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Das ist der Fakt

Unumstössliche Tatsache ist die Definition. Nur: was ist das?

Seit Mönch Ockham (um 1288 bis 1347) im finsteren Mittelalter die Hammererkenntnis hatte, dass das Bezeichnete und das Bezeichnende nicht das Gleiche ist, hat sich unser Verhältnis zur Realität etwas verkompliziert.

Nicht nur wurde damit die absolute Lufthoheit der Bibel erledigt (weswegen Ockham dann, wie man heute sagen würde, sehr low profile weiterschrieb, was seiner Gesundheit durchaus zuträglich war), sondern banale «ist doch so»-Feststellungen waren nicht mehr möglich.

Wilhelm von Ockham, wie er vielleicht aussah.

Umberto Eco baute darauf einen Weltbestseller: Der Name der Rose bleibt Rose immerdar, die Blüte selbst verwelkt. Im Zeitalter der neuen Unübersichtlichkeit, von Fake News und alternativen Wahrheiten und Rechthabern, die ständig falsch oder richtig mit böse oder gut verwechseln, ist eine neue Gattung entstanden.

Vom Dokumentalisten zum Faktenchecker

Trara, der «Faktenchecker». Früher hiess der Dokumentalist, und jedes Qualitätsorgan beschäftigte ihn. Seine Aufgabe war es, den schreibenden Journalisten zum Wahnsinn zu treiben. Ist Bern wirklich die Bundesstadt der Schweiz? Heisst die Firma, der Mensch tatsächlich so, und bitte Belege dafür? Bezieht sich die Angabe auf das amtliche Endergebnis der Wahlen, und wo findet sich das? Wenn das eine AG ist, steht das auch so im Handelsregister? Gibt es eine Landesgrenze zwischen Bolivien und Argentinien?

Mit solchen Fragen nervte der Dokumentalist ungemein, trug aber ebenfalls ungemein zur Qualität von Publiziertem bei. Fehlerfreie Rechtschreibung, faktische Korrektheit, das bot eine akzeptable Basis für glaubhafte Beurteilungen, Einordnungen, Analysen.

Längst vorbei, nur noch ganz wenige deutschsprachige Erzeugnisse leisten sich diesen Luxus. Und wie der «Spiegel» mit der grössten deutschen Dokumentarabteilung schmerzlich erfahren musste, schützt das dennoch nicht vor einem Fälscher wie Relotius, wenn der nur gewünschte Narrative bedient.

«Der Spiegel»: Sagen vielleicht, schreiben nicht.

Aber neu gibt es dafür den sogenannten Faktenchecker. Seine Tätigkeit hat es bereits in Wikipedia geschafft. Das Online-Lexikon ist selbst ein Beispiel für eine moderne Art von Faktencheck. Schwarmintelligenz heisst das Vorgehen. Schreibt einer was Falsches rein, wird das von anderen korrigiert. Ergibt sich daraus ein Battle, greifen Administratoren mit weitergehenden Befugnissen ein. Funktioniert im Allgemeinen ziemlich gut.

Angelsächsische Medien leisten sich weiterhin vielköpfige Dokumentar-Abteilungen und haben aus der «Korrektur» ein eigentliches Ressort gemacht, wo meist schonungslos eigene Fehler richtiggestellt werden.

In der Schweiz herrscht trüber Nebel beim Faktenchecken

Trüber sieht es in der deutschsprachigen Publizistik aus. Wie der vorangehende Artikel exemplifiziert, disqualifiziert sich in der Schweiz der Oberfaktenchecker des grössten Medienkonzerns selber. Denn er will nicht Fakten checken, sondern Rechthaberei im Gesinnungsjournalismus betreiben. Tödliche Mischung.

Die öffentlich-rechtlichen Medien, wie das in Deutschland heisst, verfügen über genügend Finanzen, um sich wie die «Tagesschau» eine Abteilung «Faktenfinder» zu halten. Auch einige Talkshows sind dazu übergegangen, Behauptungen ihrer Gäste im Nachhinein zu überprüfen, weil das in der Hitze des Wortgefechts oft nicht möglich ist. Darum bemüht sich auch die SRG, Tamedia beschäftigt auch ein paar Hanseln zu diesem Thema.

