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Knüppeldick

Verpasst die NZZ der «Republik» den Todesstoss?

Es rächt sich, dass die «Republik» so arrogant wie hochnäsig über alle und alles hergezogen ist, geradezu reflexartig «Sexismus» krähte, bei anderen Medienhäusern gleich «strukturelle Probleme» sah.

«‹Damit sie nicht sagen können: Herrgott, wenn wir das gewusst hätten!›» So lautete der Zitat-Titel einer vernichtenden Darstellung der Affäre Roshani aus Sicht des angeblichen weiblichen Opfers in der «Republik». Nicht nur, dass sich die «Republik» hier mal wieder vergaloppierte, weil ihr Gesinnungsjournalismus die Sicht auf die Wirklichkeit vernebelte. Das Organ der guten Denkungsart behauptete zudem, bei Tamedia würden «Hilferufe» aus der Belegschaft ignoriert, die Führungsetage maure.

Das alles kommt nun wie ein Bumerang zurückgeflogen. Denn auch die Führungsetage der «Republik» will nichts von nichts gewusst haben, das Gleiche behauptet auch die WoZ. Das sind Schutzbehauptungen, die sich noch rächen werden. Sie wurden gerade in einem länglichen Artikel in der NZZ weiter demontiert. Wobei man wieder mal sagen muss: so sehr, wie sich Journalisten für Journalisten interessieren, das ist schon obsessiv und wird von den Lesern nicht goutiert. Ausser hier, aber wir sind ja auch ein Medienorgan für Medienschaffende.

Sollte man exemplifizieren, wie die Revolution ihre Kinder frisst, hier wäre das Paradebeispiel. Auch bei Tamedia, aber vor allem in der WoZ und in der «Republik» wurde ein geradezu mittelalterlich-puritanischer Umgang mit angeblichen verbalen sexuellen Übergriffen gepredigt. Lächerliche Listen von anonymen, nicht verorteten, angeblichen verbalen Übergriffigkeiten wurden ehrfürchtig zitiert, als bare Münze genommen, als Beleg dafür, wie abgründig sexistisch, frauenverachtend, demotivierend es bei anderen Redaktionen zuginge. Aber nicht in der eigenen.

Dort fehle eben die Sensibilität für solche Themen, würde man diese Unterdrückungsmechanismen von Frauen nicht konsequent genug angehen, donnerte die «Republik» vom hohen Ross.

All dieses Gequatsche fällt nun der «Republik» auf die Füsse; die WoZ kann sich zurzeit im Windschatten dahinter verstecken und über einen angeblichen Rechtsrutsch in den Schweizer Medien perseverieren, weil das Thema Sexismus in den Medien zurzeit nicht wirklich sexy ist.

Die bislang bekannt gewordenen Vorwürfe sind zwar unappetitlich, aber letztlich lachhaft. Da soll ein bekokster und/oder besoffener linker Starreporter, der sich irgendwie für eine Kreuzung zwischen Hunter S. Thompson und Charles Bukowski hielt, derbe Anspielungen über den Zustand seines Gemächts gemacht und typischen Männerfantasien freien Lauf gelassen haben. Die davon betroffenen Frauen sollen so eingeschüchtert, schockiert, traumatisiert gewesen sein, dass sie Jahre brauchten, um sich endlich gemeinsam zur Wehr zu setzen.

Zudem steht ein Vorwurf eines «massiven sexuellen Übergriffs» im Raum, wobei auch der nicht genauer beschrieben ist. Chatprotokolle und Screenshot scheinen vorzuliegen, der Rest ist mal wieder «er sagt, sie sagt». Aber diesmal ist es anders.

Es hat zwei Organe getroffen, die sich als Gralshüter der modernen, genderkorrekten, inkludierenden, Frauen achtenden Weltsicht sahen, somit ausgerüstet mit unbezweifelbarer moralischer Überlegenheit, die den Organen das Recht gab, über alle anderen abzuledern und herzufallen, die sich nicht so tugendhaft, korrekt, anständig und alle modernen Benimmregeln befolgend benahmen wie «Republik» und WoZ.

Und nun das. Alles drin. Jahrelanges einschlägiges Verhalten. Natürlich haben es alle gewusst, das kann in den klatschsüchtigen Redaktionen gar nicht anders sein.

Nun hätte die «Republik» ein Beispiel setzen können, wie man mit einer solchen Affäre korrekt umgeht. Aber bislang hat sie’s vom Gröbsten versemmelt. Der Betroffene wurde mal kurz vorverurteilt und freigestellt. Vorangegangen war ein wochenlanges Nichtstun, das angeblich von aussen auferlegt worden war. Nur scheibchenweise wird eingestanden, dass vielleicht, unter Umständen doch der eine oder andere etwas gehört, vermutet, mitbekommen haben könnte.

Da macht ein Reporter über Jahre hinweg Redaktionskolleginnen mit derben Sprüchen an – und niemand wusste was? Das ist so lachhaft, wie wenn Tom Kummer behaupten würde, er hätte eine sich nur an der Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit orientierende Reportage geschrieben.

Das Problem ist: dass ein solches Verhalten auch in den anständigsten Organen vorkommt, wer wollte da den Stab brechen. Aber wie damit umgegangen wird, wenn es an die Öffentlichkeit kommt, das ist der Lackmustest. Wenn grün bedeutet, dass alles gut ist, rötlich, dass es schlecht ist, dann ergibt die Messung bei «Republik» und WoZ die Farbe Dunkelrot.

