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CS: völlig losgelöst

Milliardenverlust, Chefwechsel, Aktie im Keller. Na und?

Eigentlich ist die Medienmitteilung nur so zu erklären, dass die Verfasser bereits dermassen abgebrüht sind, dass ihnen alles egal ist. Denn das Wunderwerk moderner Rabulistik hebt so an:

«Die Credit Suisse Group AG (Credit Suisse) hat heute die Ernennung von Ulrich Körner zum Group Chief Executive Officer ab 1. August 2022 bekannt gegeben. Er ersetzt Thomas Gottstein, der zurücktritt. Gleichzeitig hat die Bank angekündigt, dass sie eine umfassende strategische Überprüfung mit folgenden Zielen durchführt:»

Zunächst: «der zurücktritt»? Der zurückgetreten wurde. Der doch vor Kurzem das «volle Vertrauen» seines VR-Präsidenten genoss, der unbedingt mit ihm gemeinsam in die Zukunft schreiten wollte. Aber gut, das ist so wie in einer Ehe. Eigentlich bis der Tod uns scheide, aber dann scheidet doch das Leben.

Nun findet aber auch eine «umfassende strategische Überprüfung» statt. Das ist wunderbar, denn ein schwindsüchtiger Aktienkurs, Milliardenverluste, ständige Rückstellungen für neue Rechtsfälle, ein neuerlich desaströses Quartalsergebnis, da muss was gehen. Was denn?

Achtung, nun kommt eine Hammerankündigung:

«Alternativen, die über die Ergebnisse der letztjährigen Strategieüberprüfung hinausgehen, sollen in Betracht gezogen werden, insbesondere angesichts des veränderten Wirtschafts- und Marktumfelds. Das Ziel der Überprüfung besteht darin, eine fokussiertere, agilere Gruppe mit einer deutlich niedrigeren absoluten Kostenbasis zu schaffen, die allen Anspruchsgruppen nachhaltige Erträge liefern sowie Kundinnen und Kunden herausragende Dienstleistungen bieten kann.»

Etwas wolkig formuliert, finden Sie? Na, dann hören Sie sich mal an, was passiert, wenn auch noch eine ganze Ladung Realitätsverlust dazukommt:

  • «Das erstklassige globale Vermögensverwaltungsgeschäft, die führende Universalbank in der Schweiz und das Asset-Management-Geschäft mit Mehrfachspezialisierung sollen gestärkt werden.
  • Transformation der Investment Bank in ein kapitalschonendes, beratungsorientiertes Bankgeschäft und ein stärker fokussiertes Marktgeschäft, das das Wachstum des Wealth Managements und der Swiss Bank ergänzt.
  • Überprüfung strategischer Optionen für den Securitized Products-Bereich, die auch die Einbringung von Fremdkapital in diese marktführende, renditestarke Plattform einschließen können, um ungenutzte Wachstumschancen zu realisieren und zusätzliche Ressourcen für die Wachstumsbereiche der Bank freizusetzen.»

Nein, es ist hier von der Credit Suisse die Rede, Ehrenwort. Es ist allerdings schleierhaft, wieso eine dermassen tolle Bank überhaupt gestärkt, transformiert und überprüft werden muss. Läuft doch alles super. Wenn einer geht, einer kommt, dann dürfen natürlich alle drei Beteiligten was dazu sagen. Also eigentlich sagen nicht sie selbst das, sondern Corporate Communication holt aus dem Textarchiv ein Wording, staubt es ab, setzt neue Namen ein, und ab die Post.

Zunächst hat Axel P. Lehmann, VR-Präsident, das Wort: «Es freut mich, Ueli als unseren neuen Group CEO willkommen heissen zu dürfen, um die umfassende strategische Überprüfung in einem für die Credit Suisse so entscheidenden Moment zu beaufsichtigen. Mit seinen fundierten Branchenkenntnissen und einer beeindruckenden Erfolgsbilanz …» Das von «Ueli» zu verantwortende Asset Management hat zwar hindertzi gemacht, aber das tut einer beeindruckenden Erfolgsbilanz doch keinen Abbruch. Die besteht nämlich aus, ähm, also aus, räusper, also, hüstel, wir drücken die Pausetaste.

