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Ex-Press XXXIX

Blasen aus dem Mediensumpf.

Zugegeben, das Pfingswochenende war – publizistisch gesehen – ein rechter Reinfall. Zu weltbewegenden Ereignissen gehörte bereits ein Stau vor dem Gotthard. Das sagt wohl alles, mit welcher Qual die Journaille sich Themen aus dem Nichts backen musste.

Besonders hart erwischt hat des diesmal den «Blick»:

Die medizinische Fachzeitschrift versucht verzweifelt, aus diesem Thema noch die letzten Serumstropfen rauszulutschen.

Das hingegen ist nicht nur ein Primeur, sondern trifft voll ins Schwarze; bzw. Braune, bzw. Gefleckte. So können und wollen wir uns die Schweiz nicht vorstellen. Ohne vierbeinige – und auch zweibeinige – Kühe, das geht einfach nicht. Wie soll es da noch Schweizer Milchschokolade geben? Wer kaut Alpwiesen nieder? Wie soll man Eidgenossen dann weiter als Kuhschweizer beschimpfen können? Da würde ein Stück Identität wegbrechen.

Vielleicht waren wir doch etwas vorschnell mit dem Urteil, dass der «Blick» nicht unbedingt für Intellektuelle gemacht werde. Denn:

«Ein materiell bestens ausgestattetes Milieu versucht, seine Meinungsherrschaft zu zementieren und die einfachen Menschen maternalistisch-paternalistisch mit sozialen Wohltaten zu sedieren, auf dass man beim Lenken nicht gestört werde durch gemeines Volk.»

Öhm. Dunkel bleibt der Sinn von dem, was die zementierte Meinungsherrschaft bei Ringier, nämlich Frank A. Meyer, nebenbei auch materiell bestens ausgestattet, dem gemeinen Volk hier sagen will. Zumindest eines ist klar: Ringiers Hausgespenst käme nie auf die Idee, mit sozialen Wohltaten zu sedieren. Es arbeitet eher mit sedierenden Wortkaskaden.

Oder ist das ein erster Ausdruck einer neuen Linie, die die «NZZ am Sonntag» so beschreibt: «Der «Blick» wird sensibel. Die Chefredaktion setzt auf Journalismus mit weniger Crime.» Echt jetzt, die einzige Boulevardzeitung der Welt mit eingebautem Regenrohr will auf ihre alten Tage endgültig Abstand nehmen vom alten Erfolgsrezept: «Blut, Busen, Büsi?»

Solchen Themen widmet sich immer häufiger und lieber hingegen die NZZ. Immerhin macht sie dem «Blick» vor, wie man schon im Titel eines Artikels eigentlich alles Wesentliche sagen kann:

«Hat eine junge Klimaaktivistin versucht, einen Zürcher Stadtpolizisten zu beissen? Weshalb noch kein Urteil gefällt wird»

Allerdings steht doch zu befürchten, dass den niveaumässig höhergelegte Leser der NZZ weder das eine noch das andere interessiert.

Was wäre eine Ausgabe von Ex-Press ohne den Lachschlager eines Zitats des «Republik»- Chefredaktors Christof Moser? Richtig, so langweilig wie die «Republik» wäre es:

«Wir sind nicht am Ziel, jetzt steht gerade das Fundament. Und nicht Behäbigkeit ist die Gefahr, sondern Erschöpfung. Eine der häufigsten Todes­ursachen für junge Unternehmen ist der Kollaps im dritten, vierten Jahr, wenn die Mitarbeiterinnen wieder ein Privat­leben haben wollen.»

Wirklich wahr jetzt; Erschöpfung, man musste bislang auf ein Privatleben verzichten? Um mit 50 Nasen und 6 Mio. Budget schlappe 18 Artikel pro Woche rauszuhauen? Wobei das nicht nur für exorbitante interne Löhne, sondern auch für den Zukauf vieler Artikel verwendet wird, damit keine Burn-outs entstehen?

Damit hat’s Moser natürlich wieder provoziert, wir lassen die Luft aus seinen Wortblasen. Vom 21. bis 24. Mai hat das Organ in diesen vier Tagen seine Verlegerschaft und seine Millionenspender mit 13 Schriftwerken erfreut. Es bitzeli mehr als 3 am Tag, hörte sich doch gut an. Aber nur, wenn man die Sache so oberflächlich betrachtet wie diese Zeitschrift alles. Denn:

Darunter ist eine Bildbetrachtung, auf die ein Primarschüler stolz sein könnte. Dann gibt es einen Kommentar der schreibenden Schmachtlocke, und das kann ja nicht ernsthaft zu Journalismus zählen. Zudem 2 Nachrichtenbriefings und 3 Inhaltsangaben, die mehr oder weniger langfädig dem Leser auch mal auf 15’000 Anschlägen erklären, was er nun zu lesen bekommt. Plus einen Leseraufruf (das hat man «watson» abgeguckt): Wie viele Punkte geben Sie dem Eurovision Song Contest?

Also bleiben von den 13 Stück, Moment, kurz rechnen, 6 Artikel in 4 Tagen. Aber immerhin, das ist erstens mehr als einer pro Tag. Zweitens ist es bei dieser übermenschlichen Leistung von 50 auf jedes Privateben verzichtenden Mitarbeitern eher unwahrscheinlich, dass jemand an Erschöpfung sterben könnte. Allerdings sieht das bei der Leserschaft vielleicht anders aus.

Aber, nachdem sich der «Tages-Anzeiger» vorgenommen hat, auf allen Hierarchiestufen eine Frauenquote von 40 Prozent einzuführen, es ist verständlich, dass die kritischen Artikel (ausser natürlich die reflexhaft in der Gesinnungsblase geblubberten) rar werden. Dafür soll eine Datenanalyse gezeigt haben, dass seit dieser Ansage der Suchbegriff «Geschlechtsumwandlung» deutlich häufiger gegoogelt wurde. Dafür hat aber der Konsum von Pornoseiten deutlich nachgelassen.

Aber es werden doch immer mal wieder Zeichen gesetzt, Fanale, Forderungen aufgestellt, böse die Stirne gerunzelt:

«Es kann nicht sein, dass Urs Rohner über 40 Millionen Franken bekommen hat und am Ende die Credit Suisse in einem solch desolaten Zustand hinterlässt, ohne dass dies Konsequenzen für ihn hätte»,

sagt Christoph Gloor, Bankier und ehemaliger Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken, dem «Tages-Anzeiger». Leider muss man erwidern: doch.