Angaben den Pfarrer und seine Opfer identifizieren könnte.

Und dieser Text steht immer noch im Internet, während «Blick» die entsprechenden Artikel weisungsgemäss weiter anonymisiert hatte. Im Original aus dem Hause Hollenstein sind sämtliche Ortsangaben übrigens voll ausgeschrieben; wir haben sie, ohne den Anspruch zu erheben, ein publizistischer Leiter zu sein, durch Buchstaben ersetzt.

Für ihn ist es ein Musterbeispiel, wie man sich an die «wichtigste Regel» hält, die Rücksichtnahme bei Sexualdelikten, in die Kinder verwickelt sind. Aber wahrscheinlich meint Hollenstein auch, dass er als Vorbild bezüglich Moral, Anstand und Einhaltung von Regeln im Journalismus taugt.

Auch ein negatives Vorbild kann nützlich sein

Dabei hat er allerdings nur dialektisch gesehen recht: Er ist ein Vorbild für das meiste, was man im Journalismus ja nicht machen sollte. Angefangen bei abgründiger Heuchelei. Über Thesenjournalismus, dem sich die Wirklichkeit unterzuordnen hat. Bei dem alles weggelassen wird, was nicht dazu passt. Bis hin zu Versagen im eigenen Beritt, aber vom hohen Ross mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger wackeln.

Unser Mitgefühl gilt den Journalisten, die bei CH Media arbeiten und es nicht wagen dürfen, dieses abschreckende Beispiel zu kritisieren. Das zudem mehrfacher Wiederholungstäter ist.

Neuer Monat, gleicher Depp

CH Media versucht sich in Krisenbewältigung. Dilettantisch, viel zu spät, viel zu wenig. Mit katastrophalen Folgen.

Man sollte meinen, einer der beiden Konzerne, der ungefähr die Hälfte aller Deutschschweizer Tageszeitungen als Kopfblätter herausgibt, sollte in eigener Sache genügend Könner und Kenntnisse auffahren können.

In der Zentralredaktion in Aarau stehen sich weiterhin zu viele Redaktoren auf den Füssen, die jeweiligen Lokalredaktionen der Kopfblätter werden krankgeschrumpft. Es ist eher selten, dass CH Media internationale Schlagzeilen macht oder sich der Aufmerksamkeit von über 100 Botschaftern und Leitern internationaler Organisationen in Genf erfreut.

Die reine Freude ist es allerdings nicht. Am 9. Februar veröffentlichte CH Media einen Artikel über die neue Chefin der Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz in Genf. Durch das Kopfblatt-System erschien der online und im Print, von der «Aargauer Zeitung» bis zum St. Galler «Tagblatt» über die gesamte Deutschschweiz verstreut.

Der launige Titel störte im ganzen Produktionsprozess keinen:

Das rauschte durch alle Kontrollinstanzen.

Einige Leser allerdings schon; auch normalerweise nicht vom Genderwahn befallene Konsumenten fragten sich, ob «Grossmutter» wirklich die passende Qualifikation für die erste schwarze Frau an der Spitze der WTO sei. Vor allem, weil die eine beeindruckende Ausbildung – unter anderem am MIT – und eine langjährige Karriere als Ministerin hinter sich hatte.

Eigentlich ist die Verantwortlichkeit klar geregelt

Hierarchisch sieht die Verantwortlichkeit dafür ganz einfach aus. Es gibt den Autor Jan Dirk Herbermann, den hier zuständigen Ausland-Chef Samuel Schumacher, darüber den Oberchefredaktor Patrik Müller und schliesslich den «publizistischen Leiter» Pascal Hollenstein.

Dazu muss man wissen, dass das gesamte Auslandressort im Wanner-Imperium aus haargenau zwei Redaktoren besteht. Was natürlich für einen Häuptling und einen Indianer reicht. Der Autor schickte seinen Artikel aus Genf nach Aarau. Wie es sich heutzutage gehört mit Titel. Der lautete: «Zum ersten Mal gelangt eine Afrikanerin an die Spitze der WTO». Denn Herbermann ist seit einigen Jahren für diverse Abnehmer Berichterstatter über internationale Organisationen in Genf und weiss, was er schreibt.

Das erschien den Blattmachern offensichtlich etwas zu schlapp; wahrscheinlich hatten sie zuvor zu viel «watson» angeglotzt. Also machten sie aus der Afrikanerin eine «Grossmutter». Da die gleiche Sauce überall erscheint, kann man davon ausgehen, dass der Blattmacher, der Ressortleiter, der Chefredaktor (bzw. wenn ferienabwesend sein Stellvertreter) und wohl auch der «publizistische Leiter» Inhalt und Titel zur Kenntnis nimmt.