Wumms: Alexander Kissler

Es gibt auch Lichtblicke im Elendsjournalismus.

Der NZZ-Redaktor Alexander Kissler gehört dazu. Während die WoZ sauer wäffelt, die NZZ würde sich der AfD andienen, ist ihr Erfolg in Deutschland mehr der Tatsache geschuldet, dass sie sich immer mehr als Stimme der Vernunft etabliert. Was man von der «Süddeutschen Zeitung» nicht wirklich sagen kann.

Kissler zieht gleich am Anfang blank: «Wer zur Jagd bläst, sollte nicht nur über einen Kompass verfügen, sondern auch über die richtige Munition.» Was motiviert ihn zu diesem kriegerischen Vergleich? «Das Münchner Blatt wollte am Freitag den stellvertretenden bayrischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger als notorischen Rechtsradikalen entlarven. Nach Lage der Dinge ist der Versuch einer politischen Hinrichtung gescheitert.»

Unternommen wurde er von einer fünfköpfige Crew, die dem Politiker vorwerfen wollte, er solle vor 35 Jahren (!) als Schüler eine «Hetzschrift» mit «antisemitischen Fantasien» verfasst haben. Würde das zutreffen, wäre er in Deutschland, selbst in Bayern, erledigt. Nur: das Pamphlet der SZ «markiert eine Bankrotterklärung, was handwerkliche, presserechtliche und medienethische Grundsätze betrifft».

Hoppla. Kissler beschreibt hier etwas, was auch in der Schweiz inzwischen ein immer grösseres Problem darstellt: «Es wäre die Aufgabe der Chefredaktion gewesen, einen solchen publizistischen Offenbarungseid zu verhindern. Gerade die Monstrosität der Vorwürfe verlangt nach einer Berichterstattung, die nicht eigene Abneigungen ausbreitet, sondern belastbare Fakten zusammenträgt.»

Auch das kommt einem in den Mainstreammedien mehr als bekannt vor: «Relativierende Formulierungen – «wenn das alles stimmt», «es wäre ungeheuerlich» – ändern nichts an der perfiden Grundmelodie.» Gesinnungsjournalismus übersteuert die eigentliche Aufgabe eines Newsorgans. Berichten, was sich in der Wirklichkeit abspielt, das mit Fakten untermauern, anschliessend und getrennt davon analysieren, einordnen, kommentieren.

Auch der letzte Satz müsste vielen Schweizer Journalisten, von Surber abwärts (und aufwärts) zu denken geben; dieses Machwerk der SZ zeige, «in welchen Abgründen ein Journalismus landen kann, der sich von der eigenen Weltanschauung die Sinne benebeln lässt».

Nun übernimmt Tamedia nicht nur eine Unzahl von Artikeln aus der SZ, sondern leider auch genau diese Geisteshaltung. Ein solcher Journalismus schaufelt sich das eigene Grab, denn die Gesinnungsblase, die davon angesprochen wird, ist nie gross genug, um wirtschaftlich eine tragbare Basis zu bilden. Wer’s nicht glaubt, sollte mal die «Republik» fragen.

Kriegsgeschrei aus der NZZ

Ein weiterer Sandkastengeneral sändelet und zündelt.

Normalerweise beherrscht Eric Gujer den «anderen Blick» der NZZ, mit dem sie sich an ihre reichsdeutschen Leser wendet. Nicht zuletzt damit hat sich das Blatt von der Falkenstrasse in Zürich in Deutschland einen Namen gemacht. Denn Gujers Blick ist meist gnadenlos, er führt eine scharfe Klinge und kann – für einen Schweizer – elegant formulieren.

Aber auch God Almighty muss mal ruhen, dann dürfen andere ran. Da fängt dann der «andere Blick» schwer an zu schielen. Daran schuld ist Marco Seliger. Der deutsche Journalist arbeitet für die deutsche Redaktion der NZZ. Zuvor war er Chefredaktor von «Loyal», der Zeitschrift des deutschen Reservistenverbands, 2020 wurde er Leiter Kommunikation und Pressesprecher der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch. Man kann ihn vielleicht als nicht ganz unbelastet bezeichnen.

In diesem Sinn legt er gleich offensiv los: «Die Ukraine braucht dringend weit reichende Präzisionswaffen», weiss Seliger. Da trifft es sich gut, dass «in der deutschen Armee nicht alles schlecht» sei. Zum Beispiel der «hochmoderne Marschflugkörper Taurus», der gehöre «zu den besten Lenkflugkörpern der Welt». Wunderbar, wenn den Hitlers Armee schon gehabt hätte, wäre die Panzerschlacht bei Kursk vielleicht anders ausgegangen.

Aber es gibt natürlich auch heute Wehrkraftzersetzer und Defätisten, die Seliger scharf zurechtweisen muss: «Mitunter mutet die deutsche Verteidigungspolitik grotesk an.» Kein Wehrwille mehr, keine Angriffslust, nix «Germans to the front», keine Rede von «Marschflugkörper müssen fliegen bis zum Sieg». Stattdessen «gerierten sich ganze Kohorten von Politikern und Wissenschaftlern als Panzerexperten» und diskutierten Für und Wider einer Lieferung von Leopard 2. Kein Wunder: «Russlands Präsident Putin dürfte sich damals schlapp gelacht haben

Das mag stimmen, dass Putin darüber lacht, dass in Deutschland doch noch so etwas wie ein Rechtsstaat mit restriktiven Waffenausfuhrgesetzen existiert. Über die sich eine Kriegsgurgel wie der Reserveoffizier Seliger natürlich kaltlächelnd hinwegsetzen würde. Aber während sich Merkel immerhin sichtbar wegguckte, sei Bundeskanzler Scholz «in der Taurus-Frage schlicht nicht präsent». Typisch, haben Sie überhaupt gedient? Antwort: nein, Scholz hat verweigert und Zivildienst geleistet. Aha, Drückeberger.

