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Chapeau, Frau Roth

NZZaS, die Erste: so sollten Artikel am Sonntag sein.

Es ist ein Luxus, auf drei Zeitungsseiten eine Story ausbreiten zu können. Aber es ist auch anspruchsvoll, 25’000 A zu verbrauchen, ohne dass es dem Leser so langweilig wird wie bei der «Republik».

ZACKBUM musste Rafaela Roth schon tadeln. Zum Beispiel für einen völlig verunglückten Jubelartikel über eine umtriebige Anwältin, die sehr gut in der Selbstvermarktung ist, weniger gut in der Vertretung ihrer Mandanten. So hat sie für ein Berufsopfer – mit einer einzigen Ausnahme – nur krachende Niederlagen eingehandelt, bis zur Peinlichkeitsschwelle, am Bundesgericht gegen das Bundesgericht zu rekurrieren – und natürlich abgeklatscht zu werden. Zudem erzählt sie gerne Märchen; so dieses, dass fast täglich bei ihr Mandanten anklopften, um gegen diesen Medienblog vorgehen zu wollen.

Aber Schwamm über die Peinlichkeit, diese Selbstdarstellerin als «eine der geschicktesten Medienanwältinnen des Landes» zu bezeichnen, Roth hat sich wunderprächtig rehabilitiert. «Tod eines Glückskindes» ist ein rundum gelungenes Stück. Man könnte an ein paar Details mäkeln, aber die werden von der Wucht überspielt, mit der hier der Tod eines 18-jährigen Autisten dargestellt wird.

Er endete in den Händen des Psychiatrischen Dienstes des Kantons Aargau, geriet in die Klapsmühle im wahrsten Sinne des Wortes, bekam viele Medikamente und wenig Therapie. Schliesslich schauten die Pfleger zu, wie er manisch seinen Kopf auf den Boden schlug – bis er ohnmächtig wurde und nur noch sein Hirntod festgestellt werden konnte.

Daraus könnte man ein Melodram machen, eine emotionale Anklage, das Leid der Eltern exhibitionistisch vorführen, die Unmenschlichkeit der Schweizer Psychiatrie anprangern. Aber Roth ist eher ein Wurf wie «Einer flog übers Kuckucksnest» gelungen.

Sie verknüpft wohldosiert die verschiedenen Ebenen dieses Falles, lässt alle Beteiligten – soweit die sich äussern wollen – zu Wort kommen. Szenischer Einstieg, Leitmotiv Spaziergang, hineingeflochten die verschiedenen Erzählstränge, die Schilderung des jungen Lebens, das langsam aus der Bahn geriet, die Selbstvorwürfe der Eltern und des Bruders, dass man aus Überforderung und nur zum Besten der Einlieferung des Sohnes in die Psychiatrische Klinik  Königsfelden zustimmte.

Wie dann dort alles zunehmend ausser Kontrolle geriet, aber man der Autorität der Fachpersonen vertraute. Bis zum bitteren Ende, bis zur «Steigerung ins Amargeddon», wie das der Anwalt der Familie nennt. Der Tod, die Verarbeitungsversuche der geschädigten Hinterbliebenen. Dann die Aufarbeitungsversuche der Behörde, die allgemeine Problematik von jährlich 16’000 Zwangseinweisungen in die Psychiatrie in der Schweiz, Isolation, Fixierungen, Zwangsmedikation. Der staatliche Eingriff, dass der Patient nicht mehr selbst über seine Entlassung entscheiden kann.

All das schildert Roth souverän, emphatisch, in klarem Aufbau. Sie nimmt den Leser an der Hand und verläuft sich nie mit ihm. Sie ist auktorialer Erzähler im besten Sinn, nimmt Anteil, aber wahrt Distanz. Der Einzelfall, der Aufschwung ins Allgemeine, die unbeantworteten Fragen der Eltern, die übliche, zögerliche, bürokratische Reaktion der Behörden, die organisierte Verantwortungslosigkeit in staatlichen Institutionen, eine Knallerpointe am Schluss, den Artikel könnte man ausschneiden und angehenden Journalisten als Übungsmaterial überreichen.

Könnte, denn wer bekommt im heutigen Elendsjournalismus schon noch die Gelegenheit, ein solches Stück abzuliefern. Schön, dass Roth sie genutzt hat.

Sauglattismus

Was kommt heraus, wenn eine Flachdenkerin einen Luftikus interviewt?

Rafaela Roth neigt zu unreflektierten Jubelarien, langweiligen Interviews und pseudokritischen Reportagen. Das passte sehr gut zu «watson», das befremdet in der NZZaS. Besonders peinlich wird es, wenn sie auf den «Medienexperten» und «Professor for Journalism» Vinzenz Wyss trifft. Der bezieht seine Fachkompetenz aus seiner kurzen Tätigkeit im Lokaljournalismus. Und aus anschliessender Theoriebildung.

Kann man einen «Experten» ernst nehmen, der bereit ist, sich für ein sauglattes Foto zum Deppen zu machen? Nicht wirklich, wie das Interview beweist. Was meint der Professor, was das Publikum über Journalismus denkt?  «Die meisten Leute … denken, Journalismus lasse sich verkaufen wie warme Gipfeli.»

Nun, Roth und Wyss scheinen zu denken, dass sich ein abgestandenes, altbackenes Interview als Journalismus verkaufen liesse. Der Professor kommt dabei zu bahnbrechenden Erkenntnissen: Medienorganisationen seien  «eben etwas anderes als eine Autopneufabrik. Von ihr erwartet niemand, dass sie gesellschaftlich etwas zurückgibt». Doch, von einer Pneufabrik erwartet man, dass sie sich an alle Vorschriften hält, Auflagen des Umweltschutzes erfüllt und sich sozial verantwortlich verhält. Und natürlich sind Informationen wie Autopneus. Sind sie brauchbar und nützlich, lassen sie sich verkaufen. Sind sie abgefahren oder platt, eben nicht.

Aber Wyss greift auch zu kritischen Worten: «Wenn man wegen unternehmerischer Fehlentscheide sparen muss und dann Entlassungen durchführt, ist das auch ein wenig unverantwortlich.» Ein wenig unverantwortlich? Es ist doch so: In drei grossen Medienkonzernen sind die privaten Besitzer in den fetten Jahren obszön reich geworden. Damals bedeutete, eine Druckmaschine zu betreiben, die Lizenz fürs Gelddrucken zu besitzen.

