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Die Leihmeinung

Tamedia meint immer seltener selbst.

Aber immerhin, Ronen Steinke von der «Süddeutschen Zeitung» hat doch die Lösung aller Probleme gefunden: «machen wir Schluss mit Sexismus». Und wenn wir schon dabei sind, Kriege sind auch ganz schlecht, Hunger gehört abgeschafft, und machen wir endlich Schluss mit der Klitorisbeschneidung.

Da nun bereits so ziemlich alle so ziemlich alles repetitiv zum Rammelstein-Vorfall gesagt haben, muss Steinke tief Luft holen, um nicht nur Wiederholungen beizutragen: «Eine Debatte um frauenfeindliche Rollenbilder ist notwendig

Hoppla, diese Forderung wurde nun allerdings schon bis zum Gehtnichtmehr erhoben.

Auch anschliessend bewegt sich Steinken auf ausgetretenen Pfaden:

««Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst», hat der Sänger 2020 in einem Gedicht geschrieben. «Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas). Kannst dich gar nicht mehr bewegen. Und du schläfst, es ist ein Segen», so liest man da, heute noch angewiderter als damals.»

Wieso «noch angewiderter»? Na, «der Vorwurf, den Frauen gegen Lindemann erhoben haben – und den er bestreitet –, ist die Überwältigung mit K.-o.-Tropfen».

Okay, ganz langsam. So wie kein Krimiautor Mordgelüste hat, so wie Edgar Allen Poe zwar ausgeklügelte Mordmaschinen erfand und sogar einen sonderlichen Mörder, so wie Stevenson weder Jekyll noch Hyde war, so wenig haben literarische Fantasien normalerweise mit den Autoren zu tun. Diese Liedzeilen angewidert oder nicht so zu zitieren, zeugt von Flachdenken.

Nun geht Steinke detektivisch dem Verdacht nach, dass hier K.o.-Tropfen zum Einsatz kamen. Aber leider: «K.-o.-Tropfen sind nur für wenige Stunden im Blut nachweisbar.» Dann geht er ins Detail: «da helfen auch die klarsten Paragrafen traurigerweise nichts, wenn die Betroffenen nicht rasch zur Polizei gelangen und dort – wichtig – ebenso rasch von der Polizei ernst genommen werden. Eine gynäkologische Spurensicherung funktioniert unter Umständen zwar noch etwas länger. Aber das hilft in einer Rockstar-Fan-Konstellation auch nicht, wenn nicht gleichzeitig die K.-o.-Tropfen nachgewiesen werden können. Weil sonst der Beschuldigte sagen kann: Das war einvernehmlich.»

Am Schluss stehe Aussage gegen Aussage. Zudem gebe es Zweifel: «Den Frauen drohen dann oft Unterstellungen, die von Beratungsstellen als «Vergewaltigungsmythen» bezeichnet werden. Wie etwa: Frauen würden sich Vorteile davon versprechen, sich als Opfer zu inszenieren. Oft ist das sexistisch und abstrus. Wer in der notwendigen, durch den Fall Rammstein angestossenen gesellschaftlichen Debatte erst auf das Strafrecht wartet, wartet am Ende vielleicht vergeblich.»

Damit unterstellt Steinke etwas gewundener, was schon andere Denunzianten getan haben: Till Lindemann ist doch wohl schuldig, nur kann man es ihm halt leider nicht beweisen. Während Frauen per Definition Opfer sind, wird Lindemann als Täter inszeniert.

Das ist nun noch knapp einen halben Schritt vor der Selbstjustiz. Denn wenn das Recht nicht greift, obwohl für Steinke die Sache eigentlich klar ist, dann muss man doch das Recht in die eigenen Hände nehmen. So wie das auch anderweitig im Tagi gefordert wird; es könne doch nicht sein, dass die beiden Konzerte in Bern einfach stattfänden. Zunächst müssten doch die «schwersten Vorwürfe» untersucht werden, aber selbstverständlich gälte die Unschuldsvermutung.

Aber eben, wer auf da Strafrecht warte, «wartet am Ende vergeblich», behauptet Steinke. Nun sind zwar die ersten Strafuntersuchungen angestossen worden. Aber Steinke weiss schon jetzt, wie sie ausgehen werden. Also was tun? Den Abbruch der Konzerttournee fordern ist das eine. Aber wie machen wir denn nun «Schluss mit Sexismus»? Wohl am besten, indem wir ein Exempel statuieren. Den Sänger unermüdlich ans mediale Kreuz nageln. Mit Andeutungen, Unterstellungen, Behauptungen, anonymen Aussagen.

Ist doch immer noch besser, als ihn gleich zu lynchen, was dieser Triebtäter doch eigentlich verdient hätte.

Das Private und das Öffentliche

Wie aus einem Filmriss ein Geschäftsmodell entsteht.