Es gebe Bedenken, dass die Ukraine solche Distanzwaffen auch auf russischem Gebiet einsetzen könnte? Papperlapapp: «Das Argument, westliche Marschflugkörper würden den Krieg eskalieren, zieht daher nicht. Sie befinden sich bereits im Einsatz.» Aber die sind natürlich nicht so gut wie echte deutsche Wertarbeit: «Der britische Storm Shadow und der französische Scalp sind nur bedingt geeignet, einen Brückenpfeiler zum Einbrechen zu bringen. Taurus aber, so heisst es unter deutschen Militärfachleuten, kann das.» Oder: «wir schaffen das», wie Merkel gesagt hätte.

Also her damit, keine Weichheiten, was muss, das muss: «Eine deutsche Politik, die Sinn für das Wesentliche hat, würde den Taurus deshalb jetzt freigeben.» Aber leider, leider ist es mal wieder so: die deutsche Politik interessiert es einen feuchten Kehricht, was Seliger für den Sinn fürs Wesentliche hält. Glücklicherweise, denn das ist Unsinn. Während es sich beim Taurus offenbar um eine deutsche Präzisionswaffe handelt, ist Seliger ein Unguided Missile.

 

Wumms: Marc Brupbacher

Tamedia als Bedürfnisanstalt. Alles ist erlaubt.

Brupbacher ist eigentlich «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv, Redaktion Tamedia». Dass er in seiner Kernkompetenz schwächelt, hat er auch schon unter Beweis gestellt. Korrekter Vergleich von zwei banalen Daten – Totalausfall.

Dass er stattdessen eine Karriere als hysterische Corona-Kreische hingelegt hat (Bundesrat «total übergeschnappt»), das ist auch bekannt. Dass er schon mal Stimmbürger beschimpft, die nicht in seinem Sinne ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, geschenkt.

Man fragt sich allerdings, wann der Mann eigentlich mal seiner bezahlten Arbeit nachgeht. Denn er twittert (besser «xt») weiterhin wie ein Weltmeister über Themen, von denen er nix versteht und die den Leser null interessieren:

Wie seine streng wissenschaftliche Datenanalyse ergeben haben soll, «verharmlost und ignoriert» die NZZ «das Virus weitgehend». Aber glücklicherweise gebe es die FAZ, die «solide Aufklärungsarbeit» leiste.

Abgesehen davon, dass das mal wieder hysterischer Unsinn ist: was interessiert den Leser von Tamedia, was die deutsche FAZ im Vergleich zur NZZ besser oder schlechter macht? Und seit wann sind drei herausgegriffene Artikel in irgend einer Form signifikant? Woher nimmt Brupbacher die Autorität, die NZZ dermassen einzutopfen? Wie steht es eigentlich mit der «soliden Aufklärungsarbeit» von Tamedia? Was leistet Brupbacher dort?

Es ist unglaublich, dass im allgemeinen Sparwahn im Journalismus so eine «Co-Leitung», die sich um ziemlich alles – vor allem um Corona – kümmert, weiterhin durchgefüttert wird. Abgesehen davon, dass er in keiner Weise dem Genderwahn von Tamedia genügt. Das Team «Daten & Interaktiv» besteht ausschliesslich aus neun Pimmelträgern. Also mindestens einer, wenn nicht zwei, müssten sich dringend umoperieren lassen, ihre non-binäre Seite entdecken, einen weiblichen Vornamen im Pass eintragen lassen. Denn wo bleibt hier der Frauenanteil von mindestens 40 Prozent? Ja, bitte? Wieso sind beide Co-Leiter Männer? Hä?

Aber eben, statt sich um solch wichtige Dinge zu kümmern, verplempert Brupbacher seine Zeit mit Pipifax. Mit unmaskiertem Mumpitz.

 

Heiss! Endlich!

Bislang war es nur bei SRF Meteo richtig heiss. Nun aber auch in der Schweiz.

Es war zum Mäusemelken. Eines der Lieblingsthemen der Weltverbesserer fand nur im südlichen Ausland statt. Die Hitze, der Klimawandel, die Erderwärmung, das Ende der Welt.

Die Schweiz dagegen war mal wieder die Insel der Seligen. Regen, Kälte, ein richtiges Scheisswetter. Da machte alles Unken keinen richtigen Spass mehr. Nachdem der Redaktor seinen Dienst an der Klimarettung vollbracht hatte, spannte er den Regenschirm auf und verzog sich ins Innere seiner Stammkneipe, um mit dem einen oder anderen Bierchen seien Frust runterzuspülen.

Selbst die Klimakleber kapitulierten vor dem Huddelwetter und stellten ihre Aktionen teilweise ein. Oder vielleicht waren sie auch, dem Beispiel ihres Sprechers folgend, in fernen Landen in den Ferien. Oder auf Kreuzfahrt.