In diesem Fall offensichtlich auch abnickt. Kleines Sahnehäubchen nebenbei: «Wir informierten den Autor des Artikels nicht über die neue Schlagzeile.» Der arme Herbermann dürfte sich kräftig geärgert haben, dass er bis zu diesem Eingeständnis 18 Tage nach Publikation kräftig für diese Schweinerei geprügelt wurde. Nun können Fehler überall und immer passieren, vor allem im Tagesjournalismus gibt es keine Perfektion.

Fehler passieren, aber wie geht man damit um?

Dann wird aber wichtig, wie man mit Fehlern umgeht. Als sich unter den Lesern ein kleiner Shitstorm zusammenbraute, quetschte Hollenstein gegenüber der Branchenplattform persoenlich.com ein «es tut uns Leid» raus und beschwichtigte, dass man den Titel online inzwischen korrigiert habe, sei keine Absicht gewesen.

Damit meinte CH Media offenbar, die Sache erledigt zu haben. Man liess den Leserbriefschreiber etwas fäusteln und rang sich zudem am 11. Februar ein «Unglücklicher Titel beim Porträt über WTO-Chefin» ab. Der sei «ungeschickt» gewählt worden, wofür «wir uns entschuldigen möchten». Gezeichnet war die knappe Mitteilung von «sas», also dem Auslandchef Samuel Schumacher. Aber weiterhin wurde nicht klargestellt, dass der Autor den Titel nicht zu verantworten hatte.

Fall erledigt, meinte man offenbar, Hollenstein und Müller duellierten sich über Für und Wider beim Burka-Verbot, man kommentierte, forderte, erteilte Betragensnoten und rückte dies und das zurecht, business as usual.

Wenn nochmals der Blitz einschlägt

Dann schlug aber nochmal der Blitz ein; angeführt von der österreichischen Uno-Botschafterin und letztjährigen Präsidentin des Uno-Menschenrechtsrats beschwerten sich 124 Botschafter und Leiter internationaler Organisationen über die «abwertende und herabsetzende» Beschreibung. Natürlich wurde dieses Schreiben auf Twitter veröffentlicht und dafür gesorgt, dass es die SDA in die Runde warf.

Neue Runde Arschtreten bei CH Media, wieder traf es den Auslandchef, der am 26. Februar, also über zwei Wochen nach Erscheinen des Artikels, mit einem «Communiqué»  erneut zu Kreuze kriechen musste. Auf Englisch, um das Internationale zu betonen. Nach den ersten verkniffenen, knappen und ungenügenden Erklärungen musste er nun richtig in die Harfe greifen:

Neuer Versuch, offensichtlich hatte der Autor kräftig interveniert.

Der Titel sei «unangemessen und ungeeignet» gewesen, «wir entschuldigen uns». Zudem wird klargestellt, dass der Autor einen anderen Titel vorgeschlagen hatte und nicht über diesen Ausrutscher informiert wurde.

Zu wenig, zu spät, nur scheibchenweise

Konsequent dem nachgelebt, was man in einer Krise auf keinen Fall machen sollte:

zu wenig, zu langsam, zu spät reagieren. Rumeiern. Die Verantwortung nach unten durchreichen.

Möglichst die Sache kleinhalten, reagieren statt agieren, nur unter Druck scheibchenweise einräumen, eingestehen, sich entschuldigen.

Aber der Fisch stinkt vom Kopf. So etwas – was denn sonst – müsste von einem publizistischen Leiter geregelt werden. Dafür steht er schliesslich direkt unter dem Verleger und oberhalb der Chefredaktion im Impressum. Insbesondere, wenn man wie Hollenstein so gerne Betragensnoten vom hohen moralischen Ross verteilt, mit dem Zeigefinger fuchtelnd – natürlich bei anderen – kritisiert, zensiert, falsch und richtig, gut und böse sauber unterscheidet. Schon alleine deswegen, weil ein publizistischer Leiter Vorbild sein sollte. Den anderen zeigen, wie man das macht. Vorbild ist Hollenstein allerdings. Aber dafür, wie man’s ganz sicher nicht machen sollte.

Hilfe, mein Papagei onaniert III

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Diesmal heben wir eine neue Kategorie aus der Taufe: Der Depp des Monats. Der erste Preisträger ist – Pascal Hollenstein. Die publizistische Leiter nach unten im Hause CH Media hat seinen Kampf für die Ehre von Jolanda Spiess-Hegglin zurzeit eingestellt. Auch sonst fällt ihm eigentlich nichts Bemerkenswertes ein. Ausser, Himmel hilf, er muss leider seinen Senf zur anstehenden Abstimmung abgeben.

