Transparente «Republik»
Es wird peinlich. Es wird schmutzig. Was für ein Versagen.
Die gute Nachricht: es ist kein Bettel-NL der «Republik». Die schlechte: «Gegen eine bei der Republik angestellte Person wurden von mehreren Personen anonym Vorwürfe der sexuellen Belästigung erhoben.»
Bis hierher ist es inzwischen im heutigen Redaktionszirkus Business as usual. 78 Tamedia-Frauen erhoben Vorwürfe und zählten über 60 Beispiele von Übergriffigkeiten und Diskriminierung auf. Blöd nur: alle anonymisiert, ohne genauere Zeit- oder Ortsangaben. Resultat: kein einziger dieser Vorwürfe konnte erhärtet werden. Aber die beiden Rädelsführerinnen des Protestschreibens holten sich ihre fünf Minuten Ruhm ab und schafften es sogar in «10 vor 10».
Der ehemalige Chefredaktor des «Magazin» wurde von einer rachsüchtigen, gefeuerten Mitarbeiterin öffentlich im «Spiegel» hingerichtet. Kein einziger ihrer Vorwürfe (ausser den berühmten Hakenkreuzchen) konnte bislang erhärtet werden.
Der Chefredaktor der deutschen «Bild». Der Sänger von Rammstein. Der Schauspieler Kevin Spacey. Der Oberchefredaktor der «Blick»-Familie. Der altgediente Ringier-Chefredaktor Werner de Schepper. Wer in die Nähe des Wortpaars «sexuelle Belästigung» kommt, sollte am besten auswandern.
Das soll nicht heissen, dass es keine sexuellen Belästigungen und Übergriffe gibt. Aber es gibt Trittbrettfahrerinnen wie Patrizia Laeri, der es nach über 20 Jahren einfällt, dass es einmal einen Kussversuch in Amtsräumen von SRF gegeben haben soll. Liess sich nach so langer Zeit nicht erhärten, nur: ihre Angaben waren so widersprüchlich, dass ihr Vorwurf abgetischt wurde. Nur: der angeblich Beteiligte verlor trotzdem seinen Job.
Nun also die «Republik», das Organ der guten Denkungsart, der sensiblen Verteidiger der Frauenrechte, der Feind von Sexismus, Machotum und männlicher Übergriffigkeit. Sie bekämpft den Faschismus, indem sie ihn mit ellenlangen Geseire von Constantin Seibt zum Selbstmord treiben will. Sie kümmert sich um Sprayer, die von Kampfhunden an ihrem Tun gehindert werden. Sie beklagt die Wohnungsnot, die Profitgier, und überhaupt alles, was nicht gut ist auf dieser Welt, und das ist eine ganze Menge.
Nun hat sie aber ein kitzliges Problem. Denn dass anonym Vorwürfe erhoben werden, ist inzwischen normal. Dass die untersucht werden müssen, auch. Aber es wäre ja nicht die «Republik», wenn’s hier nicht etwas anders wäre. Denn die Vorwürfe, es gibt nichts Klatschsüchtigeres als Journalisten, kursieren schon lange. Nun wurden sie offenbar offizialisiert. Aber: es gäbe da eine «Klausel», die es dem Organ der anständigen Lebensart verboten hätte, intern oder extern was zu machen. Die beschuldigte Person habe nicht konfrontiert werden können, überhaupt sei die Abklärung ganz schwierig.
Absurd, aber eben «Republik». Dann aber habe es eine Medienanfrage gegeben (nicht von ZACKBUM), das habe die Situation geändert: «Wir haben nun mit der beschuldigten Person geredet. Und sind überein gekommen, sie per sofort und für die Dauer einer Untersuchung der Vorwürfe freizustellen.»
Natürlich: «Wir nehmen derartige Fälle sehr ernst.» So ernst, dass man zuerst monatelang zuschaut, und dann kann man nix machen. Das ist nicht ernst, das ist lachhaft.
ZACKBUM hat die «Republik» angefragt, ob sie bestätigen könne, dass es sich bei der freigestellten Person um die handelt, deren Namen bereits die Spatzen von den Dächern pfeifen und deren Verhaltensauffälligkeit in dieser Beziehung innerhalb und ausserhalb der «Republik» schon lange bekannt ist.
Wir baten die «Republik» darum, diesmal nicht «zu gegebener Zeit» zu antworten, sondern in journalistisch sinnvoller Zeitspanne. Aber auch hier zeigt sich wieder einmal: Transparenz – das ist für die «Republik» nur ein Feigenblatt für Intransparenz. Aber immerhin, sie antwortete rasant. Der erste Teil ist Stehsatz:
«Aus Persönlichkeitsschutz machen wir momentan keine Aussagen zur Identität der beschuldigten Person. Es gilt die Unschuldsvermutung.»
