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Eine Stimme der Vernunft

Ach, wenn es die NZZ nicht gäbe.

Mal Hand aufs Herz: wäre die Welt ärmer, wenn Pietro Supino beschlösse, dass Tx sein Geld auch ohne Newskopieranstalten verdienen sollte? Wenn der Wannerclan seinen Kopfblattsalat entsorgte? Wenn das Ex-Boulevardorgan mit Regenrohr in den Abfluss gurgelte? Gut, ohne «Blick» mitsamt Heads, Chiefs und Leitern wäre die Welt weniger lustig, zugegeben.

Aber passend zum weinerlichen «Offenen Brief» von auf den Schlips getretenen, jammernden Wissenschaftlern (ja, das gilt auch für Nicht-Pimmelträger unter ihnen), veröffentlichte die NZZ ein langes Interview mit dem Islamwissenschaftler Reinhard Schulze. Der war von 1995 bis 2018 Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie in Bern. Er baute dieses Institut auf, das nun entsorgt werden musste.

Schon das Titelzitat lässt an seiner Einschätzung keinen Zweifel: «Dass die Linke so etwas als Wissenschaft darstellt, ist ein Grauen». Zu Fall brachte das Institut nicht zuletzt ein Tweet eines Mitarbeiters, der zum Hamas-Massaker vom 7. Oktober schrieb, das sei das «beste Geschenk, das ich vor meinem Geburtstag bekommen habe». Nicht nur das, er wurde anfänglich von der Institutsleiterin, zufällig seine Gattin, energisch verteidigt.

Wie erklärt Schulze diese Fehlentwicklung? «Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit dieses Tweets: Ignoranz und Arroganz, ein völliges Missverständnis der eigenen Rolle als Islamwissenschafter in der Öffentlichkeit. Auch eine infantile Unfähigkeit, sich später für diesen menschenverachtenden Schwachsinn zu entschuldigen.»

Heutzutage, wie die weinerlichen Briefschreiber beweisen, müssen leider wieder Selbstverständlichkeiten gesagt werden:

«Unser Anliegen war es immer, hochgradig zu differenzieren, etwa den innerpalästinensischen Diskurs zu analysieren: Was sind das für politische Positionen, wieso werden sie vertreten, gibt es antisemitische Elemente? Nun wird das Gegenteil gemacht: Es wird entdifferenziert und moralisch geurteilt. Es wird eine palästinensische Persönlichkeit geschaffen, die von einem angeblich homogenen Israel unterdrückt wird. Diese Reduktion, diese Schaffung von Volkskörpern ist ein ursprünglich sehr rechtes politisches Konzept. Dass so etwas von Linken im 21. Jahrhundert als Wissenschaft dargestellt wird, ist ein Grauen

Ein Labsal, differenzierte und kluge Ansichten zu hören wie eine Einordnung des Slogans «From the river to the sea»: «Diese Parole ist heute fester Bestandteil eines nationalistischen Diskurses. Dies bedeutet, dass Zugehörigkeit ausschliesslich über Herkunft definiert und die Nation als kollektive Identität in der Geschichte fundamentiert wird. Nicht wenige palästinensische Historiker haben diesen Nationalismus, der Ausschluss, Gewalt und Krieg bedeutet, kritisiert – ähnlich wie israelische Historiker den religiösen Nationalismus in Israel kritisieren. Dass an westlichen Universitäten der palästinensische Nationalismus und damit auch der religiöse Nationalismus der Hamas dermassen unkritisch wahrgenommen, ja gefeiert werden, ist mehr als unverständlich

ZACKBUM kann gar nicht genug zitieren: «Ultrareligiosität ist eine völlig neue Form des muslimischen Religionsverständnisses, die sich seit den achtziger Jahren herausgebildet hat. Der Jihadismus ist nur ein Teilaspekt davon. Die Vorstellung, dass der «Islamismus» neben «links» und «rechts» eine dritte Form von Radikalismus und damit eine homogene und eigenständige politische Haltung darstellt, ist falsch. Der religiöse Ultranationalismus der Hamas unterscheidet sich fundamental von der ultrareligiösen Islamdeutung des sogenannten Islamischen Staats oder vom religiösen Ethnonationalismus der Taliban

Auf seine Weise zieht Schulze ein Fazit, wohin sich der «wissenschaftliche Diskurs» inzwischen bewegt hat. Nämlich nach unten, ins Seichte, in Echokammern, in Ausschliesslichkeiten, Setzungen, in den völligen Verzicht, zwischen Mensch, Meinung und angeblicher Haltung zu differenzieren:

«Mir hat nie jemand vorgehalten, ich dürfe als alter weisser Mann aus Deutschland nicht über den Islam reden. Das wäre nun sicher anders.»

Oder anders gesagt: einem solchen alten weissen Mann aus Deutschland zu lauschen, das ist unvergleichlich viel interessanter als dem Gejammer und Gegreine von inzwischen über 1000 Unterzeichnern eines «Offenen Briefs», der das Elend der aktuellen Geisteswissenschaften erbärmlich auf den Punkt bringt.

 

Gegen die Stimme der Vernunft

Weinerlich im Elfenbeinturm. So sind die woken Wissenschaftler.

505 Unterzeichner aus der Schweiz hat ein «Offener Brief» gefunden. Von Dr. Adam Knowles, «Department of Philosophy, University of Zurich», die offenbar in den englischen Sprachraum disloziert ist, bis Dr. Zoé Kergomard, «Historisches Seminar, University of Zurich». Von Nr. 24 bis 159 handelt es sich allerdings, wissenschaftliches Neuland, um «Prof. Anonymous», «Dr. Anonymous» oder schlicht um «Anonymous, student». Eine Meinung haben, aber zu feige sein, dazu zu stehen. Das macht den unerschrockenen Forscher in seinem Elfenbeinturm aus.