Dann gibt es unabhängige Plattformen wie bspw. «correctiv.de». Faktencheck ist allerdings keine Wissenschaft, Methodik, Validität, saubere Trennung von Fakt, Interpretation, Färbung, Auswahl, verbale Gewichtung usw. lässt sich niemals objektivieren.

Selbst die Aussage von unbestreitbaren statistischen Tatsachen wie «über 70 Prozent aller Betroffenen vom Strafvollzug sind in der Schweiz Ausländer, während es in Europa nur 16 Prozent sind» lässt Interpretationsspielraum, Platz für verschiedenartige Begründungen und Schlussfolgerungen.

Der Bereich des fraglos Faktischen ist nicht sehr gross

Aber Zahlenangaben im Speziellen oder die korrekte Wiedergabe von Aussagen lassen sich tatsächlich objektiv überprüfen. Behauptet jemand, in der Schweiz würde 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsschwelle leben, liesse sich das kinderleicht widerlegen.

Schwieriger wird es schon bei der Behauptung, die Reichen würden in der Schweiz zu wenig Steuern zahlen. Hier beginnt das Problem mit Definitionsfragen, was ist «reich», was heisst «zu wenig». Hört damit aber nicht auf, da bspw. die einkommensstärksten 5 Prozent in der Schweiz ein Viertel aller steuerbaren Einkommen bei der Bundessteuer deklarieren und für über zwei Drittel des Steueraufkommens zuständig sind.

Immer ein ungeliebter Hinweis bei der ewigen Umverteilungsdebatte oder dem Ansatz, dass die da oben doch denen dort unten viel mehr unter die Arme greifen müssten.

Faktencheck, das hört sich nur oberflächlich nach Ordnung, Aufklärung, Korrektur an.

Nach sachlicher Richtigstellung, Hinweis auf unbestreitbare Tatsachen. Eben als Korrektiv zu Fake News, alternative Wahrheiten oder reiner Demagogie. Denn so wenig wie es eine reine Wissenschaft gibt (ohne gesellschaftliche Implikationen), so wenig gibt es objektives und unbestreitbares Faktenchecken.

Oberhalb von einfachen Zahlenangaben, historischen Daten oder korrekte Verwendung von Funktionen von Menschen. Plus, aber dieses Thema wollen wir bei ZACKBUM weiträumig umfahren, das korrekte Schreiben von Namen.

Politische Modeerscheinungen sind häufig faktenfrei

Faktenchecken könnte helfen, Debatten zu versachlichen. Allerdings nur ausserhalb der Blasenbildung in sozialen Medien. Da ist Hopfen und Malz verloren. Aber in sogenannten Qualitätsmedien nicht. Umso bedauerlicher, wenn auch hier das Image des Faktenchecks mutwillig beschädigt wird.

Dass Schweizer Anhänger der US-Bewegung «Black live matter» völlig verpeilt sind, sich an geliehenem Leiden Bedeutung und Gewicht verschaffen wollen, ist ein Fakt. Ihr Kampf gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt gegen Schwarze zerschellt leider am Faktencheck, dass bei Tötungsdelikten im Allgemeinen gegen Schwarze über 90 Prozent der Täter – Schwarze sind. Und dass von den 56 Unbewaffneten, die von US-Polizisten 2018 erschossen wurden, «nur» 9 schwarzer Hautfarbe waren, dafür aber 17 Weisse und der Rest anderen Ethnien angehörte. Aber darum geht’s natürlich nicht.

Bei Newsorganen ist das ein Problem der mangelhaften Qualitätskontrolle und der Angst vor Sanktionen. Sonst hätte Tamedia sich schon längst von seinem Oberfaktenchecker, seinem Leiter des Interaktiv-Teams und seinem Politchef getrennt. Denn alle drei, wenn Fakten etwas zählen würden, sind untragbar, haben sich disqualifiziert, dem Image des Journalismus im Allgemeinen und von Tamedia im Speziellen schweren Schaden zugefügt.

Das ist der Fakt, und der ist belegbar, unbestreitbar, denn sie haben sich selbst disqualifiziert. Aber eben, in der besten aller Welten hätten Faktenfakes, Corona-Kreischereien oder antidemokratische Aussagen Konsequenzen.

Ex-Press XLI

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung.»