Aber die Durststrecke ist zu Ende, Tamedia macht gleich ein Fass, bzw. eine Rubrik auf:

Es ist eine vergängliche Rubrik, denn in zehn Tagen ist der August schon Vergangenheit. Aber davon will man sich doch nicht die Panik verderben lassen.

Allerdings scheinen hier ein paar subversive Klimaleugner am Gerät zu sein. «Wie Sie trotz Affenhitze gut schlafen können», ein Ratgeber. Statt anklagend und aufrüttelnd dazu aufzufordern, schwitzend und schlaflos zu protestieren und zu demonstrieren. Und dann das: «Vom Jammeri zur Instant-Südländerin – das sind die Schweizer Hitzetypen». Ausgerechnet Philipp Zweifel und die offenbar lebend von ihrer klimaschädlichen Kreuzfahrt zurückgekehrte Aleksandra Hiltmann versuchen sich an einer lustigen Typologie.

Wobei man sich allerdings fragt, ob Hiltmann geklont ist oder in Wirklichkeit ein Chatbot. Denn hier ist sie «Redaktorin für das Ressort Social Media». Gestern war sie noch «Gesellschaftsredaktorin» des «Blick». Und morgen? Vielleicht tritt sie noch einen Drittjob bei der NZZ an, wer weiss.

Nicht von Hiltmann ist dieser Warnartikel im «Blick», ebenfalls mit hohem Nutzwert. Denn wo gekreischt werden kann, ist das Organ immer dabei:

Doppelt gemoppelt hält besser, sagt sich das Lieblingsblatt für anspruchsvoller Leser «watson»:

Richtig abstrakt wissenschaftlich wird es hingegen bei «20 Minuten», man macht sich Sorgen, ob der Blattmacher unter Hitzschlag leidet:

Achtung, der schwarze Pfeil deutet irgendwie auf die Nullgradgrenze. Oder so.

Natürlich darf auch surf.ch, Pardon, srf.ch,  im Umzug nicht fehlen:

Hin und hergerissen hingegen ist die NZZ. Auch sie ist der Hitze erlegen und macht die Rubrik «Alles zur Hitze» auf. Dort schwankt sie zwischen ordnungspolitischen Zwischenrufen und Sauglattismus:

Und CH Media? Auch die heizen dem Leser etwas ein, allerdings sehr lokal:

Aber das alles sind doch eher untaugliche Versuche, das Thema Rekordhitze wachzuküssen. Was hier fehlt, völlig klar, ist ein Eingreifen von Tamedia.

ZACKBUM hilft schon mal mit dem Wording zum Anpreisen (das ist viel billiger als Wirz): «Informationsvorsprung für Leader … neue und exklusive Artikel … relevante Infos … kompetente, relevante, hochwertige journalistische Inhalte … viel Nutzwert …»

Richtig geraten, was hier fehlt ist der «WetterMonitor» für läppische 200 Franken im Monat. Muss man denn alle guten Ideen selber haben?

Hi, Hi, Hitler

Immer für eine Doublette gut.

Vor hundert Jahren, also 1923, reiste Adolf Hitler durch die Schweiz; in erster Linie, um Geld einzusammeln.Das war im August, und wenn Journalisten auf etwas wie Pavlowsche Hunde reagieren, dann sind es runde Jahrestage. Und 100 ist sehr rund.

Ausserdem ist bekanntlich Sommerloch. Also hat der «Tages-Anzeiger» eine historische Idee:

Das Werk von Andreas Tobler, Sandro Benini und Sebastian Broschinski (das ist ein «Interactive Storytelling Developer») ist 12’000 Anschläge lang, bebildert und erzählt den Kurzaufenthalt von Hitler in der Schweiz.

Zufälle gibt’s. Auch die NZZ klatscht die üppig bebilderte Story von Hitlers Kurzaufenthalt in der Schweiz zuoberst auf die Homepage. Sie braucht dafür nur einen Autor; Marc Tribelhorn.

Aber im Gegensatz zu den Hobbyhistorikern bei Tamedia führt Tribelhorn die Geschichte über Hitlers missglückten Putschversuch in München von 1923 fort. Denn damals titelten deutsche Zeitungen: «Der Hitlerputsch von der Schweiz bezahlt». Zumindest gab es logischerweise eine zeitliche Koinzidenz.

Was die kurzatmigen Historiker von Tamedia auch tunlichst zu erwähnen vergessen, reibt dem Blatt die NZZ genüsslich unter die Nase:

«Erinnert sei auch an den «Tages-Anzeiger», auf dessen Titelseite Hitler im Dezember 1931 einen Meinungsartikel publizieren konnte: «Was wollen wir Nationalsozialisten?». Der Putsch, der Faschismus, der Antisemitismus – grosszügig ausgeblendet.»

Das wird dort auch heute noch grosszügig ausgeblendet. Auf 33’000 Anschlägen geht’s dann in der NZZ weiter zur Reise des ehemaligen freisinnigen Bundesrats Edmund Schulthess nach Berlin, wo er nach einer Audienz beim Führer sehr angetan von ihm ist: «Ich glaube, sagen zu dürfen, dass Hitler aufrichtig den Frieden will und alles vermeiden wird, was ihn stören könnte

Schliesslich der amateurhafte Attentatsversuch von Maurice Bavaud, der von der Schweizer Botschaft in Berlin völlig im Stich gelassen und im Mai 1941 geköpft wurde. Dass Niklaus Meienberg als Erster an dessen Schicksal erinnerte, das wiederum erwähnt die NZZ nicht.

