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Zeitungen von CH-Media verleumden Infosperber

St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote etc. verbreiten eine Covid-Verschwörungsphantasie.

Von Martina Frei*

Ein identischer ganzseitiger Artikel in den genannten Zeitungen des CH-Media-Konzerns wirft alle in den gleichen Topf, welche die offiziellen Informationen über die Impfstoffe gegen das Corona-Virus hinterfragen. Unter dem Titel «Eine Wahnidee jagt die nächste – warum hört das nicht auf?» nennen diese Zeitungen als neustes Beispiel Berichte einiger Medien über mRNA-Impfstoffe, die mit DNA verunreinigt waren. Dies sei eine «abstruse Behauptung», die «schnell entlarvt» sei, schrieben die Zeitungen.

Autorin Sabine Kuster war lange im Regionalressort tätig und ist keine Wissenschaftsjournalistin. Dass der Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt ist, sei «die neueste einer nie endenden Kette von abstrusen Behauptungen von Impfgegnern. […] Über die angebliche Verschmutzung der Impfdosen mit DNA haben wir bisher nicht berichtet. Zu absurd erschien die Behauptung», schrieb sie.

Merke: In diesen CH-Media-Zeitungen werden Informationen nicht aufgenommen, wenn sie «absurd erscheinen». Ob sie zutreffen, wird nicht recherchiert. Dabei wäre das die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten.

240118 Titel St. Galler Tagblatt
Seitentitel am 18. Januar 2024 im St. Galler Tagblatt: Pfizer-Impfstoff mit DNA verschmutzt – eine Wahnidee. © CH-Media

 

Was CH-Media ausser acht liess …

Der gross aufgemachte Artikel in den Zeitungen von CH-Media zitiert einzig ein deutsches Labor, das DNA im Impfstoff gefunden haben will und stellt dessen Laborleiterin als zweifelhaft dar. Zu Wort kommt die kritisierte Laborleiterin nicht.

Die CH-Media-Zeitungen haben den Eindruck erweckt, nur dieses Labor habe in Impfstoffen Verunreinigungen mit DNA nachgewiesen. Kuster verschweigt unter anderem die DNA-Funde von Phillip Buckhaults.

Buckhaults ist Molekularbiologe, Spezialist für Krebsgene und Professor an der Universität South Carolina. Er hat seine Ausbildung unter anderem an der Johns Hopkins University gemacht und in Wissenschaftszeitschriften wie «PNAS» oder «Nature Communications» Fachartikel veröffentlicht. Von einer solchen Karriere können viele Wissenschaftler nur träumen.

Buckhaults riet allen, die ihm am Herzen liegen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Er ist also weder «Verschwörungstheoretiker» noch «Anti-vaxxer», im Gegenteil. Der bekannte Krebsforscher Wafik El-Deiry bezeichnete Buckhaults als kompetent und integer.

Die Aussagen vor dem Senatsausschuss

Im September 2023 sagte Buckhaults vor einem Senatsausschuss von South Carolina aus. Die Aufzeichnung seiner nicht öffentlichen Aussagen wurde publik. Er habe Milliarden von DNA-Stückchen im Pfizer mRNA-Impfstoff gefunden, berichtete Buckhaults vor dem Ausschuss und sagte: «Ich bin etwas beunruhigt, welche Konsequenzen das für die menschliche Gesundheit und Biologie haben könnte.»

Buckhaults hat seine Untersuchungen nicht veröffentlicht. Er teilte die Resultate dem Senatsausschuss mit, damit Gesetzgeber, Arzneimittelbehörde, Hersteller und Wissenschaftler diese Verunreinigung von Impfstoffen ernst nehmen. Buckhaults schlug vor, möglichst viele fachkundige Wissenschaftler sollten abklären, ob bei Covid-geimpften Menschen im Erbgut von Stammzellen Stücke der fremden DNA aus dem Impfstoff zu finden sind.

Die Grenzwerte für DNA-Verunreinigungen in Impfstoffen seien zu einer Zeit eingeführt wurden, als es um das Spritzen von «nackter» DNA ging, gab Buckhaults zu bedenken. In den mRNA-Impfstoffen sei die DNA aber im Körper transportfähig in Nanopartikel verpackt.

Die CH-Media Journalistin konstatiert «eine läppische Unsorgfältigkeit»

Weil der Journalistin die Information «zu absurd» erschien, erstaunt es nicht, dass die CH-Media-Zeitungen auch nicht darüber informierten, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA bereits Ende 2020 und erneut im Frühling 2021 die DNA im Pfizer-Biontech-Impfstoff als Problem erkannte und beanstandete. Das geht aus Dokumenten hervor, die gehackt wurden oder welche die Behörde herausgab.

Möglicherweise betraf dieses Problem nicht alle Produktionsstätten, und vielleicht war es im zweiten Halbjahr 2022 behoben, vielleicht auch nicht. Vieles bleibt im Ungewissen, weil die EMA in den freigegebenen Dokumenten ganze Abschnitte einschwärzte.

Spekulationen oder Befürchtungen könnten Pfizer/Biontech leicht ausräumen, wenn sie offenlegen würden, wie viel DNA sie mit welchen Methoden im Impfstoff gemessen haben.

Die Geheimniskrämerei sollte Medien, die sich als vierte Gewalt im Staat verstehen, hellhörig machen. Doch die Autorin des CH-Media-Artikels nannte die Verunreinigung «eine läppische Unsorgfältigkeit».

Im Patentantrag von Moderna stand etwas anderes

Was sie ebenfalls nicht erwähnte, ist das Patent, das Moderna seit dem Jahr 2018 hält. Darin geht es um Methoden, wie DNA, die bei der Herstellung in das mRNA-Produkt gelangt, entfernt werden kann. Im Patentantrag schrieben Stéphane Bancel, der Mitbesitzer von Moderna, und seine Kollegen: «Die DNA muss entfernt werden, um die Wirksamkeit und die Sicherheit der Therapeutika zu gewährleisten, denn in den Produkten verbleibende DNA könnte die angeborene Immunabwehr aktivieren und hat das Potenzial, bei Patientengruppen krebserregend zu wirken.»

Das deutsche «Paul-Ehrlich-Institut» (PEI), zuständig für die Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland, wandte sich in Sachen DNA-Verunreinigung kurz vor Weihnachten 2023 mit einer Mitteilung an medizinische Fachkreise. Aus seiner Sicht hätten die nicht von den Herstellern, sondern von anderen Laboren durchgeführten DNA-Analysen methodische Mängel, schrieb es. Was im Schreiben des PEI nicht steht: Die methodischen Mängel führen laut mehreren Wissenschaftlern dazu, dass der DNA-Gehalt bei den Analysen der Impfstoffe eher unterschätzt wurde.

Bei den DNA-Messungen verliessen sich die Behörden voll auf die Angaben der Hersteller. Eigene Messungen nahmen die Behörden nicht vor.

Anstatt zu recherchieren einfach abgetan

Freilich können Zeitungen wie jene von CH-Media zum Schluss kommen, über die DNA-Verunreinigung nicht zu informieren, weil die Redaktion diese als wenig relevant beurteilt. Doch anderen Medien, die darüber informieren, «Wahnvorstellungen» und das Verbreiten «abstruser Behauptungen» vorzuwerfen, entspringt einer Verschwörungsphantasie. Zu den Verbreitern solcher «Wahnideen» zählt die Autorin auch Infosperber. Mit dieser üblen Nachrede versucht CH-Media, die unabhängige Online-Zeitung Infosperber als unglaubwürdig darzustellen.