Inzwischen bauen die Wanners, Ringiers und Coninx› ihre Konzerne so um, dass sie immer noch fette Gewinne abwerfen, nur nicht mehr mit Journalismus. Weil sie und ihr Management seit Jahren zu blöd sind, eine Antwort auf die Informationsvermittlung via Internet zu finden. Wenn nun Medien tatsächlich die Vierte Gewalt sein sollten, Macht kontrollieren und überwachen, damit eine gesellschaftlich wichtige Funktion haben, dann gibt es ja nur eine Lösung für die Misere: man muss sie den Familienclans wegnehmen und in Non-Profit-Organisationen umwandeln. Modell NZZ. Aber das traut sich der Professor nicht zu sagen. Dafür neigt er zur Selbstkritik: «Ja, ich musste meine Sucht, wahrgenommen zu werden, etwas bändigen. … Ich wurde als Schwätzer wahrgenommen.» Wurde?

Wenn unqualifizierte Fragen auf labberige Antworten treffen, dann führen die beiden praxisnah vor, was Journalismus eben nicht sein sollte: Dampfplauderei ohne Erkenntnisgewinn. Aber vielleicht muss man das dialektisch sehen: die beiden wollten zeigen, wie es aussieht, wenn eine journalistische Bruchlandung dem lebenden Objekt, dem überlebenden, zahlenden Leser serviert wird.

Denn die Misere der Medien ist zur Hauptsache selbstverschuldet. Das Grundübel: um Geld verlangen zu können, muss zuerst eine geldwerte Leistung erbracht werden. Oder um es auf dem Niveau Roth/Wyss auszudrücken: wenn der Bäcker statt warmer Gipfeli ungeniessbare Abfallprodukte anbietet, dann darf er sich nicht wundern, dass die niemand kauft.

 

Gute Nachricht zuerst

Anlass zu leisem Optimismus im neuen Jahr.

ZACKBUM hat diverse Male beklagt, dass die Medienkolumne in der NZZaS eine Schande für die Zunft, die Medien und die Kolumne ist.

Das perlte an den Verursachern nicht ohne Reaktion ab. Alina Wanner keifte in einer Kolumne zurück und keilte so unanständig gegen ZACKBUM, dass die Sonntagszeitung eine Gegendarstellung in Form eines Leserbriefs veröffentlichen musste.

Aber nun hat das Elend sein Ende. Beat Balzli bedankt sich bei den beiden letzten Kolumnisten, ohne ihre Vorgänger zu erwähnen. Der schreibende Rentner und die noch nicht verrentete Schreiberin lassen zukünftig die Leser, die Medien und die deutsche Sprache in Ruhe.

Immerhin.

Macht’s KI besser?

Wie die NZZaS beweist: nein.

Diese Illustration ist, wie man mit der Lupe der Byline entnehmen kann, mittels KI hergestellt worden. Sie vermischt den angestaubten Groove der 70er-Jahre mit der Art, ein Gesicht zu modellieren, wie es im Anfängerkurs für Zeichner geübt wird. Prozentzeichen in den Augen, das rundet das Bild noch mit einem Schon-wieder-Effekt ab.

Aber wer weiss, vielleicht wäre eine hausgemachte Illu noch viel schlimmer herausgekommen. Aber das ist nur die Ouvertüre für noch viel Schlimmeres.

Mal im Ernst, lieber Beat Balzli, das soll die erste Doppelseite im Heft sein? Ein misslungener Wortscherz als Titel, ein riesengrosses, aber völlig inhaltsleeres Visual, umrahmt von einem ungeheuerlichen Textriemen, der zudem in seiner Aussage so dünn ist, dass man auch eine Kurzmeldung daraus machen könnte?

Seich und Scheich, Schleich und reich, wären das nicht wenigstens bessere Titel gewesen? Oder noch besser: hätte man den Platz nicht entschieden besser verwenden können?

Aber immerhin, auf Seite vier fährt die NZZaS mit einer Berichterstattung fort, die sonst kein Organ leistet: «Was tun die israelischen Siedler, während im Gaza gekämpft wird? Ein Besuch im Westjordanland». Denn häufig wird übersehen, dass in der illegalen Besiedlung und durch die massenweise Ermordung von Palästinensern auch hier Israel nicht wirklich darum bemüht ist, irgendwann einmal die Voraussetzungen für eine Verhandlungslösung zu schaffen.

Hier schwafelt die Direktorin einer NGO, die sich für die Interessen der Siedler einsetzt: «Es gibt ein palästinensisches Heimatland, das von den Vereinten Nationen geschaffen wurde. Es heisst Jordanien.» Und wer meint, religiöser Wahnsinn sei von der Hamas gepachtet, wird von ihr eines Schlechteren belehrt: «Es ist unsere religiöse Pflicht, das Land zu besiedeln, das Gott uns gegeben hat.»

Auf Seite 12 setzt die NZZaS dann ihr Tradition fort, mit einer denunziatorisch-unanständigen Fotografie das Niveau deutlich nach unten zu senken:

Selbst der Chefredaktor der NZZaS sähe ziemlich bescheuert aus, wenn man ihn so fotografierte. Das tat das Blatt schon bei einem AfD-Politiker, ohne sich dafür zu schämen. Da wir damals nur eine nassforsche Antwort der Unternehmenskommunikation bekamen, als ZACKBUM Beat Balzli anfragte, was er denn davon halte, verzichteten wir diesmal.

Obwohl hier nicht nur das Foto, sondern auch der Titel von einer unanständigen Häme ist, die nichts mit seriösem Journalismus zu tun hat.

Völlig von der Rolle ist dann auch der Aufmacher der Kommentar-Seite. Der Fern-Korrespondent Markus Bernath aus Wien meldet sich zur Abwechslung nicht mit einem Aufruf zur Fortsetzung des Gemetzels in der Ukraine zu Wort. Aber er kann sich dennoch ins Absurde steigern: «Das Heilige Römische Reich muss Vorbild der EU werden». In Wien ist sicherlich die Toleranz gegenüber Bedepperten und Belämmerten grösser als anderswo auf der Welt. Wieso aber die NZZaS einen solchen Titel (vom Inhalt ganz zu schweigen) dem fassungslosen Leser vorsetzt, das muss das süsse Geheimnis eines neuen Chefredaktors bleiben, der seinen Laden offensichtlich noch nicht im Griff hat.

Das gilt auch für die Story «Krieg gegen die Frauen. … Sexualisierte Gewalt im Krieg ist uralt, über ihren Einsatz als Kriegstaktik spricht man aber erst seit kurzem». Es ist bis zu einem gewissen Grad erlaubt, eine verschnarchte Uralt-Story verbal im Lead aufzupumpen. Aber hier verlassen Gina Bachmann und Raphaela Roth definitiv den Streubereich der Wirklichkeit. Letztere nicht zum ersten Mal. Über Vergewaltigung als Bestandteil der Kriegsführung wird schon seit vielen Jahren geforscht und publiziert. Auch wenn das die beiden Damen vielleicht nicht mitbekommen haben sollten.

