Eine Ente ist – weiblich
Mit dem Spruch läge man bei Tamedia schon unter einer neuen Betroffenheitsoffensive. Aber hier ist sie wirklich weiblich.
Isabel Strassheim*, eine eher ruhige Schafferin und bei Tamedia für Pharma zuständig, was ja immer wieder Gelegenheit bietet, «Skandal» zu rufen, hat «Skandal» gerufen.
Allerdings nicht wegen unverschämten Preisen oder unverschämten Gewinnen oder unverschämter Gefühlskälte von Big Pharma. Sondern wegen bundesrätlichem Versagen:
Da hämte noch der Tagi über den Bundesrat.
Wenn der Tagi mal zeigt, was er kann, dann gibt er Vollgas. Anriss mit Karikatur auf Seite eins, Kommentar auf Seite zwei und grosser Bericht weiter hinten:
Feigheit vor dem Virus, Happy End versemmelt.
Hätten diese armen Schafe verschwinden müssen?
Das wünscht sich eigentlich jeder Journalist – auch jede Journalistin : Der Artikel schlägt ein wie eine Bombe. Zitierungen überall, natürlich fangen auch Politiker sofort an, zu hyperventilieren. Die einen fordern gleich den Rücktritt des Gesundheitsministers, die anderen wollen diesen neuen Skandal von Alain Berset genau untersuchen.
Dritte fordern sogar das schärfste Mittel, das der Nationalrat hat: eine PUK, eine parlamentarische Untersuchungskommission. Bislang gab es in der jüngeren Geschichte der Schweiz nur vier; eine ganze Latte von Anträgen wurde abgelehnt, zuletzt 2010 zur Finanzkrise und der UBS.
Die FDP setzte zum Sturmangriff an
Aber hier sah die FDP Gelegenheit, Terrain zu markieren und der SP eine reinzuwürgen. Denn ein Bundesrat, der aus welchen Gründen auch immer das Angebot einer eigenen Produktion von Impfstoffen ablehnt, obwohl schon das Terrain ausgeguckt war, wo nur noch der Widerstand des Tierschutzes zu überwinden wäre, wenn man die Schafe dort vertreibt? Ein Skandal, aber in Grossbuchstaben.
Nur: «Neuere Recherchen ergaben», vermeldete der Tagi klein und in kleinen Buchstaben versteckt in einem sogenannten Nachzug, dass das eine Ente war. Fake News, wie Trump für einmal richtig gesagt hätte. So formulierte es der Tagi natürlich nicht:
Nun, der FDP-Fraktionsvorsitzende stand mit mitten im Gefecht abgesägten Hosen da und versuchte, sich mit allen Politikersprüchen aus dem peinlichen Flop zu reden. Interessanterweise ohne den Schuldigen direkt zu kritisieren. Denn will man es sich mit einem der beiden Tageszeitungen-Monopolisten verderben?
Schlimmer erwischte es aber die Autorin. Sie verschwand grusslos in der Versenkung, die «Korrektur» war von «red.» für Redaktion unterzeichnet, die nachfolgenden Lonza-Artikel werden von anderen Tagi-Kräften geschrieben.
Ist über diesen und andere Flops der Oberchefredaktor auch betroffen?
Ist über eine ganze Reihe von Flops der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser nicht betroffen, was sagt er zu diesem Megaflop? Auf Anfrage von persoenlich.com gibt er ein gequältes Statement über die Medienstelle ab: «Wir haben den ursprünglichen Artikel transparent korrigiert und aufgezeigt, was wir darüber wissen, wie der Sachverhalt war.»
Lassen wir das mal in all seiner Schäbigkeit so stehen. Wie sieht das denn nun intern aus? Einerseits geht so eine Ente, so ein Bauchklatscher doch arg an die Reputation und das Vertrauen. Üblicherweise kommt der Autor einer solchen Falschmeldung nicht ungerupft davon. Nur: hier ist es eine Autorin.
Eine Ente kommt selten allein.
Eine Redaktorin, die zudem das Protestschreiben mitunterzeichnet hat. Wir hätten gerne von ihr gewusst, ob sie einen Zusammenhang zwischen der frauenfeindlichen Atmosphäre und diesem Flop sieht. Was sie davon hält, dass das Thema nun von männlichen Kollegen weitergeführt wird. Und ob sie freiwillig oder auf männliche Anordnung im Hintergrund verschwunden ist.
Schliesslich wollten wir noch wissen, ob sie als Unterzeichnete vielleicht ein, zwei Übergriffe, Belästigungen, Diskriminierung aus eigenem Erleben schildern könnte. Ob sie bei einer solchen Anschuldigung wirklich ausschliesslich mit den üblichen anonymen Quellen operieren darf. Aber, leider reagierte Strassmann nicht auf eine Anfrage mit ausreichend Antwortzeit.
Das zeichnet die erregten Tamedia-Journalistinnen wirklich aus: austeilen, beschuldigen, sich als Opfer aufmascheln, immer nur anonyme Belege oder Zeugen in eigener Sache oder bei vermeintlichen Primeurs. Aber auf naheliegende, höfliche, journalistische Fragen reagieren: niemals; lieber feige wegducken. Weil: als Frau darf man das.
Frauen klagen an, dann schweigen sie
Das greift langsam um sich, muss man einfach sagen, auch wenn man dann als Macho oder Frauenfeind beschimpft wird. Im Austeilen ganz gross, im Einstecken oder im Reagieren auf kritische Fragen ausserhalb der geschützten Werkstätten des Betroffenheitsjournalismus: ganz, ganz klein, nur noch winzige hässliche Entlein paddeln da schnell davon.
*Seufz. Die Dame heisst natürlich Strassheim; ich danke mal wieder den Lesern und gelobe Besserung.