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Erregte Tamedia-Frauen

War da mal was? Vor genau einem Jahr? Als der Bauchnabel noch das Zentrum der Welt war.

Manchmal reicht schon ein Jahr Distanz, um die Bedeutungslosigkeit, ja Lächerlichkeit einer Aktion in aller Hässlichkeit zu enthüllen. Wir erinnern uns kurz: Vor einem Jahr lancierten 78 Tamedia-Frauen einen Protestbrief, in dem sie sich über demotivierende, sexistische, diskriminierende, unerträgliche Zustände auf den Redaktionen von Tamedia beschwerten.

Eigentlich war das Schreiben für den internen Gebrauch gedacht gewesen. Aber die beiden Rädelsführerinnen kamen auf die grossartige Idee, es via Jolanda Spiess-Hegglin in die Öffentlichkeit zu transportieren. Obwohl die meisten Unterzeichner gar nicht um Erlaubnis gefragt worden waren. Es gab Schauerliches zu beklagen: Frauen würden «ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert».

Ergänzt war der Protestbrief mit einem Ultimatum, dass bis zum 1. Mai 2021 aber ganz radikal was passieren müsse. Und einer Latte von über 60 anonymisierten Beispielen, wie unmenschlich es bei Tamedia zu und herginge. Die Müsterchen waren damals schon lachhaft, sie sind es heute noch:

«Als jemand das Thema Gendersternchen vorschlug, hiess es erst, es sei schon genug «Klamauk» zum Thema gemacht worden. Das richtete sich nicht per se gegen eine Frau, aber gegen die Art des gendergerechten, integrierenden Schreibens.»

«Bei einem Text, der ausschliesslich von der Perspektive junger Frauen handelte, sagte der ältere Vorgesetzte: «Es ist falsch, was du schreibst.»

«An Sitzungen wiederholen Männer oft die Ideen, die in den ersten 5 Minuten von Frauen des Meetings vorgebracht wurden. Die Männer ergänzen die Idee nicht, sondern sagen einfach dasselbe, ohne zu erwähnen, dass die Idee von Kollegin xy stammt.»

«Aber ihr seid doch mitgemeint, wenn man das generische Maskulinum benutzt.» – «Nein, ich fühle mich nicht mitgemeint. Du weisst nicht, wie ich mich fühle.» – «Ihr seid mitgemeint. Das ist historisch so.»

«Es wird uns Journalistinnen nicht zugetraut, entsprechend unseres journalistischen Instinkts und unserer Expertise Themen zu erkennen und journalistisch umzusetzen.»

«In einer Blattkritik wurde der Einstieg eines Textes über den historischen Frauenstreik kritisiert: «Wir sollten ob unserer Begeisterung nicht unser Urteilsvermögen aufgeben.»»

«Ich: «Verdienen Männer hier denn mehr als Frauen, wie ist es so mit der Lohngleichheit?» Antwort, schreiend: «Du musst den Vertrag ja nicht unterschreiben.»»

Was geschah dann? Die (männliche) Führungsriege warf sich in den Staub. Heuchelte Betroffenheit, sah ein Problem, der Oberchefredaktor entschuldigte sich schon mal präventiv für alle Untaten, obwohl keine einzige bewiesen wurde.

Nach diesem mutigen Aufschrei verstummten die Tamedia-Frauen allerdings. Vor allem, wenn man ihnen höflich Fragen stellte.

Was bleibt, ausser viel Schall?

Inzwischen, ein Jahr später, ist die damalige Aufregung Tamedia nicht mal mehr eine einzige Zeile wert …

Damals sollte das stattfinden, was bei Vorwürfen dieser Art Brauch ist: eine Untersuchung, brutalstmöglich. Dazu wurde zuerst, haben wir gelacht, eine der Mitunterzeichnerinnen ausgeguckt. Nachdem es der Führungsriege nach langem Nachdenken auffiel, dass das vielleicht keine gute Idee sei, wurde eine externe Firma mit der Abklärung der anonymen Vorwürfe beauftragt.

Und seither klärt die ab und klärt ab. Und klärt ab. Nachfragen nach allfälligen Ergebnissen, so nach einem Jahr, werden von der Medienstelle vom Tisch gewischt. Die Tamedia-Frauen arbeiten seither klaglos weiter, obwohl nicht bekannt ist, dass sich an diesen frauenverachtenden Umständen etwas geändert hätte.