Der ungebremste Niedergang setzt sich auf Seite 23 fort. Hier versemmelt Nicole Althaus mal wieder ein im Prinzip interessantes Thema. Nein, es ist nicht dir Rede von Wechseljahren, sondern von Charisma. Spannende Sache, nur: charismatische Menschen überschritten Grenzen, weiss Althaus. Das ist noch ein – wenn auch langweiliger – Ansatz. Ungenießbar macht das Folgende dann der Nachsatz: «Aber warum sind das oft vor allem Männer?»

«Oft vor allem», deutlicher kann man die Unsicherheit der Autorin, ob sie da auf dem richtigen Weg sei, nicht ausdrücken. Immerhin: das warnt den intelligenten Leser davor, weiter seine Zeit zu verschwenden. Dass man die Seite ohne Erkenntnisverlust überblättern kann, beweisen auch Aline WannerFast wie die Werbung einer Sekte») und Rolf DobelliSeien Sie unzuverlässig») mit ihren Titeln. Danke schön.

«Wirtschaft»? Der reichlich vorhandene «Sponsored Content» ist mit Abstand das Interessanteste … Aber immerhin, die «Kultur» glänzt für ein Mal mit einer Abrechnung mit dem unfähigen Direktor von «Pro Helvetia». Nach dieser Breitseite ist es immerhin fraglich, ob er wirklich bis 2025 im Amt überleben wird.

Das beschwingt, bis man zur letzten Seite gelangt. «Die Summe aller Frauen, Teil 42». Das Grauen nimmt kein Ende.

 

Zwei Sumpfblasen aus der «Republik»

Auch auf die Gefahr hin, dass das die Einschaltquote von ZACKBUM sinkt.

Aber wir verstehen das als empathische Sterbebegleitung. Anstatt uns durch den mageren Wochenausstoss zu quälen, werden nur zwei Sumpfblasen angestochen. Vorsicht, übler Geruch.

Da hätten wir diese hier:

Die schreibende Schmachtlocke, der Co-Chefredaktor der «Republik», hat wieder ein Stück, nun ja, ein Interview abgesondert. Schon die Ausstattung des Artikels lässt an Demagogie nichts zu wünschen übrig. Wer so abgebildet wird, muss ein Verbrecher sein. Treffer, das ist auch der «mug shot»,  das Polizeibild von Donald Trump. Bloss schwarzweiss und dämonisiert. Aber immerhin, ihm wachsen keine Hörner.

Das Titelzitat erspart die weitere Lektüre. «Zweiter Versuch der Machtergreifung»? Es gab also schon einen ersten? Oder vielleicht haben wir das falsch verstanden, dass Trump anscheinend in demokratischen Wahlen zum Entsetzen vieler Fehlprognostiker zum Präsidenten gewählt worden war. Oder nein, das scheint sich darauf zu beziehen, dass Trump einen idiotischen Versuch unternahm, das Resultat der letzten Wahlen nicht anzuerkennen.

Das ist zwar bedenklich, disqualifiziert ihn aber nicht dafür, nochmals zu kandidieren. Genauso wenig, wie dass der amtierende Präsident zunehmend senil wird, den davon abhält, im biblischen Alter nochmals zu den Wahlen anzutreten. Die Amis sind wirklich nicht zu beneiden.

Die verbliebenen Leser der «Republik» allerdings auch nicht. Denn vielen von ihnen dürfte der Interviewpartner von Daniel Binswanger bekannt vorkommen. Richtig, den interviewte auch die NZZaS. Denn der «Harvard-Politologe» Daniel Ziblatt war wohlfeil zu haben, da er sowieso in der Schweiz weilte. Dass er eigentlich ein eher kleines Licht ist und zumindest merkwürdige Sachen sagt («Reiche Demokratien sterben nicht» verwendete die NZZaS als Titelzitat), was soll’s.

Die zweite Sumpfblase schillert nicht minder hübsch, platzt aber auch mit üblem Geruch. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie sich wie eine Gebrauchsanleitung für das Verhalten der 55 Schnarchnasen anhört, die sich in der finanziellen Hängematte der «Republik» suhlen und Leistung für ein unappetitliches Schimpfwort halten:

Mitarbeiter der «Republik» fragen sich hier sicher: wieso antrainieren? Fast nichts tut hier Ronja Beck, denn auch sie verwendet die kleinste Münze im Hosensack des Journalismus. Sie macht ein Interview. Mit dem Psychiater Michael Pramstaller. Der hat eine hübsche Marktlücke gefunden, denn Behandlungen und Therapien, das ist ein hart umkämpfter Markt mit vielen Konkurrenten. Zusammen mit seiner Gattin Dr. phil. Maria Pramstaller betreibt er die Praxis Pramstaller mit einer ganzen Latte von Angeboten:

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

  • Angsterkrankungen, Panikattacken

  • Asperger-Syndrom, Autismus

  • Belastungskrisen

  • Depressionen, chronische oder rezidivierende Depression

  • Essstörungen

  • Komplizierte Trauer

  • Paar- und Familienkonflikte

  • Persönlichkeitsstörungen

  • Prokrastination («Aufschieberitis»)

  • Schlafstörungen

  • Selbstwertprobleme

  • Sexualstörungen

  • Suchterkrankungen (auch substanzungebundene Süchte, wie Internet, aber auch Rauchentwöhnung)

  • Stress und Stressfolgestörungen (z.B. Burnout)

  • Zwangsstörungen

Keine Störung kommt hier unbehandelt davon, da ist es natürlich gut, etwas für Aufmerksamkeit aufs eigene Tun zu lenken. Was eignet sich dafür besser als ein Interview? Was eignet sich für die «Republik» besser als die Frage: «Wann macht Arbeit krank

Interessiert jemanden die Antwort? Bitte sehr: «Es ist etwas schwierig, zu generalisieren. Aber ich glaube, Arbeit macht dann krank, wenn es nur noch Arbeit gibt. Und ich spreche hier von Arbeit im weiteren Sinn: die Arbeit im Unter­nehmen, aber genauso die Arbeit daheim, als Partner, als Mutter. Wenn die eigenen Bedürfnisse, der Ausgleich zu dieser Arbeit, keinen Platz mehr haben, dann wird das Warnlicht dunkel­orange.»

Interessieren danach noch weitere Antworten? Schliesslich macht’s die arbeitswütige «Republik» auch hier nicht unter knapp 15’000 A. Nein? Dachten wir uns doch.