Wir müssen’s, um Zweifel auszuschliessen, im Original zeigen:

Wir wollen auch Hollenstein nichts vorschreiben, aber …

Wem das etwas wirr vorkommt: Es ist wirr. Hollenstein bestreit hier etwas, was gar niemand behauptet oder fordert. Es ist schlichtweg eine Binsenweisheit, dass sich der Staat nicht in innere Glaubensangelegenheiten einzumischen hat. Richtig, verlangt keiner, Hollenstein zum Beispiel darf gerne und ungestraft glauben, dass er ein meinungsstarker Publizist sei.

Andere dürfen an die Bibel, den Koran, die Thora, die Schriften des Nostradamus und jeden anderen Quatsch glauben. Ist so, bleibt so, steht nicht zur Debatte, nicht zur Abstimmung. Was dann? Nun, da nimmt Hollenstein die ganz grosse Tröte hervor: «Rückfall ins Mittelalter», wenn’s passiert, wäre zu hoffen, dass es «ein einmaliger Betriebsunfall der Demokratie» sei. Den man aber besser gar nicht geschehen lasse:

Besser, er schriebe gar nicht.

Abgesehen davon, dass es um den Kampf gegen mittelalterliche Vorstellungen von der Frau als Objekt, Untertan, nur dem Ehemann verfügbares Stück Fleisch geht: Wenn sich – wie von Hollenstein befürchtet – die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger im Rahmen ihrer demokratischen Rechte für eine legal und korrekt zustande gekommene Initiative entscheiden sollte, dann wäre das «ein bedeutungsloser Betriebsunfall»? Etwas, das sich «besser gar nicht ereignen» sollte? Weil es nicht der Ansicht von Hollenstein entspräche? Was für ein Undemokrat, was für ein Dummschwätzer.

Der Depp des Monats. Wobei er für seinen Nachfolger die Latte ganz schön hoch legt.

Die strenge Trennung von Content und Werbung

Sie wird aller Orten immer strenger. Beim «Blick»:

Wobei man sagen muss: immer noch besser als solcher Content:

Bei CH Media pflegt man gerne die bunte Mischung, ob quer oder hoch:

Bei Tamedia:

Bei der NZZ:

Bei «blue news» die sich immer noch hinter «Bluewin news» verstecken:

Bei «watson»:

Diese bunte Mischung von «Totes Kind im Keller» über «Lustige Tierbilder» bis «Gut gegen Food Waste» kriegt nur das Kachelmagazin hin.

Aber auch «20Minuten» ist für abwechslungsreiche Zusammenstellungen:

 

Sicher, steht doch deutlich «Inserat» drüber, oder «präsentiert von» drunter, da kann sich niemand vertun.

 

 

 

Der leitende Zeusler

Brandstifter wäre ein zu grosses Wort für Pascal Hollenstein, die publizistische Leiter nach unten.

Weihnachtszeit, Besinnlichkeit, etwas Ruhe und Milde in diesem schrecklichen Jahr. Selbst ZACKBUM.ch fährt den Output ein wenig zurück. Ausserdem haben wir uns vorgenommen, lieber, verzeihender, verständiger, sanfter zu werden.

Aber man lässt uns nicht. Hollensteins Leiter geht tief, ganz tief hinunter. Wir halten uns die Nase zu und steigen hinterher. Hollenstein twittert; dort bezeichnet er sich stolz als «Leiter Publizistik bei CH Media». Vorsichtshalber schiebt er hinterher: «Hier halbprivat.» Was das sein soll, weiss wohl nur eine Leiter. Wahrscheinlich soll es sagen: Wenn ich Gegenwind kriege, wie ich so einen Stuss als Leiter herauslassen kann, sage ich einfach: das war ich, aber halbprivat.

Anknüpfen an welche Traditionen beim «Nebelspalter»?

Nicht halbprivat, sondern völlig öffentlich ist seine bösartige Unterstellung Richtung «Nebelspalter». Es hat ein Weilchen gedauert, bis er etwas gefunden hat, womit er auf das Projekt von Markus Somm einprügeln kann. Natürlich nicht auf seinem Mist gewachsen, aber er sorgt für die skandalöse Einrahmung.

Denn als @p_holle (auf so einen Schwachsinn muss man auch erst mal kommen) hebt er an: «Möglich, dass der „Nebelspalter“ mit neuer Mannschaft an derartige Traditionen anknüpft.» An welche denn? Nun, obwohl Hollenstein scheint’s Historiker ist, bezieht er sich auf einen Tweet des Landesmuseums Zürich: «Heute vor 140 Jahren nahm sich der damalige Bundesrat Fridolin Anderwert auf der «kleinen Schanze» in Bern das Leben. Dem Suizid des 52-jährigen Ostschweizers ging eine mediale Schlammschlacht voraus.»

Man muss es sehen, ums zu glauben.

Wollen Somm und Hummler Politiker in den Selbstmord treiben?