Sichtbar wurde nur, dass immer häufiger absurden Themen wie Gendersprache, korrekte inkludierende Verwendung der Sprache und ähnlichem Pipifax ganze Mehrseiter gewidmet wurden, die auch in der Retrospektive für Lachsalven sorgen würden, könnte sich jemand noch daran erinnern, mit welchem Bierernst hier die Wichtigkeit eines richtig gesetzten Sternchen beschworen wurde.

Zeitenweise schien es so, dass für Tamedia-Mitarbeiter kein anderes Thema so wichtig sei wie der Kampf gegen die männerdominierte Sprache. Aber der Zeitgeist ist gnadenlos; gelegentlich durchgeführte Umfragen belegten, was sowieso klar war: dem Publikum, dem Leser gehen solche Sprachturnereien schwer an einem gewissen Körperteil vorbei – wenn sie ihm nicht ganz kräftig auf den Sack gehen. Das gilt auch für Leserinnen.

Letzte Kämpfer sind noch am Gerät

Also bemühen sich Kämpfer für eine inkludierende Sprache heute noch, mit Knacklauten, Binnen-I und ähnlichem Schwachsinn ihre Solidarität mit dem unterdrückten Geschlecht auszudrücken. Allerdings fand niemand von diesen Bewegten eine Lösung fürs Problem, dass die Welt bekanntlich neuerdings nicht mehr nur aus Männlein oder Weiblein besteht. Sondern aus einem ganzen Zoo von über 150 verschiedenen sexuellen Orientierungen. Womit nur die gemeint sind, die sich eindeutig zuordnen können, es gibt auch noch das Heer der Non-Binären, die selbst die Definition, ein schwarzer Transvestit mit Migrationshintergrund und aus der Sklaverei stammender Diskriminierung zu sein, als zu einengend empfinden würden.

Aber wenn der Krieg in der Ukraine etwas Gutes hat: all diese selbstverliebte, auf den eigenen Bauchnabel fixierte, krampfhaft nach Möglichkeiten des Leidens suchende Jammerlitanei ist verstummt. Welch eine Wohltat innerhalb von so viel Schrecklichem.

Du Duden, du, du Dudin

Verstehen Sie Spass? Der Duden knickt ein. Ein Lehrer ist nicht mehr auch eine Lehrerin.

Die Feminisierenden haben eine Pyrrhus-Sieg eingefahren. Also eine Siegin. Die Lage ist ernst. Ein schönes Beispiel dafür, dass man jeden Unsinn nur lange und oft genug wiederholen muss, dann wirkt er.

Bild des Grauens: die Duda, Dudin, Dud/in, DudIn, Dud-In, Dud_in, das Duden, das Dudix, Duden*, Du*den?

Die Online-Redaktion des Dudens hat entschieden, rund 12’000 Personenbezeichnungen zu gendern, wie das moderndeutsch heisst. Für Frauende: Begriffe wie Mieter, Politiker, Zuschauer usw. werden nicht mehr, wie bis anhin, als geschlechtsneutral definiert.

Was schlichtweg bedeutet, dass aus sprachhistorischen Gründen und im Sinne der einfachen Lesbarkeit Lexeme eine generische Bedeutung haben. Hä? Da viele weibliche Formen sowieso von männlichen abgeleitet wurden (ja, genau wie Eva aus der Rippe des Adam), haben viele Wörter neben der männlichen auch eine geschlechtsneutrale Bedeutung. Als Gattungsbegriff. Der Affe ist auch eine Äffin, die Maus ist auch ein Mäuserich.

Also ist ein Arzt auch eine Ärztin, ein Doktor phil I in meinem Fall männlich, aber eine Frau ist nicht Doktorin phil I. Bislang.

Das Genus, nicht wirklich mit Geschlecht zu übersetzen, wurde zum billigen Schlachtfeld, neben der Herrensprache wurde nun auch entdeckt, dass ein maskuliner Genus Frauen unterdrückt, zumindest ausschliesst, da sie nun die Hälfte der Menschheit ausmachen, kann das ja nicht so weitergehen.

Der deutsche Feminismus ist männlich, aber weltweit führend

Leider ist hier der deutsche Feminismus, also besser die deutsche Feminisma, weltweit führend. Weder in Sprachen, die auch zwei oder drei Genera kennen, erst recht nicht in Sprachen, die das nicht kennen, wird ein solch erbitterter Kampf um die Lufthoheit über eine angeblich nicht-diskriminierende Verwendung des Genus geführt wie auf Deutsch.

