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Insiderhandel in der Schweiz

Was ist das, wer macht das, darf man das?

Die Mainstream-Medien haben es immerhin geschafft, mal der Frage nachzugehen, wie viel Big Pharma eigentlich an der Pandemie verdient. Beziehungsweise an der Herstellung und dem Verkauf von Impfmitteln. Das ist ein schön grosses, weltweites Thema, daher kann man da per copy/paste gut arbeiten.

Etwas anstrengender wäre es, der Frage nachzugehen, ob jemand in der Schweiz Insiderhandel im Zusammenhang mit der Pandemie betrieben hat. Dazu müsste man wissen, was Insiderhandel ist, wie und von wem der verfolgt und bestraft wird. Die Definition ist der einfache Teil: das Ausnützen der Kenntnis von vertraulichen und kursrelevanten Tatsachen beim Börsenhandel.

Der Klassiker: ein Geldonkel empfiehlt ein «strong buy» bei einem kleineren Aktientitel. Hat er seine Fangemeinde, dann schlägt die zu. Hat er sich schon vorher eingedeckt und vielleicht sogar gehebelt, ist das ein sure win. Ungefähr so schwierig zu erzielen wie ein Gewinn am Roulettetisch, wenn man vorher weiss, wohin die Kugel fallen wird.

Darf man das in der Schweiz? Seit 1988 im Prinzip nein. Inzwischen ging die Untersuchungskompetenz von den Kantonen an den Bund über. Das bedeutet, dass in erster Linie die Finanzmarktaufischt (Finma) zuständig ist. Die Börsenaufsicht muss ihr, wie Banken beim Verdacht auf Geldwäsche, bei suspekten Transaktionen Meldung machen.

Durch die zunehmende Elektronisierung des Handels sollte die Verfolgung von Insiderhandel eigentlich leichter geworden sein. Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. Pro Jahr werden in der Schweiz rund 300 Verdachtsfälle untersucht. Seit 1988 kam es zu rund – zwei Dutzend Verurteilungen. Das ist lachhaft. Aber immerhin, seitdem Verwaltungsräte für gewisse Vorfälle in Regress genommen werden können oder haftbar gemacht, gab es noch – keine einzige Verurteilung.

Alles sauber oder alles verhüllt?

Nun sind Schweizer Börsenhändler vielleicht sauber und korrekt, niemals käme ein VR auf die Idee, sein Vorwissen finanziell auszunützen. Oder ein Bundesbeamter, der Vorkenntnisse über dramatische Entscheidungen hat, bevor die verkündet werden. Wer damals wusste, wann die Untergrenze für den Euro kommt, dieses Wissen ausnützte, konnte sehr schnell sehr reich werden. Dito bei der Aufhebung. Selbst der damalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank stolperte über dieses Thema.

Obwohl die Finma auch hier ganz energisch tut, sind schon mal die gesetzlichen Grundlagen arg verstreut und nur für Insider verständlich. Oder haben Sie schon mal etwas vom «Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Markverhalten im Effekten- und Derivatehandel» (FinfraG) von 2015 gehört? Auch nicht von der entsprechenden Verordnung (FinfraV)? Von einschlägigen Orientierungsschreiben der Finma? Vom Kotierungsreglement der Schweizer Börsen?

Macht ja nix. Ab einer Million so erworbenes Geld geht’s ins Gefängnis; für bis zu 5 Jahre. Und der Gewinn wird eingezogen. Soweit die Theorie. Dazu kommen noch Vorschriften zur sogenannten Ad-hoc-Publizität und der Transparenz von Management-Transaktionen. Es wird also einiges unternommen, um das Ausnützen von Vorwissen oder Kursmanipulationen zu verhindern. Auf dem Papier.

Der Insider Daniel Senn, Ex-KPMG.

Wie meist allein auf weiter Flur nimmt Lukas Hässig die Spur auf, dass die Finma Deals von Covid-Experten untersucht, zum Beispiel beim Handel mit Lonza-Aktien. Im Zusammenhang mit Spekulationen über eine Beteiligung des Bundes an der Impfstoffherstellung fuhren deren Aktien hübsch Achterbahn.

Nachweis der Kausalität ist das grosse Problem

Jeder, der zu Beginn der Covid-19-Hysterie auf fallende Aktienkurse setzte und mit Leerverkäufen gross einstieg, hatte ausgesorgt. Jeder, der vorher weiss, dass eine Pharmabude eine frohe Ankündigung machen wird, kann das Wissen in Gewinn umsetzen. Man muss sich dabei aber recht blöd anstellen, so wie ein ehemaliger KPMG-Kadermann, damit man dabei auch erwischt wird.

Der Insider Hans Ziegler, Ex-Firmensanierer.

Denn der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Vorwissen und Effektenhandel, das ist der Knackpunkt – und sehr schwer. Hat der Infekteologe X, der Virus-Forscher Y, der Pandemie-Experte Z Insiderwissen ausgenützt und Titel deswegen rechtzeitig gekauft oder verkauft? Oder hatte er einfach den richtigen Riecher? Ziemlich aussichtslos wird der Nachweisversuch, wenn der Insider einen Treuhänder, eine Briefkastenfirma auf Virgin Islands oder Ähnliches dazwischenschaltet.

Dass die Finma auch bei Covid-Transaktionen mit «diversen Akteuren im Austausch» sei, dazu seien «auch diverse Abklärungen in die Wege geleitet», hört sich energisch an. Wird aber genauso im Dickicht verröcheln wie Hunderte von Untersuchungen zuvor.