Bis 12.25 Uhr am 25. Dezember brauchte Hollenstein, um den Festtagsbraten zu verdauen und sich zu überlegen, wem er erhaltene Geschenke aufs Auge drücken könnte. Dann vielleicht ein leichter Lunch, und auf geht’s. Unterstellen wir doch mal Somm und seiner Mannschaft von honorablen Investoren, dass sie finster entschlossen sind, Politiker in den Selbstmord zu treiben.

Bevor der neue «Nebelspalter» auch nur einmal erschienen ist. Bevor auch nur im Ansatz öffentlich bekannt ist, was Somm eigentlich mit dem Traditionsblatt machen will. Aus Angst vor rechtlichen Verwicklungen mit einem «Möglich» abgedämpft, aber das Verb im Indikativ (was das ist, erklären wir der Leiter ein Andermal) verrät, dass es eine ernstgemeinte Unterstellung ist.

Der erste und einzige Bundesrat, der durch Suizid aus dem Leben schied. (Screenshot Blog Landesmuseum)

Nehmen wir mal an, obwohl das eine schreckliche Vorstellung ist, Hollenstein hätte den «Nebelspalter» gekauft. Es wäre zwar fraglich, ob diese Pfeife genügend Investoren finden würde, die gerne ihr Geld zum Fenster rausschmeissen. Aber item, Hollenstein verkündet stolz, dass er neuer Besitzer sei, durchaus an einige Veränderungen denke, sich aber freue, dieses weit in die Geschichte zurückreichende Satireblatt vor dem Vergessen gerettet zu haben.

Der preislose und niveaulose Hollenstein

Und sein Twitter-Klon würde denselben abgründigen Anwurf publizieren. Wenn das nicht unter seinem Niveau wäre, würde der «Nebelspalter»-Hollenstein sicherlich – und völlig zu Recht – fuchsteufelswild. Interessant ist auch, dass der reale Hollenstein zwar nicht auf ZACKBUM.ch oder auf mich replizieren will, obwohl ich mich angeblich schon lange, und ohne dass er einen Grund wüsste, an ihm «abarbeiten» würde. Das sei ihm «zu low», wie seine Kollegin Simone Meier wäffelte, als sie gefragt wurde, ob die Formulierung, dass im Dritten Reich Juden «gecancelt» wurden, nicht geschmacklos, peinlich und einer Entschuldigung wert sei.

Aber gut, Meier hat ja dafür den Preis als Kulturjournalistin des Jahres gewonnen, Hollenstein, schluchz, wurde noch nie gewürdigt. Es ist nun so, dass eine Beschäftigung mit ihm – obwohl wir abgehärtet sind – langsam wirklich unappetitlich wird.

Halbprivat und vollbescheuert

Glücklicherweise hat dieser halbprivate und vollbescheuerte Tweet nur ganz wenig Reaktionen ausgelöst. Natürlich darf dabei Jolanda Spiess-Hegglin nicht fehlen. Sie findet es «tragisch, dass sowas heute noch passiert». Muss uns entgangen sein, dass unlängst ein Bundesrat Selbstmord begangen hätte.

Man fragt sich zunehmend, wie lange Peter Wanner, der doch ein anständiger Mensch ist, dem noch zuschaut. Dem Treiben seines publizistischen Oberaufsehers, der immer wieder als negatives Beispiel auffällt: mit grundloser Anschwärzung, mit dummem Gewäsch eines überbezahlten Sesselhockers, der keinerlei unternehmerische, publizistische oder sonstigen Risiken trägt, sich dafür gerne lächerlich macht.

So, nun nichts wie nach oben an die frische Luft, heraus aus der Kloake des journalistischen Untergrunds.

Drei Meldungen, eine Geschichte

Peter Wanner schreibt einen Brief, Jean-Martin Büttner muss gehen. SRF baut ab und um.

Er ist wohl das, was man ein Urgestein nennt. Noch länger als Rainer Stadler bei der NZZ harrte Jean-Martin Büttner beim Tagi, bei T, bei TX, bei Tamedia aus. 37 Jahre verbrachte er dort, sein ganzes Berufsleben.

Er ist Jahrgang 1959, fing 1983, nach Abschluss seines Studiums, beim Tagi an. Das heisst, dass er ein paar Jahre zu früh gefeuert wurde, um problemlos ins Rentnerdasein zu rutschen. Aber solche Kleinigkeiten spielen heutzutage keine Rolle mehr.

Wanner hat einen Brief mit Beilage geschrieben

Wie persoenlich.com exklusiv vermeldet, hat Hausherr Wanner allen Journalisten bei CH Media einen Brief geschrieben. Weihnachtsgrüsse, schwierige Bedingungen, «schätzen Ihren Einsatz sehr», Blabla.