Die Arzneimittelbehörde EMA, der Molekularbiologe Philipp Buckhaults und weitere Wissenschaftler (hier ab Minute 13:04 oder hier im «WDR» ab Minute 17:33) hingegen hielten es für nötig, den DNA-Funden in den Impfstoffen nachzugehen.

Eine Replik von Infosperber zum Artikel in den CH-Medien lehnte Chefredaktor Patrik Müller ab: «Wir halten an unserer Darstellung fest.» Er akzeptierte einen «Leserbrief mit maximal 1200 Zeichen».


CH-Media-Zeitungen untergraben ihre eigene Glaubwürdigkeit

upg. Die Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das seriöse Zeitungen besitzen. Die beiden erwähnten Artikel in den CH-Media-Zeitungen St. Galler, Badener und Zofinger Tagblatt, Solothurner Zeitung, Walliser Bote u.a untergraben die Glaubwürdigkeit unserer Online-Zeitung Infosperber, indem sie Infosperber mit «Verschwörungstheoretikern», «Wahnideen» und «abstrusen Behauptungen» assoziieren.

Konkret «belegt» wird diese Assoziierung nicht etwa mit konkret bezeichneten Artikeln. Falsche Darstellungen in den Artikeln von Infosperber werden keine genannt.

Seit Ausbruch der Epidemie hat Infosperber zu Corona über 500 Artikel veröffentlicht. Dabei hat Infosperber im Gegensatz zu vielen anderen Medien die Rolle der Vierten Gewalt wahrgenommen und Aussagen und Entscheide von Behörden und Pharmafirmen kritisch hinterfragt.

Infosperber deshalb vorzuwerfen, Verschwörungstheorien oder Wahnideen zu verbreiten, ist eine bösartige Unterstellung.

Die CH-Media-Zeitungen zitieren keinen einzigen Beleg, dass Infosperber eine Verschwörungstheorie oder eine Wahnidee verbreitet hätte.

Das Gegenteil ist der Fall: Infosperber hat über Verschwörungsphantasierer informiert, deren Namen genannt und deren Verschwörungsphantasien als solche aufgezeigt. Auch hat Infosperber über den Nutzen der Impfungen für vulnerable Personen informiert und auf das grosse Ansteckungsrisiko ohne Masken in geschlossenen Räumen mit vielen Personen regelmässig hingewiesen.

Die Redaktion von Infosperber besteht ausschliesslich aus professionellen Journalistinnen und Journalisten. Die meisten Artikel zur Corona-Pandemie haben Urs P. Gasche, seit langem Mitglied des «Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus» und Autor mehrerer Bücher über die öffentliche Gesundheit, sowie Martina Frei, ebenfalls Mitglied im «Klub für Wissenschaftsjournalismus», geschrieben. Als praktizierende Ärztin im Nebenberuf hat Martina Frei Menschen gegen Covid-19 geimpft und solche mit Covid behandelt.


*Der Artikel erschien zuerst auf «Infosperber». Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Journalist Kurt Peldas erfolgloser Druckversuch auf Infosperber

Eine Genfer Geheimdienstfirma hatte Pelda instrumentalisiert. Berichte darüber wollte der Journalist mit Drohungen verhindern.

Von Urs P. Gasche*

Als Auftakt einer Serie über Machenschaften der privaten Schweizer Geheimdienstfirma Alp Services schrieb Infosperber am 12. Juli 2023:

«Wie Geheimdienste mit Gerüchten ein Business und Leben zerstören – Private ehemalige Geheimdienstler waren die Ausführenden […] Auch der auf Islamisten und Terroristen spezialisierte Schweizer Journalist Kurt Pelda nutzte eine Genfer Geheimdienstfirma als Quelle, liess sich von ihr – nach seinen Angaben ohne sein Wissen – instrumentalisieren, aber auch bezahlen. Er arbeitete damals für Tamedia, wechselte dann zur Weltwoche und 2022 zu CH-Media.»

Noch am gleichen Tag meldete sich Pelda bei Infosperber, bestritt obige Informationen und stellte ein Ultimatum:

«Ich bitte Sie höflich, diese Stellen zu korrigieren, weil sie falsch und ehrverletzend bzw. verleumderisch und geschäftsschädigend sind. Sollten Sie dieser Bitte bis morgen Donnerstag, 13. Juli 2023 um 10 Uhr, nicht nachgekommen sein, werde ich Anzeige erstatten.»

Ein ähnliches Ultimatum stellte Pelda dem kleinen Online-Portal «Transition News», das ebenfalls über Alp Services informierte. Das Portal löschte umgehend die beanstandeten Sätze.

Infosperber dagegen liess den Artikel unverändert veröffentlicht, weil wir die Darstellung für korrekt, beweisbar und im öffentlichen Interesse hielten.


Druckversuche transparent machen

Im Interesse der Betroffenen veröffentlicht Infosperber selbstverständlich rechtmässige Gegendarstellungen oder Berichtigungen. Doch gegen ungerechtfertigte Druckversuche und Drohungen wehrt sich die Stiftung SSUI, welche Infosperber herausgibt – allerdings möglichst ohne Spendengelder für Anwälte auszugeben.

Zur Abschreckung macht die Stiftung solche Druckversuche publik.

Den bisher grössten Druckversuch übte die Firma Privinvest aus. Es ging um illegale Machenschaften dieser internationalen Schiffbaugesellschaft und um Korruption in Mosambik, in welche auch die Credit Suisse verwickelt war. Am 2. Oktober 2018 veröffentlichte Infosperber unter dem Titel «Konzernbesitzer Iskandar Safa wollte Infosperber einschüchtern» sämtliche Unterlagen und schrieb: «Wer sich für Druckversuche auf Medien interessiert, kann hier nachlesen, wie sich selbst eine kleine Online-Zeitung gegen Interventionen von hoch bezahlten Anwälten mit Erfolg, wenn auch mit etwas Aufwand, wehren kann.» Zur ganzen Dokumentation hier.

Der jüngste Druckversuch von Kurt Pelda und seiner Anwältin ist mit dem Fall Privinvest nicht vergleichbar. Aber unberechtigte Klagedrohungen führen in der Regel zu einem unverhältnismässigen Aufwand, weshalb Medien oft klein beigeben.


Infosperber liess sich von Kurt Pelda nicht unter Druck setzen und antwortete:

«Gegenüber ‹Mediapart› haben Sie bestätigt, ein Honorar von Alp Services bezogen zu haben. Es liegt Mediapart eine Abrechnung mit Ihnen aus dem Jahr 2019 vor. Für Recherchen und Berichte zu Aktivitäten der Muslimbrüder in der Schweiz hat Ihnen Alp Services 3500 CHF bezahlt. 
Sie erklärten gegenüber Alp Services, dass Sie nicht wussten, dass diese Firma im Auftrag der VAE [Vereinigten Arabischen Emirate] handelt. 
Unmittelbar nach Ihrem am 13. November 2020 im Tages-Anzeiger veröffentlichten Artikel, in dem Sie die Organisation ‹Islamic Relief Schweiz› und deren Präsidenten Hany El Banna eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellten, schrieb Alp Services an ihre Kontaktleute in den VAE: ‹Gute Nachricht […] Der angekündigte Artikel über den Direktor von Islamic Relief Schweiz wurde heute veröffentlicht […] Er enthält vernichtende Details.›
Daraus geht hervor, dass Alp Services Sie damals wohl ohne Ihr Wissen instrumentalisiert hat.»