Man muss allerdings schon sagen: Geldgeber, die sich Millionenbeträge ans Bein streichen können, Verleger, die mit solchem Quatsch abgespeist werden, all die müssen sich langsam echt verarscht vorkommen, was ihnen da für viel, sehr viel Geld vorgesetzt wird.

Denn woran erkennt man den Unterschied dieser Werke zu reiner, heisser Luft? Nur am üblen Geruch.

Unternehmenskommunikation

Wie würde wohl die NZZaS darauf reagieren?

Es ist bekannt: Journalisten sind im Austeilen Weltmeister, beim Einstecken haben Sie ein Glaskinn.

Gerne heulen Sie auch auf, wenn ihre journalistischen Anfragen nicht oder schnippisch beantwortet werden. Diesem edlen Brauch schliesst sich ZACKBUM gerne an.

Die aktuelle NZZaS veröffentlichte dieses demagogisch-unanständige Foto eines AfD-Politikers:

Es steht ausser Frage, dass das im seriösen Journalismus nicht geht, deshalb hat ZACKBUM das scharf kritisiert. Nun wollten wir dem frischgebackenen Chefredaktor Beat Balzli gerne Gelegenheit zur Stellungnahme geben:

An Sie nun die Frage, was Sie von der Photographie zum Artikel «Mit Umfragen gedopt» halten. Stimmen Sie mir zu, dass das eine unanständige, demagogische Abqualifizierung eines offenkundig nicht als Sympathieträger geltenden AfD-Politikers ist?
Wenn ja, werden Sie das öffentlich richtigstellen oder zumindest hier auf ZACKBUM?
Darauf sollte man eine anständige Antwort erwarten dürfen. Geantwortet wurde, allerdings nicht von Balzli, sondern von der Leiterin Unternehmenskommunikation der NZZ AG. Sie probiert es im nassforschen Ton:
«Vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir wollen mit unserem Journalismus Debatten anstossen. Offenbar gelingt uns das.»
Mit solchen Fotos will also die NZZ neuerdings Debatten anstossen. Das gelingt ihr tatsächlich. Allerdings steht es wohl ausser Debatte, dass das weder dem Stil des Hauses, noch primitivsten Anstandsregeln, noch einem respektvollen Umgang mit politischen Gegnern entspricht.
Man kann sich vorstellen, was die NZZ rhabarbern würde, wenn von einem FDP-Politiker oder gar ihrem Chefredaktor ein solches Foto öffentlich verwendet würde.
Dass sich Balzli gleich am Anfang seiner neuen Karriere wegduckt und hinter der Leiterin Unternehmenskommunikation versteckt, ist auch nicht die feine oder mutige Art.
Wie schriebe da die alte Tante, würde es sie nicht selbst betreffen? Quo vadis, NZZaS?

Darf’s etwas weniger sein?

NZZamSonntag und ihr Magazin dümpeln unter neuer Leitung.

Vielleicht ist der Stossseufzer über dem Titel des «NZZ am Sonntag Magazin» ernst gemeint: «Bringt uns die Chefs zurück!».

Zwar hat die NZZaS inzwischen fast mehr Häuptlinge als Indianer. Das Resultat ist aber nicht wirklich eine Friedenspfeife wert; der Leser fühlt sich eher an den Marterpfahl gebunden.

Fangen wir mit der grossen Folter an, dem Magazin. Kann man so ein Cover wirklich ernst meinen?

ZACKBUM liest auch nicht zum Spass, muss sich das aber schöntrinken. Als überzeugte Kampffeministen fragen wir uns einleitend, ob so eine Werbung noch geht:

Aber gut, heutzutage muss jede Redaktion schauen, wo das Geld herkommt. Aber gleich mit Kleingeld klimpern und eine Idee der Konkurrenz rezyklieren, gehört sich das heutzutage auch, lieber Herr Christoph Zürcher?

Trump, Milet, Wilders, Johnson, wie oft werden deren Frisuren wohl noch durchgehechelt? Und braucht es wirklich zwei Nasen, um Weinnase Peter Keller zum x-ten Mal Antworten über alles, «was man über vergärten Traubensaft wissen muss», zu entlocken? Und gibt es denn keinen Redigator bei der NZZ, der diese Krampfumschreibung für Wein streicht?

Gut, wahrscheinlich traut sich Beat Balzli vor Weihnachten nicht, das Magazin zu spülen. Aber fürs nächste Jahr besteht doch wohl Hoffnung.

Immerhin, die Front kommt viel aufgeräumter daher als vorher, wo irgend ein bis auf die Unterhose schwarz gekleideter AD die hirnrissige Idee hatte, an bester Stelle einen Weissraum einzurichten:

Sechs Anrisse, darunter eine hübsche Illustration zur Bauernmacht, dazu vier Artikelstarts. Nicht schlecht. Bloss das Zitat könnte man sich entweder sparen oder halt etwas Kräftigeres als das Gedöns von Gordana Mijuk  («Dubai steht für …») finden.

Dass Balzli in seinem Editorial sein Lieblingssteckenpferd reitet, das Banking, nun ja, er fängt ja erst an, eine Sonntagszeitung zu machen. Wieso er eigentlich zu diesem Job kam (ursprünglich war er bei der NZZ für Deutschland vorgesehen), muss noch enträtselt werden. Genauer: wer im letzten Moment absagte.

Dass die Bauern in der politischen Schweiz über eine noch schlagkräftigere Lobby als Pharma und Finanzen verfügen, ist nun auch eine Erkenntnis, die dem Wetterbericht von gestern ähnelt.

Leider pflegt dann die NZZaS die Unsitte, jemanden, der ihr nicht passt, mit einem demagogischen Bild eins in die Fresse zu hauen. Erstaunlich, auf welch primitives Niveau die alte Tante immer wieder sinken kann:

Es mag viele Gründe geben, die AfD oder ihre Protagonisten nicht zu mögen. Aber deswegen jeglichen journalistischen Anstand zu verlieren, das geht dann auch nicht.

Ziemlich lustig hingegen ist der Versuch der NZZaS, die Aussage von Bundesrätin Baume-Schneider zu stützen, dass die Schweiz ohne weiteres 12 Millionen Einwohner haben könne. Wie das? Nun, von Japan lernen, empfiehlt Felix Lill aus Tokio. Schliesslich beherberge dieser «grösste Ballungsraum der Welt auf deutlich weniger Raum als die Schweiz gut viermal so viele Menschen», nämlich 37 Millionen.