Dann darf Thomas Gottstein, gewesener CEO: «Es war mir eine grosse Ehre und ein Privileg(,) der Credit Suisse über diese letzten 23 Jahre zu dienen.» Wunderbar, aber wieso stellt er diesen Dienst denn ein? «In den letzten Wochen bin ich nach Gesprächen mit Axel und meiner Familie sowie aus privaten und gesundheitlichen Gründen zum Schluss gekommen, dass es der richtige Zeitpunkt ist, zurückzutreten …» Ach so, er ist gar nicht zurückgetreten worden. Männergespräche mit Alex, die Familie, die Gesundheit, sowie «private Gründe». Wir vermuten: zu wenig Zeit für den Golfplatz.

Dann darf noch Ulrich Körner, neuer CEO der Credit Suisse: «Ich danke dem Verwaltungsrat für sein Vertrauen … freue mich darauf, mit allen Kolleginnen und Kollegen in der Bank und in der Geschäftsleitung  … volle Energie für die Umsetzung unserer Transformation … herausforderndes Unterfangen … auch eine grosse Chance … Dank gilt auch Thomas für seine Unterstützung …»

So, nun holen wir Eimer und Schäufelchen und wischen diese Worthülsenstapel vom Tisch. Besen ist nicht nötig, pusten genügt, so luftig-leicht sind die. Völlig losgelöst von der Realität, ohne Gehalt. Daher erschreckend für Mitarbeiter und Aktionäre. Und dann vielleicht auch mal für den Schweizer Steuerzahler, wenn er dieser «systemrelevanten» Bank dereinst unter die Arme greifen müsste. Denn glaubt irgend jemand, dass diese Dampfplauderer ein Rezept hätten, um die einstmals stolze Bank aus dem Elendstal zu führen?

Wumms: Thomas Gottstein

Es kann immer nur einen geben. Den Boss, The Man. Aber wie macht man PR für den?

Es gibt den berühmten Ausspruch des PR-Mannes Farner: «Gebt mir eine Million, und ich mache aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Das blieb uns bislang, oberflächlich betrachtet, erspart.

Wer und warum machte eigentlich Thomas Gottstein zum CEO der immer noch zweitgrössten Bank der Schweiz? Schliesslich ist die Credit Suisse «too big to fail», systemrelevant. Wenn’s richtig eng wird, darf der Steuerzahler aushelfen.

Dr. Thomas Gottstein ist seit etwas mehr als zwei Jahren der Chef der CS. 1995 erwarb er den Doktortitel in Finanz- und Rechnungswesen an der Universität Zürich. Anschliessend verlief seine Karriere eher unauffällig. Bis man dringend einen Nachfolger für Tidiane Thiam brauchte, der über einen Überwachsungsskandal gestolpert war.

Unauffällig, Schweizer, kann sympathisch lächeln: gebongt, den nehmen wir, sagte sich der Verwaltungsrat, der vorher durch Fehlgriffe aufgefallen war. Auch da war dann Feuer im Dach; während VR-Präsident Urs Rohner alle Skandale seelenruhig ausgesessen hatte, lupfte es seinen Nachfolger schon nach kurzer Zeit. Zu schlampiger Umgang mit Corona-Regeln, zu grosser Hang zu Freiflügen im Firmenjet. Daher musste er dann fliegen, aber natürlich mit goldenem Fallschirm. Also vergoldetem, die richtig saftigen Zeiten sind auch da vorbei.

Blieb also Gottstein als Fels in der Brandung. Nur: da gibt es einen Hasardeur aus Australien, der ein höchstwahrscheinlich kriminelles Schneeballsystem in Form eines Lieferketten-Fonds betrieb. Lex Greensill verfügt über das, was man im Geschäftsleben haben muss. Sympathisches Lächeln, überzeugendes Auftreten, angeblich grossartiges Geschäftsmodell. Zwischenfinanzierung von Lieferantenforderungen, Erklärungen würden zu weit führen, super Sache, der Burner, Gewinn garantiert, Verlust ausgeschlossen.

Solche grossartigen Geschäftsmodelle enden eigentlich immer gleich. Sie laufen ein Weilchen, alle sind glücklich und hauen sich auf die Schultern, dass es kracht. Dann gibt es ein paar klitzekleine Probleme, aber don’t panic, kriegen wir hin.

Nun könnte man, wenn man mit Milliarden im Feuer ist wie die CS, schnell auf die Bremse treten, einfrieren und einen Stiefel voll rausziehen. Aber «CS will not let you down», soll der sympathisch lächelnde Gottstein dem Sympathieträger Greenshill telefonisch versprochen haben.