Zwei Tage später, am 14. Juli, informierte Infosperber detaillierter:


Das private Geheimdienstunternehmen Alp Services instrumentalisierte Kurt Pelda und dieser liess sich für Recherchen und Berichte bezahlen

R.L./upg. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben geleakten Dokumenten zufolge in Europa zwischen 2017 bis 2020 eine Kampagne gegen Gegner von VAE-Scheich Mohammed bin Zayed geführt, namentlich gegen Katar und die Muslimbruderschaft. Im Zentrum steht die Schweizer Geheimdienstfirma Alp Services: Sie arbeitete im Auftrag von VAE-Scheich Mohammed bin Zayed und versuchte, belastende Informationen über seine Gegner Katar und Muslimbrüder zu sammeln und zu verbreiten.

Dies berichtete das französische Portal «Mediapart» in der mehrteiligen Serie «Abu Dhabi Secrets». Hinter den Recherchen stecken das Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) und weitere Medien. Darunter auch Radio Télévision Suisse (RTS). Diese haben namentlich auch geleakte Dokumente der Geheimdienstfirma Alp Services ausgewertet.

In die Kampagne eingespannt waren einflussreiche französische Journalisten wie Louis de Raguenel und Ian Hamel. Ebenso instrumentalisiert wurden die Schweizer Journalisten Kurt Pelda und Sylvain Besson, die unter anderen Alp Services als Quelle nutzten und in den Tamedia-Zeitungen wiederholt grössere Recherchen über Unterstützer der Muslimbruderschaft verfassten, also der Gegnerin von Mohammed bin Zayed.

RTS verschweigt den Namen des Schweizer Journalisten in seinen Berichten. «Mediapart» dagegen nennt Kurt Pelda beim Namen. Gegenüber dem französischen Medienportal bestätigte Pelda, dass er Geld von Alp Services erhalten habe.

Im Jahr 2019 zahlte Alp Services dem Journalisten Pelda laut «Mediapart» 3500 Franken für «Recherchen und acht Berichte zu den Muslimbrüdern in der Schweiz».

Am 13. November 2020 veröffentlichten der «Tages-Anzeiger» und andere Tamedia-Zeitungen einen Artikel von Pelda, in dem er die Organisation «Islamic Relief Worldwide»1 und deren Gründer und auch Präsident von «Islamic Relief Schweiz» Hany El Banna eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellte. Pelda kritisierte die DEZA, welche «Islamic Relief Worldwide»1 seit Jahren finanziell unterstützte. Der Titel lautete: «Bund gab Steuermillionen an Antisemiten und Islamisten».

Pelda will diesen Artikel ausdrücklich nicht im Auftrag von Alp Services geschrieben haben, wie er auch sonst für keine Zeitungsartikel von Alp Services bezahlt worden sei.

Doch Alp Services war offensichtlich über das Erscheinen des erwähnten Artikels im «Tages-Anzeiger» vorher informiert. Jedenfalls meldete Alp Services ihrem Kontaktmann der Vereinigten Arabischen Emirate VAE noch am Erscheinungstag des Artikels: «Gute Nachricht […] Der erwartete Artikel über den Direktor von ‹Islamic Relief Schweiz› wurde heute endlich veröffentlicht […] Er enthält vernichtende Details.»

Am 24. Dezember 2020 musste der «Tages-Anzeiger» eine Gegendarstellung von Hany El Banna, dem Präsidenten von «Islamic Relief Schweiz» veröffentlichen. Bei Gegendarstellungen bleibt offen, welche Version die richtige ist.

Für ihre Diffamationskampagne gegen Katar und die Muslimbruderschaft hat die Geheimdienstfirma Alp Services Pelda instrumentalisiert, ohne dass dieser es realisierte. «Ich wusste nicht, dass meine Recherchen für die VAE bestimmt waren. Hätte ich es gewusst, dann hätte ich nicht für Alp Services gearbeitet», erklärte Pelda gegenüber «Mediapart».

«Alp Services» habe ihn nicht bezahlt, um journalistische Artikel zu schreiben. Seinen Arbeitgeber «Tages-Anzeiger» habe er nicht informiert, weil die Arbeit für Alp Services in seinen Augen keinen Interessenkonflikt darstellte.

Alp Services hat weder auf Fragen von RTS noch von Infosperber geantwortet.

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1Hier war fälschlicherweise statt von «Islamic Relief Worldwide» von «Islamic Relief Schweiz» die Rede.


Damit war die Infosperber-Serie über die Machenschaften von Alp Services noch nicht zu Ende. Am 19. Juli kündigte Kurt Pelda Infosperber schriftlich an:

«Sie werden demnächst Post und eine E-Mail meiner Anwältin erhalten.»

Tatsächlich reichte Peldas Aargauer Anwältin Josianne Magnin am folgenden Tag ein Begehren um Gegendarstellung zu nicht weniger als sechs Aussagen von Infosperber ein, die angeblich «falsch» waren. Magnin verlangte, dass die Gegendarstellung «mindestens 24 Stunden an oberster Stelle der Webseite zu sehen» sei. Zudem müsse Infosperber das veröffentlichte Foto von Kurt Pelda löschen. «Weitere rechtliche Schritte, namentlich Strafanzeigen und Zivilklagen, werden ausdrücklich vorbehalten», hiess es am Schluss des beigelegten Schreibens.

Pelda und seine Anwältin griffen auf einen bekannten Kunsttrick zurück: Sie zitierten die angeblich falschen Darstellungen von Infosperber nicht etwa wörtlich, sondern veränderten und verdrehten sie, um diese dann zu berichtigen. Oder sie erwähnten die angeblich falschen und verleumderischen Sätze gar nicht. Oder die beiden verlangten eine Gegendarstellung zu Aussagen, welche Pelda nachweislich selbst gesagt hatte.

Beispielsweise erklärten sie, Kurt Pelda habe nicht gewusst, dass Alp Services seine bezahlten Recherchen im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate ausführen liess. Oder Kurt Peldas Artikel für die Tamedia-Zeitungen hätten nichts mit seinen Recherchen für Alp Services zu tun und Alp Services «habe ihn nicht bezahlt, um journalistische Artikel zu scheiben». Oder weiter erklärten sie, Kurt Pelda habe «mit seinen Recherchen nie bewusst an einer Diffamierungskampagne teilgenommen».

Dies alles hatte Infosperber in der ganzen Serie kein einziges Mal behauptet.

Ein letztes Beispiel: «Unwahr» sei, hiess es im Gegendarstellungsbegehren, dass Kurt Pelda Alp Services als Quelle benutzt habe. Doch dies hatte Pelda in einem Interview mit dem Beobachter am 19. Juli 2023 selber bestätigt: «Für Recherchen, mit denen er [Brero von Alp Services] mich beauftragt hatte, gab er mir schon Hinweise […] Wenn wir zusammen zu Mittag assen, gab es einen Gedankenaustausch über Themen wie Islamismus und die Versuche arabischer Erdölstaaten, den Westen mit dem politischen Islam zu unterwandern. Wir haben Meinungen ausgetauscht, Erfahrungen.»

Alp Services nicht als Quelle benutzt?

In der Infosperber-Serie war einzig die Angabe falsch, Kurt Pelda habe dem damaligen Präsidenten der Hilfsorganisation Islamic Relief Schweiz, Hany El Banna, eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellt. Deshalb war Infosperber bereit, folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

«Es ist unzutreffend, dass Kurt Pelda dem damaligen Präsidenten der Hilfsorganisation Islamic Relief Schweiz, Hany El Banna, eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellt hat. Zutreffend ist, dass Pelda El Banna vorwarf, die Jesiden in einem Video als «Teufelsanbeter» bezeichnet zu haben.»