Allerdings, das ist keine männliche Gemeinheit (das Substantiv ist schliesslich feminin): alle solche Versuche schaffen mehr Probleme, als sie Lösungen anbieten. Wer den Lehrer mit der Lehrerin ergänzen möchte, müsste konsequent auch von Lehrern und Lehrerinnen sprechen.

Wer das tut, schliesst aber alle Menschen aus, die sich als non-binär verstehen, also weder als weiblich, noch als männlich. Das wird zurzeit verzweifelt und mit m/w/d wie divers gefasst, denn die Geschlechter vermehren sich wie die Karnickel, während die Sprache und die Bedürfnisanstalten dieser Entwicklung hinterherhinken.

Probleme lösen, um neue Probleme zu schaffen

Damit hören aber die Probleme nicht auf. Wie steht es dann mit dem von der Freund abgeleiteten Freundeskreis? Sind das nur Männerbünde? Oder das Adjektiv oder Adverb freundlich, drückt das nur männliche Freundlichkeit aus, obwohl die weiblich ist?

Glücklicherweise regen sich nicht nur männliche Sprachwissenschaftler auf, sondern auch weibliche Sprachwissenschaftlerinnen. Die allerdings genauso Sprachwissenschaftler sein können; wenn die Betonung auf ihr Geschlecht gelegt werden soll, hilft das Adjektiv weiblich ungemein. Die Linguistin Ewa Trutkowski versucht schon seit Längerem, gegen diesen Unsinn anzukämpfen.

Sie führt dazu noch das hübsche Beispiel Katze an. Darunter versteht auch niemand im ersten Anlauf nur weibliche Katzen. Sondern generisch neutral Hauskatzen. Erst dann kommt die Assoziation weibliche Katze.

Assoziationstests als Waffe im Genderkampf

Genau mit diesen sogenannten Assoziationstests arbeiten die Befürworterinnen, aber auch Befürworter dieser Fehlinterpretation des Genus. Bei männlichen Gattungsbegriffen würde die Mehrheit der befragten Personen an männliche Individuen denken. Das vernachlässigt aber, dass die Sprache kontextual ist. Also ein Lehrer kann auch ohne weiteres eine Lehrerin sein, je nach Zusammenhang der Verwendung.

Auch Kampffeminisierende sind sich des Problems bewusst, dass die Einführung von Doppelbezeichnungen natürlich alle anderen weiterhin diskriminiert, sogar noch stärker als vorher. Denn wenn Lehrer geschlechtsneutral ist, dann kann sich alles Non-Binäre damit auch angesprochen fühlen. Bei Lehrer, Lehrerin nicht.

Diesem selbstgeschaffenen neuen Problem soll mit weiteren Absurditäten Abhilfe geschaffen werden. Also dem Gender-Sternchen, dem Schrägstrich, dem Binnen-I und weiterem Unfug. Das Problem, dass diese Idiotie nicht mündlich verwendet werden kann, soll durch eine kurze Pause oder gar einen Klicklaut kenntlich gemacht werden.

Beliebt: der Missbrauch des Partizips Präsens

Eine Untergruppe (die, also rein weibliche Mitgliederinnen) propagiert den Missbrauch des Partizip Präsens. Auch der hat sich leider schon da und dort durchgesetzt. Die Mitarbeitenden, die Studierenden, die Regierenden. Unbeschadet davon, dass der bestimmte Artikel im maskulin Plural ein die ist.

Aber statt der Mitarbeiter ermögliche das eben der Mitarbeitende, genau wie die Mitarbeitende. Auch dafür wird eine einsichtige und verständliche Regel gebrochen. Auf Deutsch bezeichnet das Partizip Präsens eine aktuelle, ohne zeitliche Begrenzung ausgeübte Tätigkeit oder Eigenschaft. Wenn also der, ebenfalls die Studierende gerade nicht studiert, dann ist er/sie vielleicht eine Schlafende, Trinkende, Häkelnde, Flirtende, aber keine Studierende.

Es ist wirklich zu hoffen, dass dieser Unfug, der lediglich alte Vorurteile über den weiblichen IQ – nicht nur von Blondinen – fördert, so schnell wieder verschwindet, wie er aufgetaucht ist.

