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Wie er seinen Hintern retten will

Wie flickt man ein eigenes Fehlverhalten?

Cédric Wermuth liefert ein Musterbeispiel, wie man mit der Instrumentalisierung der Medien versuchen kann, Schadensbegrenzung vorzunehmen.

Als der SP-Co-Präsident ankündigte, dass er sich eine zweimonatige Auszeit nehmen werde, war das Medienecho verhalten. In der Schweiz respektiert man weitgehend das Privatleben von Politikern. Als Nathalie Rickli oder Jacqueline Badran Auszeiten nahmen, um einem Burnout zu begegnen, bekamen sie von Freund und Feind eigentlich nur Sympathieadressen.

Auf diesen Bonus hoffte offensichtlich auch Wermuth, bevor er mit Kind und Kegel in die Ferne flog. Seine Rückkehr gestaltete sich dann weniger idyllisch. Denn auch mit feinster Rabulistik lassen sich ein paar Tatsachen nicht wegplappern.

– Wenn jemand Flüge innerhalb Europas verbieten will, selbst aber für ein verwackeltes Selfie mit dem damaligen Wahlsieger Olaf Scholz nach Berlin jettet, hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn er dann mit der ganzen Familie nach Vietnam und auf die Philippinen fliegt, statt es mit einer Radtour in den Schweizer Bergen zu probieren, verschärft sich das ungemein.

– Mit den ausgedehnten Familienferien hat Wermuth offensichtlich gegen Bestimmungen des Parlamentsgesetzes verstossen, das Absenzen nur aus wichtigen Gründen oder wegen Krankheit erlaubt.

– Mit seiner Lustreise verarscht Wermuth seine Wähler, die von ihrem SP-Nationalrat politische Leistung für sein üppiges Honorar erwarten.

– Mit seinem Familientripp verarscht Wermuth die Schweizer Steuerzahler, die das schliesslich finanzieren und selbst nur davon träumen können, mal zwei Monate bezahlten Urlaub zu machen.

Also ist die Ausgangslage eher kritisch bis bewölkt. Was tun? Schadensbegrenzung ist das Stichwort; ein «jetzt rede ich», ein «ich breche mein Schweigen» ist angesagt. Natürlich in einem gesinnungsfreundlichen Umfeld, wo kritische Fragen als Wattebäuschchen daherkommen und man Wermuth mit schwiemeligen Antworten («Herr Glarner darf selbstverständlich seine Meinung zu meiner Auszeit haben») davonkommen lässt.

Hier darf sich Wermuth ungestört ausjammern:

«Mehrere Ratskolleginnen und -kollegen, gerade auch bürgerliche, haben mir zu meinem Mut gratuliert. Viele haben mir gesagt: Ich könnte das nicht. Es hat mich etwas traurig gestimmt, dass offenbar viele Angst haben, das Gesicht zu verlieren, nur weil sie sich Zeit für sich und ihre Familie nehmen. Das halte ich für eine grauenhafte Vorstellung von Führung und Leben.»

Hat er sich damit, dass ihm Jacqueline Büchi bei Tamedia einen Schaumteppich für die weiche Landung auslegte, einen Gefallen getan? Funktioniert die Nummer ich bin ein sensibler woker Mann, der  dem männlichen Führungsprinzip eins in die Fresse haut?

Zumindest Tamedia weiss er dabei auf seiner Seite. Der Gesinnungsgenossenkonzern legt sogar noch nach: «Eine mehrmonatige Auszeit, wie sie sich SP-Chef Cedric Wermuth genommen hat, ist auch bei Führungspersonen in der Wirtschaft nichts Aussergewöhnliches mehr», weiss Isabel Strassheim, die sich sonst nicht immer sehr glücklich um die Basler Chemie kümmert. Allerdings muss sie einräumen: «Normalerweise ist ein Sabbatical ein unbezahlter Sonderurlaub.» Hat also mit den bezahlten Ferien Wermuths eigentlich nichts zu tun. Der übrigens Co-Präsident ist und Cédric heisst.

Allerdings ist die Reaktion der Leser in den Kommentarspalten gelinde gesagt durchwachsen. Die NZZ hält sich bislang vornehm zurück und nimmt (noch) keine Stellung. CH Media aus den Stammlanden Wermuths schleimt sich nicht gerade so ein wie Tamedia, gibt aber Wermuth das letzte Wort gegenüber dem anderen Aargauer Andreas Glarner und endet die Berichterstattung spitz: «Auch bei Glarners Partei, der SVP, entscheiden Fraktionsmitglieder ziemlich frei, ob sie an Kommissionssitzungen teilnehmen oder sich vertreten lassen.»

Also die auch, wieso wir dann nicht, und überhaupt.

Ganz anders sieht es lustigerweise beim «Blick» aus, der angeführt vom alten Meinungsträger Frank A. Meyer zunehmend kritisch gegenüber der SP wird. Hier darf sich der Leser aus der «Community» austoben, wird über den Vorstoss Glarners breit (und wohlwollend) berichtet.

Ist es Wermuth also gelungen, die Medien geschickt zu bespielen, sich sympathisch rüberzubringen, Verständnis für seine Familiensupersonderreise zu wecken?

Die Antwort ist klar: nein. Im Gegenteil. Das Geschleime im «Tages-Anzeiger» ist nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv. Einfach deswegen, weil eine solche wochenlang Fernreise mit der ganzen Familie auf Kosten des Steuerzahlers und unter Vernachlässigung der Pflichten, für die er gewählt wurde, nicht vermittelbar ist. Zu weit von der Erlebniswelt der Bevölkerung entfernt. Ausserhalb der eigenen Gesinnungsblase nicht goutiert wird.

Wer behauptet, für den Werktätigen, der «um acht aufstehen muss» einzustehen, muss in seiner eigenen Lebensführung gewisse Grenzen akzeptieren. Eine Umweltaktivistin, die zur Umweltkonferenz nach Dubai fliegt, macht sich lächerlich. Ein Fluggegner, der mit der ganzen Familie nach Vietnam und auf die Philippinen jettet, auch.

Dabei hat Wermuth ein übliches Politikerproblem. Er ist so sehr von sich selbst überzeugt, dass er meint, jegliches eigenes Verhalten schönschwätzen zu können, das Klavier sensibler, inkludierender, woker Mann zu bedienen, bringe genügend Punkte.

Europäische Politiker haben bis heute nicht gelernt, worin US-Kollegen Meister sind. Fehlverhalten, auch schweres? Zuerst abstreiten, wenn es zweifellos nachgewiesen wird oder offenkundig ist: mannhaftes Hinstehen vor die Kameras und Mikrofone, Dackelblick aufsetzen und «ich bereue, ich entschuldige mich, ich habe mich und meine Wähler enttäuscht, ich werde es nie mehr tun, ich bitte um eine zweite Chance» knödeln. Klappt (fast) immer.