Da dem Schreiben kein Zehnernötli beilag, obwohl sich ja auch dieser Verlag das traditionelle Weihnachtsessen sparen kann (der Zunft geschuldet mehr ein Weihnachtstrinken; welche fabulöse Alkoholrechnungen enthemmte Journalisten verursachen können, sagenhaft), schauten sich die Betroffenen eine Beilage genauer an.

«Leitlinien für den Lokaljournalismus», so der Titel des E-Mail-Anhangs. Interessant. Wird hier erklärt, wieso die Leitlinie daraus besteht, Aussenstationen zuzuklappen, Lokaljournalisten rauszuschmeissen oder zu Regional-, wenn nicht Kantonaljournalisten zu machen?

Leitlinien im luftleeren Fantasieraum

Das ist zwar die bittere Realität, aber davon will sich ein publizistischer Ausschuss doch nicht seine Illusionen nehmen lassen. Der Lokaljournalist müsse «den Stallgeruch spüren», vor allem «nahe dran bleiben», nicht zuletzt: «Man muss ihn mögen, damit er an Informationen herankommt.» So stellt sich das ein Club von überwiegend älteren Herren vor, die noch nie oder seit Jahrzehnten nicht mehr so etwas wie Lokaljournalismus gemacht haben.

Schliesslich sitzt der «Kommunikationsberater» Peter Hartmeier* dem «Publizistischen Ausschuss» von CH Media vor, unterstützt von Koryphäen wie Esther Girsberger oder Peter Wanner himself. Natürlich darf auch die publizistische Leiter nach unten nicht fehlen, Pascal Hollenstein.

Man ahnt es, da kann ja nichts Gutes herauskommen. Nachdem man das den älteren Herren erklärt hat, sind sie nun überzeugt: «Mobile first». Irgendwie. Denn dank des Internets wisse man jetzt, «welche Titel und Artikel besonders gut klicken.» Da hat’s auch beim publizistischen Ausschuss (nomen est omen) spät, aber immerhin klick gemacht. Denn wenn man schon beim digitalen «Change» ganz vorne dabei ist, weiss man auch: «Der moderne Journalist ist ein Video-Journalist.» Denn auch das klickt ungemein.

Neuigkeiten von der Fernbedienung

Wunderbar, man hat sich sagen lassen, dass man nicht mehr nur mit der Fernbedienung, sondern auch mit – wie heisst das Zeugs schon wieder – Streamen bewegte Bilder anschauen kann. Multichannel, you know, Text ist so was von gestern, heute ist Bild und Ton und Text und Illu und Link, und Blog, und Social Media, und, und, und.

Wie macht das der moderne Journalist? Na, piece of cake, wie da der Digital Native sagt: «Mit Video‐ und Audio‐Schnipseln und Fotos bastelt der Journalist eine multimediale Story.» Manchmal gelingen selbst Pfeifen Sätze, die jeden weiteren Kommentar erübrigen. Ausser, dass noch nicht klar ist, ob das der Video-Journalist mit eigenen Mitteln und Selbststudium basteln soll oder nicht.

Bei SRF gibt es keine Bastelstunde

Entschieden weiter mit Video- und Audioschnipseln und überhaupt im Netz ist SRF. Als die Direktorin Nathalie Wappler im Livestream (nimm das, publizistischer Ausschuss) ihre Untergebenen darüber informierte, dass es ihr wirklich ernst ist mit dem digitalen Umbau, meinte man gigabyte-mässig immer noch Unglauben und «lassen uns doch nicht die Festtage völlig versauen» zu spüren.

Denn Wappler kündigte konkret an, dass im Januar die ersten 66 Vollstellen gekündigt werden. Sozialplan vorhanden. Insgesamt verabschiedet sich SRF in den nächsten zwei Jahren von 211 Stellenbesitzern. Das ist bei rund 3000 Angestellten nicht mal 10 Prozent, aber dennoch ist das üppig bezahlte Personal erschüttert, gerüttelt, gerührt und angefasst.

Gleichzeitig aber werden in einem ersten Akt 89 neue Stellen geschaffen. Was bedeutet, dass offenbar viele des Bastelns von Videos und Audios mächtige Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ins Modern-Digitale umzusteigen. Eine Zeitenwende wie damals, als man den letzten Printjournalisten ihre Schreibmaschine wegnehmen musste und sie darauf aufmerksam machen, dass faxen nicht mehr die beste Übertragungsmethode ist.

Drei Meldungen, drei Erkenntnisse, eine Frage

Was sagen uns diese drei Ereignisse? Sie verschaffen drei Erkenntnisse. Texte von Büttner wären garantiert nicht besser geworden, wenn er sie mit Video- und Audioschnipseln verunstaltet hätte. Schlichtweg schon deshalb, weil ein guter Schreiber kaum auch ein guter Fotograf, Radio-Reporter oder gar VJ ist.

