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Tagblatt: «Was würden Sie vorschlagen?»

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» ist die älteste Zeitung der Schweiz. 290 Jahre. Das Tagblatt hat einen guten Mix zwischen amtlichen Mitteilungen und eigenproduzierten Geschichten. Für Lokaljournalisten in der Stadt sind die Meldungen über Liquidationen, Baugenehmigungen und Todesanzeigen Pflichtlektüre.

Im Tagblatt wimmelt es von Kolumnistinnen und Kolumnisten. Sie verdienen kleine Brötchen. Mit Freizeitkolumnisten hat man fast immer Probleme: sie schreiben schlecht, liefern zu spät und werden ranzig, wenn man ihre Texte kürzen muss.

Bei der Kolumne «Die Angelones» kommt noch ein weiteres Problem auf, das leider auch für andere Kolumnisten gilt: Sie machen Werbung für Produkte, und niemand ahnt etwas davon.
Auf ihrer Facebook-Seite schreibt Rita Angelone zum Beispiel einen herzigen Werbetext für die «tolle ZVV-Freizeit-App». Sie deklariert den Text auch schön brav mit «Bezahlte Partnerschaft» .

Ein paar Tage jauchzte sie in ihrer Tagblatt-Kolumne über die witzige App mit den tollen Preisen. Dass sie Geld für ihre Partnerschaft mit der ZVV erhält, erfahren die 110‘000 Leserinnen und Leser des Tagblatts nicht. ZACKBUM.ch wollte von der Chefredaktorin Lucia Eppmann mehr über die Hintergründe erfahren. Die E-Mail blieb unbeantwortet. Dafür reagierte Rita Angelone:

Ihre Rückmeldung ist für mich und für das Tagblatt sehr wichtig. (…) Vielleicht haben Sie auch eine Idee oder einen Vorschlag, wie man solche Fälle besser und klarer angeht? Solche Themen gar nicht mehr weiter behandeln? Oder mit einem Vermerk? Was würden Sie vorschlagen?

Vier naive Fragen, eine klare Antwort: «Die Leser sollen einfach nicht verarscht werden.»

Auch Kurt W. Zimmermann macht Fehler

Dass Christoph Blocher im «Tagblatt der Stadt Zürich» schreibt, ist eine Falschmeldung.

Der Medienkritiker und Journalist Kurt W. Zimmermann behauptet, dass die Kolumnen von Christoph Blocher auch im «Tagblatt der Stadt Zürich» erscheinen. «Zimi», wie er von Kollegen genannt wird, beweist mit dieser Zeitungsente, dass er das Wesen der amtlichen Anzeiger nicht verstanden hat. Doch der Reihe nach: Die wöchentlichen Kolumnen von Zimmermann in der Weltwoche sind immer lesenswert, auch wenn sie meist altklug erscheinen und politischen Rechtsdrall haben. Zudem schreibt der passionierte Golfer und ehemalige Chefredaktor des Schweizer Journalisten oft über früher. «Keine Nostalgie, aber das meiste war früher besser», urteilt er dazu treffend in einem lesenswerten Fragebogen auf dem Blog matthiaszehner.ch

«Zum Spass einen Zeitungsverlag»

In seiner jüngsten Kolumne in der neu gestalteten Weltwoche lobt er all die Milliardäre, die sich «zum Spass einen Zeitungsverlag leisten». An erster Stelle nennt Zimmermann alt-Bundesrat und SVP-Chef Christoph Blocher, Eigentümer von 28 Gratisanzeigern. Zu dieser Swiss Regiomedia AG gehören etwa die neue Oltner Zeitung, die Wiler Nachrichten, der Rheintaler Bote und eben das Tagblatt der Stadt Zürich. «Der Verleger hat das Wort», heisst die Kolumne von Christoph Blocher (79). Doch der kleine, aber feine Unterschied: Blocher verkündet seine Botschaft nur in den nichtamtlichen Zeitungen.

Im Polit-Zürich unmöglich

Aussen vor bleiben hier der «Furttaler», der «Rümlanger» und eben das  «Tagblatt der Stadt Zürich». Gerade im Tagblatt wäre das Verbreiten von Blochers Zeilen ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest, solange noch ein Vertrag mit der linksgrün dominierten Stadtregierung von Zürich besteht. Dort ist genau geregelt, was und wie im Tagblatt erscheinen darf. Dazu gehören sicher nicht Kolumnen von SVP-Übervater Blocher. Dafür aber mehr oder weniger originelle Weisheiten der neun, meist rot-grünen Stadträte. Dem Vernehmen nach wird stadtintern schon gemurrt, wenn auf der letzten Seite unter «Klartext» etwa Christian Saggese seine autofreundlichen Äusserungen publizieren darf.

Die nächsten Wahlen kommen bestimmt

Kurzum: Ein Amtsblatt ist redaktionell etwas komplett anderes als eine Gratiszeitung. Denn die Vorgaben des Vertragspartners sind strikte. Dazu kommen oft persönliche Vorlieben der jeweiligen Exekutive. Man will möglichst gut dastehen und bei den nächsten Wahlen wiedergewählt werden. Weil das Tagblatt der Stadt Zürich unter der Geschäftsleiterin und Chefredaktorin Lucia M. Eppmann vorsichtig agiert und politisch eher belanglos unterwegs ist, scheint eine Vertragserneuerung im Jahr 2022 aber möglich. Aktuell zahlt die Besitzerin der Stadt Zürich jährlich 850’000 Franken. Dafür darf sich die Wochenzeitung «Städtisches Amtsblatt» nennen. Da bringt ihr Inserate in Millionenhöhe, davon ein Grossteil amtliche Nachrichten.

Oft nur noch digital

Trotzdem ist das Geschäftsmodell mit Amtsblättern gefährdet. Denn immer häufiger verzichten Kantone, Städte und Gemeinden auf ein Amtsblatt in Papierform. Das jüngste Beispiel: Seit dem 3. Juli 2020 gibt’s amtliche Bekanntmachungen aus Ausserrhoden nur noch digital. Das Amtsblatt Appenzell Ausserrhoden wurde nach 186 Jahren eingestellt. Das Tagblatt der Stadt Zürich ist schon 290-jährig. Im Blocherbesitz ist es aber erst seit 2018.

Packungsbeilage: ZACKBUM.ch-Redaktor Lorenz Steinmann arbeitet bei der Lokalinfo AG. Diese gibt im Raum Zürich ebenfalls einige Amtsblätter heraus.