Alle anderen fünf Gegendarstellungsbegehren und das Verlangen, das Bild von Kurt Pelda auf Infosperber zu löschen, lehnte Infosperber ab.

Zweites Begehren auf eine Gegendarstellung

Doch mit der Veröffentlichung einer Gegendarstellung lediglich im oben erwähnten Punkt waren Pelda und seine Anwältin nicht einverstanden. Am 25. Juli reichten sie ein Schreiben mit einer Rechtsbelehrung sowie eine nur leicht abgeänderte Gegendarstellung zu wiederum sechs Aussagen von Infosperber ein. Sie behaupteten weiterhin, der Infosperber-Artikel enthalte «zahlreiche falsche Tatsachenbehauptungen über Kurt Pelda».

Infosperber lehnte das neue Gesuch vollumfänglich ab.

Dann setzte Funkstille ein. Pelda und seine Anwältin versuchten nicht, die Gegendarstellung gerichtlich durchzusetzen. Eine Klage wegen «falscher und ehrverletzender bzw. verleumderischer und geschäftsschädigender» Darstellungen von Infosperber (so Kurt Pelda) blieb ebenfalls aus.

Ausser Spesen nichts gewesen? Sich nicht einschüchtern lassen und festhalten an sachgerechten Informationen, die von öffentlichem Interesse sind, hat einigen Aufwand gekostet.


*Dieser Artikel erschien zuerst auf Infosperber. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Die UBS soll ihre Risiken selber tragen können

Bei einer Rettung oder Sanierung dieser Mega-Bank müsste der Staat Hunderte von Milliarden bereitstellen.

Von Urs Schnell*

Für die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS leistete der Bund eine Ausfallgarantie von 100 Milliarden. Auch bei einer Zwangssanierung hätte der Bund Milliarden garantieren müssen. Dafür war alles vorbereitet. Die Finma legte die Too-big-too-fail-Notfallpläne am Sonntagmorgen, 19. März 2023, dem Bundesrat verfügungsbereit vor. Es kam anders.

Im Hinblick auf die neue grosse UBS soll das eidgenössische Regelwerk nun verschärft werden. Denn eine Sanierung würde wesentlich mehr kosten als bei der CS. Dabei werden mächtige ausländische Behörden immer mitreden. Zuvorderst die USA, die in ihrem Finanzmarkt, dem grössten der Welt, nichts anbrennen lassen wollen.

Im Fall der Credit Suisse wäre ein Flächenbrand ausgebrochen. Er hätte die USA massiv betroffen. Global systemrelevante Banken haben eine Vielzahl von Tochtergesellschaften, die in einer Vielzahl von Ländern tätig sind. Über ausländische Tochtergesellschaften war die CS in den USA und in Grossbritannien äusserst aktiv, darunter mit dem hochrisikobehafteten Investmentbanking.

Komplexität als Gefahr und Treiber für Boni

Das Firmengeflecht der CS war nicht nur für Laien, sondern auch für Fachleute aus Wissenschaft und Medien kaum übersehbar. Als die Bank ins Trudeln geriet, verschärfte sich der Druck auf das Kapital- und Liquiditätsmanagement in der global verschachtelten Gruppenstruktur auch «aufgrund steigender lokaler regulatorische Anforderungen im Ausland», wie die Finma in ihren «Lessons Learned» in der Woche vor Weihnachten schrieb.

Die Komplexität des Konzerns nützte zum Beispiel der langjährige Finanzchef David Mathers aus. Der Brite verliess das sinkende Schiff letztes Jahr, nachdem er Boni in der Höhe von insgesamt über 50 Millionen Franken eingestrichen hatte, wie die «Bilanz» schätzt. Andere Medien schilderten, er habe ein kreatives Buchhaltungssystem mit über tausend Untergesellschaften geschaffen. Dieses System hätten in der Credit Suisse nur wenige verstanden. Seinen Zweck aber habe es jahrelang erfüllt, nämlich die internationalen Rechnungslegungsstandards einzuhalten. Ab 2016 war Mathers auch Chef eines der wichtigsten CS-Konglomerate in London, der Credit Suisse International CSi. Die CSi hatte per Ende 2022 ein sagenhaftes Nominalkapital von über 11 Milliarden Franken.

Operationen zum Schutz des Systems

Damit das internationale Finanzsystem möglichst nicht abstürzt, hat das Financial Stability Board FSB im Nachgang zum Kollaps von 2008 für Grossbanken globale Leitlinien aufgestellt (Infosperber vom 22.12.23). Sie zeigen auf, wie ins Wanken geratene Banken saniert oder abgewickelt werden können, ohne dass das Gesamtsystem, also das Netz der global verbundenen Finanzinstitute, zu Schaden kommt. Man könnte sagen: Sanierungs- und Abwicklungpläne der «Too big to fail» (TBTF)-Regulierung, auf Englisch unter dem Begriff Resolution zusammengefasst, zielen auf die gleiche Wirkung wie eine Krebsoperation: Der Tumor soll entfernt werden, damit er das übrige Gewebe nicht infiziert.

Wegen der geschilderten Vernetzung der Credit Suisse war die Finma nicht der alleinige Akteur beim Vorbereiten der Notfallpläne. Der Financial Stability Board (FSB) sieht für eine Bank in der Krise eine sogenannte Crisis Management Gruppe vor. Ab Oktober 2022 setzte die Finma eine solche Krisengruppe für Credit Suisse in Gang und zog hochrangige Vertreter der weltweit mächtigsten Finanzbehörden mit ein. In den USA die Zentralbank Fed und die Einlagensicherungsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation), in Grossbritannien die Zentralbank Bank of England.

Die Rolle des SEC

Im November 2022 stiessen Vertreter des New York State Department of Financial Services NYDFS und der Securities Exchange Commission SEC dazu. Das NYDFS hatte die Rechtshoheit über die in New York angesiedelte Credit Suisse Holdings (USA) Inc. und hätte hier Liquidität via Fed einschiessen können. Falls in die vorgesehene Sanierung oder Abwicklung ein US-Broker-Dealer involviert gewesen wäre, hätte die SEC «unterstützend» gewirkt, wie das FSB in einem eigenen Bericht vom 10. Oktober 2023 schreibt. Diese Unterstützung hätte die SEC auch für Wertpapiere leisten müssen, die auf dem US-Markt ausgegeben wurden und – im Falle einer Krise – für die Umwandlung in neues Kapital vorgesehen waren. Diese Wertpapiere tragen den Namen Bail-in Bonds und spielen in jedem Sanierungsplan für systemrelevante Banken eine wesentliche Rolle.

Bei der Credit Suisse hatten diese Bail-in Bonds eine Höhe von 57 Milliarden Franken. Sie wären anlässlich einer Sanierung zusammen mit den AT1 Bonds in neues CS-Kapital gewandelt worden. Wie hoch die Summe der Bonds unter US-Jurisdiktion waren, wollte die UBS als neue Eigentümerin der CS nicht sagen. Aus UBS-internen Kreisen verlautet aber, dass vier Bonds dem New York Recht und zwei Bonds englischem Recht unterstehen. Sie seien von renommierten US- und UK-Kanzleien bestätigt und von der Finma als Wandlungskapital genehmigt worden.