Dann schliesslich nochmal die Angriffspläne Hitlers auf die Schweiz, der vom Hauptmann Otto Wilhelm von Menges ausgearbeitet – aber niemals umgesetzt wurden. Schliesslich geistern noch nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Gerüchte durch die Schweiz, dass der Führer gar nicht umgekommen, sondern sich hierher geflüchtet habe. In der Akte «Adolf»Hitler», die das Kriminalkommisariat III in Zürich angelegt habe, wurde ganz am Schluss ein Kreuz neben «Hitler, Adolf» gesetzt. Im Mai 1963.

So endet die NZZ. Kurzatmiger verweilt der «Tages-Anzeiger» am Schluss auf den unterschiedlichen Angaben, wie viel Geld Hitler seine Betteltour in der Schweiz eingebracht habe. Von 123’000 Franken sie damals die Rede gewesen, andere gehen von lediglich 11’000 Franken aus; grösstenteils von Deutschen in der Schweiz und ein paar Schweizer Antisemiten.

Es ist belustigend, dass die beiden Tageszeitungen am gleichen Tag die gleiche Idee publizieren. Beide Autoren habe ja einschlägige Erfahrungen, sie produzierten schon die Doublette der alternativen Geschichtsschreibung zum 1. August. Weniger lustig ist’s dann für den «Tages-Anzeiger», der im Nahvergleich mal wieder ganz klar auf dem letzten Platz landet. Abgeschlagen und zweifellos in einer tieferen Liga spielend.

Ganz schön geheuchelt

Runzeln die USA die Stirn, zucken Schweizer Medien zusammen.

Das Framing ist gesetzt. Allenthalben kann man in den Gazetten – von der NZZ über CH Media, Tamedia bis «Blick» – lesen, dass die USA (und auch die EU) ziemlich angepisst seien, dass die Schweiz angeblich die Sanktionen nicht richtig umsetze. Nicht energisch genug nach Oligarchengeldern suche.

Meckerbrief, geschrieben von den USA, unterzeichnet von Frankreich, Italien, Grossbritannien und Japan. Öffentliche Schimpftirade des US-Botschafters in der Schweiz, die eigentlich seine sofortige Ausweisung wegen Einmischung in innere Angelegenheiten hätte nach sich ziehen müssen. Dann diese «Helsinki-Kommission», ein selbsternannter und selbstherrlicher Club von Hinterwäldler-Parlamentarieren, die sicher nicht Sweden und Switzerland voneinander unterscheiden können.

Also warnen und mahnen die Medien. Dürfe man ja nicht auf die leichte Schulter nehmen, das sei auch schon bei den nachrichtenlosen Vermögen und dem Bankgeheimnis in die Hose gegangen. Und überhaupt, wieso sind eigentlich erst 7,5 Milliarden von vermuteten 200 Milliarden «Russengeldern» in der Schweiz beschlagnahmt? Da geht doch noch was.

Dass die Schweiz unter Ritzung der Neutralität brav alle EU-Sanktionen ungeprüft übernimmt (und viel konsequenter umsetzt als mancher EU-Staat), was soll’s. Dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist und sich vor allem bei Übergriffen aufs Eigentum ganz vorsichtig bewegen muss, na und.

Was all die Schaumschläger in den Medien, die mal wieder der US-Propaganda auf den Leim kriechen, völlig übersehen: Wirtschaftspolitik ist Machtpolitik. Machtpolitik ist die Verteidigung der eigenen Interessen.

Vom sogenannten Steuerstreit, geführt im Namen des Kampfes gegen reiche, steuerhinterziehende Schweinebacken, hat nur ein Staat richtig profitiert: die USA. Sie sind das Steuerhinterzieherparadies der Welt, sie betreiben die grössten Waschmaschinen für schmutziges Drogengeld, für kriminelle Profite aller Art. Sie haben der Welt ihre Datenkrake FATCA aufgezwungen, mit dem «Big Stick» Dollar, sie selbst pfeifen auf den Automatischen Informationsaustausch der übrigen Staaten.

Und sie haben Milliardenbussen von den ungeschickt agierenden Schweizer Banken kassiert, die vom Bundesrat im Stich gelassen wurden, der die Rechtssouveränität der Schweiz nicht gegen diesen imperialistischen Angriff verteidigte. Am Schluss galten US-Gesetze in der Schweiz, sitzen bis zum unseligen Ende eine Horde von US-Anwälten in der Credit Suisse (auf deren Kosten, selbstverständlich), die die Einhaltung von US-Gesetzen in der Schweiz kontrollieren.

Und nun die Sanktionen. Wie dumm muss man sein, um die wirtschaftsimperialistischen Absichten der USA nicht zu durchschauen? Dabei ist es noch viel schlimmer. Wie die «Handelszeitung» in einem wohldokumentierten Artikel aufzeigt, halten sich die USA und die EU nicht mal an die eigenen Sanktionen – wenn es die Eigeninteressen gebieten.

Sechs Beispiele zählt Stefan Barmettler auf, eines schlimmer als das andere. «Wie die USA und die EU Sanktionen untergraben» ist frei im Internet einsehbar – und sollte Pflichtlektüre für all die Sanktions-Besoffenen werden, die die Schweiz unablässig zu strengeren Übergriffen auf fremdes Eigentum auffordern.

Aber: Tesla braucht Aluminium? Na, das verschwindet der russische Hersteller Rusal doch von der Sanktionsliste. Auf die er sowieso aus dubiosen Gründen (das OFAC sanktionierte wegen «malign activities», «bösartigem Verhalten») gekommen war.