Neues von «*, In, Innen*, der_die, m/w/d, und -innen»

Wer der Sprache ans Mieder geht, ist zu allem fähig. Nur nicht zu gutem Deutsch.

Eigentlich heisst das ganze Zitat von Karl Kraus: «Heinrich Heine hat der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert, dass heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können.»

Aber seine Verwendung bedingt, dass der Leser (von der Leserin und von allen, die sich als non-binär bezeichnen, ganz zu schweigen) wüsste, wer Karl Kraus, Heinrich Heine oder ein Kommis war. Also fällt das Zielpublikum dieses Artikels schon mal vollständig weg.

Denn nur jemand, der auf Sprachregeln pfeift, mutwillig seine persönliche Meinung ihr als Stempel aufdrücken will, ihr also schlichtweg ans Mieder geht und sie vergewaltigt, kommt auf die absurde Idee, dass der Männersprache eine weibliche Seite aufs Auge gedrückt werden müsste.

Was Sprachverbrecherinnen nicht auffällt

Damit geht auch meistens einher, das ganz allgemein Sprach- und Literaturkenntnisse – sowohl weiblicher wie männlicher Autoren – eher rudimentär vorhanden sind. Von anderen Sprachen ganz zu schweigen. Sonst würde es diesen Sprachverbrecherinnen auffallen, dass das Bestehen auf der Inkludierung von allen möglichen und unmöglichen Geschlechtern auf einem Irrtum beruht.

Den einen Teil haben wir schon abgehandelt. Der andere: Zum Beispiel Türkisch kennt kein Genus (für Nicht-Lateinerinnen: schlecht mit Geschlecht auf Deutsch übersetzt). Türkisch ist also geschlechtlich nicht diskriminierend. Keine unterdrückerische Männersprache. Sondern strahlt Chancengleichheit aus. Wenn die Furzidee, dass eine «Verweiblichung» der Sprache ungeheuerliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Rollenverständnis hätte, müssten also die Türkinnen zu den emanzipiertesten und gleichgestelltesten Frauen der Welt gehören.

Das wüssten die grösstenteils in mittelalterlichen Umständen unterdrückten Türkinnen aber. Das hindert allerdings unwissende Missbraucherinnen der deutschen Sprache nicht daran, die Schraube immer weiter ins Absurde zu drehen.

Eine Berufsvereinigung, die sich schon im Namen disqualifiziert

Das führte jüngst dazu, dass es schon wieder eine Vereinigung mehr gibt, bei der ich sicher nicht Mitglied werden möchte. Nämlich ab 2021 ist «Das Reporter-Forum Schweiz» auch dem Zeitungeist zum Opfer gefallen. Es heisst nun «Reporter:innen-Forum Schweiz». Haben wir ein Glück, dass Schweiz weiblich ist. Aber warum diese Verunstaltung? Das erklärt die neue Vorstandsmitglied*:in* Samantha Zaugg so:

«Vielleicht ist es für den Lesefluss noch ungewohnt, vielleicht aus typografischer Sicht unschön.

Aber noch unschöner ist es, wenn mehr als die Hälfte der Menschen nicht mitgemeint ist.

Deshalb sind wir neu das Reporter:innen-Forum.»

Die Fotografin und Kunststudentin Zaugg bezeichnet sich auch noch als Journalistin. Wir glauben immer noch, dass es für gute Fotografien und für gute Kunst eine mindestens rudimentäre Beherrschung des Handwerks braucht. Dass Regelverstösse (unscharfes Foto, Bilder von Jackson Pollock) zwar begangen werden können, aber dann mit verständlicher Begründung.

Regelverstösse brauchen verständliche Begründungen

Zaugg behauptet nun, dass ohne die ungewohnte, unschöne, in Wirklichkeit schlichtweg kreuzfalsche Missgeburt eines neuen Namens «die Hälfte der Menschen nicht mitgemeint» wäre. Das ist ungefähr so bescheuert, wie wenn man Picasso vorwerfen würde, dass er abstrakte Kühe malte, weil er eine wirklichkeitsnahe Kuh nicht hinkriegte.

Oder dass Robert Capa* ein schlechter Fotograf war, weil er die meisten seiner Fotos, die er unter Lebensgefahr bei der Invasion des D-Day schoss, beim Entwickeln zerstörte.