Hätte auch bei Wermuth funktionieren können. So aber hält er den Parlamentarierreisli-Skandal schön am Köcheln.

NZZ schwelgt in der Vergangenheit

Was aktuell ist, bestimmt immer noch die alte Tante.

«Zwei Jahre Krieg in der Ukraine», das ist der NZZ eine eigene Rubrik wert. Allerdings nicht unbedingt aktuelle Artikel. Der erste ist vom 24. Februar. Allerdings 2023. Der älteste stammt gar vom August 2022. Das ist mal eine souveräne Handhabung der Aktualität.

Dabei wäre das Thema durchaus von latenter Aktualität: «Wie soll die Ukraine mit dem umstrittenen «Nationalhelden» Stefan Bandera umgehen?» Da punktet die NZZ mal wieder damit, dass sie einen kompetenten Wissenschafter zu einem Gastbeitrag aufgeboten hat. Grzegorz Rossolinski-Liebe ist sicherlich der beste Bandera-Kenner zurzeit.

Der Kriegsverbrecher, Faschist und Nazi-Helfer Bandera wird nicht nur in der Westukraine bis heute kultig verehrt. Der konfliktive Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andri Melnik, musste seinen Posten nicht etwas wegen seiner rüden Art räumen, sondern weil er dem Nationalistenführer Bandera mit uneingeschränkter Verehrung begegnete.

Diese postfaschistische Heldenverehrung machte es Präsident Putin einfach zu behaupten, das Hauptziel des russischen Überfalls sei die Ent-Nazifizierung der Ukraine.

Zur Verteidigung Banderas wird häufig angeführt, dass er einige Jahre während der Nazi-Besatzung der Ukraine im Gefängnis verbrachte. Also sei er doch an der Ermordung von 800’000 Juden durch die Deutschen in der Westukraine nicht beteiligt gewesen.

Aber Helfershelfer seiner Organisation töteten bis 1944 in Wohlhynien und Galizien weitere 100’000 Polen. Dazu schreibt Grzegorz Rossolinski-Liebe: «In seiner Gefangenschaft war Bandera nicht im Detail über den Verlauf der Ereignisse informiert. Aber die Massenmorde an Juden und Polen, deren Ziel ein ethnisch-homogener Staat war, entsprach weitgehend seinen politischen Vorstellungen und den Zielen der OUN.»

Nachdem Bandera in seinem Exil in Deutschland 1959 vom KGB ermordet worden war – in der damaligen Sowjetunion war er als Kriegsverbrecher in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden – wurde er in der Westukraine zunehmend zum Nationalhelden stilisiert. Dieser Mythos «manifestiert sich in zahlreichen Denkmälern, Museen, Strassennamen, Briefmarken, Musikfestivals und den Tattoos seiner Anhänger».

Schlimmer noch: «Denn der Kreis der Bandera-Verehrer schliesst eben nicht nur nationalistische Politiker oder rechtsradikale Fanatiker ein, sondern auch Personen aus dem gesellschaftlichen Mainstream: Musiker, Schriftsteller, Gymnasiallehrer und Geschichtsprofessoren – oder eben Diplomaten wie den Botschafter Melnik.»

Spätestens seit Putins Überfall ist in der Ukraine allerdings jeder kritische Umgang mit dem faschistischen Verbrecher Bandera tabu. Dabei muss man ihn als weitere führende Figur des europäischen Faschismus sehen, er «hätte er seinen Platz als eine Figur im Kontext des europaweiten Faschismus, zwar nicht gleichzusetzen mit Hitler oder Mussolini, aber mit ähnlicher Bedeutung, wie sie etwa der kroatische Ustasa-Führer Ante Pavelic hat».

So aber bleibt diese Verehrung eines Anhängers von ethnischer Säuberung, eines Antisemiten und eines Kriegsverbrechers ein Schandfleck, worauf immer wieder hingewiesen werden sollte. Dass auch Teile der ukraninischen Armee, die berüchtigte Brigade Asow, nicht nur faschistische Kennzeichen mit Stolz auf ihren Uniformen trägt, sondern auch postfaschistisches Gedankengut pflegt, ist eine weitere Tatsache.

Aber solche Komplexitäten sind nicht nach dem Geschmack der terribles simplificateurs, die sich von nichts das Narrativ Ukraine/Selenskyj gut, Russland/Putin böse stören lassen möchten.

Saubere Kampagne

Die NZZ ist auf dem Kriegspfad. Gegen die SVP. Mit Wiedererkennungswert 100.

Lange Zeit sah es nach einer mehr oder minder friedlichen Koexistenz aus. Natürlich wurmte es die FDP und ihr Hoforgan NZZ gewaltig, dass die SVP vom Schmuddelkind zur stärksten Partei der Schweiz aufstieg, während die Freisinnigen von Niederlage zu Niederlage wanken.

Aber angesichts Blochers «letztem Auftrag» kommt die alte Tante in Wallungen. Mit voller Kriegsbemalung wirft sich Christina Neuhaus in die Schlacht. Gerade erst topfte sie den SVP-Übervater Christoph Blocher ein, erteilte aber auch Ihren FDP-Bundesräten klare Handlungsanweisungen.

Nun folgt der zweite Streich: «In Deutschland gilt die SVP als Vorbild für die AfD», fängt sie maliziös ihr Interview an. Als Gesprächspartner hat sie sich Damir Skenderovic ausgeguckt, «ein Experte für Rechtsparteien». Das ist leicht untertrieben. Skenderovic ist sozusagen der Marko Kovic für Vergleiche von Rechtspopulisten und anderem Geschmeiß.

Wird das abgerufen, ist er jederzeit zur Stelle. Im Juli 2023 diktierte er dem Rechtsextremismus-Spezialisten Marc Brupbachermit Berset bin ich fertig») ins Mikrophon, dass natürlich die AfD und die SVP zur gleichen Parteienfamilie gehörten. Wichtig dabei: «Es geht darum, sich von Rechtspopulisten klar abzugrenzen. Es geht um die Frage der Zusammenarbeit. Wenn man mit ihnen kooperiert und Allianzen und Koalitionen eingeht, legitimiert man ihre Anliegen.»

Nun darf er seine dünnen Aussagen in der NZZ rezyklieren. Da scheint der Zweck die Mittel zu heiligen, denn anders ist es nicht zu erklären, dass nochmal die gleichen Antworten abgefragt werden wie weiland im Tagi. Lassen sich SVP, AfD und die österreichische FPÖ überhaupt vergleichen? «Bis zu einem gewissen Grad, ja. Bei allen drei Parteien handelt es sich um rechtspopulistische Parteien. In der Geschichtsforschung spricht man von den klassischen Parteifamilien». Eins zu eins rezyklierter Stehsatz des Spezialisten, mit einem Ausflug in die unbekannten Seiten der Geschichtsforschung.

