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Nau wird zur Konkurrenz von Lokalzeitungen

Nau.ch will mit seinen Regio-News in 22 Regionen den Trend zum publizistischen Einheitsbrei stoppen.

Das Online-Portal Nau.ch hat in der Medienbranche nicht die beste Reputation. Doch jetzt baut man die Lokalberichterstattung massiv aus. Von Köniz und Lenzburg über Thal-Gäu und Dübendorf, der Zürcher Goldküste bis zu March-Höfe hat Nau.ch expandiert. Jeweils mit «gut verankerten Persönlichkeiten vor Ort, was wir mit unseren Lokaljournalisten abdecken», bestätigt CEO Yves Kilchenmann den Ausbaukurs auf Anfrage.

Amateursport, Lokalpolitiker, Vereinsnachrichten

«Unser Regio-Produkt befindet sich im Wachstum. Im Frühjahr konnten wir Köniz als eine der ersten Regionen im Raum Bern etablieren. Aktuell sind es 22 Regionen – Tendenz steigend», so Kilchenmann weiter. Ein Blick in solche Berichte zeigt, dass sie genau dort ansetzen, wo Mantelblätter mit zentralisierten Redaktionen immer weniger die Bevölkerung ansprechen. Vereinsnachrichten, Sportberichte von Amateurligen, Tribünentexte von Lokalpolitikern, auch mal ein lokaler Aufreger, für dessen Recherche man aus dem Grossraumbüro muss.

Es begann in der Marzilibahn

Doch der Reihe nach: Am Anfang stand bei Nau.ch die Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Frühling 2008 wurde der erste Doppelbildschirm in der Berner Marzilibahn installiert. Die beiden Gründer der Firma Livesystems, Oliver Chuard und Yves Kilchenmann, hatten die simple Idee, Werbung auf Screens im öffentlichen Verkehr zu platzieren. In der Zeit vor dem grossen Handy-Boom mit permanentem Internetzugang offensichtlich eine Marktlücke. Im Sommer 2017 wurde dann die Online-Plattform Nau gegründet. Nach Angaben von Nau steht der Name als Abkürzung für: «Neu, aktuell, unterhaltsam». Doch die Akzeptanz in der Medienwelt war eher gering, im Gegensatz etwa zu Watson, der Republik oder den lokal agierenden tsüri.ch, das Lamm oder bajour.ch. Jene Plattformen sind sich oft zu schade, über lokale Themen zu berichten. Oder es fehlt am Gespür für sie. Stichwort Medienblase. Dazu kommt, dass Nau.ch mit seiner Werbe-Herkunft oft als zweitklassig wahrgenommen wird. Dazu kommen negative Medienberichte über die Firma. Praktikanten und Kurzarbeit.

Zackbum hat über die Expansion in die Regionen mit Yves Kilchenmann, CEO der Nau Media AG, gesprochen.

Herr Kilchenmann, warum haben Sie entschieden, die Regionalberichterstattung auszubauen?

Mit unseren Screens im öffentlichen Verkehr, an Tankstellen und an gut frequentierten öffentlichen Plätzen verzeichnet Livesystems ein stetiges Wachstum. Nicht nur urban, sondern auch in ländlichen Regionen. Via den Bildschirm können wir internationale und nationale Nachrichten verbreiten, regionale Berichterstattungen jedoch lokal ansteuern. So können wir gezielt auf die einzelnen Regionen eingehen und bieten den Zuschauern einen deutlichen Mehrwert. Regionale Berichterstattungen schwinden vermehrt – diesem Trend wollen wir mit den Regio-News von Nau entgegenhalten, damit die publizistische Vielfalt nicht verloren geht.

Ein Beispiel ist die Goldküste, wo Kilian Marti sehr aktiv ist. Ist das die Strategie, ein Journalist pro Gebiet, im konkreten Fall Zollikon-Meilen?

Um regionalen Journalismus zu betreiben, benötigt es gut verankerte Persönlichkeiten vor Ort, was wir mit unseren Lokaljournalisten abdecken.

Wieviele Regionen bespielt Nau aktuell? Die Rede ist von 18?

Unser Regio-Produkt befindet sich im Wachstum. Im Frühjahr konnten wir Köniz als eine der ersten Regionen im Raum Bern etablieren. Aktuell sind es 22 Regionen – Tendenz steigend. Wir decken Regionen Bern über Solothurn bis hin zu Zürich und/oder Schwyz ab. Anbei ein kleiner Auszug: Köniz, Thal-Gäu, Lenzburg, Dübendorf und March-Höfe.

Nau wird durch diese Regionalisierung zur Konkurrenz für Regionalzeitungen wie der Zürcher Oberländer, der Marchanzeiger und die Zürichsee-Zeitung, einverstanden?

Über die letzten Jahre hinweg schwindet die Vielfalt der Regionalzeitungen. Die Nachfrage nach lokalen News zeigt aber ein anderes Bild. Es interessiert, was in der eigenen Gemeinde passiert, ob der Fussballverein am letzten Samstag das Auswärtsspiel gewonnen hat und wann der nächste Dorfmärit stattfindet (um nur einige Beispiele zu nennen). Die Regio-News von Nau.ch sind ein digitales Produkt und keine Zeitung.

Wie viel Geld nehmen Sie in die Hand für diese Expansion?

Dazu können wir keine Angaben machen.

Wie läuft es denn mit den Kurzmeldungen im ÖV? Ist das nicht langsam ein Auslaufmodell, weil alle auf ihre Handys starren?

Sowohl für den Werbemarkt wie auch für die Leser bieten die Screens im ÖV und im öffentlichen Raum ein einmaliges Kombi. Über die Screens von Livesystems erhalten Zuschauer die wichtigsten Nau.ch-News in Kurzform, für eine detaillierte Berichterstattung nutzen sie die (mobile) Website und/oder App. Mit den Screens erreichen wir täglich ein 2.4 Millionen-Publikum und sorgen so für eine hohe Visibilität, welche beeindruckende Werbeerinnerungen mit sich bringen.

Beispiel Zürich: Warum ist Nau.ch nicht an Tankstellen oder in Coop Prontos präsent?

Das digitale Out-of-Home Werbenetz von Livesystems befindet sich nach wie vor im Wachstum. Im Raum Zürich haben wir bereits heute über 40 Ausstrahlungsstandorte an Tankstellen (u.A. Tamoil und Migrol) und weitere über 20 Standorte mit den grossflächigen Werbestelen. Mit der Postfilialen-Vermarktung der Schweizerischen Post wächst das Netz insbesondere auch im Retail – nicht nur in Zürich, sondern schweizweit um ein Vielfaches. Die Coop Prontos werden von einem Marktbegleiter vermarket.

Wo expandieren Sie sonst noch?

Livesystems durfte im Frühjahr 2020 die Ausschreibung der Verkehrsbetriebe Zürich VBZ gewinnen. Der Eintritte in den Analog-Markt und die weitere Expansion im Metropolitanraum Zürich ist gelungen. Das digitale Out-of-Home Angebot in Zürich wird mit analogen Werbemöglichkeiten ideal abgerundet.

Noch zum Thema Thema Kurzarbeit und die Anschuldigungen der Republik, die ja dann von diversen Medien unbeleuchtet übernommen wurden. Ist da noch etwas geplant, zum Beispiel der Gang vor die Gerichte?

Der Republik-Artikel ist geschäftsschädigend. Das trifft auch auf die Weiterverbreitung von falschen Behauptungen zu.

Das Interview wurde schriftlich geführt.