Weitere Auskunft: «Dieser Brief wurde von mehreren Mitarbeiter*innen der Universität Bern zusammen mit Kolleg*innen aus den Universitäten Basel, Lausanne und Zürich verfasst.
Der Brief wurde am 27. Februar 2024 online gestellt und am 13. März 2024 mit über 1000 Unterschriften an akademische Institutionen in der Schweiz übermittelt

Es geht hier mal wieder, wie meist bei aufgeregten Intellektuellen auf Nabelschau, um alles: «Für Wissenschaftsfreiheit in der Schweiz». Himmels willen, ist die etwa gefährdet? Herrschen bald russische, chinesische, nordkoreanische Zustände in der Schweiz? Offenbar: diese «Wissenschaftler*innen» können zwar kein korrektes Deutsch, aber sie schreiben diesen

«Offenen Brief, weil wir uns grosse Sorgen über die Erosion der akademischen Freiheit sowie über das zunehmend anti-wissenschaftliche Klima in der Schweiz machen. Insbesondere möchten wir mit diesem Brief auf die verstärkten Angriffe von Teilen der Medien und Politik auf die Sozial- und Geisteswissenschaften eingehen.»

Sie warnen vor den Folgen eines «wissenschaftlich unqualifizierten und verpolitisierten Medien-Framings».

Ausgelöst wurde dieses Gejammer offenbar durch die völlig berechtigte, nicht nur mediale Kritik an Auswüchsen in wissenschaftlichen Elfenbeintürmen, wo ein Doktorand an der Uni Basel so unwidersprochen wie unwissenschaftlich behaupten darf, Israel setze Wildschweine aus, um Ernten von Palästinensern zu zerstören. Beleg- und beweisfrei, versteht sich. An den Unis von Basel und Bern, und nicht nur dort, herrscht ein ungehemmter Wildwuchs, wurden Greueltaten der Hamas gefeiert, unterstützt, verharmlost. Dass solcher Unfug nicht geduldet werden kann, versteht sich von selbst.

Aber natürlich wird das sprachlich dürftig aufgepumpt: «Durch eine sogenannte „Anti-Woke“-Agenda werden bestimmte Forschungsrichtungen, die den gegenwärtigen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel kritisch reflektieren (z.B. Geschlechterforschung, Postkoloniale Studien, critical race studies), von bestimmten politischen Kräften fälschlicherweise als unwissenschaftlich dargestellt. Einflussreiche Teile der Medien, die dem Wandel kritisch gegenüber stehen, liefern weithin verzerrte, vereinfachende und in vielen Fällen sachlich falsche Darstellungen von Institutionen, einzelnen Wissenschaftler*innen oder ganzen Disziplinen.»

«Als unwissenschaftlich dargestellt»? Dabei fehlt doch jeder Beweis, dass es sich hier um Wissenschaften handeln soll. Dadurch sei eine «Atmosphäre der Verunsicherung und Selbstzensur entstanden». Schliesslich endet das Pamphlet mit einer Reihe von Forderungen, darunter

  • «fordern wir die Zivilgesellschaft und Regierungsbehörden auf, die Autonomie und Integrität akademischer Institutionen aktiv zu verteidigen, und diese als wichtige Räume für die Entwicklung von neuem Wissen und die Förderung von Vielfalt, Inklusion und demokratischer Werte anzuerkennen.»

Vielfalt, Rede und Widerrede, Erkenntnisförderung im Diskurs, so geht Geisteswissenschaft. Ginge.

Besser als Christina Neuhaus in der NZZ kann man darauf nicht replizieren: «Das ist – mit Verlaub – nicht nur schlecht geschrieben, sondern auch dürftig durchdacht. Für die Unterzeichner des offenen Briefs ist politisch gefärbte Wissenschaft offenbar zum Dogma geworden. Deshalb rufen sie nach einem Panic-Room im woken Elfenbeinturm, der sie vor kritischen Nachfragen schützen soll. Forschungsfreiheit? Gefährdet! Pressefreiheit? Haltet’s Maul!»

Zu feige, diesen Offenen Brief zu unterzeichnen. Sich weinerlich darüber beschweren, dass unreflektierte Jubelschreie über ein Massaker und deren Verteidigung kräftig Gegenwind auslöst. Aber am allerschlimmsten ist: wenn (wohlbezahlte) akademische Forschung und Positionierung Sinn machen soll, dann muss sie sich Konflikten, Widerworten, Kritiken aussetzen können.

Wir plaudern über Gender, 164 sexuelle Orientierungen, über postkoloniale Aneignung, über Safe Rooms, wir machen Veranstaltungen, an denen CIS-Männer keinen Zutritt haben, wir wollen in aller Ruhe leiden und klagen und auch noch für bezahlt werden: wie tief sind diese Wissenschaftler gesunken?

Das kann man daran ermessen, dass es offensichtlich keinem der Unterzeichneten peinlich ist, seinen Namen unter ein solches Gegreine zu setzen. Noch peinlicher ist, dass von ihnen die Teilnahme «anonymer» Unterzeichner geduldet wird. Von jetzt an behauptet ZACKBUM, dass beispielsweise dieser Artikel von René Zeyer mutig mit Namen unterschrieben ist. Plus 37 anonyme Autoren, die angesichts der Repression, die ZACKBUM öffentlich erleidet, sich unwohl fühlen würden, käme ihr Name ans Licht. So tief ist die Medienkritik in der Schweiz gesunken!

Man muss leider konstatieren, dass hier ein altes Vorurteil seine neue Bestätigung findet: es gibt nichts Dümmeres als einen Wissenschafter in seinem Elfenbeinturm, der an der Ungerechtigkeit der Welt leidet. Ist das vielleicht peinlich.

Leonard Cohen brachte das Äusserste an Peinlichkeit auf den Punkt: «white man dancing». Es gibt aber noch eine Steigerung: «anonymous scientists moaning».

 

 

Blocher

Ein kleines Wunder. Ein gelungener Dok-Film von SRF.

«Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz» ist das, was ein gelungenes Porträt sein sollte. Eine kritische Würdigung von Mensch und Werk.

Wenn so viele TV-Dokumente vorhanden sind wie bei Christoph Blocher, wäre es ein Einfaches, die so zusammenzuschneiden, dass eine Karikatur, ein Verriss, eine Hinrichtung herauskommt. Dafür bietet der Mann mit seinem Holzfällerstil in der Politik auch genügend Anlass.