Die Tipps gehören aber eher in die Sendung «Es darf gelacht werden». Waschsalons sparen den Platz für eine «sperrige Waschmaschine», als ob in der Schweiz viele Mieter darüber verfügen würden. Sauglatt ist auch der Hinweis, dass «billige Schnellrestaurants» die «eigene, enge Küche entlasten» können. Liebes-Hotels gäben «Raum für jeden Fetisch». Dazu Wohnungen ohne Bad, zu Fuss einkaufen, schliesslich die «letzte Ruhe im Urnenturm». Wieso die NZZaS – vorausgesetzt, sie will einen gewissen Qualitätsanspruch behalten – diesem «International Journalist» ihre Spalten öffnet, der aus «mehr als 40 Ländern» berichtet haben will, bleibt schleierhaft. Ausser als Sparmassnahme.

Unter diese Rubrik fällt wohl auch «Corona, willkommen zurück!» Pädagogisch wertvoll, sonst aber schnarchlangweilig ist die Reportage, wie denn Videos aus Nahost auf Jugendliche wirken. Aber, es gibt Lichtblicke. So die Reportage über einen zwielichtigen iranischen Vertrauensanwalt der dortigen Schweizer Botschaft.

Gleich um die Rettung der Demokratie («Republik», aufgepasst) kümmert sich Alain Zucker. Wie? Er interviewt den Politologen (who the fuck is) Daniel Ziblatt. Der sei «Politikprofessor an der Harvard University». Allerdings gehört er nicht zu den genau 25 University Professors, ein Ehrentitel dort. Sondern zu den über 2000 dort Lehrenden oder Forschenden. Auch dieses Interview, immerhin ein Service am Leser, hat einen Titel, der es einem leicht macht, auf die Lektüre zu verzichten: «Reiche Demokratien sterben nicht».

Sterbenslangweilig ist dann die Seite «Report und Debatte». Beides findet dort nicht statt. Sondern Schnarchkolumnen vom selbst bei Tamedia abgehalfterten Michael Hermann, der nichts Eigenes zustande bringenden Aline Wanner und vom sich selber rezyklierenden Rolf Dobelli. Einwandfrei der Tiefpunkt des Blatts.

Interessant wird es dann im Wirtschaftsteil. Dort bekommt Iqbal Khan von der UBS Gelegenheit, sich von allen Sünden reinzuwaschen, Lobeshymnen auf seinen Chef Ermotti zu singen und sich so in die Pole Position für dessen Nachfolge zu bringen. Das nennt man Beziehungspflege à la NZZ. Muss es aber sein, selbst solche Flachheiten ohne kritische Nachfrage hinzunehmen? «Die Grösse der UBS sorgt für mehr Stabilität». Wie schon der Kapitän der Titanic sagte.

In der Kultur setzt man auf sichere Werte. Ein Interview mit Christoph Waltz, dessen Schauspielkunst an diejenige von Arnold Schwarzenegger erinnert. Beide kommen mit zwei, maximal drei Gesichtsausdrücken durchs Leben. Und thanks God it’s Christmas. Zeit, «Unsere Besten 2023» auszupacken, das Recycling-Angebot für die Alzheimer-Kranken unter den Lesern.

Dann noch «Die Summe all …», irgendwie soll der Titel weitergehen, aber das hat ZACKBUM nicht ausgehalten.

 

 

Kampf um den Leser

Die NZZaS unter neuer Leitung. Wie schaut’s aus?

Beat Balzli hat sein erstes Heft abgeliefert. Man kann von aussen schwer beurteilen, wie begeistert Redaktion und Leserschaft sind. Die Primadonnen der NZZaS werden Balzli in erster Linie danach beurteilen, wie sehr er ihnen Privilegien, Spesenkonto und Hobbys lässt. Für sie ist zu befürchten: das ist nicht seine Absicht.

Denn offiziell ist er angetreten, um die digitalen Kanäle besser zu bespielen. Davon hat er aber keine grosse Ahnung. Hingegen in der Aufgabe, die Payroll abzuschmelzen, die zunehmende Zusammenlegung von NZZ und NZZaS möglichst ohne grosse Geschrei voranzutreiben, und inhaltlich das im Interregnum ziemlich aus dem Leim gegangene Blatt wieder auf Kurs zu bringen, da muss er Pflöcke einschlagen. Sonst ist er so schnell wieder weg wie sein Vorgänger.

Nun ist Balzli beim «Spiegel» und anderswo durchaus gewohnt, mit intriganten und renitenten Mitarbeitern umzugehen; mal schauen, wie ihm das hier gelingt.

Immerhin, einen kleinen Akzent hat er bereits gesetzt. Die idiotische Artsy-Fartsy-Gestaltung des Covers mit verschenktem «Weissraum» hat er abgeschafft. Nun ist die Front wieder normal geworden. Rechts und oberhalb des Titels ein paar Anrisse, Foto-Story und vier textlich angerissene Artikel, plus weiterhin ein Zitat, was nun meistens nicht sehr erhellend ist.

Hier kommt gleich erschwerend hinzu, dass Balzli zwei neue Kolumnisten verpflichtet hat. Den «Politgeograf» Michael Hermann, von dessen Gequatsche selbst Tamedia genug hatte. Dazu noch «Avenir Suisse»-Chef Jürg Müller. Also der Verantwortliche dafür, dass dieser Think Tank immer weniger ernst und wahrgenommen wird. Na ja.

Und, der Inhalt? Kinder als Zankapfel bei Scheidungen. Sagen wir mal so: wenn man auf ganz ganz Nummer sicher gehen will, überhaupt nichts falschmachen, aber riskieren, dass der Leser Wiederholungsfaktor zehn verspürt, kann man das machen. Sonst nicht.

Aufmacherstory: «Die Achse des Bösen». Sagen wir mal so: mit diesem Begriff ist schon ein US-Präsident auf die Schnauze gefallen. Nun baue Teheran «mit seinen alten Partnern Putin und Erdogan» plus noch die Chinesen an einer neuen, grossen Front. «Diese richtet sich nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen den Westen.»

Da richtet Petra Ramsauer mal das Schlachtfeld ein, also den Sandkasten. «Flächenbrand im Nahen Osten … militärische Drohkulisse, auf die Teheran derzeit setzt …» Zwickmühle, diagnostiziert Ramsauer: «Greift Teheran ein, droht die «Achse des Widerstandes» militärisch zerschlagen zu werden – mit riesigen Kosten. Eilt Iran der Hamas aber nicht entschieden zu Hilfe, zerbröselt diese Achse.»

Aber, das Schreckensszenario: «Neben Russlands Präsident Wladimir Putin zeigen sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und auch Chinas Staatschef Xi Jinping zum politischen Schulterschluss mit Iran bereit.» Fehlen eigentlich nur noch Nordkorea und Kuba in dieser bösen Achse.