Oder dass Karl Kraus und viele, viele, viele andere durch ihren Verzicht auf diesen Sprachunsinn die Hälfte der Menschen nicht mitmeinten. Ihnen war (und ist) einfach – im Gegensatz zu Zaugg – der Unterschied zwischen einem generisch neutralen Plural und einem angeblich nur Männer umfassenden Plural bekannt.

Angebliche Korrektheit predigen, aber auf der eigenen Webseite …

Und Hand aufs geschlechtsneutrale Herz, liebe Frau Zaugg, Sie selber glauben doch auch nicht an diesen Quatsch. Sonst sähe diese Auflistung auf Ihrer eigenen Webseite anders aus:

Das müsste eigentlich zum freiwilligen Rücktritt der neuen Vorständerin führen …

 

*Zuerst hiess es hier fälschlicherweise Frank Capra. Danke für den Hinweis von Samantha Zaugg.

Ein Sternchen vergewaltigt die Sprache

Stetes Sternchen höhlt den Duden. Aber noch gibt es Gegenwehr gegen dieses Sprachverbrechen.

In kampffeministischen oder linken Organen hat es längst Einzug gehalten. Der Anfang vom Weg nach unten beruht auf einem fundamentalen Missverständnis. Nämlich der Verwechslung des grammatikalischen Genus mit Geschlecht.

Schuld daran sind natürlich die Vereinfacher, die den armen Schülern der deutschen Sprache nicht mehr Latein in der Wortlehre zumuten wollten. Substantiv, Prädikat, Adverb, Adjektiv, Casus, pfuibäh. So wandelte sich das Genus als Zuweisung einer Gattung zum «Geschlecht».

Und schon war die Büchse der Pandorra geöffnet. Sklavensprache, Herrensprache, Unterdrückung durch Sprache, mangelnde Repräsentanz in der Sprache, Männersprache. Zur Identifikation und Bekämpfung des Übels braucht es etwas, das jeder Depp missverstehen kann.

Wo fängt die nötige Therapie an? (© zukunft-ch.ch)

Nämlich die Genera. Zumal es auf Deutsch gleich drei gibt. In anderen Sprachen nur zwei. In anderen sogar gar keines (Türkisch, Finnisch, Japanisch). Hier wird’s natürlich schwierig mit der Denunziation einer Männersprache als Unterdrückungsinstrument gegen Frauen.

Muss das generische Geschlecht fast immer männlich sein?

Während einzelne Ausnahmen wie die Person ignoriert werden, nicht verstanden wird, wieso es das Mädchen heisst (Diminutiv), wird anklagend darauf verwiesen, dass es der Mensch heisst, und vor allem: dass das sogenannte generische Geschlecht, also bei Sammelbegriffen wie Student, Arzt, Lehrer, Anwalt, Präsident die weibliche Form, beziehungsweise das Genus feminin, immer inbegriffen ist.

Die Zuweisung der Genera folgen bestimmten Regeln, die nicht immer konsequent sind, aber garantiert eines nicht enthalten: Sie wollen keinesfalls Frauen (oder Kinder) diskriminieren. Deshalb war und ist es klar, dass bei der Student auch andere Geschlechter (es gibt ja immer mehr davon) inbegriffen sind. Auch bei die Studenten, natürlich.

Wenn man aber diesem Grundlagenirrtum unterliegt, will man (und frau) natürlich nicht nur meckern, sondern auch Alternativen aufzeigen. Eine ist grauenhafter als die andere. Die konsequenten Verwendung der Doppelform (die Studenten und Studentinnen) schlägt jeden Leser in die Flucht. Deshalb wird auch probiert, durch eine Fussnote, dass hier das männliche Genus auch immer das feminine mitmeint, den Zorn abzulenken.

Ein Anschlag nach dem anderen auf die deutsche Sprache

Der nächste Anschlag wurde unter Verwendung von Partizip-Präsens-Konstruktionen verübt. Statt das diskriminierende «die Studenten» viel besser: «die Studierenden». Das ist zwar wieder kreuzfalsch (Partizip Präsens bedeutet auf Deutsch eine kontinuierliche Tätigkeit. Ich kann arbeiten, ich kann am Arbeiten sein, aber ich bin niemals ein Arbeitender. Ausser, ich wäre ein Roboter mit 24/7-Einsatz).