Allerdings stammt der Film von Hansjürg Zumstein. Der hat in seiner Karriere Meilensteine des Schweizer Dokumentarfilms geschaffen. Grounding der Swissair, das Bankgeheimnis, der Zusammenbruch des Erb-Imperiums, die Fifa. Komplexe Themen, die einen weniger versierten Regisseur dazu verleiten könnten, aus der Überfülle des Material etwas zu schnitzen, das den eigenen oder den allgemeinen Vorurteilen entspricht.

Gerade bei Blocher böte sich das an; kaum einer hat in den letzten 30 Jahren so polarisiert. Für die einen ist er der Gottseibeiuns, der Führer von Herrliberg, wie ihn ein Kläffer aus dem Hause Ringier regelmässig beschimpft. Für die anderen ist er ein Heilsbringer, der Mann, der unerschrocken die Unabhängigkeit der Schweiz verteidigt.

Zumstein gelingt das Kunststück, in anderthalb Stunden die Biographie, den Unternehmer, den Politiker, den Bundesrat und den Volkstribun zu porträtieren. Und den Kunstsammler und den Ehemann. Es ist interessant zu beobachten, wie für seine Verhältnisse sanft Blocher antwortet, wenn er kritisch-respektvoll befragt wird. Offensichtlich ist es Zumstein gelungen, Vertrauen zu erwerben, daher gewährt ihm Blocher auch tiefe Einblicke in sein Privat- und Innenleben, wie er es zuvor noch nie tat.

Geradezu anrührend seine Erzählung, wie er seine Frau kennenlernte. Es gäbe da zwei Versionen; seine laute, dass er sie in der Badeanstalt zuerst sah und dachte, das sei aber eine ausnehmend hübsche Frau. Ihre Version sei, dass man im Zug ins Gespräch gekommen sei, beide hätten Nathan der Weise gesehen, und Christoph habe so interessant darüber gesprochen, dass sie animiert gewesen sei. Die Version meiner Frau ist mehr das Hochgeistige, meine das Menschliche, kommentiert Blocher schalkhaft.

Er gesteht seine Unsicherheit nach Entscheidungen ein, lobt die Rolle seiner Frau, gibt sich bescheiden; man solle nicht sagen, man habe etwas erfolgreich geschafft; es ist recht herausgekommen, das sei der passende Ausdruck.

Der Film zeigt auch ausführlich den Redner Blocher, in seiner folkloristischen Umgebung mit Treichlern, Alphornbläsern und Alpaufgängen. Bei einem Anlass hat er als Vorredner Roger Köppel; geradezu peinlich, wie sich hier der Unterschied zwischen einer volkstümlichen Urgewalt und einem etwas kreischigen Nachahmer zeigt.

Ems-Chemie, seine Abwahl aus dem Bundesrat, kein wichtiges Thema lässt Zumstein aus. Er schöpft aus der Fülle von Begegnungen über viele Jahre hinweg, lässt auch dem aktuellen Blocher viel Zeit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Ist das der echte Blocher oder der Machtmensch mit Kalkül, der genau weiss, welche Akzente er setzen will? Diese Frage ist schwer zu beantworten, aber näher ist wohl noch niemand diesem Ausnahmepolitiker gekommen. Gerechter hat ihn auch noch niemand dargestellt.

Bezeichnend, dass einzig das SP-Urgestein Helmut Hubacher im Film auftritt und Contra gibt, aber auch mit Respekt. Bei seinen gewählten Worten und intelligenten Analysen bedauert man wieder, dass Hubacher im hohen Alter verstorben ist; immerhin bewahrt ihn das davor, unter der Mediokrität und Banalität seiner Nachfolger leiden zu müssen.

Dieser Film ist gleichzeitig das Vermächtnis von Zumstein; er wurde pensioniert, nicht ganz freiwillig. Damit hat sich SRF des einzigen Dokfilmers von Format beraubt; bislang ist keiner in Sicht, der in die sehr, sehr grossen Fussstapfen von Zumstein treten könnte.

Und Blocher, der kräftig austeilt (aber auch einsteckt), hat das Glück gehabt, das letzte Thema von Zumstein zu sein. Wohlverdient, eine der seltenen Sternstunden des Schweizer Farbfernsehens. Das wäre übrigens auch mit 200 Franken Zwangsgebühren problemlos möglich und würde SRF weiterhin zur Ehre gereichen. Gäbe es mehr solche hochklassigen Dokfilme, würde nicht nur der Auftrag von SRF erfüllt, sondern der Sender würde sich auch wohltuend vom oberflächlichen Gewäffel und Gekreische der Medienhäuser abheben, wo die richtige Meinung immer wichtiger wird als Kompetenz und Kenntnis.

Aufruf zum Rechtsbruch?

Mit Vollgas in den Wilden Westen.

Oliver Zihlmann, einmal losgelassen, lässt nichts aus. Neben zwei Kampagnen-Artikeln, in denen drittklassige «Experten» dafür herhalten mussten, der Schweiz Saures zu geben, greift er nun zum Äussersten: dem Kommentar.

Unter der neuen Leitung wuchert eine Sittenverluderung ohnegleichen im «Tages-Anzeiger». Eigentlich wäre es die Aufgabe der Chefredaktion, reputationsschädigende Texte vor Publikation abzufangen. Denn wenn Zihlmann das Wort ergreift, spricht er nicht nur für sich, lädiert er nicht nur den Ruf des sogenannten Recherchedecks – er beschädigt auch die Restreputation der einstmals angesehenen Tageszeitung. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sein Gewäffel durch ein rundes Dutzend Kopfblätter multipliziert wird.

Schon der erste Satz stammt aus Absurdistan: «Warum kritisierten die Botschafter der G-7 und der EU den Bundesrat in einem harschen Brief für die nachlässige Umsetzung der Russland-Sanktionen?» Erstens gibt es dafür naheliegende Gründe, auf die Zihlmann aber trotz scharfen Nachdenkens nicht kommt. Zweitens unterstellt er hier, die Schweiz sei nachlässig. Wofür es – ausser haltlosen Behauptungen – keinerlei Beleg gibt.