Nun ist auch Ramsauer eine externe Kraft aus Österreich, wie Adelheid Wölfl, die in Ex-Jugoslawien wütet. Eigentlich hatte Ramsauer im Mai 2020 ihren Abschied aus dem Journalismus angekündigt, «um sich zukünftig als Therapeutin für Traumata zu engagieren», weiss Wikipedia. Davon hat sie offenbar wieder abgesehen. Nun lägen Kalauer so nahe, dass wir drauf verzichten. Gibt es diese neue Achse des Bösen, ausserhalb der Fantasiewelt von Ramsauer? Schwer zu sagen, ob das therapiert werden muss oder nicht (Pardon).

Aber immerhin, was man sonst nicht so liest, weil alle auf den Gazastreifen fixiert sind: es folgt ein Bericht über die Situation im Westjordanland, wo ja Palästinenser seit Jahren mit illegalen Siedlungen Israels konfrontiert sind.

Verdienstvoll auch eine Reportage aus dem Niger, das wegen des x-ten Militärputschs nur kurzzeitig in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte und seither weitgehend vergessen ist. Niger, Sudan, Jemen, Äthiopien, Somalia, Eritrea, wen kümmert’s schon. Immerhin, die NZZaS kümmert sich um Niger (oder Nischee, wie SRF sagen würde).

Die Berichterstattung über Serbien spiesst ZACKBUM in einem Wumms auf. Dann ein launiges Interview mit dem Kamikaze-Bundesratskandidaten der Grünen. Lustig zu lesen, aber nicht wirklich Pflichtlektüre.

Dann ein harsches Wort zum Einstieg in den «Hintergrund». Gordana Mijuk über die Wüsten-WM in Saudiarabien. Gähn. Nicola Brusa über eine lustige Idee eines indischen IT-Unternehmers. Augendeckel, offen geblieben! Michael Hermann mit der Nach-Nach-Nachanalyse der Wahlen. Schnarch. Aline Wanner über KI. Der Beweis, dass KI solche Kolumnen viel besser bespielen würde. Wieso traut sich Balzli nicht, dieses unsägliche Gefäss abzuschaffen? Und schliessliche Patrick Imhasly, der hier dilettieren muss, damit sich im Wechsel mit ihm eine frustrierte Schreiberin austoben darf. Abschaffen! Die folgende Seite «Meinungen»: abschaffen.

Dann das Interview mit dem jüdischen Psychoanalytiker Daniel Strassberg. Der langweilt sonst in der «Republik», nun darf er’s hier tun. Wenn man das schreiben darf, ohne gleich als Antisemit runtergemacht zu werden.

«Wirtschaft», eigentlich die Paradedisziplin von Balzli? Es geht, sagt ZACKBUM wohlwollend, es geht.  «Kultur»? Ein verschrumpelter Essay darüber, dass Serienschauen über Freundschaften vom Pflegen realer Freundschaften abhalte. Hätte man auch auf diesen Satz reduzieren können.

Aber immerhin, Gerhard Mack beweist mit seiner Würdigung der neueröffneten Bührle-Sammlung im Kunsthaus, dass er der einzige ernstzunehmende Kunst- und Ausstellungskritiker der Schweiz ist. Dass Peer Teuwsen eine gute Patti-Basler-Rezension abliefern könnte, wollen wir hingegen nicht behaupten.

Dann fällt der Abschied leicht: «Die Summe aller Frauen, Teil 36». Aufhören. Bitte. Gnade.

 

Mutig oder bescheuert?

Die NZZaS geht eigene Wege beim Cover.

Das muss man sich mal trauen:

Die NZZaS zeigt eigentlich allen aktuellen Themen den Stinkefinger. Ukraine? Ach ja. Wahlen in der Schweiz? Echt jetzt. Naher Osten? Ist da was? Hamas-Unterstützer finanziert mit Steuergeldern? Gähn.

Nun gut, die Forderung nach einer Begrenzung der Anzahl Wahllisten kann man als indirekten Hinweis darauf interpretieren, dass am Sonntag in der Schweiz Wahlen stattfanden. Die (noch) dreiköpfige Chefredaktion scheint gegen Ende ihrer Amtszeit eine gewisse Verwilderung zuzulassen, so nach der Devise: Stinkefinger, was nach uns kommt, ist doch egal.

Entsprechend schludrig wurde mal wieder der Inhalt zusammengenagelt. Natürlich, Naher Osten, Muss-Thema. Was machen wir? Kurzes, ganz kurzes Kopfkratzen. Dann die Glanzidee: fällt dir überhaupt nichts ein, mach ein Interview. Nur, mit wem? Die meisten Fachexperten sind schon abgefrühstückt, und Erich Gysling kann’s nun wirklich nicht sein. Vielleicht sagte einer «und Scholl-Latour?», wurde dann aber darauf hingewiesen, dass der schon ein Weilchen tot ist, aber bis heute gültige und intelligente Sachen über den Nahen Osten gesagt hat.

Aber gut, «da ist doch so was mit Geiselbefreiung», hat wieder einer eine Glanzidee. Genau, dazu interviewen wir einen, der vor einem Dutzend Jahren mal an einem Gefangenenaustausch im Nahen Osten beteiligt war. Devise: Ein Exklusiv-Interview hast du auf sicher, wenn sonst keiner mit dem Interviewten reden will.

Aber selbst mit der Planierraupe geführt, kann so ein Interview nicht zwei Seiten füllen. Also noch ein Rehash-Artikel über das Luxusleben der Führer der Hamas; immerhin knackiger Titel: «Jetset-Gotteskrieger». Verdammt, immer noch nicht voll. Dann halt in letzter Verzweiflung ein Bericht über das längst Berichtete: 20 Lastwagen durften von Ägypten aus Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen. Da aber die Kräfte der NZZaS erschöpft waren, übersetzte man einfach einen Artikel einer Freelance-Journalistin.

Aber zwei Seiten reichen nicht, wurde sich das Führungstrio schmerzlich bewusst. Also weiter im Text, Rehash über propalästinenische Demonstrationen in Berlin Neukölln. Nicht gerade neu, nicht originell, aber he, noch ein Interview mit einem Neuköllner Lehrer, und auch diese Seite ist voll.

Ab Seite 6 verspürt man vor allem die Erleichterung, dass nun der Nahe Osten abgehandelt ist. Wobei, hops, da ging doch ein Artikel fast vergessen, dann holen wir das halt auf Seite 9 nach: wie verhalten sich Schweizer Hilfswerke bezüglich Spendenaufrufen für Gaza?