Zwischen den Zeilen lesen

Die Haltung der US-Behörden ist damit nicht geklärt. Dem FSB-Bericht ist zu entnehmen, dass der internationale Austausch in der Crisis Management Group CMG gut funktionierte. Doch wer vertrat in dieser CMG welche Positionen? Was sagten die US-Amerikaner, was die Engländer? Davon steht im internationalen Bericht des FSB nichts. Es wird nur auf die sogenannten Key Attributes verwiesen, die das FSB für den Fall einer Resolution vorgibt:

«Authorities are expected, when choosing the resolution strategy for a particular firm, to have assessed its systemic impact considering a scenario with potential adverse market conditions, in line with Annex I-3, section 5 of the Key Attributes, which refers to the assessment of systemic impact.»

Weiter nimmt der FSB-Bericht Bezug auf den Finanzstabilitätsbericht der Schweizerischen Nationalbank vom Juni 2023:

«At the time of the failure of Credit Suisse, the Swiss authorities had concerns that the application of the bail-in tool in the volatile market conditions following the failures of several US banks in mid-March 2023 could give rise to financial stability issues and could be accompanied by several knock-on effects in Switzerland and globally

Das FSB zeigte sich trotzdem überzeugt, dass die Sanierungs- und Abwicklungspläne der Finma einen glaubwürden Weg gewiesen hätten («a credible alternative path»). Um aber sofort zu relativieren:

«(…) it may be useful for authorities to gain greater visibility into the potential impact of bail-in on financial markets, in line with the systemic assessment described in Annex I-3 section 5 of the Key Attributes.»

US-Wertschriftengesetz als Hindernis

Die Bemerkung «it may be useful…» kommt sehr nebensächlich daher. Doch gerade diese Relativierung ist mitentscheidend dafür, dass der Finma-Abwicklungsplan nicht in Kraft gesetzt wurde.

Das FSB stellt nämlich fest:

«According to the SEC staff, there would have been legal challenges relating to US securities laws in executing a bail-in; they noted that banks need to prepare sufficiently to comply with US securities laws after an open bank bail-in. US investors held bail-in bonds issued by Credit Suisse representing a significant portion of the firm’s TLAC. US securities laws apply to any TLAC instruments held by US investors, irrespective of the currency or governing law of that TLAC instrument.»

Diese TLAC ist die Total Loss Absorbing Capacity. Sie bezeichnet alle Werte, die die federführende Aufsichtsbehörde bei einer Sanierung in neues Bankenkapital umwandeln kann. Die oben erwähnten Bail-in Bonds in der Höhe der 57 Milliarden gehören dazu. Nur eben, die Finma hatte nicht den vollen Zugriff.

Wie und in welchem Zeitrahmen die SEC im Fall einer Abwicklung entschieden hätte, bleibt offen. Ebenso, ob US-Investoren sich gegen eine Ausnahmebewilligung hätten wehren können.

Das sind Faktoren, die im Falle einer Sanierungsverfügung bei Börseneröffnung am 20. März das Vertrauen in eine abzuwickelnde Credit Suisse nicht beflügelt hätten. Sie bestätigen vielmehr die Kritiker, welche die Sanierung oder Abwicklung einer global systemrelevanten Bank im TBTF-Regime nicht für möglich hielten.

Auch nicht, wenn dieses Abwicklungs-Regime verschärft wird. Für die neue noch grössere UBS heisst das: Sie muss sich selber helfen, ihr Risiko selber tragen.

Extremfall Staatsbankrott

Professor Aymo Brunetti von der Universität Bern, einer der Väter der Schweizer Grossbankenregulierung, sagte anfangs September:

«Vor der CS-Rettung im März ging man davon aus, dass eine Grossbank in einer Krise regulär abgewickelt würde. An den Plänen hatte man jahrelang gearbeitet. Nun hat aber der Staat in einer Rettungsaktion eingegriffen (NZZ a.S., 3.9.23)

Es ist schwer vorzustellen, dass das TBTF-Regelwerk bei der noch viel grösseren UBS greifen wird. Als letzter Garant bliebe nur der Staat.

Das hingegen widerspreche den Fundamentalien einer funktionierenden liberalen Marktwirtschaft, meinte Brunetti weiter:

 «Bei einer Übernahme würde der Staat mit Hunderten von Milliarden Franken im Risiko stehen. (…) Dieses Risiko ist völlig inakzeptabel. Die UBS-Rettung könnte die Solidität des staatlichen Haushaltes ernsthaft gefährden und den Bund im Extremfall in die Nähe eines Staatsbankrotts bringen.»

Sein Fazit:  Entweder, man zeigt, wie global systemrelevante Banken wirklich abgewickelt werden können – oder man macht sie kleiner. Vielleicht wird sich das Parlament nächstes Jahr dazu durchringen können. Dass die USA hingegen ihre Wall-Street-Riesen ebenfalls auf ein global systemverträglicheres Mass reduzieren, ist kaum anzunehmen.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Dieser Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber». Der erste teil geht ihm voraus.

Das unzähmbare Monster UBS

Die Behörden können die Grossbank im Fall einer Krise nicht abwickeln. Das Too-big-to-fail-Regime steht in der Kritik.

Von Urs Schnell*

Die Finanzmarktaufsicht Finma sagte am 19. Dezember, sie glaube eine schwer gefährdete global systemrelevante Bank abwickeln zu können, falls sie schärfere Eingriffsmöglichkeiten bekäme.

Den bisherigen Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die das sogenannten Too-big-to-fail-Regelwerk vorsieht, hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht vertraut. Sie setzte am 19. März auf die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und ermöglichte dank Notrecht die Schaffung der neuen Superbank UBS.

Dieser Entscheid, als beste von mehreren schlechten Varianten dargestellt, war auch darauf zurückzuführen, dass die Securities and Exchange Commission SEC in den USA nicht bereit war, eine zeitgerechte Ausnahmebewilligung für die Umwandlung von Teilen des Pufferkapitalszu geben. Dieses Kapital besteht aus besonderen Anleihen, die die Behörden im Notfall in neues Bank-Eigenkapital wandeln können. Bei der Credit Suisse waren das 16 Milliarden Franken aus sogenannten AT1-Anleihen und 57 Milliarden Franken an Bail-in Bonds. Ein Teil dieser Bail-in Bonds werden von US-Investoren gehalten, sind also dem Zugriff der Finma entzogen, weil dieser Teil der Bail-in Bonds dem US-Recht unterstellt ist.

Die Finma bestätigte am 19. Dezember, dass keine Behörde der Welt eine solche Ausnahmebewilligung zum voraus, also ex ante, machen würde. Es ist deshalb höchst unwahrscheinlich, dass die Finma die Sanierungs- und Abwicklungspläne, die im Gesetz vorgesehen sind, auf die neue UBS wird anwenden können. Das Problem wird auch bei einer Verschärfung weiter bestehen. Anders gesagt, im Fall einer existenzgefährdenden Krise der UBS blieben nur zwei Varianten:

  • Die Varianten einer Verstaatlichung
  • Die Übernahme durch eine ausländische Bank.

Bewegte Vorweihnachtstage

Bankenpolitisch hat sich diese Woche einiges getan. Zuerst die grosse Credit-Suisse-Verteidigungsrede der Finma mit öffentlichen Äusserungen in nie gekannter Härte, dann erstaunliche Aussagen aus der Geschäftsleitung der UBS.