Nicht mal in einem Kommentar, nicht mal im Tagi sollte erlaubt sein, ausnahmslos anonyme Zeugen für wilde Behauptungen aufzuführen: «In einem Universum leben jene, die in Russlands Angriffskrieg einen Zivilisationsbruch sehen, gegen den man ankämpfen muss, und zwar mit allem, was menschenmöglich ist. In den Gesprächen spürt man eine grosse Entschlossenheit. Sie wollen ermitteln, jeden Schlupfwinkel aufspüren, um die Umgehung der Sanktionen zu verhindern. Rechtliche und bürokratische Hürden gilt es zu beachten, aber wo immer möglich zu überwinden, um letztlich dieses grössere Ziel zu erreichen. Diese Haltung findet man bei vielen Diplomaten aus anderen westlichen Staaten.»

Rechtliche und bürokratische «Hürden» überwinden, für das «grössere Ziel». Das ist der Sprech von Antidemokraten, von Verächtern des Rechtsstaats. Kein Wunder, wollen diese «vielen Diplomaten» anonym bleiben, sie wissen um die Fragwürdigkeit solcher Aussagen. Zihlmann kennt diese Hemmung allerdings nicht.

Hier haben wir also die Guten, die Anhänger einer Wildwest-Justiz, wo das Recht nur eine Hürde ist, die man zu überwinden habe. Auf der anderen Seite die Schnarchsäcke aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: «Dort heisst es, man sei keine Polizei, man gehe zwar Hinweisen nach, aber grundsätzlich sei doch davon auszugehen, dass sich alle im Land an die Gesetze hielten. Die Grundannahme ist also erst einmal, dass alles in Ordnung sei.»

Es gilt die Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, es braucht einen Anfangsverdacht, es gibt keinen Generalverdacht, es gibt keine angebräunte Stigmatisierung «Russe – Geld – suspekt», unglaublich, meint Zihlmann. «Wenn man mit Vertretern des ersten Universums über das Seco redet, dann spürt man sehr viel Ärger über die defensive Haltung der Schweiz

Das Einhalten von rechtsstaatlichen Regeln, das Bestehen darauf, dass in der Schweiz Schweizer Verfahren und Gesetze gelten; statt sich da dummdreiste Anrempeleien aus dem Ausland zu verbitten, behauptet Zihlmann: «Es geht um das mörderische Regime von Putin und seiner Entourage. «Wir können leider nichts machen» ist die falsche Haltung dazu

Falsch, Zihlmann. Wir werfen deswegen unseren Rechtsstaat mitsamt seinen fundamentalen Prinzipien über Bord, das ist die kreuzfalsche Haltung dazu. Dass eine solche Wildwest-Meinung ungefiltert, ohne korrigiert zu werden einem Millionenpublikum serviert werden darf, ist eine mehr als bedenkliche Sittenverluderung im Hause Tx. Wenn es um seinen eigenen Ruf geht, bemüht Big Boss Pietro Supino schnell einmal die Gerichte. Geht es um den Ruf seines Hauses, bleibt er untätig.

«Republik»: Der Sumpf

Der ehemalige Chefredaktor Christof Moser beschimpft den VR.

Auch der Misserfolg hat Väter. Bei der «Republik» sind das vor allem die beiden Gründer Christof Moser und Constantin Seibt. Seibt mäandert sich seit der Gründung mit ellenlangen Texten durch das Magazin, die immer weniger Leser finden, aber immerhin kürzer als das halbe Buch über Google sind. Wenn auch nicht weniger langweilig. Über sich selbst wuchs er in ellenlangen Newslettern hinaus, in denen mit immer neuen Sprachgirlanden eingestanden werden musste, dass die «Republik» ihre Finanzen nie im Griff hatte. Einmal drohte sie sogar mit Selbstmord, um an neue Kohle ranzukommen.

Wie viele Abonnenten es brauche, um welches Budget zu finanzieren, selbst an dieser einfachen Berechnung scheitert das Organ bis heute. Seibt ist dabei der Strippenzieher und Guerillakämpfer, der sich gerne als einfachen «Reporter» bezeichnet. Clever trat er blitzschnell aus dem VR zurück, als ein möglicher Steuerbeschiss von fast einer Million Franken ruchbar wurde. Da könnte es ja Haftungsfragen geben.

Christof Moser übernahm von Anfang an die Chefredaktion und verteidige mit Zähnen und Klauen (und viel Geld für Anwälte) jede Fehlleistung der «Republik», die ums Verrecken niemals freiwillig eine Korrektur oder gar eine Entschuldigung publizieren wollte. Aber musste.

Zwischen den beiden soll es dann zu einem Diadochenkampf gekommen sein, den Seibt gewann, Ende 2021 wurde Moser vom Posten des Chefredaktors hinausgetragen. Seither bekleidet er die nicht näher definierte Position einer «Stabsstelle Chefredaktion». Aus dem fernen Berlin. Von dort aus schimpfte er schon vor Monaten über üble Intriganten-, Vettern- und Misswirtschaft auf der «Republik».

Lustigerweise auf Englisch keifte er: «Es geht sehr schnell und man sieht sich plötzlich mit einer Anhäufung von Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen konfrontiert, die einen sabotieren. Und sie hindern dich daran, erfolgreich weiterzuarbeiten.»

Sein Ratschlag:

«Achten Sie darauf, was hinter ihrem Rücken in den strategischen Gremien passiert.»

Damit war offensichtlich auch der VR gemeint. Seine damalige Prognose: «Ist das (schlechtes Management, Red.) passiert, setzt sich die Abwärtsspirale fort und das Unternehmen bricht langsam aber sicher zusammen. Warum? Denn schlechtes Management lässt sich nur durch noch mehr schlechtes Management rechtfertigen. Es geht weiter und weiter und weiter. Und wird niemals aufhören. Bis der Schaden angerichtet ist.» Und die Verwirrten im Sumpf steckenbleiben und nicht herausfinden.