Obwohl man diesen «Experten» mit ihrer übergrossen Gier nach öffentlicher Aufmerksamkeit ohne weiteres auch Geldgier unterstellen kann. Passt doch irgendwie zusammen.

 

Die Granulierung des Betroffenseins, Teil I

Jeder für sich in seiner Privatblase und ansonsten alle gegen alle. Der neuste Unfug.

Exemplarisch wird in Holland zurzeit eine aufgeregte Debatte geführt. Wer ist legitimiert, das bei der Inauguration von Joe Biden verlesene Gedicht einer jungen Afroamerikanerin zu übersetzen?

Jeder, der’s kann und diese Flachsinnslyrik im Kopf aushält? Könnte man meinen. Zudem guckte sich der Verlag eine junge, wilde Poetin aus, die sich als non-binär bezeichnet, also wohl auch als ausgegrenzt und diskriminiert empfindet, wie Amanda Gorman in den USA.

Aber weit gefehlt. Es erhob sich grosses Geschrei der dunkelhäutigen Community in Holland, wie man es wagen könne. Denn die holländische Poetin ist – weiss. Dazu fehle ihr jeder sozio-kulturelle Hintergrund, um das Werk aus den USA adäquat übertragen zu können. Darüber könnte man hinweglachen, wenn es nicht ein Ausdruck der allgemeinen Verwilderung wäre, der Protest, Debatten, gemeinsam sind wir stark, so mühsam bis unmöglich macht.

Die offene Debatte liegt im Koma

Gleich zwei Wellenbewegungen beschädigen, oftmals zerstören sogar die offene Debatte, unser einziges und wichtigstes Alleinstellungsmerkmal gegenüber diktatorisch oder fundamentalistisch-religiös beherrschten Gesellschaften. Die offene Debatte röchelt vor sich hin.

Zunächst durch diesen Mitbetroffenheitsschwachsinn. Nur eine junge Schwarze mit ethnisch ähnlichem Hintergrund kann ein Gedicht einer anderen Schwarzen korrekt übersetzen? Nur ein Einbeiniger kann über die Probleme von Einbeinigen klagen? Nur eine Mutter darf sich zu Kindererziehung äussern? Es wird grundsätzlich bestritten, dass ohne Teilhabe, die sich in schlichter Ähnlichkeit äussert, eine Teilnahme an der Debatte über ein Problem möglich sei.

Und diese Qualifikation wird mit absurden Korrelationen erworben? Gleiche Pigmentfärbung der Haut, gleiches körperliches Gebrechen, gleicher Erfahrungshorizont? Gleiches Geschlecht, gleiche Sozialisierung? Wenn die älteren, weissen, reichen Männer im englischen Parlament auch so gedacht hätten, wäre ihnen nicht im Traum eingefallen, Sklavenhandel und Sklaverei zu verbieten.

Statt immer mehr Teilnehmer immer weniger

Früher, ja früher wurde der gesellschaftliche Fortschritt und die Erkenntnis dadurch befördert, dass im Verlauf der Demokratisierung immer mehr Teilnehmern das Mitdiskutieren, Mitstreiten, Mitdenken erlaubt wurde. Das gipfelte dann in den Erklärungen der allgemeinen Menschenrechte, die jedem alleine durch das Menschsein unveräusserliche Rechte zubilligten.

Auch das wurde zuerst ausschliesslich von wohlhabenden, nicht mehr ganz jungen  weissen Männern beschlossen. Dann entwickelte sich eine Inklusion, die den Namen auch verdiente. Von Frauen, von Besitzlosen, von ethnisch oder schlicht an der Hautfarbe erkennbar anderen. Das war seit 1776, seit 1789, seit 1848 ein grandioses Erfolgsmodell.

Bis 1989, als der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und der damit verbundene Wegfall eines einfachen Schwarzweiss-Rasters – hier gut, dort böse – das Koordinatensystem zur Weltkartographie und die Orientierung verlorengingen. Nach kurzzeitigem Triumphalismus – das Ende der Geschichte ist erreicht  –, begann eine ganz unheilvolle Entwicklung, um neue Weltvermessungen durchführen zu können und wieder Halt zu finden in einer unübersichtlichen, chaotischen, globalisierten Welt.

Selbstdefinition durch Abgrenzung

Es begann die Granulierung, also die Selbstdefinition jedes Einzelnen durch Abgrenzung, nicht durch Gemeinsamkeit. Während es vorher eine mächtige Schwulenbewegung gab, zersplitterte sie nun. Der schwarze Schwule im Ghetto, genauso meilenweit entfernt vom weissen mittelständischen Schwulen wie der vom reichen Schwulen, unabhängig von der Hautfarbe.

Ausgebeutete und Ausbeuter, Besitzer und Habenichtse, Mächtige und Machtlose, Dominierende und Dominierte? Aber nein, so einfach ist das nicht mehr. Habenichtse müssen nach Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Sozialisation, Glauben, Aufenthaltsort und vielen weiteren Kriterien vorsortiert werden.

So entstehen vereinzelte Schneeflocken in ihren Blasen, die vor jedem Kontakt mit Andersartigen, aber auch mit eigentlich Gleichgesinnten, zurückschrecken. Einen schwarzen, schwulen Sozialdemokraten trennen Welten vom Ausbeuter, aber auch Welten von der weissen, weiblichen, heterosexuellen Genossin.

Komplettiert wird diese Symphonie des Wahnsinns durch eine zweite, völlig falsche Zuweisung. Indem eine Eigenschaft, die überhaupt nichts mit einer anderen zu tun hat, mit der korreliert wird, um einen sachunabhängigen Vorwurf zu legitimieren. Hä?

 

Fortsetzung folgt.