Während die neue Bank auf Imagepolieren macht und sich als beste Bank der Schweiz verkauft («A bank like Switzerland – cautious, conservative, rational»), setzen deren ambitionierte Chefs neue globale Ziele. Angefangen hatte es anfangs Dezember mit Iqbal Khan, dem Chef der UBS-Vermögensverwaltung: «In den nächsten drei Jahren wollen wir in den USA stark investieren und zu den führenden Anbietern aufschliessen.» Jetzt doppelt das risikoreiche Investmentbanking nach. «The world needs a European global champion and we just became the European global champion» sagte der Chef der UBS-Investmentbank, Rob Karofsky, gegenüber dem Wall Street Journal. Man wolle den Anschluss an die Big Five in den USA schaffen.

Zuhause wird CEO Ermotti in der NZZ gefragt, ob die Übernahme der Credit Suisse denn die bessere Lösung als eine Abwicklung gewesen sei: «Was für eine Frage!» meint Ermotti. «Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu beweisen, dass ‹too big to fail› funktioniert. Das wäre doch reiner Masochismus gewesen.»

Dass auch die UBS in eine Schieflage geraten könnte, ist für Ermotti kein Thema. Dafür hat die Schweiz bekanntlich ein Bankengesetz. Und darin festverankert ist das Too-big-to-fail-Regelwerk, welches der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma die Abwicklung einer global systemrelevanten Bank erlaubt – möglichst ohne dass der Staat und die Steuerzahlenden gross Schaden nehmen.

Doch reichen einige Nachbesserungen dieses Regelwerks, um die UBS im Ernstfall abwickeln zu können?

Das TBTF-Regelwerk

Seit Jahren läuft in der Wissenschaft eine äusserst kontroverse Debatte, ob das TBTF-Regime das Systemrisiko einer Bank vermindern könne. Die Diskussion wird sich auch in der Politik intensivieren. Im April 2024 will der Bundesrat seinen grossen komplexen Bericht zu den global systemrelevanten Banken vorlegen.

Der Zielgedanke hinter jeder TBTF-Regulierung ist es, eine strauchelnde Bank möglichst ohne umfassende staatliche Mittel zu stabilisieren, zu sanieren oder – im schlimmsten Fall – abzuwickeln. Der Schaden soll also primär durch Aktionäre und Gläubiger getragen werden und nicht durch die öffentliche Hand. Der Gedanke entspricht der Logik des marktliberalen Wirtschaftssystems. Das TBTF-Regelwerk will Kampfsprüche wie «Die fetten Boni den Bankern, die Verluste dem Staat» hinfällig machen. Wer erinnert sich nicht an die Vehemenz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, als sie an der historischen Medienkonferenz vom 19. März den privatwirtschaftlichen Aspekt der Credit-Suisse-Rettung betonte. Nicht der Staat rette, sondern die UBS übernehme: «This is not a bail-in.»

Im Fall der Credit Suisse kam die im Gesetz vorgesehene Abwicklung nach dem Too-big-to-fail-Regime nicht zur Anwendung. Nur Tage später sagte die Finanzministerin in der NZZ:

«Persönlich bin ich in den letzten Wochen zur Erkenntnis gelangt, dass eine global tätige systemrelevante Bank nicht ohne weiteres gemäss dem ‹Too big to fail›-Plan abgewickelt werden kann. Rechtlich wäre das zwar möglich. In der Praxis wären die volkswirtschaftlichen Schäden aber beträchtlich. Die Schweiz wäre das erste Land gewesen, das eine global systemrelevante Bank abgewickelt hätte. Es war aber klar nicht der Moment für Experimente.»

Internationale Vorgaben

Während Jahren hatten hochrangige Vertreter von Zentralbanken, grossen Aufsichtsbehörden und wichtigen Finanzministerien der G-20 daran gearbeitet, die Staaten aus der Haftung zu nehmen. Das sogenannte Financial Stability Board FSB erarbeitete dafür globale TBTF-Leitlinien. Diese wurden von der Schweiz weitgehend übernommen. Zwischen 2010 und 2014 entstand daraus ein angepasstes neues Bankengesetz.

Das schweizerische TBTF-Regelwerk besteht aus drei Säulen:

  1. Eigenkapitalanforderungen
  2. Liquiditätsanforderungen
  3. Die sogenannte Resolution.

Aufsichtsbehörde ist die weitgehend unabhängige Finma. Sie kann im Notfall verfügen, dass eine Bank abgewickelt wird.

Gestützt auf die dritte Säule, der Resolution, bereitete die Finma in den turbulenten Monaten vor dem Untergang der Credit Suisse einen Sanierungs- und Abwicklungsplan vor. Es war jener Plan, den Frau Keller-Sutter im entscheidenden Moment als zu experimentell betrachtete.

Hans Gersbach – gewichtige Stimme gegen TBTF-Regime

Die Finanzministerin war nicht die einzige, die gegenüber dem TBTF-Regime schwerwiegende Vorbehalte äusserte. Am 27. März sprach Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie an der ETH Zürich, Klartext. «Die Notfallpläne der TBTF-Bestimmungen können von der Finma nicht ohne grössere Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten umgesetzt werden.» Gersbach nannte drei Gründe:

«Erstens betreffen sie die Jurisdiktionen verschiedener Länder und das «Single Point of Entry»-Verfahren ist politisch nicht akzeptiert. Zweitens können die Notfallpläne die Ansteckungsdynamik einer in Schieflage geratenen Bank nicht sicher eindämmen. Drittens sind sie praktisch nur schwer umsetzbar

Professor Gersbach ist an der ETH auch Direktor des Center of Economic Research und Ko-Direktor der Konjunkturforschungstelle KOF, dazu Fellow am paneuropäischen Center of Economic Policy Research CEPR in London. Im weitern sitzt er im Wissenschaftlichen Beirat des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin.

Expertengruppe Bankenstabilität: Minimalkonsens

Neben seinen vielen Tätigkeiten war Gersbach auch Mitglied der sogenannten Expertengruppe Bankenstabilität. Das Finanzdepartement hatte in dieser Gruppe am 17. Mai 2023 acht Expertinnen und Experten eingesetzt, um «eine umfassende Evaluierung des Too-big-to-fail-Regimes» vornehmen zu lassen. Das Ziel der Evaluierung: eine «Grundlage» zu erarbeiten für den «Bericht zu den systemrelevanten Banken», den der Bundesrat im April 2024 dem Parlament vorlegen will.

Der Ausgang der kommenden parlamentarischen Debatten wird entscheiden, in welcher Grösse und in welcher Form die UBS in der Schweiz in Zukunft geschäften kann.

Der Bericht der Expertengruppe erschien am 1. September. Sein Fazit: Damit eine mögliche UBS-Krise nicht eskaliere, solle das behördliche Krisenmanagement nachgebessert, die Liquiditätsversorgung ausgebaut und mehr Transparenz über die Qualität der Eigenmittel hergestellt werden. Das TBTF-Regime habe «wichtige Fortschritte» erzielt.

Unverständnis und harsche Kritik

Die vielen Unschärfen und die vagen Empfehlungen im Bericht lösten teils harsche Kritik aus. Am weitesten ging Ökonom Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP in Luzern. «Diesen Expertenbericht hätte auch die Bankiervereinigung schreiben können, das wäre für den Steuerzahler günstiger gekommen.» Jost kritisiert, dass der Expertenbericht weder die Anreize zur Risikonahme auf Staatskosten minimieren wolle noch die extrem hohe Verschuldung der Banken ins Visier nehme: «Man erhöht die Subventionen der Banken und versucht Retuschen im Too-big-to-fail-Regime, obwohl sich gezeigt hat, dass dieses Regime nicht funktioniert.»