Aktuell legt Moser nach: «Erinnerst du dich an mein Posting über «the swamp», diese tödliche Mischung aus Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen? Jeder, der in den letzten 16 Monaten den falschen Kurs des Vorstands (und der Unterstützer im Hintergrund) kritisierte, wurde diffamiert. Nun liess sich der Sumpf nicht mehr verbergen. Und den Preis zahlen wie immer die Mitarbeiter. Das ist traurig.»

Und was sagt die «Republik» zu dieser vernichtenden Attacke ihres Mitgründers und Mitarbeiters in einer Stabsstelle? Das sei dann im Fall nicht ihre Meinung.

Das ruft nach einer Wortschöpfung: Republipeinlich. Konfliktscheue, inkompetente Geldvernichter. Mit dem eigenen Bauchnabel beschäftigt und mit sonst nichts. Zurzeit im Nahkampfmodus, wer fliegt und wer bleiben darf. Eines ist dabei sonnenklar: transparent wird der Prozess nicht ablaufen, nicht die Schlechtesten und Überflüssigsten werden gehen müssen, nicht die Besseren und Brauchbaren werden bleiben. Sondern hier wird ganz human, solidarisch und gutmenschlich gemobbt, intrigiert und gemeuchelt.

 

Ordnungspolitischer Zwischenruf

So nannte das mal die NZZ. Das waren noch Zeiten.

Inzwischen leben wir aber in Zeiten, wo immer weniger argumentativ aufeinander eingeprügelt wird, sondern Haltungen, Positionen entweder gelobt – oder verurteilt werden. Es gilt nicht mehr: Abt sagt das. Das ist falsch, weil. Sondern es wird zum Ausdruck gebracht, dass einem die ganze Richtung nicht passt.

Das ist natürlich jedem ZACKBUM-Leser unbenommen. Da wir keine Verantwortung für gesundheitliche Folgen zu grosser Erregung übernehmen können, wollen wir nochmals darauf hinweisen, dass die Lektüre freiwillig ist. Und dass wir jeden kritischen Kommentar, wenn er sich innerhalb der weitgefassten Grenzen von Anstand und rechtlich Zulässigem bewegt, veröffentlichen.

Aber es scheint uns doch nötig, einen kurzen ordnungspolitischen Zwischenruf abzusetzen. ZACKBUM teilt die Auffassungen von Felix Abt nicht. ZACKBUM hat weder die Zeit noch die Kompetenz, seine Argumente zu überprüfen, zu verifizieren oder zu falsifizieren.

ZACKBUM ist hingegen der unerschütterlichen Auffassung, dass es Platz für vom Mainstream und Einheitsbrei abweichende Meinungen geben soll. Daher käme es uns eher nicht in den Sinn, solche Meinungsträger als Gastautoren zu akzeptieren. Ausser, sie hätten ein konkretes Widerwort zu bieten.

ZACKBUM ist zudem der Auffassung, dass Verortungen oder Kritiken an den Gastartikeln, die nicht konkret zur Sache gehen, vielleicht der Psychohygiene des Verfassers dienen, aber keinen erkenntnisfördernden Beitrag zur Debatte bilden.

Dennoch werden wir auch solche Äusserungen weiterhin publizieren, denn wir sind liberal. Aber als Betreiber dieser Plattform bestimmen wir nunmal die Spielregeln. Und wem das nicht passt, der kann das Spielfeld problemlos und freiwillig verlassen. Wer mitspielen will, ist darum gebeten, Inhaltliches zum Spiel beizutragen, sich umlaufenden Spiel zu äussern und nicht zu ausufernd Betrachtungen über die Welt als solche anzustellen.

Vielen Dank.

Was heisst da kritisch?

Neuer Wettbewerb: wer ist der Kritischste im Land?

Statt sich um die Sittenverluderung im Journalismus zu kümmern, dass mangels Recherchekapazitäten (und -fähigkeiten) Abgefüttertes gerne genommen wird, wollen nun alle Medien furchtbar kritisch und distanziert während der Corona-Krise berichtet haben.

Selbst Marc Walder, der quasi eine Standleitung ins Gesundheitsdepartement von Berset hatte, erwähnt einen (!) kritischen Artikel als Beweis, dass es da überhaupt keine unziemliche Nähe gegeben habe. Es darf anhaltend gelacht werden.

Natürlich sind nun auch der «Blick» und der «Tages-Anzeiger» immer ganz, ganz kritisch gewesen. Tamedia bemüht dafür eine Auswertung des University College London, die dem Haus attestiert, es habe bei Corona negativer über Berset geschrieben als alle anderen Schweizer Medienhäuser.

Was Tamedia schamvoll verschweigt: Tamedias Corona-Kreischen kritisierten Berset oft wegen dessen angeblich viel zu laschen Einschränkungen von Freiheitsrechten. Im roten Bereich drehende Redaktoren forderten sogar Impfzwang und kanzelten «Impfverweigerer» als potenzielle Mörder ab.

Die grossen Medienkonzerne sind nicht einmal mehr in der Lage, ihr eigenes Versagen während der Pandemie kritisch aufzuarbeiten. Während sich der «Blick» (und natürlich SRF) in Lobhudeleien über staatsmännische Führer und Lenker fast überschlugen, wollte der angeblich linksliberale «Tages-Anzeiger» möglichst noch harschere Einschränkungen. Dass damit Tausende von KMU in den Ruin getrieben worden wären, dass schon so mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer auf Kurzarbeit waren – was kümmerte es.

Kritisch? Allem gegenüber. Vor allem den anderen gegenüber. Selbstkritisch? Hat man von all den Unken, die Zehntausende von Toten prognostizierten, gar Endzeitstimmung mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen prognostizierten, jemals ein Wort der Selbstkritik gehört? Hat man von all den ruchlosen Abkanzlern aller kritischen Stimmen jemals ein selbstkritisches Wort gehört? Hat von all denen, die gehorsamsverweigernde Skeptiker auf das Übelste beschimpften, als bescheuerte Aluhutträger, Anhänger von absurden Verschwörungstheorien, gerne bereit, rechten Populisten auf den Leim zu kriechen, jemals eine leise Andeutung einer Selbstkritik gehört?