Und was ist nun mit der SVP? Die hat sich «von einer bäuerlich-konservativen Partei zu einer rechtspopulistischen Partei entwickelt». Und was ist denn dann eigentlich Rechtspopulismus, liefert Neuhaus das nächste Stichwort: «Definitionskriterien für Rechtspopulismus sind primär die Anti-Eliten-Haltung, eine nationalistische und fremdenfeindliche Politik und die Ausgrenzung von Minderheiten», rattert Skenderovic herunter.

Auch dass sich die SVP an demokratische Spielregeln halte, salviert sie nicht vom Etikett «rechtspopulistisch»: «Der Ruf nach einem Volksentscheid ist die klassische Forderung jeder populistischen Partei.» Komisch, diesen Ruf stösst aber auch die FDP, sogar die SP gelegentlich, manchmal, nicht zu selten aus. Aber Neuhaus geht es nicht darum, den Westentascherforscher auf logische Fehler hinzuweisen, sondern sie sieht sich mehr als Stichwortgeberin, damit er Altbekanntes nochmal abnudeln kann.

Denn von rechtspopulistisch ist es natürlich nur noch eine kleine Gedankenbrücke zu rechtsradikal: «Wenn in der SVP  jemand nationalsozialistisches Gedankengut äussert oder die Shoah relativiert, distanziert sich die Partei immer sehr schnell. Gleichzeitig pflegen einzelne SVP-Exponenten seit Jahren regelmässig Kontakte zu rechtsextremen Kreisen.»

Da muss sogar Neuhaus pseudo-widerprechen: «Die SVP pflegt weder Kontakte zu ausländischen Parteien noch zu rechtsextremen Parteien oder identitären Gruppierungen.» Darauf demagogisch einfältig die Antwort des «Experten»: «Das nicht, aber es kommt immer wieder zu punktuellen Verbindungen. Andreas Glarner war Mitglied der rechtsextremen Bürgerbewegung Pro Köln, und in Winterthur hat die SVP-Nationalratskandidatin Maria Wegelin die Medienarbeit an Mitglieder der Jungen Tat delegiert. Es gibt eine Geschichte solcher Beziehungen. Was es aber nicht gibt, ist eine Aufarbeitung.»

Nun ja, Glarner hat diese Mitgliedschaft schon lange gekündigt, Wegelin ist von ihren Parteiämtern zurückgetreten, was man vielleicht zur Not als Aufarbeitung bezeichnen könnte. Wenn man nicht übelwollte.

Es ist interessant, wie selbst bei der NZZ die Sicherungen der Qualitätskontrolle durchbrennen, wenn es um diesen Feldzug gegen die SVP geht. Dass ein dünn qualifizierter Experte im Wesentlichen nochmals genau das Gleiche verzapfen darf, was er schon letztes Jahr beim Tagi loswerden durfte, ist ein seltener Tiefpunkt des Intelligenzblatts von der Falkenstrasse.

Hat die Interviewerin dieses inhaltlich fast deckungsgleiche Interview im Tagi vergessen oder schlichtweg ignoriert? Oder findet sie: das kann man nicht häufig genug wiederholen? Auf jeden Fall ist das so peinlich wie die einfältigen Antworten …

Ende der grossen Illusion

Wenn Schreibkräfte den Rückzug antreten.

Eines muss man der deutschen Kriegsgurgel Strack-Zimmermann, die so redet wie sie heisst, lassen: sie bleibt sch treu. Waffen Waffen, noch mehr Waffen, gerade jetzt Waffen, Marschflugkörper, noch nie war es so wichtig wie heute, Blabla.

Allerdings ist das Flintenweib von der FDP eher ein Angstbeisser. So keifte sie Alice Schwarzer an, dass es der egal sei, «dass Frauen in der Ukraine vergewaltigt werden». Die «Zeit» schlug darauf ein Streitgespräch vor; Schwarzer willigte sofort ein, Strack-Zimmermann kniff feige.

Währenddessen leiten einige Schreibkräfte bereits den mehr oder minder geordneten Rückzug ein. Es dämmert ihnen, dass selbst mit Milliardenunterstützung ein militärischer Zwerg wie die Ukraine auf Dauer nicht gegen einen Goliath wie Russland militärisch standhalten, geschweige denn gewinnen kann.

All die Trottel, die in der Vergangenheit den schnellen Sieg der Ukraine, die Niederlage der angeblich völlig demoralisierten, von Waffen- und Nahrungsnachschub depravierten russischen Armee prognostizierten, murmeln höchstens noch Durchhalteparolen, hoffen auf ein Wunder und beginnen opportunistisch, angeblich unrealistische Kriegsziele von Selenskyj zu kritisieren. Die sie kurz zuvor noch selbst am Schreibtisch propagierten.

Nicht ungeschickt ist die NZZ: In einem Erklärvideo labert sie über mögliche Endszenarios von Kriegen. Darin kommt ein angeblicher Spezialist zum Fazit: «Ich gehe davon aus, dass es ein langwieriger Konflikt sein wird, dessen Ende noch lange nicht in Sicht ist.» Da muss man lange gegrübelt und studiert haben, um zu dieser luziden Schlussfolgerung zu gelangen.

Das ganze Gequatsche kann man sich auch sparen; die Lektüre der zehn Thesen «Über Kriege und wie man sie beendet» von Jörn Leonhard genügt völlig. Entweder kennen die Pascal Burkhard und Isabelle Pfister nicht, oder sie wollen dieses Herrschaftswissen für sich behalten.

Es ist erstaunlich, wie lange wider jede Vernunft und Wirklichkeit Sandkastenspiele zur Ergötzung des Publikums aufgeführt wurden (und immer noch werden). Es gibt bis heute Anhänger der Phlogiston-Theorie. Es gibt Menschen, die sich frei bewegen können, die fest davon überzeugt sind, dass die Erde eine Scheibe ist und vor ungefähr 7000 Jahren aus dem Nichts geschaffen wurde.

Es gibt auch Anhänger der QAnon-Sekte, Menschen die fest davon überzeugt sind, dass finstere Gestalten einen Masterplan zur Weltbeherrschung verfolgen und schwarze Helikopter zur Bekämpfung tapferer Widerstandskräfte eingesetzt werden.

All das gibt es, und ihre Anhänger sind, scheut jemand den Aufwand nicht, der Lächerlichkeit preisgegeben. Aber niemand macht sich wirklich über all die Heerscharen von Militärexperten und Dummschwätzern lustig, die Jahr und Tag behaupten, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne, am Gewinnen, der Zusammenbruch der russischen Truppen, der Wirtschaft, ja des Putin-Regimes nur noch eine Frage der Zeit sei.