Was CH Media hier als Blick in die Zukunft vergeigt, ist das typische Resultat eines abgehobenen Altherrenvereins, der selbst vom Millionengrab watson.ch nicht gelernt hat, dass Internet nicht einfach Flimmern statt Drucken bedeutet. Und dass ein Lokaljournalist mit Kamera normalerweise schlechter ist als ohne. Insofern es ihn überhaupt noch gibt.

SRF hingegen, gebadet in genügend Zwangsabgaben, kann es sich leisten, bei der digitalen Transformation Nägel mit Köpfen zu machen. Zuerst ein wohlüberlegter Plan, dann die Strategie zur Umsetzung, dann die personellen Konsequenzen. Muss auch nicht unbedingt funktionieren. Aber im Vergleich zu Tamedia oder CH Media liegen Welten dazwischen.

Zwei Grosskonzerne ohne Konzept, ausser nach Staatshilfe zu krähen. Und ein mehr oder minder Staats-TV, dass verblüffenderweise nicht der Letzte im Umzug ist, wenn es um Paradigmenwechsel geht, sondern den Umzug anführt. Wie absurd ist das denn?

 

*Da sieht man, wie schnell ich abschalte, wenn sein Name erscheint. So heisst er richtig, nicht Hartmann. Schon wieder. Ich schreibe hundert Mal an die Wandtafel: Ich muss meinen Namens-Check verbessern. Aber immerhin, Dürrenmatt habe ich im ersten Anlauf richtig geschrieben.

 

Pulverschnee, Skisaison, Krach, die Rettung

Erschreckt stellen die Medien fest: Corona ist ausgelutscht. Aber es gibt doch Neues.

Fallzahlen hoch, Fallzahlen runter, Entwarnung oder neuerliche Warnung. Disziplinierte Bevölkerung, undisziplinierte Bevölkerung.  Tests, Tote, Trara. In vielen Schrumpfredaktionen stellt man beunruhigt fest, dass diese Themen langsam, aber sicher einen verstärkten Gähn-, Überblätter- und Wegklickreflex auslösen.

Aber was einem Komponisten recht ist, kann doch einer Redaktion nur billig sein: Variationen über ein Thema. Denn glücklicherweise hat’s geschneit. Recht früh im Jahr, aber lassen wir einmal das Thema Klimawandel beiseite. Denn Schnee heisst: die Skisaison ist eröffnet.

Das könnte nun natürlich Anlass zu Jauchzern und Jubelschreien sein. Wenn nicht Corona wäre. Und so meint man, das Aufatmen in den Redaktionen zu hören. Das war knapp, aber nun kann’s fröhlich weitergehen. «Ski-Zoff mit Frankreich: Macron will Schweiz-Rückkehrer auf Corona testen», empört sich der «Blick». Aber nicht nur vom Ausland naht die Gefahr: «Kritik an Bersets Ski-Konzept: Aufstand der Skigebiete».

Kein Thema zu klein, Beispiel für Tipps zu sein

Es ist zu befürchten, dass sich diese Probleme nicht mit einer Schneeballschlacht lösen lassen. Geradezu aus dem Stehsatz von alle Jahre wieder ergänzt «Blick» noch den Blick auf die Kampfzone Schnee: «Wenn uns der Winter eiskalt erwischt». Mit 10 Tipps wildert das Blatt in der Kernkompetenz von watson.ch.

Aber das lässt watson.ch natürlich kalt: «Bald wird’s rutschig. Pass auf, dass es dir nicht gleich ergeht wie diesen 17 Leuten». Dann die übliche Aufreihung von 17 gewaltskomischen Kurzvideos, bei denen man den Betrachter zusätzlich noch kitzeln müsste, um ihn zum Lachen zu zwingen.

Aber verlassen wir dieses Fass ohne Boden schnell wieder und schauen hinauf zum «Tages-Anzeiger». Der widmet sich endlich mal dem Lokalen und berichtet: «Zürcher Skigebiete hoffen auf Corona-Effekt». Diese Schlingel, statt Mitgefühl mit den Betroffenen zu heucheln. Aber auch der Tagi stellt kritische Fragen: «Wird die Gondelbahn zur Virenschleuder»? Sowohl Hoffnungen wie Bedenken sind hinter der Bezahlschranke verstaut.

Immer wieder die gleichen Leserbindungen

Die kennt «20Minuten» nicht, also ruft es seine Leser zur «Foto-Challenge»: «Wie hast du den ersten Schnee erlebt?» Auch hier wird mit allen Mitteln versucht, Schnee und Corona zu verknüpfen: «St. Gallen verbietet Skilager bis Frühling 2021». Zur Beruhigung: die drei meistkommentierten Beiträge haben alle das gleiche Thema. Nein, nicht die Pläne zur Rettung der AHV.