Glauben all diejenigen, es gäbe keine Archive mehr, ihr Gerüpel und Gerempel und Gekeife, ihre liebedienerische Obrigkeitshörigkeit oder ihre arroganten Forderungen nach möglichst harten Massnahmen seien alle mitsamt dem Virus im Orkus verschwunden?

Es hat schon eine gewisse Schamlosigkeit, wenn nun unterwürfige Lobhudler, inquisitorische Rechthaber, Doomsday-Propheten und durch nichts qualifizierte Besserwisser so tun, als hätten sie ausgewogen, distanziert, kritisch und reflektiert über die Pandemie und ihre staatliche Bekämpfung berichtet.

Da gilt wohl extrem: ist der Ruf erst ruiniert …

Die Verpeilten

Nix dabei? Das Berset-Walder-Päckli wird schöngeschrieben.

Es gibt etwas sehr Unangenehmes an Intellektuellen. Sie können eigentlich alles so oder so sehen. Besonders, wenn sie dann noch originell sein wollen, wird’s aschgrau. Hubert Mooser von der «Weltwoche» will ganz originell sein.

Also haut er mal einen raus, den man nur als Rohrkrepierer bezeichnen kann. Schon der Titel sagt alles: «Bersets Corona-Leaks: Wenn Journalisten Indiskretionen anprangern, sägen sie am Ast, auf dem sie selber sitzen».

Wenn Intellektuelle zu eiern beginnen, merkt man das zuerst am ungenauen Sprachgebrauch. Handelt es sich hier um «Corona-Leaks»? Werden hier «Indiskretionen» kritisiert? Mooser wird noch deutlicher: Der ehemaligen Kommunikationschef von Bundesrat Berset habe «nichts getan, was im Umfeld der Bundesräte nicht seit Jahren praktiziert wird. Aber an ihm soll jetzt ein Exempel statuiert werden, um alle anderen zu disziplinieren».

Mooser hat gleich noch einen schlechten Rat für seine Kollegen zur Hand: «Journalisten sollten sich deshalb nicht zu willfährigen Helfern der bundesbernischen Informations-Verhinderer degradieren lassen. Damit schaden sich nämlich die Medien nur selber.»

Mooser war bereits Diener vieler Herrn. Tagi, «Blick», «20 Minuten», RTL, «SonntagsZeitung», «Basler Zeitung». In all den Jahren ist er nie durch einen Primeur aufgefallen, durch die Veröffentlichung einer brandheissen Eigenrecherche. Will er also die Hoffnung darauf nicht aufgeben? Wenn’s so einfach wäre.

Niemand prangert hier «Indiskretionen» an. Noch viel weniger handelt es sich um «Corona-Leaks». Verpeilte Sprache, verpeiltes Denken. Hat Lauener wirklich nur das praktiziert, was alle schon seit Jahren tun?

Ist also das Departement Cassis in ständigem Kontakt mit NZZ-Chefredaktor Eric Gujer? Profitierte die «Weltwoche» von Indiskretionen aus dem Hause Maurer? Unterhielt Sommaruga einen pfleglichen Informationsaustausch mit Tamedia? Liessen sich diese Organe dann als Gegenleistung zu einer liebedienerischen Publizistik hinreissen?

Oder einfach: Hat Mooser Anlass und Stossrichtung der Kritik nicht verstanden – oder will er sie nicht verstehen? Wir hoffen für ihn – Letzteres.

Dass ein Politiker, ein Regierender dafür sorgt, dass ihm genehme, aber vertrauliche Informationen an die Medien durchsickern, ist tatsächlich nicht aussergewöhnlich. Allerdings stellt sich dabei immer die Frage der Strafbarkeit, denn für etwas gibt es scheint’s das Amtsgeheimnis.

Was Bersets Departement und Walder hier veranstaltet haben, spricht aber allen hehren Lobgesängen auf journalistische Unabhängigkeit, Kontrollfunktion, Vierte Gewalt und redaktioneller Unabhängigkeit Hohn.

Alle Medienclans haben ihre politischen Überzeugungen und Haltungen. Das gilt auch für die NZZ als clanunabhängiges Medium. Niemals käme es einem Redaktor – ausser er sei lebensmüde – in den Sinn, dagegen anschreiben zu wollen. So wird man in der «Weltwoche» niemals einen positiven Artikel über Widmer-Schlumpf lesen. Das sind die Kleiderordnungen, an die sich auch ein Mooser hält.

Dass aber ein CEO und Mitbesitzer eines Medienimperiums eine Stallorder herausgibt, wie über ein Thema und seinen Exponenten zu berichten sei, das ist aschgrau. Damit sägt Walder am journalistischen Ast, auf dem seine Redaktion sitzt. Eine solche Nähe zwischen einem mächtigen Medienmann und einem Politiker ist unappetitlich. Kritik an dem, was daraus entstanden ist, ist dringlichst geboten.

Mooser möchte vielleicht der Maxime seines Hauses frönen, im Zweifelsfall das Gegenteil zu schreiben, was der Mainstream schreibt. Das kann manchmal interessant, manchmal sogar richtig, manchmal zumindest amüsant-anregend sein. Oder schlichtweg bescheuert. So wie hier.

 

«Republik»: Besitzer-Beschimpfung

Verlegerkritik an einem Schmieren-Artikel? Die Autoren kläffen zurück.

Die «Republik» beantwortete die Frage von ZACKBUM, ob es menschenmöglich sei, das unterirdische Niveau des Verleumdungsartikels über ein angebliches Netzwerk von «Info-Kriegern» noch zu unterbieten. Die Antwort lautet ja, es erblickte der Schmieren-Artikel «Der Aufsteiger» über den NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer das Licht der kleinen Welt der Demokratieretter.