Der gewitzte ZACKBUM-Leser weiss: dann gilt sie nicht. In welchem Zusammenhang liest man das wohl? Kleiner Tipp: Arthur Rutishauser? Richtig, da geht es um Pierin Vincenz. Dessen Unschuldsvermutung ist zwar bereits geschreddert, zerfetzt, verstümmelt, nicht mehr vorhanden. Aber so ein Satz macht sich immer gut. Für Heuchler.

In der aktuellen Fortsetzung der Soap Opera des Tamedia-Oberchefredaktors geht ausnahmsweise erst an zweiter Stelle um Pierin Vincenz. «Warum wird Nadja Ceregato geschützt?», lautet der unheilschwangere Titel der Aufmacherseite des Wirtschaftsbunds der SoZ.

Fragen kann man doch mal …

Schon in der Einleitung dumpft das ganze Elend dieser Verdachtsberichterstattung:

«Von den Millionen, die Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz unrechtmässig bekommen haben soll, profitierte auch seine Ehefrau.»

Das ist nun eine sehr interessante Verwendung des Konjunktivs. Er soll also unrechtmässig Geld bekommen haben. Korrekter Vermutungskonjunktiv, weil nicht bewiesen, nicht rechtsgültig festgestellt, mangels Gerichtsverfahren. Ist zwar auch in der Möglichkeitsform eine tödliche Anschuldigung. Aber sei’s drum, darin ist die SoZ ja ungeschlagener Weltmeister.

Nun wechseln wir aber in den Indikativ; er soll bekommen haben, aber seine Frau Ceregato «profitierte». Wirklichkeitsform. Darüber könnte man nun eine kleine erkenntnistheoretische Abhandlung schreiben: Wenn jemand etwas bekommen haben könnte, profitiert aber auf jeden Fall ein anderer davon? Wir wissen, dass das Verhältnis SoZ – Realität nicht ungetrübt ist, aber traut sich dort denn niemand, dem Oberchef zu sagen, dass er schon rein logisch gesehen Unsinn schreibt?

Offenbar nicht. Genauso wenig, wie sich jemand traut, dem Oberchef zu sagen, dass dieses ständige Verwenden von angefütterten Material so nervig ist wie nur was? Interne Abläufe, strikt vertrauliche Untersuchungsberichte, Verfahrensfragen, Rutishauser kann offenbar aus dem Vollen schöpfen.

Die Anwendung von Logik hilft

Nur: mit welchen Motiven füttert ihn wer ständig an? Die Motivlage ist klar. Vincenz vor dem Prozess möglichst sturmreif zu schiessen, damit er sich vielleicht doch noch auf einen Deal einlässt und nicht in offener Feldschlacht auch Dinge zu Tage treten, die Raiffeisen und den Strafverfolgungsbehörden peinlich sein könnten.

Wer ist’s? Einfache ausschliessende Logik hilft ungemein, bekannt als Ockhams Rasiermesser (Rutishauser und Co.: einfach googeln). Es muss eine Quelle geben, da es absurd wäre anzunehmen, dass Rutishauser diese Informationen auffängt, indem er mit offenem Mund unter dem Fenster der Staatsanwaltschaft steht.

Kenntnis davon haben die Angeschuldigten; ausgeschlossen, dass sie sich selbst in die Pfanne hauen wollen. Ebenfalls die Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaft. Nahezu ausgeschlossen, dass ein solcher jahrelang munter sprudelnder Quell von ihnen ausgeht. Hohes Risiko bei Entdeckung, Ertrag nahe null. Dann gibt es noch die am Strafverfahren beteiligten Zivilparteien. Also Raiffeisen. Motiv vorhanden, Interesse hoch, Ertrag da. Hm. Das KÖNNTE sein. Konjunktiv. Vermutung. Beweisfrei.

Sternendämmerung

Die Einschläge kommen näher. Der Triumphzug des Gendersternchens scheint unterbrochen zu sein. Salome Müller, Aleksandra Hiltmann und einige andere bei Tamedia, die die Inkludierung der weiblichen Wesen zur wichtigsten Frage der Medienwelt, wenn nicht der Menschheit erklärt haben, müssen herbe Rückschläge hinnehmen.