Und was tut die NZZ? Natürlich, sie kümmert sich um die Verbindung von Geld, Geist und Gesundheit. Eine einsame, traurige Rose im Halbschatten leitet den Bericht ein: «Das Paracelsus-Spital muss schliessen, weitere Zürcher Kliniken stecken in schweren Turbulenzen – und das mitten in der Corona-Krise. Was ist da los?»

Nun, das könnte vielleicht daran liegen, dass die Spitäler diverse Male Notfall-Betten bereithalten und aufstocken mussten, Operationen verschieben und damit Millionenverluste einfuhren. Obwohl niemand auf der Welt im Vergleich zum BIP so viel Geld fürs Gesundheitssystem ausgibt wie die Schweiz.

Die publizistische Leiter nach unten

Fehlt noch CH Media. Da schwimmt man im Mainstream: «Macron gegen die Schweiz: Der Skistreit mit Frankreich spitzt sich zu.» Das kommt halt davon, wenn man nicht in der EU ist, die EU aber der festen Überzeugung, dass sich die Schweiz doch gefälligst so wie die EU-Staaten verhalten soll und die Wintersaison abblasen.

Allerdings ist CH Media immer wieder zu Tiefstleistungen fähig. Dafür muss man nur das Wirken des publizistischen Leiters Pascal Hollenstein verfolgen. Er ist immer zur Stelle, wenn es gilt, ein abschreckendes Vorbild zu sein. Zurzeit hat er als Lautsprecher für Jolanda Spiess-Hegglin gerade Pause, die nützt er unter anderem zu einem launigen Kommentar im St. Galler «Tagblatt». Eine Glosse unter dem Titel «Das Leben als Zürcher». Natürlich, die halten sich für den Nabel der Welt, wenn bei denen ein Zürisack umfällt, muss das sofort die ganze Schweiz, ja die Welt wissen.

So weit, so gähn. Aber Hollenstein will ja weitere Beispiele anführen. Und fällt dabei leider auf die Schnauze, Glättegefahr. Nur dadurch, dass der Zürcher noch nie etwas davon gehört habe, dass es Jahreszeiten gebe, sei zu erklären, «dass beim minimsten Schneefall der öffentliche Verkehr an den steilen Flanken des Üetlibergs umgehend zum Erliegen kommt.»

Was kann die redaktionelle Leiter eigentlich?

Auch auf die Gefahr hin, von der Ostschweizer Dumpfbacke als arroganter Zürcher wahrgenommen zu werden: Im Gegensatz zum Zürichberg, den er wohl meint, gibt es auf den «Üetliberg» haargenau eine S-Bahn als öffentliches Transportmittel. Es könnte natürlich auch sein, dass er irgendeinen «Üetliberg» meint, und nicht den Zürcher Uetliberg. Man muss also festhalten: Glosse kann er auch nicht. Was kann der «redaktionelle Leiter» eigentlich?

 

 

Die Sache mit den Sperrfristen

Prozesse sollten klaren Regeln folgen. Theoretisch.

Vorbei die Zeiten, als staatliche Untersuchungsorgane still und leise ihrer Arbeit nachgingen. Als Staatsanwälte ihre Anklageschriften nur bei nachweislich grossem öffentlichen Interesse mit einer Pressemitteilung ergänzten.

Oder Verfahrensparteien sich an gerichtlich festgelegte Sperrfristen für die Bekanntgabe eines Urteils hielten. Inzwischen haben alle Beteiligten an rechtlichen Auseinandersetzungen gelernt, dass Recht und Gericht eine Sache sind, der öffentliche Teil eines Prozesses die andere, nicht unwichtige.

Niemand will einem Richter unterstellen, dass er sich von der öffentlichen Meinung, von einer medialen Vorverurteilung beeinflussen liesse. Niemand kann ausschliessen, dass das nicht doch ab und an eine Rolle spielt.

Angefütterte Journalisten

Damit die Öffentlichkeit etwas erfährt, braucht es einen Multiplikator, normalerweise ein Journalist. Der lässt sich von einer Partei anfüttern und schluckt willig, weil er das als Ergebnis seiner überlegenen Recherchierkünste und als Primeur verkaufen kann.

Der redaktionelle Leiter von CH Media ist so ein Fall. Eigentlich hat Pascal Hollenstein einen Zweitjob als Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin gefunden. Er bekommt Vorabinformationen zugesteckt, weil er dann in ihrem Sinn versucht, die Meinung der Öffentlichkeit zu steuern.

Um genau das zu vermeiden, setzen Justizorgane Sperrfristen bei ihren Verlautbarungen. Damit alle Medien sozusagen gleichlange Spiesse haben in ihrer Berichterstattung. Aber leider sind solche Sperrfristen nicht mit Sanktionen bewehrt. Es ist zwar unanständig, unfein und unprofessionell, sie zu brechen, aber: so what?