Nun gibt es die Unsitte, gute Kunden mit Lombardkrediten spekulieren zu lassen. Also die Bank streckt vor. Geht’s gut, sind alle zufrieden. Geht’s schlecht, kommt der gefürchtete Margincall. Die Bank verlangt Nachschuss an Sicherheiten, sonst muss sie den Kredit leider glattstellen. Das führte dann zu Notverkäufen asiatischer Kunden von Greensill-Anteilen.

Statt nun den Stecker zu ziehen, soll die CS, sympathisch lächelnd, nochmals 140 Millionen Kredit in den absaufenden Fonds geschossen haben. So versuchte man, aus dem Schlamassel still und leise rauszukommen. Bis sich am 1. März 2021 das Kartenhaus Greensill-Fonds zusammenfaltete. Milliardenschaden für die CS.

Und seit einem Jahr versucht Gottstein, seine Beteiligung an dieser Katastrophe wegzulächeln. Äussert man sich kritisch dazu, bekommt man ein nettes Mail der CS, man hätte sie doch zur Stellungnahme einladen sollen. Bietet man ihr das generös an, wird aber wieder die Räuspertaste gedrückt, Sendepause. Und wahrscheinlich sympathisch gelächelt. So macht man Öffentlichkeitsarbeit.

Thomas Gottstein. Sympathie- und Anzugträger.

Wumms: Arthur Rutishauser

In den Treibsand kommentiert.

Der Oberchefredaktor von Tamedia ist im Herzen Wirtschaftsjournalist geblieben. Aber das Herz schlägt nur noch leise unter dicken Schichten von Management, Vincenz-Bashing und Entschuldigungen schreiben.

Natürlich muss Rutishauser auch etwas zum unaufhaltsamen Niedergang der Credit Suisse sagen. Das hätte er besser gelassen: «Die Credit Suisse ist eine Übernahmekandidatin». Eine Reaktion auf den Milliardenverlust im Jahr 2021, auf anhaltende Probleme, Skandale, Rechtsfälle. Rutishauser schliesst: «Bleibt abzuwarten, wer zuschlagen will.»

Ernste Miene zu schlimmem Spiel: Thomas Gottstein.

Nein, da können wir lange warten; die CS ist definitiv keine Übernahmekandidatin. Da sie «too big to fail» ist, also systemrelevant, würde hier die Schweizer Regierung ein gewichtiges Wörtchen mitreden, was die Bank zu einer sehr unattraktiven Braut macht. Dazu kommt: eine Bank wird nicht umsonst an der Börse nur mit der Hälfte ihres Buchwerts gehandelt.

Das hat zwei Gründe. Das Investment-Banking performt unterirdisch schlecht und hat ein Value at Risk von 875 Milliarden Franken, also eine beeindruckende Risiko-Blase, aufgepumpt.

Der zweite Grund ist die Mitgift, die von der CS in eine Fusion eingebracht würde. Wobei das Wort Gift zutrifft. Selbst die genauste Due Diligence könnte nicht zutage fördern, welche Leichen die Bank noch im Keller vergraben hat. Wer in solch unablässiger Folge Skandale und Rechtshändel verursacht, seit der grössten Busse für eine ausländische Bank im Steuerstreit mit den USA, der wird nicht mal mit der Beisszange angefasst.

Also ist die CS ganz sicher kein Übernahmekandidat, und niemand wird zuschlagen. Ausser, der Bund zwingt die UBS dazu, diesen Frosch zu küssen, der sich dann in eine Kröte verwandeln wird.

Dummheit ist ansteckend

Leider eine weitere Folge. Inzwischen ist das Virus auf die Credit Suisse übergesprungen.

Am Donnerstag gab die einstmals stolze und starke Bank ihr Quartalsergebnis bekannt. Reinverlust eine runde Viertelmilliarde. Mindestens 7 Milliarden mit nur zwei Investitionen verröstet. Einem vorbestraften Family-Office-Manager 10 Milliarden Spielgeld geliehen, vielleicht sogar 20. Also die Hälfte des geschrumpften Eigenkapitals. Risk Management, gesunder Menschenverstand, Kontrolle, die simple Frage: was machen wir da eigentlich, und ist das tatsächlich sinnvoll? Abwesend.

Aktienkurs seit Februar um ein Drittel geschrumpft, und wir messen hier sowieso schon im Keller. Von einstmals stolzen 13,50 Franken auf etwas über 9 Franken. Erinnert sich noch jemand daran, dass er mal über 60 Franken war?