General Electric will weiter in Russland Extraprofite einfahren? Ausnahmebewilligung vom OFAC. Grossbritannien sanktioniert reiche Russen unerbittlich, ausser die, die eine «Sonderlizenz» erhalten. Belgien will weiter mit russischen Rohdiamanten handeln, Italien lässt einen Oligarchensohn springen, Griechenland schützt seine Tankerflotte, die flott weiter russisches Erdöl transportiert.

Sicher, wieso wir, die doch auch, das ist nur ein beschränkt gültiges Argument. Was aber all die Sanktions-Winsler kapieren sollten: hier geht es nicht um die Verteidigung westlicher Werte, der Demokratie und abendländischer Zivilisation gegen wilde Horden aus dem Osten.

Hier geht es um Weltpolitik, Machtpolitik, Militärpolitik, Wirtschaftspolitik, Eigeninteressen. Und scheiss auf Moral. Selber schuld, wer dran glaubt. Selber Trottel, wer billigster Propaganda auf den Leim kriecht.

Wumms: Marc Brupbacher

Der Mann kann nicht mal logisch Daten interpretieren.

Brupbacher ist «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv bei Tamedia». Während der Pandemie (mit Restausläufern bis heute) verwandelte er sich in eine hysterische Alarm-Kreische und beschimpfte unflätig alle (der Bundesrat sei «völlig übergeschnappt»), die nicht seiner Meinung waren.

Aber das war vielleicht Ausdruck eines etwas unausgeglichenen Psychohaushalts. Befremdlich bei einem Mann mit seiner Position, aber wenn’s der Angsttriebabfuhr gedient hat …

Nun aber tut er was, was wirklich ernsthafte und seriöse Zweifel an seiner Eignung für seinen Posten erweckt:

Der Co-Ressortleiter Daten des einflussreichsten Medienkonzerns der Schweiz hat keine Ahnung, wie man Daten richtig interpretiert. Das ist erschreckender als die neuste Mutation des Corona-Virus.

Er vergleicht den Abopreis der NZZ von knapp 1000 Franken (dabei hat er noch «NZZ Premium» vergessen, das wären dann 1896 Franken im Jahr) mit der Forderung, dass für die SRG 200 Franken pro Jahr genug seien.

Dabei sei das SRG-Angebot schon mal «mehrsprachig». Dass es die NZZ auch auf Englisch gibt, ist dem Datenhirsch entgangen.

Aber das sind alles Peanuts. Er will ernsthaft einen freiwilligen Abobetrag, den nur diejenigen zahlen, die die NZZ in allen Erscheinungsformen lesen wollen, mit einer Zwangsgebührenabgabe vergleichen, die jeder Schweizer Haushalt abzuliefern hat – unabhängig davon, ob er auch nur ein einziges Angebot der SRG konsumiert oder nicht. Dank Internet-TV kann sogar niemand mehr seine Abstinenz durch Plombieren von Kabel-TV oder so beweisen.

Das ist nun ein so gravierender Anfängerfehler bei der Interpretation von banalen Daten, dass eigentlich ein «Co-Leiter Daten» wegen erwiesener Inkompetenz fristlos entlassen werden müsste. Denn wer Zwangsgebühren nicht von einer freiwilligen Zahlung unterscheiden kann, müsste nochmal die Schulbank drücken. Lange. Sehr lange.

Oder aber, Jacqueline Badran orientiert sich um und empfiehlt nicht der Autorin des NZZ-Artikels («beim Psychiater ihren Komplex behandeln lassen»), über den sich Brupbacher so unqualifiziert erregt, sondern ihm selbst Hilfe beim Seelenklempner. Allerdings ist die SP-Saftwurzel inzwischen zu Kreuze gekrochen: «Offenbar habe ich gestern einen sehr dummen Tweet gemacht. Mir war keineswegs bewusst, dass ich andere Menschen damit beleidigen könnte. Dafür entschuldige ich mich in aller Form. Ich habe gelernt, dass ich in der Beziehung vollkommen unsensibel war. Das tut mir leid

Aber vielleicht bräuchte es wirklich ein solches Therapieangebot beim Vollpfosten Brupbacher (nein, tut ZACKBUM nicht leid). Erschwerend kommt hinzu: wir mögen Badran. Wirklich wahr. Die ist wenigstens mit Leib und Seele bei der Sache, dampft wie eine Lokomotive los und entgleist halt gelegentlich in der Kurve. Aber immer noch viel besser als die glattgeföhnten, sandgestrahlten Nonsens-Politiker, die sofort «aua» schreien, wenn sie jemand anrempelt.

Aber bei Brupbacher geht das Problem leider tiefer. Der Mann ist inkompetent. Fachlich unqualifiziert. Hat er öffentlich unter Beweis gestellt. Mal schauen, ob sich hier das unbedingte Streben nach Qualität bemerkbar macht, dem sich Oberchefredaktorin Raphaela Birrer verschrieben haben will.

Also: Birrer, übernehmen Sie. Badran: kümmern Sie sich drum!

Ach, NZZ

Das Weltblatt spielt gross auf und schwächelt.

«Nach dem Alter zu fragen, ist diskriminierend.» Dass auch die NZZ in einem Interview mit einer Psychologin so einen Schwachsinn einfach stehenlässt, ist kein Ruhmesblatt. Dass es am 10. August die «zehn wichtigsten Bücher im Juli» anpreist, könnte auch im Tagi so stehen.