So gelang es, die krachende und völlige Niederlage von Spiess-Hegglin vor dem Obergericht Zug in einen Sieg umzulügen, ein Meisterstück von Fake News.

Neuer Tiefpunkt der Unkultur

Noch verwerflicher ist es, wenn Untersuchungsbehörden immer wieder häppchenweise die Medien mit strikt vertraulichen internen Unterlagen und Dokumenten versorgen. Auch das greift leider immer mehr um sich.

Einen Tiefpunkt hat diese Unkultur im Fall Vincenz erreicht. Nachdem sich hier der ermittelnde Staatsanwalt mit Getöse, drakonischer U-Haft und grossmäuligen Ankündigungen selber unter Zugszwang gesetzt hatte, musste er nach der endlich erfolgten Haftentlassung der beiden Hauptbeschuldigten Gründe finden, wieso seine eigentlich schon als fast abgeschlossen bezeichnete Untersuchung sich in die Länge zog und zog und zog.

Zum einen wurden die Medien, in erster Linie Arthur Rutishauser von Tamedia, immer wieder mit Informationen aus «mit dem Fall befassten Quellen» angefüttert, dass die Anklageerhebung nun wirklich demnächst bevorstünde. Noch diesen Herbst, spätestens nächsten Frühling. Oder doch im kommenden Herbst.

Sperrfrist, na und?

Nach Wiederholungen bis zur Lächerlichkeit wurden zum anderen neue Begründungen gestreut. Es seien neue Straftatbestände aufgetaucht. Die Angeschuldigten verzögerten mit unstatthaften Anträgen die Untersuchung. Und immer wieder durfte ein «Recherchierjournalist» ein besonders abstossendes Dokument «finden». Eine Spesenabrechnung, nur mit einem Betrag und einer Unterschrift. Informationen über strikt vertrauliche Geschäftsbeziehungen, sogar über Kontobewegungen.

All das muss aus dem Kochtopf der Untersuchungsbehörde stammen, denn die Angeschuldigten haben sicherlich kein Interesse, das an die Medien durchzustechen. In letzter Not wurde dann noch erfunden, dass nun Verhandlungen über ein abgekürztes Verfahren mit Schuldeingeständnis und niedrigerer Strafe stattfänden.

Und als dann nach jahrelangem Bebrüten und Gegacker die Staatsanwaltschaft endlich zu Potte kam und die Anklageschrift einreichte, setzte sie natürlich genügend öffentliches Interesse voraus, um diese Tat mit einer Pressemitteilung zu veredeln. Selbstverständlich mit Sperrfrist.

Die Medien schlagen zu, bevor die Betroffenen informiert sind

Denn die Idee ist hier, dass es vielleicht nicht so toll wäre, wenn die Beschuldigten davon zuerst aus den Medien erfahren, bevor sie selbst die Anklage in den Händen halten. Diese Sperrfrist war auf vergangenen Dienstag, 11.30 Uhr, festgelegt. In roten Buchstaben, gelb unterlegt.

Am Montagnachmittag veröffentlichte der Finanzblog «Inside Paradeplatz» als Erster die Meldung über die Einreichung und über die neu aufgetauchten Straftatbestände, die angeklagt würden. Kurze Zeit später zog Arthur Rutishauser nach, er wollte wenigstens als Zweiter ins Ziel einlaufen, natürlich weit vor der Sperrfrist.

Danach war dann kein Halten mehr; es dürfte kein einziges Medium geben, dass wirklich bis 11.30 Uhr am Dienstag gewartet hat. Aber das war noch nicht alles. Nachdem die News der Anklageerhebung und der neuen Anschuldigungen verraucht war, musste nachgeladen werden.

Natürlich gilt immer die Unschuldsvermutung

Natürlich mit etwas, das nicht in der Pressemitteilung stand. Sonst wäre es ja kein Primeur. Den angelte sich dann der «Blick» und veröffentlichte als Erster das geforderte Strafmass von drakonischen sechs Jahren. Wobei natürlich alle sich seriös gebenden Medien nie vergessen, auf ein wichtiges Prinzip der Strafgerichtsbarkeit hinzuweisen: es gilt die Unschuldsvermutung.

Nach der Devise: Du bist ein ganz schlimmer Finger, aber die Staatsanwaltschaft ist Dir auf die Schliche gekommen. Für Deine Untaten wirst Du im Gefängnis schmoren, so schrecklich sind die. Aber es gilt die Unschuldsvermutung.

Mit dieser Verluderung der journalistischen Sitten zeigen die Medien einmal mehr, dass ihre gravierenden Probleme nicht nur auf äussere Faktoren zurückzuführen sind. Sondern auch auf einen rasanten und selbstverschuldeten Vertrauensverlust. Das ist im Journalismus ein wirklich tödliches Virus, das kein Organ lange überlebt.