Das ist die Realität. Nun gibt es in jeder Bank die sogenannte Corporate Communication. Also die Oberhoheit über alles, was die Bank so rauslässt. Das hat sehr häufig mit Compliance zu tun, also was muss man zu einem Anlageprodukt sagen, welche Gesetze und Vorschriften müssen eingehalten werden.

Der anspruchsvolle Auftrag

Das ist der dröge Teil der Arbeit. Etwas anspruchsvoller sind die Quartalsberichte und der jährliche Geschäftsbericht. Denn da geht es immer häufiger darum, aus Scheisse Gold zu machen. Also das Kunststück zu vollbringen, Desaster und Katastrophen und Versagen so aufzuhübschen, dass es sich viel weniger schlimm anhört, als es eigentlich ist.

Dabei gibt es aber ein Problem. Man kann ein Ei bunt anmalen. Ein Schleifchen drum drapieren. Es in ein süsses Nest legen. Es sogar golden ansprayen. Aber wenn man es aufschlägt, und es ist ein faules Ei, dann verbreitet sich unvermeidlich ein übler Geruch. Da nützt dann die ganze Dekoration nichts.

Angesichts der aktuellen Zahlen der Credit Suisse wäre es zwar angebracht, einfach zu sagen: Es ist grauenhaft, wir beschäftigen Totalversager für viel Geld. Dafür entschuldigen wir uns, haben sie alle rausgeschmissen und hören endlich auf, Investmentbanking zu spielen, wo die «stupid gnomes from Zurich» seit Anfang an nur Verluste gemacht haben.

Etwas eleganter und staatstragender formuliert, wäre das eine Ansage, die mit der Realität in Kontakt steht. Aber wer das Statement von CS-CEO Thomas Gottstein verfasst hat, ob intern oder – immer noch gefüllte Geldtröge für die darauf spezialisierten Agenturen – extern, der müsste zugeschüttet werden. Nein, nicht mit Gold.

Hätte ein böser Satiriker diesen Text als Persiflage verfasst, es wäre geschmunzelt worden, aber er bekäme gesagt: Vielleicht etwas weniger Gas geben, sonst wird es wirklich zu unrealistisch. So etwas sagt doch kein CEO.

So etwas sagt dieser CEO:

«Unser zugrunde liegendes Ergebnis unterstreicht die Ertragskraft der Credit Suisse.»

Wohlgemerkt, dieses Ergebnis beinhaltet, dass die CS in nur einem Quartal mindestens 7 Milliarden Franken verröstet hat. Mit lediglich zwei riskanten Wetten, bei denen sie einen guten Teil des Eigenkapitals ins Feuer gestellt hat.

Problem? Was für ein Problem? Wo ist ein Problem?

Aber, das ist kein Anlass zu Panik, liess sich Gottstein in den Mund legen. Eigentlich läuft alles bestens, vor allem, weil «wir alles daransetzen, dass die Credit Suisse gestärkt aus dieser Situation hervorgehen wird.» Das freut natürlich den gequälten Aktionär ungemein, vor allem, weil im völlig Ungefähren bleibt, wann denn «diese Situation» gestärkt verlassen wird. Und was das eigentlich heissen soll.

Selbstredend wird durchgegriffen, neu aufgestellt, «Inakzeptables» wird nicht länger akzeptiert, selbstverständlich verzichtet die Geschäftsleitung – und freiwillig auch VR-Präsident Urs Rohner – auf den Bonus fürs letzte Jahr. Das ist nett von denen, aber solange die «Key Risk Taker» sich noch jedes Jahr aus einem Bonustopf von einer Milliarde bedienen – unabhängig davon, ob sie dafür einen Milliardenverlust basteln –, kann von einem Umdenken keine Rede sein.

Damit die CS wie immer gestärkt, wie immer nach einem Schwächeanfall, «aus dieser Situation» herauskommen kann, braucht sie schlappe 1,7 Milliarden frisches Kapital. Das nimmt sie mit Zwangswandelanleihen auf. Diese Contingent Convertibles heissen in Japan «Todesspiralenanlagen». Denn sie werden zwangsweise in Aktien umgewandelt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Bis vor Kurzem stotterte die CS noch bis zu 10 Prozent Zinsen auf die erste Runde in der Finanzkrise eins aufgenommene Gelder auf diesem Weg. So sieht dann die Quartalsbilanz so aus: Risk Management: versagt. Investment-Banking: versagt. Compliance: versagt. Geschäftsleitung: versagt. Verwaltungsrat: versagt. Das kann niemand schönreden, nicht einmal schönsaufen. Ausser, man will den CEO lächerlich machen. Corporate Communication: versagt.