Sucht man in der SMD nach den Stichworten Ukraine und Sieg, bekommt man fast 35’000 Treffer aus den letzten zwei Jahren. Inzwischen sagt der französische Präsident Macron, der den Einsatz seiner Truppen in der Ukraine nicht mehr ausschließen will: «Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen». Zurück zu den Zeiten, als wünschen noch geholfen hat.

Das Gedöns all dieser vermeintlichen Militärexperten hat für sie einen grossen Vorteil: es ist völlig haftungsfrei. Hat der Sandkastengeneral seine Zinnsoldaten in den Sand gesetzt, hat er einfach keine Lust mehr, weiter Kriegerlis zu spielen. Nie käme es ihm in den Sinn, für seine Fehlanalysen Verantwortung zu übernehmen. Das gilt auch für das Pfeifen im Wald angesichts der sicheren Nominierung von Donald Trump als Präsidentschaftskandidat.

Aber immer, wenn man denkt, primitiver, dümmer, einseitiger und realitätsferner geht es nicht mehr, kommt einer um die Ecke und beweist das Gegenteil.

Immerhin, den arglosen Leser schützt die Bezahlschranke.

ZACKBUM wäre für eine völlige Demilitarisierung der Mainstreammedien. Oder für einen totalen Reset. Gebt doch neuen Kräften die Chance, sich auch zu blamieren!

Rechtsverluderung

Amateure am Gerät, auch in den Medien.

Die hochwohllöbliche NZZ trötet: «Das Obergericht bestätigt, dass keine Verjährung eintritt.» Das wüsste das Obergericht aber. Denn es hat den Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht. Und während deren Walten laufen selbstverständlich die Verjährungsfristen. Einleitend schreibt André Müller wichtigtuerisch, dass das Obergericht diese vernichtende Klatsche «auf Anfrage bestätigt». Also hat er angefragt, weil er offenbar weder die Medienmitteilung noch das Urteilsdispositiv einsehen konnte, obwohl das öffentlich erhältlich ist. Zählen kann er nebenbei auch nicht, die Begründung umfasse 40 Seiten, behauptet er, es sind aber 38.

Immerhin 173 Treffer erzielt man in der Datenbank SMD, wenn man am aktuellen Tag mit dem Stichwort Vincenz sucht. Natürlich sind viele Mehrfachtreffer dabei, da die Schweizer Medienlandschaft der Tageszeitungen im Wesentlichen von zwei Kopfblattsalaten bespielt wird. Aber immerhin, der Fall ist wieder präsent.

Mit solchen Schludrigkeiten und Merkwürdigkeiten ist er nicht alleine. Die geohrfeigte Staatsanwaltschaft kann’s nicht lassen und will beim Bundesgericht Beschwerde gegen diesen Entscheid einlegen. Die entspricht allerdings überhaupt nicht dem Bild, das NZZ-Müller von ihr malt:

«Bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich arbeiten schliesslich keine Anfänger. Es handelt sich, was den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität anbelangt, um die wohl kompetenteste und am besten ausgerüstete Strafverfolgungsbehörde der Schweiz

Vielleicht sollte man seinem Kurzeitgedächtnis auf die Sprünge helfen und ihn daran erinnern, dass diese unglaublich kompetente Strafverfolgungsbehörde schon den Prozess gegen die Verantwortlichen für das Swissair-Debakel in den Sand setzte. Er endete mit Freisprüchen für alle auf ganzer Linie.

Völlig absurd ist dann Müllers Schlussfolgerung: «Zweitens zeigen Verfahren wie der Vincenz-Prozess der Schweizer Öffentlichkeit, dass der Staat den Kampf gegen Wirtschaftskriminelle ernst nimmt.» Ach ja? Indem er sich komplett lächerlich macht, vertreten durch eine unfähige, stümperhafte, überforderte Staatsanwaltschaft?

Auch der «Ressortleiter Wirtschaft» Ulrich Rotzinger vom «Blick» glänzt durch juristische Kernkompetenzen: «Die angelasteten Vergehen verjähren durch die Verzögerung auch nicht.» Er watscht dann noch das Bezirksgericht ab: «Es hätte die Anklageschrift im Plauderton zurückweisen müssen, anstatt das Urteil nonchalant und in aller Schnelle zu fällen.» 9 Monate für die schriftliche Urteilsbegründung auf 1200 Seiten sei nonchalant in aller Schnelle? Was ist dann für diesen Mann langsam?

«20 Minuten» versichert sich der Fachkenntnis eines Anwalts, der gerne die Gelegenheit benutzt, seinen Namen in den Medien zu sehen, indem er das wiederholt, was im Beschluss des Obergerichts steht – und was man auch einfach dort hätte abschreiben können.

Auch Tamedia schreibt (ab), dass es sich bei dem Beschluss des Obergerichts um 40 Seiten handle. Hier darf der Anwalt für solche Fälle zu Wort kommen, natürlich der «Professor für Strafrecht und Zivilprozessrecht» Daniel Jositsch. Der glänzt mit Erkenntnissen wie: «Dass eine Anklageschrift zurückgewiesen wird, kommt immer wieder vor, gerade bei solch komplexen Fällen wie diesem». Beruhigt aber: «Mit Ausnahme einer zeitlichen Verzögerung habe der heutige Entscheid des Obergerichts aber keine inhaltlichen Auswirkungen auf das Verfahren.»

Vielleicht zum Mitschreiben für den Professor: Wenn ein Urteil aufgehoben wird und der Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht wird, unterbricht das die Verjährung keinesfalls, da somit kein Urteil vorliegt.

Interessant dann auch diese Formulierung bei Tamedia, die Rechtsexperten Jorges Brouzos und Beatrice Bösiger behaupten: «Laut dem Obergericht können sie jedoch nicht auf eine Verjährung der ihnen vorgeworfenen Taten hoffen. Es stützt sich auf die Rechtssprechung des Bundesgerichtes, wonach auch nach der Aufhebung eines Urteils in der ersten Instanz die Verjährung unterbrochen bleibe.»

Das Obergericht deutet so etwas in seinem Beschluss tatsächlich an. Ob aber das Bundesgericht sich darüber hinwegsetzen will, dass die Aufhebung eines Urteils bedeutet, dass es schlichtweg nicht mehr vorhanden ist? Und wenn die Staatsanwaltschaft neuerlich eine Anklageschrift basteln muss, dabei die Verjährung nicht weiter laufe, wie das zwingend vorgeschrieben ist?

Überboten wird all da nur noch durch die Staatsanwaltschaft selbst. Nach diesem Tritt in die Weichteile sollte sie sich eigentlich in ihre Amtsstuben zurückziehen, Büroschlaf halten und hoffen, dass möglichst schnell Gras über die Sache wächst. Denn was ihr widerfuhr, ist die Höchststrafe, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. und kommt keineswegs alle Naselang vor, wie der Rechtsprofessor behauptet.