Der nächste Untergriff gegen die Sprache ist das Binnen-I. Also der in das arme Wort, das sich nicht wehren kann, gerammte Kunstbuchstabe. StudentIn. Glücklicherweise setzte sich dieser Versuch des Sprachmissbrauchs nicht wirklich durch. Einerseits stolperte er über banale Probleme: heisst es nun Ärztin oder ÄrztIn? Oder beides? Andererseits war der Todesstoss der Einwand, dass so nur zwei Geschlechter repräsentiert seien. Und all die anderen?

Unterstrich und Gender-Sternchen: Von Deutsch zu Holperdeutsch

Daraufhin erhob das Gender-Sternchen sein hässliches Haupt. Das aber allerorten. Sprachliebhaber und Sprachpfleger (natürlich überwiegend männlich) führen seither einen erbitterten, aber noch lange nicht gewonnenen Kampf gegen diesen neuerlichen Versuch, die deutsche Sprache zu vergewaltigen. Begleitet wird das Sternchen gerne und oft vom Unterstrich. Nach erfolgter Vergewaltigung sieht eine Anrede (wie sie beispielsweise die Uni Berlin empfiehlt), so aus:

«die_der Dekan_in».

Hier soll der Unterstrich, wie das Sternchen, neben der weiblichen Form auch alle anderen Geschlechter inkludieren, nicht mehr ausgrenzen.

Auch in der Schweiz treibt das Gender-Sternchen inzwischen sein Unwesen, sogar in Mainstreammedien wie dem Tages-Anzeiger oder Blue-News, zwei der meistgeklickten Plattformen im Internet. So erfreut der Tagi seine Leserinnen – seine Leser hingegen weniger – mit launigen Anreden wie

«Liebe Leser*innen» oder «liebe Leserinnen*».

Da sei dann der sich vielleicht diskriminiert fühlende Leser schon mitgemeint.

Kein Beitrag zur Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft

Blue erfreut sowohl Leser wie Leserinnen und alle non-binären Geschlechter mit Titelmissbildungen wie dieser: «Schweizer*innen in L.A.» An Regeln sollte man sich halten – oder sie verändern wollen. Aber was hier passiert, formuliert die Gesellschaft für deutsche Sprache unübertroffen: „Die sogenannte gendergerechte Sprache beruht erstens auf einem Generalirrtum, erzeugt zweitens eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde und ist drittens konsequent gar nicht durchzuhalten. Und viertens ist sie auch kein Beitrag zur Besserstellung der Frau in der Gesellschaft.“

Jeder wäre sich einig, dass eine gendergerechte Umwandlung von Verkehrsregeln keine gute Idee wäre. Bei Sprachverbrechen sieht das anders aus. Ein Blick in den Duden würde Klarheit verschaffen. Alle diese Formen sind Mumpitz. Unsinn. Beschäftigung für Anti-Diskiminierungskämpfer*innen*, die zu faul sind, sich um echte Diskriminierung zu kümmern.

Aber leider, leider, es ist der Duden, und das liegt daran, dass Konrad Duden ein Mann war. Also geht das alles natürlich nicht.

 

Unsere Tugend-Taliban

Das ist kein Kalauer, sondern echte Besorgnis

Eine masslose Übertreibung, zugespitzt, überspitzt? Keineswegs. Im verzweifelten Versuch, die Lufthoheit in der öffentlichen Meinungsbildung zu behalten, sind inzwischen fast alle Mittel erlaubt. Alle, von denen wir uns mühsam in den letzten Jahrhunderten getrennt haben.

Zunächst die fallengelassene Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung. Wer Ansichten äussert, die anders, provokativ, vielleicht sogar falsch sind, von fehlenden Kenntnissen zeugen, der sollte auf Widerrede stossen. Auf Gegenargumente.

Stattdessen werden angebliche Haltungen, Auffassungen, die ganze Wesensart kritisiert. Nach dem primitiven Muster: Wer das sagt, ist (hier kann Rassist, Hetzer, Populist, Unmensch, Kommunist, Faschist oder was auch immer eingesetzt werden). Vermeintlich werden damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es müssen keine Gegenargumente gesucht, der so Kritisierte kann aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden.

Dann der Rekurs auf angeblich unbezweifelbare Werturteile. Der fatale Ersatz von richtig oder falsch durch gut oder böse. Es gibt keine Letztbegründung für moralische Werturteile; wer das Gegenteil glaubt, könnte sich gleich für die Wiedereinführung der Inquisition stark machen.