«Fragewürdige Empfehlungen zum Genderstern in der Schule», müssen sie mit scheckgeweiteten Augen im eigenen Organ lesen. «Die Bundeskanzlei sagt nein zum Genderstern», eine in Deutschland erhobene respräsentative Studie konstatiert unter anderem, dass die Erwartung, sich sprachlich «gendergerecht» oder «politisch korrekt» auszudrücken, viel Unmut auslöst. 71 Prozent halten eine diskriminierungsfreie Sprache für «übertrieben».»

«Oberster Deutschlehrer der Schweiz: Der Genderstern ist Sprachverhunzung

Sagt Deutschlehrer und Präsident der der sprachlich korrekten «Deutschlehrerkräfte» Pascal Frey.

Klare Kante zeigt auch der Kanton Zug: «In Elternbriefen, sagt ein Sprecher der Direktion für Bildung und Kultur, «dürfen die Mittelschulen die neuen, experimentellen Formen wie den Genderstern und Ähnliches nicht anwenden».» Auch das vermeldet Tamedia, einfach so. Noch fataler: «Warum das Gendersternchen in der Schule noch nichts zu suchen hat», schiebt Thomas Speich in einem Kommentar hinterher.

Darin fragt er spitz: «Soll wirklich in den Geschichtsbüchern stehen, dass sich in der Schlacht bei Sempach Eidgenoss*innen und Habsburger*innen gegenübergestanden haben?»

Selbstmordattentate auf die deutsche Sprache …

Unvorstellbar; die Machowelt schlägt zurück. Von Sternchen bedrängte Männer greifen zu allen Mitteln. Zu den bekannten: Verleumdung (Verhunzung), Rekurs auf die dumme Masse (71 Prozent finden’s übertrieben), im Kommentar wird das Gendersternchen fix und fertig gemacht. Schliesslich kommt man auch in den Schulen wieder zu Vernunft. Überall bröckelt es an der Front der tapferen Verwendung dieser Sprachvergewaltigung.

Es darf schallend gelacht werden

«Epidemiologe Andreas Cerny warnt vor einer vierten Welle und verlangt schärfere Corona-Massnahmen im Herbst». Die SoZ kann’s einfach nicht lassen.

Wohl aus Versehen aus dem Stehsatz eine alte Schlagzeile rezykliert …

Noch mehr zum Lachen? Bitte sehr.

Milena Moser durfte nicht zurück in die USA fliegen. Das ist furchtbar. Wir sind entstetzt und haben Mitleid. Auch damit, dass sie gleich zwei Kolumnen aus diesem ungeheuerlichen Skandal presst. Dazu weiss sie, braucht es Analogien, Vergleiche, um dem Leser die ganze Tiefe ihrer Tragödie sinnhaft werden zu lassen. Andere Schriftsteller würden sagen, dass sie genau dafür einen Roman schreiben, aber gut. Moser ist also verletzt, leidet, «die Tränen liefen mir noch übers Gesicht, als ich versuchte, das Bodenpersonal auf mich aufmerksam zu machen.» Leider vergeblich.

Sie befindet sich in «einem verwundbaren Moment» klagt Moser. Und dann hat sie sich bei ihren Freunden ausgeheult, allerdings: «Ich kenne offenbar niemanden, der nicht in einem verwundbaren Moment noch zusätzlich verletzt wurde.»

Wunderbar, denkt sich Moser, da quetsche ich doch gleich noch eine zweite Kolumne raus, indem ich diese Beispiel verbrate. Der frisch Verwitwete, der versucht, die Nebenkostenrechnungen auf seinen Namen umzuschreiben. Die Schwangere mit der aktiven Toxoplasmose, einem für das Ungeborene sehr gefährlichen Parasiten.

«Die Patientin mit den schwer diagnostizierbaren Symptomen.»

Au weia, furchtbar. Welchen Schluss zieht Moser denn aus ihrem traumatischen Erlebnis? «Muss man jemanden treten, der schon am Boden liegt? Nein. Aber man kann.»

Da seufzt die deutsche Sprache tief auf. Das anspruchsvolle Gefäss Kolumne auch. Eigentlich alle Kolumnisten oberhalb von Simone Meier und «watson» ebenfalls. Sie wissen, wovon Moser redet. Sie mussten die «Schriftstellerin» ja alle selber erleiden, auch wenn sie schon nach den ersten Sätzen am Boden lagen und um Gnade winselten.