Dann wird es etwas unübersichtlich:
«Nachdem wir über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt wurden, nahmen wir sofort den Dialog mit der Mittelsperson auf und begannen die Abklärungen, wie wir in diesem Fall auch im Sinne der Personen, die die Vorwürfe erhoben, vorgehen konnten. Es passierte also keineswegs monatelang nichts. Weswegen wir die beschuldigte Person nicht sofort nach Erhalt der Vorwürfe konfrontierten, schrieben wir ja bereits im Newsletter: Aufgrund der “see only”-Klausel war uns untersagt, alle Personen der Anlaufstellen zu informieren resp. intern oder extern über diese anonymen Vorwürfe zu reden. Diese Situation zusammen mit der Tatsache, dass eine beschuldigte Person die Möglichkeit haben muss, zu konkreten Vorwürfen in einem inhaltlichen und zeitlichen Kontext Stellung zu nehmen, machte eine Konfrontation der beschuldigten Person sehr schwierig. Nachdem sowohl die beschuldigte Person als auch wir eine Medienanfrage mit konkreten Fragen erhielten, konnten wir uns mit der beschuldigten Person zu den Vorwürfen in dieser Anfrage austauschen.»
Gut, man muss nicht alles verstehen, was die «Republik» so schreibt. Aber soweit das ZACKBUM versteht, dürfen also die internen Stellen bei der «Republik» solche Vorwürfe nur zur Kenntnis nehmen («see only»), aber sonst eigentlich nix machen. Aber wenn dann jemand von aussen kommt und fragt, ob es denn stimme, dass ein «Republik»-Journalist der Übergriffigkeit bezichtigt würde, darf plötzlich gehandelt, konfrontiert und freigestellt werden.
Ist denn diese Freistellung nicht bereits eine Vorverurteilung, so wie im Fall Dorer/«Blick»? Aber nein, sagt die «Republik», «die Freistellung erfolgt zum Schutz aller Beteiligten, auch der beschuldigten Person, während der Untersuchung der Situation». Der Vergleich wäre zu billig, das mit dem Begriff «Schutzhaft» zu vergleichen. Aber Freistellung als Schutz für den Beschuldigten? Damit er nicht weiter übergriffig werden kann? Come on.
Man fragt sich natürlich, was passiert wäre, hätte es diese «Medienanfrage» nicht gegeben. Und warum nennt die «Republik» nicht einfach den Namen des Reporters, den sowieso jeder kennt? Natürlich erhielt er auch hier die Gelegenheit zur Stellungnahme. Natürlich nahm er sie nicht wahr.
Recht forsch geht geht srf.ch die Sache an. Sie nennt (fast) Ross und Reiter (ähm, falsches Bild): ««Republik» stellt Journalisten frei – WOZ leitet Untersuchung ein». Ausser dem Namen ist hier eigentlich alles drin: «Er ist ein gefeierter Reporter. Einer, der sich mit den Mächtigen anlegt. Kritische Porträts schreibt, unbequeme Recherchen veröffentlicht. Er hat viele renommierte Preise gewonnen und schreibt für bekannte Publikationen.»
Ganze sechs Frauen hat srf.ch aufgetan, die Beschuldigungen äussern. Nur: alle wollen anonym bleiben, Anzeigen wurden nicht eingereicht. Immerhin ergreift der Beschuldigte hier, via Anwalt, die Gelegenheit zur Stellungnahme: «Ich habe erstmals durch SRF von gegen mich erhobenen Vorwürfen erfahren. Diese liegen zum Teil offenbar sehr lange zurück. Es wurde gegen mich deswegen nie ein Strafverfahren geführt. … Den Vorwurf eines massiven sexuellen Übergriffs weise ich jedoch vehement zurück.»
Er sagt, sie sagen, er bestreitet, sie bleiben anonym, es gibt keine Anzeige. Schwierige Ausgangslage, nur eines ist klar: der Beschuldigte sollte sich besser einen neuen Beruf suchen.
Die soziale Ächtung, die berufliche Vernichtung, die Stigmatisierung des «war da nicht mal was?», die ist nicht reparabel. Wer Ziel anonymer Anschuldigungen wird, ist immer Opfer. Unabhängig davon, ob er Täter war oder nicht. Die anonymen und auch nicht-anonymen Denunzianten hingegen gehen (fast) immer straffrei aus. Sie haben das halt so erinnert, empfunden, wahrgenommen. Und es sei ja ein bekanntes Phänomen, dass dann Männerbünde zusammenhielten und die Frau unglaubwürdig oder gar lächerlich machen wollten. Dabei besorgt sie das allzu häufig selbst.
Was – abgesehen von den unschuldigen Opfern der Denunziation – ein Hohn für all die Frauen (und auch Männer), ist, die tatsächlich Opfer eines echten, nicht erfundenen sexuellen Übergriffs wurden. Und die gibt es leider auch nicht zu selten.