Welche Position vertrat Professor Gersbach in der Expertengruppe? Er will sich auf Anfrage nicht äussern. Doch noch zwei Wochen, bevor die Experten ihre Arbeit aufnahmen, hatte er seine Zweifel an den Sanierungs- und Notfallplänen des TBTF-Regimes öffentlich wiederholt («Unmöglichkeit der Umsetzung») und dafür mehr Banken-Eigenkapital gefordert – eine Massnahme, die die Finanzinstitute ablehnen. Sergio Ermotti meinte am Donnerstag in der NZZ: «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten ist reiner Populismus. Mehr Kapital käme die ganze Wirtschaft teuer zu stehen.»

Übersetzt heisst das: Lasst die Banken weiterhin mit minimalem Kernkapital und minimalen Kapitalpuffern geschäften. Nur so lassen sich fette Boni erhalten. Gerät eine Bank ins Schwanken, sollen SNB und der Staat genügend Liquidität bereitstellen, so, wie dies das TBTF-Regime vorsieht. Was bei der Credit Suisse noch mit Notrecht umgesetzt wurde, nämlich staatliche Hilfe in Form eines Public Liquidity Backstopp, soll das Parlament bitte im Gesetz nachbessern.

Nach uns die Sintflut

Was geschieht, falls die neue «Monsterbank» UBS doch einmal ins Taumeln gerät? Zum Beispiel in einer Post-Ermotti-Zeit? Sollte man dann verstaatlichen? Vom Tessiner Bankenchef kein Wort dazu. Dafür diese Antwort: «Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind.» Mit dem, was die UBS als Bank sei und für die Schweiz bedeute, so Ermotti, habe das nichts zu tun. «Kennen Sie ‹Iron Giant›, den Film von dem Eisenmann aus dem All? Wenn wir ein fremdartiges Wesen sind, dann sind wir der Iron Giant. Ein Geschöpf, das in dem Film zuerst als Bedrohung empfunden wird, bis man versteht, dass es doch eine positive Kraft ist

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Es folgt ein zweiter Teil:

Die Macht des Auslands – warum Schweizer Notfall- und Sanierungspläne für global systemrelevante Banken scheitern werden. 

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber».
Es ist verblüffend, dass der Dokumentarfilmer Schnell zu Einsichten und Schlussfolgerungen kommt, zu denen die gesammelte Schweizer Wirtschaftsjournalisten nicht in der Lage waren.

Journalismus lebt an den Rändern

«Infosperber» gegen Tamedia: 1 : 0.

Es wird immer auffälliger: Kleinmedien und Einzelkämpfer machen knochenharten Journalismus und trocknen immer wieder die grossen Elefanten im Schweizer Medienzirkus ab. Oder sollte man Dinosaurier sagen?

Gemeint ist damit das Trio Tamedia, CH Media und die «Blick»-Gruppe. Alleine der Einzelkämpfer Lukas Hässig hat mit seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz» mehr Primeurs aufgedeckt als die versammelten Wirtschaftsjournis der grossen Konzerne. Die sind so neidisch auf ihn, dass sich ihre Solidarität mit ihm, wo ihn nun die Krisen-CS schwer in den Hintern beissen will, in überschaubaren Grenzen hält.

Zu diesen Medien gehört auch der nicht ganz so kleine «Infosperber». Gegründet und geführt von Urs P. Gasche, hat er immer wieder Trouvaillen und Recherchierstücke, die man bei den grossen Medien schmerzlich vermisst. Vielleicht müsste man hier auch die NZZ dazuzählen, aber die spielt einfach in einer anderen Liga.

Ein konkretes Beispiel gefällig? Bitte sehr. Anfang Februar lobhuldete einer der letzten überlebenden Tagi-Korrespondenten Dominique Eigenmann die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sei die «mächtigste Gegenspielerin» des deutschen Bundeskanzlers Scholz. Sie kritisiere «Scholz› Zögerlichkeit schärfer als jede Opposition». Dazu sei sie «schlagfertig, streitbar und kompetent».

Man könnte besser sagen, sie ist eine wahre Kriegsgurgel, die Deutschland «in eine militärische Auseinandersetzung hineinrede». Das sagt der«bekennende Pazifist Rolf Münzenich»; nein, das «ätzt» er, wie Eigenmann im schlechtesten «Spiegel»-Stil abwertet.

Nun werde versucht, rümpft Eigenmann die Nase, «sie als Lobbyistin der Rüstungsindustrie zu diffamieren», der «Blick» will aber wissen: «Beweise dafür gibt es allerdings nicht.» Nun, wenn der Tagi und der «Blick» ihre journalistischen Muskeln anspannen, dann sollte man nicht zu viel Gewicht auflegen.

Zunächst ist Strack-Zimmermann, immerhin Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, schnell mit Fehlurteilen zur Hand. Verantwortungslos witterte sie nach dem Einschlag einer Rakete auf polnischem Staatsgebiet:

«Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch «verhandeln» wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.»

Umgehend erklären hätte sich allerdings diese verantwortungslose Brandstifterin müssen. Denn sie wollte hier offenbar einen Verteidigungsfall herbeizeuseln, die NATO in eine militärische Auseinandersetzung mit Russland treiben. Indem sie einer Propaganda-Lüge des ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufsass. Denn in Wirklichkeit handelte es sich zwar um eine Rakete aus russischer Produktion, die aber von der Ukraine als Abwehrmassnahme abgeschossen worden war.

Nachdem das zweifellos geklärt worden war, hielt aber Selenskyj selbst gegen die Meinung seines eigenen Verteidigungsministers an dieser Lüge fest. Und Strack-Zimmermann blieb auch unbelehrbar: «Ich bereue diesen Tweet nicht

Also ist sie verantwortungslos, kriegstreiberisch und inkompetent, dazu unbelehrbar. Aber ist sie auch mit der Rüstungsindustrie verbandelt? Oder ist das nur Diffamierung, bzw. sind das beweislose Anschwärzungen?

Urs P. Gasche erledigt im «Infosperber» die Recherchierarbeit, für die Tagi und «Blick» zu faul, zu blöd oder beides waren. Dafür musste Gasche nicht einmal sonderlich tief graben, denn die Verbindungen liegen auf der Hand und wurden schon einige Male ausführlich beschrieben.

Die Politikerin ist Präsidiumsmitglied in der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik» (DWT). Sie ist Vizepräsidentin der «Deutschen Atlantischen Gesellschaft» (DAG), die sich trotz des allgemeinen Namens zum Ziel gesetzt hat, «das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren». Zudem ist sie Präsidiumsmitglied beim «Förderkreis Deutsches Heer» (FKH), neben der DWT die wichtigste Lobby-Gruppe der deutschen Rüstungsindustrie.

All das hätte man mit einem Blick auf die Webseiten von «Lobbypedia», «Abgeordnetenwatch» oder «Transparency International» herausfinden können.

Es ist verdienstvoll von Gasche, dass er auf diese offenkundigen Zusammenhänge hinweist. Es ist beelendend, dass die beiden Grosskonzerne nicht mal mehr zu oberflächlichen Recherchen in der Lage sind, die ihr Narrativ stören würden.

Es ist ja Eigenmann und dem «Blick» unbenommen, Strack-Zimmermann toll zu finden und ihre verantwortungslose Kriegsrhetorik zu bejubeln. Aber zu behaupten, es sei diffamierend, angeblich nicht existente Verbindungen zur deutschen Rüstungsindustrie zu erwähnen, das ist billiger Schmierenjournalismus. Dafür noch Geld zu verlangen, das ist unverschämt.