Stattdessen kündigt sie nassforsch an, sich beim Bundesgericht zu beschweren. Dabei haben die Oberrichter fast eine Seite in ihrem Beschluss darauf verwendet, der Staatsanwaltschaft haarklein zu erklären, wieso Folgendes gilt: «Der vorliegende Beschluss ist damit aus Sicht des Obergerichts nicht anfechtbar». Die Begründung dafür leuchtet auch einem Laien ein. Dem Staatsanwalt hingegen nicht.

War die als untauglich zurückgewiesene Anklageschrift schon peinlich genug, ist dieses Nachmopsen eigentlich ein Entlassungsgrund.

CH Media stellt immerhin die naheliegende Frage an einen Rechtsanwalt, wie lange es denn nun bis zu einem rechtsgültigen Urteil ab heute dauern werde:

«Vom Zeitpunkt des Einreichens der Anklageschrift an das Bezirksgericht bis heute sind rund dreieinhalb Jahre vergangen. Es muss mit mindestens weiteren vier Jahren gerechnet werden, bis das Obergericht wieder zum Zug kommt. Bis dann eine Verhandlung vor Obergericht durchgeführt ist und ein Urteil schriftlich vorliegt, wird es mindestens zwei Jahre dauern. Dann geht es ans Bundesgericht und dort ist ebenfalls mit mindestens zwei Jahren zu rechnen. Wenn das Bundesgericht einen Entscheid fällt, der das Verfahren abschliesst, rechnen wir also mit rund 8 Jahren. Wenn das Bundesgericht (oder allenfalls sogar bereits das Obergericht) das Verfahren zurückweist, noch einige Jahre länger

Oder auf Deutsch: solange gilt die Unschuldsvermutung. Oder deutsch und deutlich: es ist ein Hohn, eine Verluderung der Rechtsprechung, verursacht durch einen inkompetenten Staatsanwalt, der sich nach bitteren Niederlagen in seinen letzten Fall so verbissen hat, dass er ihn peinlich vergeigte.

Mutige NZZ

Als Longstory handelt das Blatt den Cyberangriff von vor knapp einem Jahr ab.

Das liest man nicht häufig. Ist eine Firma Opfer eines Cyberangriffs geworden, gibt sie normalerweise beruhigende Geräusche von sich und rückt nur so weit mit dem wahren Schaden heraus, wie sie unbedingt muss.

Die NZZ hat einen anderen Weg gewählt und lässt ihren IT-Menschen ein Protokoll des Angriffs krimineller Hacker publizieren. Chapeau. Es ist erstellt, dass offenbar keine politische oder terroristische Absicht dahinterstand.

Hacker haben sich durch einen sogenannten Ransomeware-Angriff Zugang zu den Datenbanken der NZZ verschafft. Da es eine Zusammenarbeit mit CH Media gibt, war auch dieses Medienhaus davon betroffen. Am 24. März hatten die Angreifer zahlreiche IT-Systeme verschlüsselt und damit unbrauchbar gemacht. Dazu gehören die sogenannten «Domain Controller», ohne die praktisch nichts läuft.

Das Vorgehen dieser Hackerbande «Play» ist immer das gleiche. Sie dringen in die IT-Systeme ein, laden vertrauliche Daten herunter und verschlüsseln die Systeme. Für die Entschlüsselung fordern sie Lösegeld, als Druckmittel drohen sie damit, interne Informationen ins Netz zu stellen.

Erste Entscheidung der NZZ: wenn irgend möglich kein Lösegeld bezahlen. Ausser, der Angriff wird zu einer existenziellen Bedrohung. In einer ersten Fehleinschätzung geht die NZZ davon aus, dass die Kriminellen nur rund 5 Gigabyte entwendet hätten, zudem seien diese Daten verschlüsselt.

Nachdem die NZZ nicht reagiert, dringen die Kriminellen am gleichen Tag nochmals in die Systeme ein und verschlüsseln weitere Teile, bis es gelingt, sie auszusperren. Um weitere Attacken zu verhindern, werden die IT-Systeme der NZZ und von CH Media getrennt und der Redaktionsschluss auf 21 Uhr vorverlegt. Gleichzeitig wird fieberbhaft nach dem Einfallstor gesucht.

Drei Wochen vor der Entdeckung hatten die Hacker eine Hintertür eingerichtet. Möglich war das durch eine winzige Sicherheitslücke; das Log-in, das die Gangster verwendeten, war nicht durch eine zweite Authentifizierung geschützt, auf dem entsprechenden Server war zudem die Sicherheitssoftware leicht veraltet.

Die Pause lässt sich so erklären, dass es inzwischen bereits eine Arbeitsteilung zwischen diesen Kriminellen gibt. Ein Händler von Hintertüren verkauft die an andere Gangster weiter.

Nach dem ersten Wüten vergleicht der Verantwortliche für die IT-Infrastruktur deren Zustand mit einem «zerbombten Hochhaus». Noch etwa die Hälfte der Systeme funktioniere, die rote Zone. Der andere Teil muss von Grund auf neu gebaut werden, die grüne Zone. Natürlich werden alle Importe aus der roten Zone sorgfältig kontrolliert.

Zwei Wochen nach dem Angriff findet der Switch auf die grüne Zone statt. Dafür haben die IT-Leute von Gründonnerstag am Abend bis am Nachmittag des Ostermontags Zeit. Ob es klappt? «Wir haben uns tief in die Augen geschaut und gesagt: Lasst es uns wagen!», so schildert es ein Beteiligter.

Es gelingt, der Verantwortliche ändert den Namen des Kanals auf der internen Chat-Plattform von «Cyber Restore Weekend» auf «Cyber Restore Marathon».

Am 12. April erhöhen die Erpresser den Druck, nachdem sie mitbekommen haben, dass die IT-Systeme restauriert sind und laufen. Sie drohen mit der Veröffentlichung interner Daten, Informationen über Projekte und Löhne.

Nun übernimmt die Kantonspolizei Zürich die Verhandlungen. Nicht übers Lösegeld, sondern in der Absicht, den Erpressern auf die Spur zu kommen. Die NZZ muss zur Kenntnis nehmen, dass 800 Gigabyte gestohlen wurden, unverschlüsselt.

Am 3. Mai werden dann unter grossem Medienecho Lohnlisten und andere sensible Daten ins Netz gestellt. Und am 11. Mai werden weitere 500 Gigabyte auf einen Schlag online gestellt. Nun wird das Ganze zu einem internen Problem. Wie informiert man die Mitarbeiter? Welche juristischen Implikationen hat es? Gibt es eine finanzielle Entschädigung (nein).

Damit ist die Attacke für die Kriminellen abgeschlossen, nichts zu holen. Anders für die Betroffenen: «Die privaten Informationen aus ihrem Leben stehen nun öffentlich im Darknet. Jeder kann sie einsehen. Und Cyberkriminelle können diese Informationen verwenden, um zum Beispiel gezielte Phishing-Angriffe durchzuführen. … Die Opfer müssen damit leben.»