Dann muss man sich zurückhalten, nicht zu psychologisieren und Rückschlüsse auf den Geisteszustand der NZZaS-Führer zu ziehen: ««Am Ende war ich leer wie ein Schlauch». Nach 14 Jahren nimmt der Nationalrat Martin Landolt Abschied von der Politik». Womit auch die Frage, was machen wir am Wahltag über die Wahlen, wenn Samstagabend schon Feierabend ist, beantwortet wäre.

Aber so eine Sonntagsausgabe zieht sich und zieht sich, zieht wie Hechtsuppe. Hechtsuppe? Genau: «Hightech statt Petri Heil. Sportfischer rüsten auf». Auch die. Ein Artikel aus dem weiten Feld von: kann man machen, muss man nicht machen. Kann man heute machen, kann man auch in einer Woche, in einem Monat machen. Aber die gute Nachricht ist: der erste Bund ist gefüllt.

Wenn das bloss nicht noch die anderen wären. «Hintergrund», wir senken mitfühlend den Mantel des Schweigens über die einleitenden Kommentare. Wie um alles in der Welt die NZZaS allerdings darauf kommt, Roger de Weck, dem Kurzzeit-VR-Präsidenten der «Republik», einen Gastkommentar zu schenken, in dem er salbadert: «Im Mittelmeer ertrinken Menschen, aber die Helfer, die sie zu retten versuchen, ernten Tadel – es sei vernünftiger, die Hilfe zu unterlassen. Was ist da los in unserer Gesellschaft?» Eine dumme Frage, die schon längst beantwortet wurde. Nur noch nicht von de Weck in der NZZaS.

Dann, wohl Höhe- und Glanzpunkt, eine Art Leiterlispiel zu den Wahlen. Prädikat: soooo originell.

Dann ein Bericht über religiöse Tendenzen in der israelischen Armee. «Die Kippa verdrängt das Berét». Eigentlich heisst die Kopfbedeckung «Mitzinefet», aber dafür müsste man sich schon ein wenig auskennen. Was nicht so die Sache von Joel Bedetti ist, der hier aber gutes Geld für seinen eingekauften Beitrag verdient haben dürfte.

Auch die Wirtschaft kommt nicht ohne eingekaufte Beiträge aus, dann darf sich Zoé Baches ein wohl letztes Mal ungebremst ihrem Hobby widmen, der Berichterstattung über den Vincenz-Skandal, auch wenn da nichts los ist. Beziehungsweise nur zu vermelden wäre, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft anhaltend keine Lust hat, den Fall von Bankgeheimnisverletzung zu verfolgen, der am Anfang der Affäre stand. Das könnte man mit einer Kurzmeldung tun – oder aber auf eine Seite aufblasen. Besonders originell dabei: das halbseitige Symbobild der Dachbepflanzung des Polizei- und Justizzentrums. Vielleicht ein indirekter Hinweis, dass auch die NZZaS sich bewusst ist, dass der Klimanwandel kommt.

Genauso ausgelutscht ist zurzeit der Skandal des Verscherbelns der Credit Suisse. Ausser, der Noch-Wirtschaftschef Guido Schätti zitiert einen, den man immer zitieren kann: den Experten für fast alles Aymo Brunetti.

Aber die Verzweiflung geht weiter: «Stalins Überfall». Wen hat denn der sowjetische Diktator nun schon wieder überfallen, der ist doch ein ganzes Weilchen tot? Ach, Polen natürlich. Die Geschichte ist schon so häufig erzählt worden, da kann man sie doch ungeniert nochmal erzählen. Gibt ja genügend Alzheimerpatienten unter den Lesern.

Besondere Erwähnung verdient aber Seite 53: «Die Energiekrise im Körper». Viel mehr würde allerdings ein Bericht über die Energiekrise im Hirn der NZZaS-Macher interessieren.

Dann macht sich Grossdenker Peer Teuwsen Gedanken über das «Zeitalter des Fanatismus». Das hat nun schon vor einigen Jahren begonnen, dazu ist von ungezählt grossen und kleinen Köpfen etwas gesagt und geschrieben worden. Aber wieso nicht ich, sagt sich Teuwsen, solange mich niemand daran hindert, den Leser zu langweilen, tu ich’s einfach.

Wer klein anfängt und klein aufhört, beginnt mit sich selbst. Mit einem eigenen Anfall, zwar nicht von Fanatismus, aber was soll’s. Hier kann  Teuwsen wenigstens damit angeben, dass er mal «Falling Down» mit Michael Douglas gesehen hat. Der Film ist gut und nicht gealtert. Aber der Text von Teuwsen, wollen wir den Kalauer draufsetzen, dass er den Filmtitel perfekt in viele Buchstaben umsetzt?

Wir beenden die Rezension mit einem stummen Schrei. «Die Summe aller Frauen, Teil 34». Nimmt das denn nie, niemals ein Ende?

 

 

 

Kleine Ereignisse – grosse Folgen

Die NZZaS wirft ihr Coverkonzept über den Haufen.

Im Sudan starben vor Kurzem mindestens 40 Menschen bei einem Luftangriff auf Dafur. Mindestens 32 Zivilisten wurden bei Artillerieangriffen der sudanesischen Armee getötet. Über 7 Millionen Menschen sind innerhalb des Sudans auf der Flucht. Insgesamt forderten dort die Konflikte bis 2019 geschätzt 400’000 Menschenleben. Die neusten Kampfhandlungen kosteten bislang bis zu 10’000 Menschen das Leben.

Warum gibt es hier nur ungefähre Zahlen, wieso ist der Leser erstaunt? Weil der Sudan – mit Verlaub – kein Schwein interessiert. Genauso wenig übrigens wie der Jemen, wo die westlichen Verbündeten Saudi-Arabien und VAE seit Jahren einen der schmutzigsten und verbrecherischsten Kriege der Neuzeit führen.

Macht das die verbrecherischen Anschläge der Hamas, die Geiselnahmen, die Mordtaten besser, entschuldigt sie gar? Ist es Whatsaboutism, also der ablenkende Verweis auf andere Untaten, um von Untaten abzulenken?

Nein, aber es illustriert die durch nichts zu rechtfertigende willkürliche Auswahl, welche Ereignisse auf der Welt gewaltige Resonanz in den Medien auslösen – und welche den Qualitätsmedien schlichtweg scheissegal sind.

Die Anzahl Opfer ist offensichtlich nicht das Kriterium für Berichterstattung; Gräueltaten, Ungerechtigkeiten, Kriegsverbrechen, das Leiden der Zivilbevölkerung offensichtlich auch nicht.