Diese ausschliesslich auf anonymen Stänkereien beruhende Kloake journalistischen Schaffens wurde sogar innerhalb der Gesinnungsblase der «Republik»-Verleger in Kommentaren scharf kritisiert. Neben wenig (wohl bestelltem) Lob hagelt es sogar Abbestellungen:

«Der Artikel behauptet, statt zu zweifeln. Er ist kritisch, ohne selbstkritisch zu sein. Die Autor:innen scheinen restlos überzeugt von ihrer Einschätzung.  – Und jetzt? Was genau ist die Story? – Für mich ist das Gossip: Persönliche Recherchen, gespickt mit Zitaten, wo sie grad passen. – 

Dieser Artikel hat mich in meinem Unbehagen bestärkt, das mich bei der Lektüre von Republik zunehmend befällt.

– Manchmal führe ich mit mir den folgenden Test durch: Ich frage mich «Was von dem, was ich eben gelesen habe, könnte ich jemandem als eine verlässliche und überprüfbare Information weitervermitteln?» Je näher die Antwort gegen Null zustrebt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es sich beim Gelesenen um Kolportage handelt. – Braucht es dazu uns, das Publikum? Gibt es dafür keine andere Organe? – Sie Herr Albrecht, wie auch der Rest des Teams, welche die publizistische Verantwortung der Republik trägt, sollten sich hingegen fragen: Haben Sie auch tatsächlich was Relevantes zu berichten über diese Person? (Meinem Verdikt nach: Offenbar nicht wirklich. Deshalb die Seichtigkeit.) – Ich persönlich finde den Artikel ziemlich geschmacklos.»

Sogar der Ex-Mitarbeiter Urs Bruderer kann nicht schweigen: «Disclaimer: Jonas Projer war mein Kollege in Brüssel und ist mein Freund. Und für die „Republik“ hab ich mal gearbeitet. Aber so geht das nicht. „Die Republik hat mit zwei Dutzend Personen gesprochen, …“ – diese Floskel ist kein Freipass, um nachher eine Geschichte ohne Belege und Zitate zu erzählen.»

Dass den Autoren Albrecht und Beck eine Kritik von ZACKBUM schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, ist einfach Ausdruck von Arroganz, die aus Unsicherheit entsteht. Aber wenn selbst innerhalb der eigenen Verlegerschaft massiv protestiert wird, entsteht daraus der vielbeschworene «Dialog» mit den Autoren? Nicht wirklich. So meldet sich Albrecht zu Wort und weist seine Brötchengeber scharf zurecht:

«Ich möchte hier auf die vielen Kommentare antworten, die unseren Text kritisieren. Und ich möchte betonen, dass es für uns nach wie vor keinen Zweifel an der Recherche gibt. … Es ist wichtig, dass wir die Geschehnisse so wiedergeben, wie wir es hier getan haben. Dazu gehört auch die Zitierung von anonymen Quellen. Ohne sie wäre Veränderung unmöglich

Welche Recherche? Welche Geschehnisse? Welche Veränderungen?

Auch die Co-Autorin Ronja Beck will unter Beweis stellen, dass sie völlig beratungsresistent ist: «Ich glaube, hier eine Diskussion zu entfachen, bringt aus offensichtlichen Gründen nichts. Deshalb nur kurz: Warum du Informationen von anonymisierten Quellen mit Gerüchten gleichsetzt, ist mir schleierhaft. Ich kann dir versichern, wir haben hier mit gut informierten Quellen gesprochen.»

Sie will offenbar nicht verstehen, dass die Verwendung von anonymen Quellen eine entscheidende Voraussetzung hat: die Glaubwürdigkeit desjenigen, der sie zitiert …

Aber Beck kann noch mehr dafür tun, sich lächerlich zu machen: «Es gibt auch nahezu beliebig viele Unternehmen, die ihr Personal schlecht behandeln. Hätten wir deshalb nie über Globegarden schreiben sollen

Darauf erübrigt sich jeder Kommentar, ausser dem eines «Verlegers»: «Globegarden? Ich hoffe, die Geschichte über Projer fällt nicht genauso in sich zusammen … 😬»

Denn das Duo Infernal Albrecht/Beck zeichnete ebenfalls für den Gewaltsflop «Globe Garden» verantwortlich. Aufgrund fast ausschliesslich anonymer Anwürfe ehemaliger Mitarbeiter zogen die beiden den grössten Betreiber von Kitas in der Schweiz durch den Dreck. Eine gründliche externe Untersuchung der Vorwürfe ergab dann: nichts dran, null, kein einziger Vorwurf (sofern die ungenauen Behauptungen überhaupt konkretisiert werden konnten) liess sich erhärten. Nicht einer. Anlass für Einsicht oder Selbstkritik bei den beiden? Ebenfalls null.

Offensichtlich findet bei der «Republik» keinerlei Qualitätskontrolle mehr statt. Anders lässt sich der Unsinn über die «Info-Krieger» nicht erklären. Anders lässt sich nicht erklären, dass dieser Schmieren-Artikel publiziert werden konnte, der an Lächerlichkeit und fehlerhaften Anwürfen nicht zu überbieten ist. Dazu nur ein Beispiel als Absackerchen.

Um den ungebremsten Egotrip von Projer zu belegen, behaupten die beiden Schmierfinken in ihrem Artikel: «Damit die Schein­werfer keine unerwünschten Schatten auf das Gesicht des Chef­redaktors werfen, muss die Raum­höhe erweitert werden.»

Kleines Problem mit der Wirklichkeit: Der Chefredaktor stand im ersten Jahr praktisch nie vor der Kamera

Wie kommentiert ein gefrusteter Verleger so richtig: «Ich bin allerdings vor allem enttäuscht, wie auf die kritischen Kommentare reagiert wird. Ich sehe vor allem Rechtfertigungen und Abwehrreaktionen.»

Wer sich selbst ohne Not ins Eck manövriert, über keinerlei Fähigkeit zur Selbstkritik verfügt, null Ehrfurcht vor den primitivsten Standards seines Berufs hat, sollte ihn wechseln, statt das ohnehin ramponierte Image noch weiter zu versauen. Im Gastgewerbe zum Beispiel werden dringend Kräfte gesucht …

Vincenz: eine Stimme der Vernunft

Strafrechtsprofessor Marcel Niggli kritisiert das Urteil scharf.

Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Uni Freiburg: Niggli ist ein Schwergewicht, sozusagen die Instanz bei allen Fragen rund ums Strafrecht. Dabei hält er mit seiner Meinung nie hinter dem Berg – im Gegensatz zu vielen Kollegen, die sich lieber nicht in den Nahkampf mit den Mühlen der Justiz begeben.

Niggli rechnet in einem Interview im «Tages-Anzeiger» (hinter Bezahlschranke) mit dem erstinstanzlichen Urteil gegen den gefallenen Banker-Star Pierin Vincenz ab. Und lässt keinen guten Faden daran. Schon zuvor hatte er die 368 Seiten umfassende Anklage als «dünn» abqualifiziert. Aus der Tatsache, dass die beiden Hauptangeklagten länger in Untersuchungshaft sassen, folgerte er, «dass das Gericht keinen Freispruch fällen würde. Denn sonst müsste der Staat Ersatz leisten». So kam es dann auch.

Aber Niggli geht noch weiter und zerpflückt die Begründung des Gerichts für sein drakonisches Urteil (45 Monate für Vincenz, 48 für seinen Kompagnon). Dazu nimmt er ein handliches Beispiel:

«Wenn Sie mir 100 Franken schulden, und Sie geben mir die nicht, dann klage ich. Dann bin ich noch nicht geschädigt im strafrechtlichen Sinn. Die Vorstellung, dass jemand, der seine Verpflichtungen nicht erfüllt, per se schon eine Vermögensschädigung bewirkt, ist falsch. Denn dafür ist das Zivilrecht zuständig.»

Also das Problem, dass Vincenz und Beat Stocker ihren Arbeitgebern gegenüber eine Herausgabepflicht von Gewinnen haben, könne man nicht als strafrechtliches Problem sehen. Sondern als zivil- oder arbeitsrechtliches.

Das Gericht begibt sich auf einen gefährlichen Weg

Betrug und Arglist kann Niggli alleine durch die Verwendung eines Konstrukts nicht erkennen: «Das würde ja heissen, dass, immer wenn ich eine Beteiligungsgesellschaft nutze, ich schon im betrügerischen Bereich unterwegs bin.»

Auch die Rolle der Medien sieht der Professor sehr kritisch: «Ohne die Berichterstattung wäre möglicherweise das Urteil viel neutraler ausgefallen.» Im Fall des Spesenbetrugs hätte Niggli eine Strafe von einem Jahr bedingt für angemessen gehalten.

Über den Einzelfall hinaus sieht er aber ein grundsätzliches Problem:

«Wenn man sagt, dass Vertragsverletzungen automatisch strafbar sind, dann begeben wir uns auf einen sehr gefährlichen Weg.»

Es tut gut, eine Stimme der juristischen Vernunft zu hören. Denn gerade in diesem Fall wurden in der Öffentlichkeit (und durch die Öffentlichkeit) Begrifflichkeiten vermischt, die nichts miteinander zu tun haben sollten.

Moral und Strafrecht sind zwei verschiedene Dinge

Die Entrüstung über das moralisch fragwürdige Verhalten von Vincenz versperrte den Blick auf die strafrechtliche Würdigung. Wenn jemand Spesen in Striplokalen oder für Reisen seinem Arbeitgeber in Rechnung stellt, mag das anrüchig sein. Ob es aber strafrechtlich relevant ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, auf den Banken-Professor Kunz aufmerksam machte: diese Spesen wurden allesamt vom Vorgesetzten des Bankers, vom damaligen VR-Präsidenten, abgesegnet.

Wenn sie dennoch im Nachhinein als betrügerisch gewertet werden, muss eigentlich jeder, der Spesen verursacht, zusammenzucken. Denn selbst die Tatsache, dass sie akzeptiert wurden, schützt ihn nicht davor, allenfalls im Nachhinein strafrechtlich belangt zu werden.

Der ganze Themenkomplex Rotlichtspesen – und die unablässige Veröffentlichung saftiger Details unter Bruch des Amts- und Geschäftsgeheimnisses – kann nur so interpretiert werden, dass damit Ruf und Reputation des Angeklagten irreversibel geschädigt werden sollten.

Damit wurde das andere Thema, arglistiger Betrug durch verschleierte Beteiligungen ohne Gewinnherausgabe, sozusagen vorbereitet. Jemand, der einen solchen Lebenswandel hat, ist doch sicher auch im Geschäftsleben nicht sauber. Um dann noch ungetreue Geschäftsbesorgung auf ein anderes Niveau zu heben, nämlich als Betrug zu werten, setzt Arglist voraus. Die Beweisführung dafür ist tatsächlich mehr als «dünn» und beruht auf der Strapazierung eines Bundesgerichtsurteils im Fall von nicht herausgegebenen Retrozessionen.

Dass das Gericht hier der Argumentation des Staatsanwalts vollumfänglich folgte, macht es wahrscheinlich, dass das Obergericht korrigierend eingreifen wird.

Der Schaden ist angerichtet, unabhängig vom Ende der Justizodyssee

An der Tatsache, dass die gesellschaftliche Stellung der Angeklagten unwiderruflich zerstört ist, ihre finanziellen Verhältnisse zerrüttet, nicht zuletzt durch die schon Jahre andauernde Beschlagnahmung ihrer Vermögenswerte, stellt einen nicht wiedergutzumachenden Schaden dar.

Es geht hier keinesfalls um eine Verteidigung des Verhaltens von Vincenz. Aber es muss zwischen der strafrechtlichen und der moralischen Beurteilung strikt unterschieden werden. Hat doch Dreck am Stecken und konnte den Kanal nicht voll genug kriegen, das ist Volkes Stimme, aber keine rechtlich relevante Position.

Relevant ist hingegen, dass theoretisch bis zu einem rechtsgültigen Urteil für Vincenz und seinen Kompagnon die Unschuldsvermutung zu gelten hätte. Das ist in diesem Fall purer Hohn.