Ein weiterer Tiefpunkt ist die «Videoanalyse» zum Thema «Wie der Kreml Russland belügt – und warum Russen für den Krieg sind». Man habe 46 Reden «analysiert», erklärt eine etwas hektische Moderatorin. Dann betet sie so ziemlich alle Narrative herunter, also wolle sie beweisen, dass die Kreml-Propaganda von den einseitigen und unfairen westlichen Medien der Wahrheit entspricht.

«7 Millionen ukrainische Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg» in der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft, weiss sie zum Beispiel. Aber wo seien die Nazis denn heute? Da spielt sie einen dummen Spruch eines russischen Propagandisten ein, dass man das Wiederaufkommen der Nazis in den Genen, im Blut spüre.

Dass in der Westukraine der Kriegsverbrecher und Kollaborateur und Nazi-Unterstützer Stepan Bandera in hohen Ehren gehalten wird, es blumenbekränzte Denkmäler von ihm gibt und Strassen nach ihm benannt sind, das vergisst sie zu erwähnen. Stattdessen hämt sie, dass Russland gar keine Beweise brauche, um das Vorhandensein von Nazismus in der Ukraine zu behaupten.

Das ist, mit Verlaub, ziemlich spiegelbildlich so schwachsinnig wie die Kreml-Propaganda. Wie so eine einseitige, inkompetente, oberflächliche Karikatur einer Analyse durch die Qualitätskontrolle der NZZ rutschen kann – peinlich.

Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke. So schlägt Katharina Fontana in einem Kommentar einen Pflock für die «200 Franken sind genug»-Initiative zur Gesundschrumpfung der SRG ein. «Weniger Geld würde ihr guttun», dekretiert sie, die Initianden «liegen richtig». Offensichtlich hat ihr auch der paternalistische Ton des überbezahlten und überforderten SRG-Generaldirektors Gilles Marchand den Hut gelupft.

Der durfte in einem Ringier-Gefälligkeitsinterview behaupten, die Initiative sei «eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt». Dagegen stellt Fontana: «Man muss nicht besonders kritisch sein, um sich an dieser Selbstüberschätzung der SRG und an den paternalistischen Floskeln zu stören.»

Auch der NZZ-Leser ist offenbar in erster Linie an Sex und Crime interessiert. Also zumindest an Crime, denn als «meistgelesen» wird der Artikel aufgeführt, der beschreibt, wie am K 2 Bergsteiger ungerührt an einem Sterbenden vorbeiklettern. Platz zwei: «Vier Jugendliche dröhnen sich in Zollikerberg mit Drogen und Medikamenten zu».

Aber die Auslandberichterstattung ist weiterhin um Längen besser als bei der Schweizer (also schweizerisch-deutschen) Konkurrenz. «Der Putsch in Niger bekräftigt das Scheitern der französischen Antiterror-Strategie» (und die verkrampfte Aussprache als «Nischee» das Scheitern der Sprachreiniger bei SRF).

Dann zeigt die NZZ auch, wieso sie in Deutschland zu einer ernsthaften Konkurrenz für die FAZ geworden ist. «Ach, die armen Clans – wie linke Populisten dem Staat die Zähne ziehen», ein deutlicher und nötiger Kommentar, wie schwach und hilflos die linke Politik auf die Tatsache reagiert, dass kriminelle Clans von Menschen mit Migrationshintergrund in immer mehr Stadtquartieren in Deutschland die Macht übernehmen.

Ein Erinnerung an den Massenmörder Rios Montt, einer der grausamsten Diktatoren Guatemalas, eine Erinnerung an die grosse Fotografin Lee Miller, die sich von der Geliebten und Muse Man Rays zu einer der bedeutendsten Friedens- und Kriegsfotografen weiterentwickelte. Nicht nur ihre Fotografien sind zeitlos; Autor Daniel Haas nimmt eine Ausstellung in Hamburg zum Anlass, einen Feuilleton-Text zu schreiben, von dem der Tagi-Kulturteil nur träumen kann.

Apropos, was Linus Reichlin «aus dem Leben italienischer Schosshunde» gemacht hat, ist eine Seite Feuilleton, die sich vor den grossen Vorbildern in den 30er-Jahren nicht zu verstecken braucht. Unterhaltsam, intelligent, witzig, sprühend, das ist ein Niveau wie von einem anderen Stern, wenn man es mit allem vergleicht, was sonst so in der Schweiz publiziert wird.

Also ist man manchmal verstimmt, manchmal begeistert von der NZZ. Ein Effekt, der sich bei den anderen Organen unter Beobachtung nur teilweise einstellt.

Relotius Reloaded

Beim Fall Fabian Wolff führten die gleichen Mechanismen zum Desaster.

Die Geschichte in Kurz: Der Feuilletonist und gern gesehene Gast bei «Zeit», «Süddeutsche», «Tagesspiegel» oder «Spiegel» Fabian Wolff ist nicht der, für den er sich ausgab. Nämlich als Jude.

Das ist in Deutschland bis heute ein ganz heikles Gebiet. Vor allem, da Wolff sich unter Berufung auf sein Judentum als israelkritischer («Apartheitsystem») und den Aktivitäten der antiisraelischen BDS-Kampagne sympathisierend gegenüberstehender Jude ausgab. Wer ihn dafür kritisierte, war natürlich «rassistisch» oder «rechts».