 

 

Scharfrichter Scherrer

Der NZZ-Sittenwächter hat wieder zugeschlagen.

Geht’s drum, die Berichterstattung von anderen zu kritisieren, so im Roshani-Skandal, ist Lucien Scherrer mit harschen Urteilen schnell zur Hand. Die eigenen Fehlleistungen übergeht er dabei grosszügig.

ZACKBUM musste ihn schon scharf verwarnen:

Auch die beiden Autoren des NZZ-Artikels, Nadine Brügger und Lucien Scherrer, haben nicht mal den Anstand im Leib, auf einige Fragen von ZACKBUM zu reagieren. Schliesslich haben sie nicht nur Falschinformationen verbreitet, sondern auch unqualifizierte Angriffe auf Konkurrenzorgane oder Personen geführt. So behaupten sie, Canonica und Roshani hätten bis 2021 beim «Magazin» gearbeitet und Daniel Binswanger sei dort stellvertretender Chefredaktor gewesen. Ein einfacher Faktencheck hätte ihnen diese Peinlichkeiten erspart.

Im roten Bereich dreht Scherrer, wenn es gegen alles Rote geht. So wirft er der «Berliner Zeitung» vor, sie werde zur «Peking Rundschau». Denn ihr Herausgeber hatte sich zuschulden kommen lassen, an einer internationalen Konferenz in Peking teilzunehmen – und darüber objektiv zu berichten.

Sein neuster Ausflug in seinen Rotlichtbezirk gilt der Grazer Bürgermeisterin:

Schon im Titel bemüht er sich, das Schimpfwort «Putin-Versteherin» noch zu steigern. Denn so etwas darf es für Scherrer eigentlich nicht geben: «Als Kommunistin mit Herz ist Elke Kahr ein Medienliebling». Da schüttelt es Scherrer, und die NZZ verschwendet wertvollen Platz in ihrem Feuilleton, damit er mal so richtig vom Leder ziehen kann. Polemik ist ja gut, wenn man’s kann. Rüpeleien, Denunziationen und untaugliche Anspielungen sind’s hingegen nicht.

Die «Grazer Bürgermeisterin» falle «mit kruden Aussagen zu Russland auf», behauptet Scherrer. Sie sorge «in Österreich für Irritationen und empörte Reaktionen», behauptet Scherrer. Ja was hat sie denn Furchtbares getan? Sie hat ein interview gegeben und gesagt, dass sie sich nicht anmassen wolle, «darüber zu urteilen, wie Menschen in anderen Ländern leben und ihre Regierungen wählen». Bezüglich des Fehlens freier Wahlen in China sagte sie: «Ja, aber was ist die Alternative? China hat jedenfalls kein anderes Land überfallen und es geschafft, einem grossen Teil seiner Bevölkerung relativen Wohlstand zu verschaffen.»

Und schliesslich hat sie schon mehrfach Putins Krieg gegen die Ukraine scharf verurteilt, sagt aber auch: «Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine sei zwar eine Katastrophe, aber Sanktionen gegen ihn seien «nicht zielführend, weil sie immer die einfachen Menschen treffen». Österreich werde von niemandem bedroht, solange sich das Land entsprechend verhalte und niemanden angreife. Militärische Aufrüstungen in Europa dienten im Übrigen nur den finanziellen Interessen der Rüstungsindustrie.»

Über diese Aussagen kann man mit Fug und Recht geteilter Meinung sein, aus ihnen zu schliessen, Kahr sei eine «verkärte Putin-Versteherin», ist aber schlichtweg absurd, das ist verschwurbelter Unsinn eines Demagogen, der die Welt immer noch durch dicke Brillengläser einer vorgefassten, ideologisch gepanzerten Meinung sieht und aus der Schiessscharte seines Meinungsgerichtshofs losballert.

Dafür sind ihm auch Ausflüge in die ferne Vergangenheit nicht zu blöde: «Wie andere kommunistische Parteien in Europa war die KPÖ einst eine Aussenstelle von Stalins Sowjetunion. Sie bejubelte dessen Verbrechen, hielt auch nach dem Tod des «Führers» treu zu Moskau.»

Noch schlimmer: «ein KPÖ-Funktionär» sei  «2021 im weissrussischen Fernsehen aufgetreten», ein «anderer Genosse» habe 2019 die «Volksrepublik Donezk» besucht «und mit Separatisten posiert». Was hat das alles mit Kahr zu tun? Eigentlich nichts, das fällt dann auch Scherrer in seinem Amoklauf auf:

«Kahr selbst hat sich in Interviews wiederholt von Stalin oder dem «russischen Angriffskrieg» in der Ukraine distanziert. Allerdings kann sie im nächsten Atemzug den jugoslawischen «Staatsmann» Josip Broz Tito preisen oder die französischen Kommunisten, die zu den treusten Vasallen Stalins gehörten und Überlebende des Gulag-Terrors als Faschisten verleumdeten.»

Was daran falsch sei, Tito als Staatsmann zu bezeichnen, der Jugoslawien zusammenhielt, erklärt uns Scherrer wieder nicht.

Ganz am Anfang seines Machwerks macht er aber klar, was ihm bei dieser angeblich «verklärten Putin-Versteherin» in den falschen Hals gerät: «Ihr Wahlsieg wurde sogar von der «Washington Post» vermeldet, und in Deutschland zeigten sich selbst bürgerliche Medien entzückt. «Willkommen in Leningraz», witzelte die «Frankfurter Allgemeine». … Die Oden galten Elke Kahr, die im September 2021 zur Bürgermeisterin der Stadt Graz gewählt wurde. Kahr ist Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Diese hat 2021 in Graz fast 30 Prozent der Stimmen erhalten, wohl nicht wegen ihrer Ideologie, sondern weil sich die «Kuschel-Kommunisten» («Tagesspiegel») um Elke Kahr sympathisch und bürgernah geben. Sie spendet einen Grossteil ihres Magistratenlohns und präsentiert sich den Medien gerne als Sozialarbeiter im Dienste des Volkes, mit Zigarette im Mund und Brille im Haar.»

Grauenhaft, diese Österreicher. Wählen doch eine Kuschel-Kommunistin, die sich bürgernah «gebe» und dann noch einen Grossteil ihres Lohns spende, eine Idee, auf die Scherrer niemals käme.

Während er über kommunistische Parteien herzieht, blendet er die herausragende und opfervolle Rolle der KPÖ im Kampf gegen den Faschismus aus. In Österreich war sie an vorderster Front im Widerstand gegen Hitler, österreichische Kommunisten kämpften im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republik. Ihr Eintreten für die Neutralität Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg brachte ihnen schon damals Beschimpfungen ein, die Kommunisten seien Landesverräter.