Statt echten Problemen Sprachreinigung

Als Drittes die Dialogverweigerung, wenn der andere nicht aus sogenannter persönlicher Betroffenheit sprechen kann. Nur Schwarze dürfen ermessen, was Rassismus gegen Schwarze ist. Nur waschechte Mexikaner dürfen einen Sombrero tragen, sonst ist das kulturelle Aneignung. Nur Frauen dürfen mitreden, wenn es um Feminismus oder um die Unterdrückung durch patriarchische Strukturen geht.

Dann wird einer Wehleidigkeit und Sentimentalität gefrönt, die in den übelsten Zeiten der Innerlichkeit nicht vorhanden war, als ein zu lautes Wort schon zu Tränen führen konnte. Moderner sind das Mikroaggressionen, kleinste Verletzungen des Wohlbefindens. Wobei nur und ausschliesslich der Verletzte das Recht hat, das zu beklagen. Der Täter kann sich niemals herausreden, indem er behauptet, dass da gar keine Verletzung sichtbar wäre.

Hinzu kommt die wohlfeile Verlagerung von eingebildeten oder echten Problemen auf Sprachprobleme. Männersprache, weisse Sprache, Unterdrückersprache, hier muss ausgemistet werden, am falschen Wort erkennt man die falsche Meinung, dahinter die falsche Haltung. Also hinweg mit dem Wort. Oder hinweg mit der angeblich männlich dominierten Syntax und Grammatik, auf zur Verunstaltung der Sprache, wie sie nicht einmal Orwell erahnte.

Geradezu faschistisch ist das Bedürfnis nach Reinigung. Der Ausmerzung von allem Schlechten. Vor allem dort, wo sich keiner mehr wehren kann: in der Vergangenheit. Filme, in denen gequalmt wird, was die Lunge hergab: zensieren oder verbieten. Anstössige Textstellen, auch in Klassikern der Weltliteratur: ausmerzen oder mindestens mit Kommentaren und Warnhinweisen versehen.

Denkmäler stürzen wie bei Bilderstürmen

Und schliesslich kulminiert dieser Wahn im Bildersturm, in der Forderung, Denkmäler zu stürzen, Plätze und Strassen umzubenennen. Wenn Namen von angeblichen Rassisten, Befürwortern der Sklaverei, von Generälen der falschen Seite, also den Verlierern, das Auge des sensiblen Betrachters beleidigen.

Thomas Jefferson soll unsterbliche Zeilen über fundamentale Menschenrechte formuliert haben? Mag sein, aber er war ein verdammter Sklavenhalter, weg mit ihm. Platon soll irgendwelche Sachen über Philosophie gesagt haben? Aber auch er hatte Sklaven, und dann die Knabenliebe, weg mit ihm. Karl Marx soll ein paar interessante Sachen über die Ökonomie herausgefunden haben? Aber war der nicht Antisemit, und dann hatte er auch noch ein Verhältnis mit seiner Dienstmagd. Weg mit ihm.

Der Rütlischwur der drei Eidgenossen? Gab’s den wirklich, und wieso war kein Schwarzer dabei, auch keine Frau? Rassisten und Patriarchen, weg damit.

De Pury, Agassiz, Escher, General Guisan, ja selbst Dunant, Pestalozzi oder Rousseau hatten bei genauerer Betrachtung dunkle Flecken auf der weissen Weste. Weg damit. Gandhi? Ein übler Rassist. Wo soll dieser Wahnsinn enden? Im Wahn, aber niemals in einer sinnvollen Verbesserung des Menschen, der Welt oder der Geschichte.

Aber auf dem Irrweg dorthin sollen die wenigen Errungenschaften, die uns aufgeklärte Europäer vor Finsternis, Dummheit, Glaubensdoktrinen als Ersatz für Erkenntnisse, vor dem Rückfall in absolutistische Zeiten, in Meinungsterror schützen, wieder über Bord geworfen werden. Dagegen muss sich jeder wehren. Mit allen Mitteln. Mit aller Stimmkraft. Denn so lieb und sensibel nur um die Förderung des Besseren bedacht diese intellektuellen Terroristen auch daherkommen: Sie sind unsere Tugend-Taliban, nur ohne Bart und Turban.