Er selbst als Jude könne dagegen per Definition kein Antisemit sein. So seine Erzählung. Bis er selbst einräumte, dass er kein Jude sei; eine beiläufige Bemerkung seiner Mutter habe ihn mit 18 annehmen lassen, einer jüdischen Familie zu entstammen.

Nun wird’s nochmal sehr deutsch: dieses Eingeständnis darf er in einem 70’000 Anschläge langen Text in der «Zeit» machen. Wobei Eingeständnis fast übertrieben ist, es ist ein sich windendes Geschwurbel.

Daraufhin wird’s richtig deutsch. Alle Redaktionen, die auf seine Verkleidung als Kostüm-Jude reingefallen sind, winden sich nun auch. Wie mit seinen in den letzten zehn Jahren veröffentlichten Texten umgehen? Wie mit Wolff umgehen? Ist da zuhanden der Leserschaft eine Entschuldigung fällig? Wenn schon nicht vom Hochstapler selbst, dann von den Redaktionen, die es mal wieder an Hintergrund- und Faktencheck missen liessen?

Oder ist das ein unfairer Vorwurf? Nein, denn eine ehemalige Lebensgefährtin von Wolff war schon vor Jahren auf Ungereimtheiten und Widersprüche in seinen biographischen Angaben gestossen. Nach dem Ende der Beziehung wandte sie sich an diverse Journalisten und Redaktionen. Ohne Reaktion.

Nun tun natürlich alle Verantwortlichen in den Medienhäusern so, als hätten sie nichts davon gewusst, als seien sie wenn schon selbst Opfer, keinesfalls verantwortlich für diesen neuerlichen Skandal. Aber die NZZ schreibt dagegen ganz richtig: «Die Medien wurden nicht getäuscht, sondern haben sich täuschen lassen.» Nur ein in dieser Beziehung unbelastetes Schweizer Organ kann dann den Finger auf die Wunde legen:

«Das grosse Vertrauen und die Nibelungentreue deutscher Medien zum Autor Wolff erklärt sich auch dadurch, dass er mit seinen Gedanken und Texten letztlich antijüdische Ressentiments bedient hat, die in Teilen des deutschen Bürgertums weit verbreitet sind

Womit wir bei der Parallele zum Fall Relotius angelangt wären. Auch dieser Schwindler und Fälscher bediente mit seinen erfundenen Reportagen Klischees und Vorurteile der «Spiegel»-Verantwortlichen. Die hatten sich zum Beispiel ernsthaft vorgenommen, den damaligen US-Präsidenten Trump «wegzuschreiben». Sie sahen in seiner Wahl das «Ende der Welt», zumindest, «wie wir sie kennen». Sie waren fassungslos, dass all ihre angeblichen Kenner und Könner den Wahlsieg Trumps nicht vorhergesagt hatten.

Daher glaubten sie Relotius unbesehen jedes Wort, wenn der sich in die US-Pampa aufmachte, um dort die dumpfen Amis aufzuspüren, die diesen Idioten zum Präsidenten gemacht hatten. Wirklich erholt hat sich der «Spiegel» von diesem Skandal bis heute nicht. Seine kreischige #metoo-Berichterstattung, in der er einer Journalistin die Plattform für einen Rachefeldzug bietet, Prominente reihenweise in die Pfanne haut, trägt auch nicht dazu bei, sein Renommee zu retten.

Nun sind aber auch die ehrwürdige «Zeit» (die sich im Schweizer Split allerdings auch im Roshani-Skandal instrumentalisieren liess), die SZ, der «Tagesspiegel» beteiligt an diesem neuerlichen Skandal.

Relotius hat nicht seine eigene Identität erfunden, sondern einfach Quellen und Zitate und Begebenheiten. Das hat Wolff nicht getan, dafür streifte er sich eine Identität über, die erlogen ist. Beide haben aber Ressentiments der sie betreuenden Redaktionen (und deren Leserschaft) bedient. Ob man es in Deutschland wirklich liebe, «Israel zu hassen», das ist vielleicht eine zu dramatische Schlussfolgerung der NZZ.

Dass es ein deutsches Problem sei, das trifft solange nicht zu, als ein Tom Kummer in der Schweiz weiterhin sein Unwesen treiben darf. Hier handelt es sich um die Marotte eines Chefredaktors, in Deutschland geht das Problem tatsächlich tiefer.

Denn dass eine Redaktion keinen in die Intimsphäre eingreifenden Faktencheck über die jüdische Herkunft eines Autors macht, ist noch verständlich, obwohl Wolff nicht der erste Fall eines solchen Betrugs in Deutschland ist. Dass aber deutliche Indizien, ein ganzes Dossier der ehemaligen Lebensgefährtin keine Beachtung fand, sondern wohl als Rache einer verschmähten Geliebten abgetan wurde, das ist bedenklich.

Einerseits veröffentlicht der «Spiegel» Behauptungen einer rachsüchtigen, gefeuerten Schweizer Redaktorin, die sich bei genauerer Betrachtung fast vollständig als nicht haltbar herausstellen. Andererseits ignorieren diverse Redaktionen in Deutschland ein ihnen vorliegendes Dossier mit belegten Anschuldigungen. Was ist der Unterschied? Das eine entspricht dem Narrativ von #metoo, das andere widerspricht diesem Framing. Obwohl in beiden Fällen eine Frau einen Mann anschuldigt.

Ungeprüft oder nicht überprüft, zweifaches Versagen.