Natürlich ist es jedem Medium in der Schweiz unbenommen, Prioritäten zu setzen. Und wenn die zufällig bei allen, als wären wir hier in Nordkorea, auf Israel liegen, dann halt. Aber vielleicht sollte man dann aufhören, sich scheinheilig zu wundern, wieso in weiten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens die Fixierung der USA und Europas auf den Ukrainekrieg – und nun auf den verbrecherischen Angriff der Hamas auf Israel – als scheinheilig, eurozentristisch und heuchlerisch kritisiert wird. Und daher die meisten Länder der Welt auch nicht bei den Sanktionen gegen Russland mitmachen.

Womit zum Thema «Angriff auf Israel» hier alles gesagt wäre. Ausser vielleicht noch: «Nahost-Expertin: «Eine Eskalation ist zu befürchten»». Wie man ohne rot zu werden dem Leser einen solchen banalen Flachsinn servieren kann, unglaublich.

So nebenbei vermeldet die NZZaS, oberhalb der kleinen Meldung, dass im weit entfernten Afghanistan nach einem Erdbeben Hunderte von Toten befürchtet werden, dass sie mit Beat Balzli schon wieder einen neuen Chefredaktor hat. Die Viererbande an Spitze hatte sich schon zuvor halbiert, zwei waren abgesprungen, zwei geblieben, einer wollte gerne, der andere nicht so.

Auch dieser und jener in der Redaktion machte sich kühne, aber vergebliche Hoffnungen, auf den Chefsessel klettern zu dürfen. Aber offensichtlich hat’s gerumpelt. Denn Balzli war eigentlich für die Eroberung von Deutschland vorgesehen und bringt dafür auch die besten Voraussetzungen mit. Um die «digitale Transformation» des Titels voranzubringen eher weniger. Denn ein Digital Native ist er ganz sicher nicht, und ob er vom Internet mehr weiss, als dass es verdammt praktisch ist und man es heutzutage einfach haben muss – man weiss es nicht, befürchtet aber nein.

Also ist der Schluss wohl erlaubt, dass eigentlich jemand anders für den Chefposten vorgesehen war. Und auf der Zielgeraden strauchelte. Blöd gelaufen ist es nun auch für die NZZaS-Redaktion. Die wiegte sich nur kurz im dummen Triumphgefühl, Jonas Projer weggemobbt zu haben.

Dafür wird sie nun näher an die NZZ geflanscht. War das bei Projer noch unausgesprochen, ist’s bei Balzli offizielles Programm. Zunächst einmal wird die Wirtschaftsredaktion als wichtigster Taktgeber zusammengelegt. Pech für Guido Schätti, da braucht es dann nicht zwei Häuptlinge. Pech auch für alle Primadonnen bei der NZZaS, die wochenlange angebliche Recherchen betreiben konnten, auch der grösste Spesenritter dort wird sich zukünftig bescheiden müssen. Und das «NZZ am Sonntag Magazin» wird hoffentlich entweder eingestellt, oder wieder lesbar gemacht. Mit dem Interview mit einer mediengeilen Prostituierten hat es sicherlich dazu beigetragen …

Aber zurück zum Blatt. Klimapolitik ist immer ein Thema, Ukraine bleibt immer ein Thema, russische Spione in der Schweiz ist auch immer ein Thema, Polemik gegen allzu viele Vorschriften beim Essen auch. Aber kein Artikel über die Gefahren, beim Gähnen eine Kiefersperre zu bekommen oder beim hastigen Umblättern die Hand zu verrenken.

Aber dann wird es wieder saukomisch, denn Aline Wanner führt das grosse Wort in der Medienkolumne. Unter dem provokativen Titel «Wer hätte das gedacht?» macht sie sich über die Unsitte lustig, Experten Flachheiten sagen zu lassen. Dafür verwendet sie Beispiele aus Tamedia und SRF. Soweit richtig. Aber wenn sie sich die eigenen Blätter vorgenommen hätte – oder sie mindestens erwähnt – dann röche die Kolumne entschieden weniger streng nach Konzernjournalismus. Denn Kritik am Konkurrenten ist wohlfeil; Kritik am eigen Haus, das bräuchte Zivilcourage.

Aber immerhin, man soll doch auch loben, «Das einsamste Volk der Welt», die leidensvolle Gesichte der Armenier, hebt sich wohltuend aus dem Brei der Betroffenheitsheuchelei über die Vorgänge in Karabach hervor. Sonst haben die Armenier wieder einmal richtig Pech. Ukrainekrieg und nun auch Israel, man kann ja nicht an alles denken.

Ein Bijou ist auch der Nachruf auf den Pfarrer Uwe Holmer, der nach dem Mauerfall den ehemaligen, schwerkranken Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und dessen Frau bei sich aufnahm, als der nach einem Spitalaufenthalt nicht wusste, wo er unterkommen konnte.

Das hier ist zwar ein Inserat, aber selten wurde politische Korrektheit so konsequent ins Bild gesetzt:

Das nennt man eine Randgruppe ansprechen und die eigentliche Zielgruppe aussen vor lassen.

Und die Wirtschaft, welcher Schwanengesang ertönt?

Hm, sehr nutzwertorientiert, muss man sagen. Den Leser dort abholen, wo er als Hausmann steht. Ach so, drüber steht «Sponsored Content für Schulthess». Ist aber mit Abstand der interessanteste Artikel.

Und sonst? Da muss man Shakespeare missbrauchen: Der Rest ist Schweigen.

Und das ist sehr nett von ZACKBUM, denn es umfasst auch das «Magazin» der NZZaS.

Wir wollten eigentlich hier eine Doppelrezension leisten (Leistung muss sich wieder lohnen, siehe Bettelbox oben). Aber manchmal ist das Medium stärker als ZACKBUM.

Denn die SoZ lockte mit diesen beiden Anrissen: «Wenn Ihr Hund zum Psychiater muss» und «Warum sind die Löcher im Emmentaler-Käse so gross». Da wir kein Hund sind, nicht zum Psychiater wollen und uns die Frage der Löcher im Käse schon von Kurt Tucholsky restlos beantwortet wurde, haben wir verzichtet.

ZACKBUM setzt damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Kim (nein, der andere Kim, der mit Horizont und Arschbacken), über dessen Verbleib nun schon seit Monaten angeblich aus Persönlichkeitsschutzgründen nichts bekannt ist. Wir fragen das Unsagbare: ist dieser Kim, der sich schon mal das Haupthaar rasierte, beim anderen Kim, der auch Frisurprobleme hat?

Welches ist der echte Kim?

Wir wollen beide Kims! Nein, zugegeben, das ist rabenschwarz gelogen.