Als in der Schweiz die PdA noch eine politische Rolle spielte, sah die NZZ auch ständig rot, warnte vor der kommunistischen Gefahr, begrüsste das Verbot der Kommunistischen Partei der Schweiz im Jahre 1940, denunzierte Schweizer Kommunisten als Landesverräter, organisierte sogar die Pogromstimmung gegen den marxistischen Denker Konrad Farner, der mit seiner Familie am von der NZZ bekannt gegebenen Wohnsitz in Thalwil belästigt und bedroht wurde.

In dieser Tradition sieht sich offensichtlich der Kommunistenfresser Scherrer. Seine unqualifizierten Ausfälligkeiten gegen alles, was nicht in sein ideologisches Raster und seine Denkschablonen passt, senkt das Niveau der NZZ ungemein. Denn denunziatorisches Gewäffel ohne Erkenntnisgewinn steht diesem Blatt schlecht an, das sollte es den Kollegen von der Werdstrasse überlassen.

Hysterie? Hysterie

Wie reagieren die Qualitätsmedien auf den Ex-Bundesrat Maurer?

Offensichtlich fühlt sich Ueli Maurer pudelwohl als ehemaliger Bundesrat. Endlich kann er klarstellen, wieso er bei der Credit Suisse nicht eingriff – wofür er kräftig Prügel bezog. Aber sein Argument, dass er gegen den Willen des damaligen Oberversagerrats Axel Lehmann nun schlecht einen Multimilliardenkredit beim Parlament habe verlangen können, leuchtet ein.

Noch prononcierter äussert sich Maurer zur überstandenen Pandemie: Die Reaktion darauf sei hysterisch gewesen, stellt er fest. Die «Sonntagszeitung» gab ihm Gelegenheit für ein langes Interview: «Wer eine kritische Frage stellte, wurde aussortiert, indem man ihn als ‹Verschwörer› oder als ‹Rechtsextremen› brandmarkte».

Nun ist Maurer nicht nur ähnlich beliebt wie Bundesrat Rösti, sondern gehört wie der für viele Mainstream-Medien der falschen Partei an. Der SVP.

Also keift die NZZ, das andere Organ aus dem eigenen Hause sozusagen als «Beweis» zitierend: «Ueli Maurer werde, befreit von den Zwängen bundesrätlicher Kollegialität, immer radikaler. Das schrieb die «NZZ am Sonntag» vor zwei Wochen – und führte zahlreiche Beispiele von provokativen Aussagen Maurers zur Schweizer Corona-Politik an

Noch schlimmer, ein anonymer «Soziologe» diagnostiziere: «In den Aussagen von Maurer fänden sich «gezielt gesetzte Versatzstücke vieler verschwörungstheoretischer Erzählmuster»».

Dann schwant der NZZ noch mehr Übles. Der alt Bundesrat sei zwar 73-jährig. «Doch der frühere Präsident der SVP zeigt keine Lust, in aller Ruhe die Rente zu geniessen und – wie andere frühere Bundesräte – der Maxime «servir et disparaître» zu folgen. Er erklärt bereits, gegen «einen möglichen schlechten Rahmenvertrag» an vorderster Front kämpfen zu wollen.»

Auf Radio 1 hetzt der ehemalige SP-Stapi von Zürich Elmar Ledergerber, Maurer sei «schon immer ein illoyaler Bundesrat gewesen», habe «gehetzt» und Parteipolitik betrieben. Offenbar meint der Schwätzer, das versende sich doch schnell.

Schon am 20 Januar hatte die NZZ gerüpelt: «Ueli Maurer stösst mit kruden Aussagen selbst Parteifreunde vor den Kopf»; Simon Marti und Georg Humbel, brav im Dienste der FDP, schreiben von einem «Entfesselten». Auch der «Blick» stösst ins gleiche Horn: «Alt Bundesrat Maurer verbreitet krude Thesen». Das ist besonders mutig von einem Blatt, dessen CEO ein perfektes Beispiel für die Corona-Hysterie abgibt und seine Redaktionen anwies, brav die Regierungspolitik in der Pandemie zu unterstützen. Von seiner Standleitung zum damaligen Gesundheitsminister Berset ganz zu schweigen.

Etwas vornehmer formulierte Tamedia: «Ueli Maurer irritiert mit neuen Aussagen zur Pandemie selbst SVPler». Abgesehen davon, dass diese Aussagen keineswegs neu waren oder sind, und ein irritiertes Parteimitglied, das so gerne in die Medien kommen möchte, findet sich immer.

Viktor Giacobbo, dem es auch immer mehr egal ist, wie er in die Medien kommt, damit seinem Ex-Kollegen Mike «Arschloch»-Müller ähnlich, erinnert an sich selbst, als Maurer-Imitator mit Clownnase:

Nun kann man zu Maurers pointierter Position durchaus geteilter Meinung sein. Allerdings wäre es dann zumindest redlich, auf die Begründungen des alt Bundesrats einzugehen. Immerhin hat ihm die SoZ dazu Gelegenheit gegeben, was aber innerhalb von Tamedia sicherlich nicht gerne gesehen wurde.

Aber die fundierteste Kritik kommt vom Weltorgan «Zofinger Tagblatt», im Verbund der CH Media Presse. Das druckt einen Kommentar des Chefredaktors der «Aargauer Zeitung» nach. Fabian Hägler war lange Jahre Leiter des «Ressort Aargau», und dermassen qualifiziert weiss er: «Corona war keine bewusst geschürte Hysterie, die Massnahmen dagegen keine Massenhypnose. Die Impfung dagegen ist nicht heisse Luft, sondern hat unzählige Menschen vor einem schweren Krankheitsverlauf bewahrt. Das sind die Fakten und der wissenschaftliche Konsens zur Pandemie.»

Abgesehen davon, dass Maurer das so nicht formuliert hat: es ist immer beruhigend, wenn ein Lokalredaktor sich als Virologe, Immunologe und Kenner der Sachlage outet. Aber vielleicht hätte er doch bei der Berichterstattung über das Jubiläum des Kleintierzüchtervereins Oberentfelden bleiben sollen.

Denn das kann er; wir geben ein Müsterchen aus seinem jüngeren Schaffen: «Wenig ist so eng mit Lenzburg verknüpft wie die ehemalige Spielwarenfabrik Wisa Gloria. Und kaum etwas aus deren Sortiment war und ist bekannter als die ikonischen Kinderwagen. Florina Haderer hat beides verknüpft, ein 140-Jahr-Jubiläum draufgelegt und herausgekommen ist: eine Neulancierung der Kinderwagen von anno dazumal

Das kann er. Er kann aber auch die ganz grossen Bögen: «Wie der Kanton Aargau die Schweizer Traditionsanlässe mitprägt. Fête des Vignerons 2019 in Vevey, Olma 2015 in St. Gallen und Expo.02 in Neuenburg: Das waren die letzten Auftritte als Gastkanton.»