Was während der Landammannfeier am 20. Dezember 2014 in Zug geschah, hat nichts Skandalöses, es wurden keine Straftaten verübt. Es wurde geschwatzt, getrunken, geknutscht. Was halt alles an einem nicht gerade für Antialkoholiker gedachten Fest so im Verlauf einer Nacht stattfindet.

Das änderte sich erst am Montag, 22. Dezember 2014, um 12.05 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt meldete die gynäkologische Abteilung des Zuger Kantonsspitals der Einsatzzentrale der Zuger Polizei, «dass am Wochenende eine Patientin mit Verdacht auf K.o.-Tropfen eingegangen sei».

Es sei das «Sexualkit gemacht» worden, zudem Haarproben entnommen. «Erst mit dieser Meldung war klar, dass das Kantonsspital eine Vergewaltigung meldete.» Daraus entstand die Geschäfts-Nr. 20141222.0030. Daraus entstand die Strafanzeige «Schändung (Verdacht)». Als möglicher Tatort wurde das Restaurant Schiff angegeben, «vermutlich in der Captains-Lounge». Die Tatzeit liege «zwischen Samstag, 20. Dezember 2014, 23.50 Uhr bis Sonntag, 21. Dezember 2014, 02.15 Uhr.» Es gab eine Geschädigte und zwei Verdächtige.

Zeugenaussagen und ein Plausibilitätsgutachten

Was gibt es noch zu berichten, ohne die Privatsphäre der Beteiligten zu verletzen? Eine Zeugin* sagte aus, dass sie die beiden, also den mutmasslichen Schänder P.K.* und Jolanda Spiess-Hegglin, an diesem Abend dabei beobachtet habe, wie sie sich küssten. «Sie habe interveniert und gesagt, das gehe doch nicht.» Daraufhin sei Spiess-Hegglin einen Stock weiter nach oben gerannt, P.K. hinterher. Auch die Zeugin sei den beiden gefolgt und habe ihnen «eine Moralpredigt gehalten».

Ein Plausibilitätsgutachten, das beim Institut für Rechtsmedizin St. Gallen in Auftrag gegeben wurde, sollte klären, ob das von Spiess-Hegglin und Zeugen beschriebene Verhalten zu einer «allfälligen Applikation von GHB», als K.-o.-Tropfen bekannt, passe. Der Gutachter kam zum Schluss, dass alle Beschreibungen «nicht dem typischen Wirkungsprofil von GHB entsprechen». Zudem sei es «aufgrund des bitterlichen Geschmacks von GHB nicht ohne Weiteres vorstellbar, «dass eine wirksame Menge davon im Rotwein durch Jolanda Spiess gänzlich unbemerkt aufgenommen werden konnte».

Verheerende vorläufige Schadenbilanz

Spiess-Hegglin in ihrer Eigenschaft als Privatklägerin forderte dann die Erstellung eines neuen toxikologischen Gutachtens, weil nur nach GHB gesucht worden sei. Nach Rücksprache mit dem Institut für Rechtsmedizin wurde dieser Antrag zurückgewiesen; es seien bereits alle Substanzen ergebnislos getestet worden.

Vorläufige Schadensbilanz: Ruf und Reputation von P.K. zerstört, von einem zweiten Beschuldigten* zumindest angeknackst. P.K. machte geltend, dass er mit rund 95’000 Franken für seine Verteidigungs- und Kommunikationskosten zu entschädigen sei, als die Strafuntersuchung gegen ihn eingestellt wurde. Das stutzte die Staatsanwaltschaft auf 21’500 Franken zusammen. Zudem erhielt er Fr. 500 für den Polizeiverhaft und eine Genugtuung von 5000 Franken «infolge der schweren Beeinträchtigung seines persönlichen, beruflichen und auch politischen Ansehens».

Das Thema des Abends fand den Weg in die Medien

Der Steuerzahler beteiligte sich mit weiteren 21’300 Franken am Verfahren, diese Kosten wurden ebenfalls auf die Staatskasse genommen. Wir haben also einen P.K., schwer beschädigt, zudem blieb er auf 68’000 Franken Schulden sitzen, die er dafür ausgab, um wieder so unschuldig wie zuvor zu sein. Theoretisch. Seither hat er sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, seine politische Karriere ist beendet.

Allerdings war das Verhalten der beiden offenbar Gesprächsthema an diesem Abend, einer der anfänglich Beschuldigten ist Journalist, also fand die Story sehr schnell ihren Weg in die Medien. Zuerst zu zentralplus.ch, und dann legte der «Blick» nach, der offenbar Wind von der Verhaftung von P.K. bekommen hatte. Also brachte er unter der Schlagzeile «Hat er sie geschändet?» die beiden Beteiligten mit Foto und voller Namensnennung. Was er gemäss Kantons- und Obergericht Zug nicht hätte tun dürfen.

*Namen der Redaktion bekannt.

Fortsetzung folgt.