Ach ja, das Peter-Prinzip hat wieder zugeschlagen.

 

China zensiert brutal

Oder westliche Medien schreiben sich Fake News ab.

Von Felix Abt

Enthüllung: Das repressive China hat einen beliebten Spielzeugbären unterdrückt — oder waren es doch eher die Fake-News-Medien?

Als ich vor Jahren auf dem Markt einer mittelgroßen chinesischen Stadt zufällig einen großen Stand mit vielen Winnie-the-Pooh-Produkten sah, blieb ich stehen und war erstaunt. Hatte ich nicht kürzlich in den westlichen Medien gelesen, dass Winnie the Pooh in China verboten worden war?

Die Geschichte von den verbotenen Plüschbären, T-Shirts und anderen Winnie-the-Pooh-Utensilien ist seitdem immer wieder in den Medien zu vernehmen. Eine der ersten war die BBC, die 2017 «berichtete», dass Winnie the Pooh in China verboten worden sei.

Ein Jahr später, im Jahr 2018, «berichtete» Der Spiegel, dass der «chinesische Machthaber» Angst vor Winnie the Pooh hatte und der niedliche Spielzeugbär deshalb verboten werden musste. «Weil der Bär wie der Machthaber aussieht«, behauptete das Blatt, ohne zu scherzen. Und die Tatsache, dass Chinesen mit bärenähnlichen Gesichtszügen eine rassistische Beleidigung sein könnten, störte den ansonsten woken Moral-Spiegel nicht.

Er stellte die Behauptung auf, dass «Bilder von Winnie the Pooh in China seit langem verboten sind – eben um systemkritische Xi-Memes zu verhindern

Besser spät als nie: Ganze 5 Jahre später, also im Jahr 2023, «berichtete” auch die Neue Zürcher Zeitung über die unheimliche Bärenangst des chinesischen Staatsoberhauptes. Die NZZ führte das Winnie-the-Puuh-Verbot als hieb- und stichfesten Beweis für die allumfassende chinesische Repression an.

Winnie-the-Pooh  wurde auch anderswo verboten, weil der Bär als «unangemessener Zwitter» mit «fragwürdiger Sexualität» beschuldigt wurde. Da dies in einer polnischen und nicht in einer chinesischen Stadt geschah, war es in den westlichen Medien keine Schlagzeile wert.

Keiner dieser “Berichterstatter”, die über die Unterdrückung des Bären und seiner Fans in China schrieben, war vor Ort, um die Angelegenheit zu klären. Ideologische Überzeugungen haben die Macht, Fakten in den Medien zu ersetzen wie nie zuvor.

Glücklicherweise gibt es heute soziale Medien, die nicht nur Unsinn und Unwahrheiten verbreiten wie die traditionellen Medien, sondern auch Wahres, das in letzteren nicht zu finden ist.

In China lebende Ausländer, die westliche Medien weniger zur Information – das wäre Zeitverschwendung – als vielmehr zur Belustigung konsumieren, haben es gewagt, in den sozialen Medien Winnie Puuh zu posten, wie man ihn auf chinesischen Märkten oder auf von Chinesen getragenen T-Shirts sieht.

Der Brite Lee Barrett, der in Shenzhen lebt, twitterte beispielsweise kürzlich Fotos aus einem chinesischen Geschäft, in dem Winnie-the-Puuh-Produkte verkauft werden.

Und die in China lebende Amerikanerin Katrina twitterte ein Bild des mit Winnie the Puuh bemalten Autos ihres chinesischen Nachbarn.

Wo bleibt denn da die Repression, liebe NZZ? Wahrscheinlich ist ein neuer Artikel mit dem sinnigen Titel fällig: «Im unberechenbaren China kann man sich nicht einmal mehr auf die Repression verlassen

Bösartiges Nachklappern

Fall Seipel: ist’s vorbei, kommt noch die NZZ.

Am 15 November 2023 dröhnte die «B.Z.»: «Der Putin-Schleimer – gekaufter Journalist bei der ARD». Als netter Beifang der sonst völlig unspektakulären «Cyprus Papers» kam mit dieser Hehlerware eine Überweisung eines russischen Oligarchen via Briefkastenfirma von 600’000 Euro an den deutschen Journalisten Hubert Seipel ans Tageslicht.

Der verbrauchte das Geld für ein Buch über Russland und Putin, den er schon 2012 eher liebedienerisch in einem TV-Beitrag porträtiert hatte, der damals allerdings höchstes Lob aller Orten erhielt. Das waren noch andere Zeiten, als man den Ausgleich mit Russland suchte.

Heute ist sich Seipel keiner Schuld bewusst und hält das alles für hysterische Hetze à la McCarthy. Ein verwegener Ansatz, da er offen ins Mikrophon log, als er gefragt wurde – vor den Leaks notabene –, ob er jemals direkt oder indirekt Geld aus Russland bekommen habe: «Geht’s noch? Nein!»

Soweit die längst bekannte Sachlage. Die von allen überall lang und breit beschrieben wurde. Aber natürlich noch nicht von Lucien Scherrer in der NZZ. Der klappert die Geschichte nochmal nach, «kontextualisiert» mit dem Untersuchungsbericht, den die ARD in Auftrag gab und der überraschungsfrei zum Ergebnis kam, dass sich der öffentlich-rechtliche Sender nichts vorzuwerfen habe.

Das wäre alles bloss kalter, aufgewärmter Kaffee, wenn sich Scherrer nicht so nebenbei eine fiese Denunziation leisten würde:

«Gerade im öffentlichrechtlichen Rundfunk durften Russland-Verklärer wie Hubert Seipel und Gabriele Krone-Schmalz das Russlandbild der Deutschen massgeblich mitprägen; dies trotz internen Warnungen.»

Das ist nun an Bösartigkeit schwer zu überbieten. Krone-Schmalz ist eine ausgewiesene Russland-Kennerin, war Moskau-Korrespondentin der ARD, hatte Osteuropäische Geschichte und Slawistik studiert und über «Vom Kiewer Reich zum Kalten Krieg» ihre Dissertation geschrieben. Sie bemüht sich allerdings schon vor und seit dem Ukrainekrieg, Erklärungen und nicht nur Verurteilungen zum Verhalten der russischen Führung zu liefern.

Sie aber mit Seipel zu vergleichen, der kaum Russisch spricht und offensichtlich als nützlicher Idiot missbraucht und bezahlt wurde, ist eine bodenlose Frechheit von Scherrer. Das früher angesehene Mediengefäss der NZZ geht seit dem Abgang seines langjährigen Betreuers Rainer Stadler immer mehr vor die Hunde. Wie alle Kontrollinstanzen einen solchen unbegründeten und ungerechtfertigten Schmierenangriff durchgehen lassen können …