Bei solchen Leistungen zu behaupten, diese Medien seien Bestandteil der Vierten Gewalt und unbedingt mit Staatssubventionen zu unterstützen, weil sie eine dermassen wichtige Rolle in der Demokratie spielten, das ist pure Heuchelei. Das ist ein Narrativ, das der Stimmbürger diesen Blättern schon länger nicht mehr abnimmt. Besonders, wenn es von Pietro Supino, dem Big Boss von Tamedia gesungen wird, der nicht mal seinen eigenen Laden im Griff hat.

Die Verteidiger der US-Vorherrschaft und die «Putin-Versteher»

Wie bei jedem Krieg stellt sich die Frage, wie es zum Krieg kommen konnte, und ob die russische Invasion der Ukraine nicht hätte verhindert werden können.

Von Urs. P. Gasche*

Der Artikel ist zuerst auf «Infosperber» erschienen.

Putin hat von der Nato verlangt, die Ukraine nicht als Mitglied aufzunehmen und dort keine Raketen an der Grenze zu Russland aufzustellen, wie es die Nato bereits in den baltischen Ländern, Polen und Rumänien tat.

Im Vordergrund stehen zwei Fragen:

  1. Haben «Putin-Versteher» den Krieg mitverschuldet, weil sie gegen eine stärkere Aufrüstung Westeuropas waren, und weil sie unterschätzten, wie gefährlich der russische Präsident ist?
  2. Hätte ein Nachgeben der Nato und eine Ukraine ohne schwere Waffen Russland vom Krieg abhalten können?

Der Angriffskrieg Russlands sei der Beweis dafür, dass all jene Russland-Kenner, Historiker und Politiker falsch lagen, die davor warnten, dass die Osterweiterung der Nato den Frieden gefährde. Der Krieg entlarve sie jetzt als «naive Putin-Versteher», sagen die Nato, viele Militärs, Politiker und Medien.

Stimmen, welche die Osterweiterung der Nato als mitverantwortlich für den Krieg halten, kommen in grossen Medien kaum mehr zu Wort. «Die Osterweiterung war kein Fehler», titelte der Tages-Anzeiger am 25. März über fünf Spalten.

Im Folgenden stellen wir zuerst die Sichtweise jener vor, welche in der Nato-Osterweiterung keine Bedrohung Russlands und keinen möglichen Grund des Krieges sehen. Anschliessend fassen wir die Sichtweise derer zusammen, die überzeugt sind, dass es ohne Osterweiterung zu diesem fürchterlichen Krieg höchstwahrscheinlich nicht gekommen wäre.

Der Autor dieses Artikels neigt zur zweiten Sichtweise.


1. «Es geht darum, wer gewinnen wird: die Demokratien oder die Autokratien»

Aus der ersten Sichtweise gab es für Russland keinen Grund, die Ukraine anzugreifen. Die Ukraine hat das Recht, Mitglied der Nato zu werden. Die Nato-Osterweiterung diente als Vorwand. Vielmehr träumt ein verrückt gewordener und unberechenbarer Diktator von der Restaurierung der Sowjetunion.

«Putin will das russische Reich wiederaufleben lassen.»

NZZ 5.3.2022

«Nationalistische Grössenphantasien»

NZZ 10.3.2022

«Putin ist ein lupenreiner Faschist.»

Untertitel eines Gastbeitrags in der NZZ vom 10. März

«Imperiale Macht» ist für Putin viel wichtiger als Freiheit.
Die «primitive Logik des Tyrannen» lautet «Freiheit gegen Unfreiheit, internationale Regeln gegen Aggression, Freund gegen Feind.»

Leitartikel von NZZ-Chefredaktor Eric Gujer am 5. März

«Die Osterweiterung der Nato hat die baltischen Staaten und wahrscheinlich ganz Osteuropa vor Russland gerettet»

Hillary Clinton am 28. März in der New York Times

«Die Osterweiterung war das Erfolgreichste der US-Aussenpolitik der letzten dreissig Jahre.»

Historikerin Anne Applebaum

Nach dem Überfall auf die Ukraine ist eine neue Sicherheitslage entstanden. Sie macht es nötig, dass die europäischen Nato-Länder aufrüsten. Die baltischen Staaten, Finnland, Polen, Rumänien und die Moldau fühlen sich zurecht bedroht. In der NZZ vom 25. März forderte der frühere Chef des Schweizer Nachrichtendienstes Peter Regli «eine stärkere Anbindung an die Nato». Die Schweiz muss die F-35-Kampfflieger in einem beschleunigten Verfahren beschaffen.

Man darf Putin auf keinen Fall mit einem Angebot entgegenkommen, damit dieser ohne grösseren Gesichtsverlust einem sofortigen Waffenstillstand zustimmen kann – selbst wenn das Angebot für die Ukraine und den Westen zumutbar wäre. Denn erstens ist es falsch, einem Despoten auch nur einen Schritt entgegenzukommen, und zweitens wird Putin sowieso nicht darauf einsteigen. Es macht keinen Sinn mehr, mit Russland politisch, wirtschaftlich und kulturell zusammenzuarbeiten.

«Nur eine Niederlage der russischen Truppen kann das Gemetzel stoppen.» 

Fünfspaltiger Titel in der NZZ vom 18. März

«Es geht darum, wer gewinnen wird: Die Demokratien oder die Autokratien.»

US-Präsident Joe Biden am 25. März in Polen

«In diesem epochalen Konflikt zwischen Demokratie und Autokratie geht es letztlich darum, ob Freiheit und Menschenrechte obsiegen oder Unterdrückung, Gewalt und Einsperrung.»

Peter Wanner, Verleger des AZ-Medienkonzerns, in der Schweiz am Wochenende vom 19.3.2022

«Klassentreffen der Demokraten»

Titel im «Tages-Anzeiger» vom 25. März über einem Bericht zum Nato-Sondergipfel in Brüssel

«Der Kremlchef wagt sich so weit wie kein anderer Despot. Sein Angriff auf die Ukraine trägt die Tyrannei ins Ausland, offen, unverblümt, hemmungslos.»

NZZ-Auslandredaktor Fabian Urech am 17. März

Putin hat den Krieg gegen die Ukraine bereits seit 2014 gezielt vorbereitet. Er träumte schon immer von der Wiederherstellung der zerbrochenen Sowjetunion und will die imperialistische Tradition der Zaren fortsetzen (Eric Gujer, NZZ vom 2.4.202). Diejenigen, welche die Osterweiterung der Nato kritisierten, haben sich getäuscht. Auch «Spitzenpolitiker und Wirtschaftsführer», welche die Nato-Osterweiterung in Frage stellten und den Bau der Nordstream-2 befürworteten, haben sich «als naive Verharmloser und nützliche Idioten gebärdet» (Lucien Scherrer, NZZ vom 28. März). Das Gleiche gilt für etliche Journalisten. «Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel agierte sehr lange zu nachsichtig gegenüber dem russischen Staatschef Wladimir Putin», schrieb die NZZ am 1. April auf der Frontseite.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist nicht vergleichbar mit den Kriegen, welche die Nato gegen Afghanistan oder gegen Serbien lostrat. Und ebenso wenig mit dem Krieg der USA gegen den Irak oder mit dem von den USA unterstützten Krieg von Saudi-Arabien gegen Jemen. Denn die USA und die Nato verteidigen mit ihrem Hegemonieanspruch Freiheit und Demokratie rund um den Globus sowie die liberale Weltordnung (NZZ vom 29. März), während das imperialistische Russland Osteuropa und die früheren Länder der Sowjetunion und des Warschauer Paktes wieder unter seine totalitäre Kontrolle bringen möchte. Als Präzedenzfall dienen Tschetschenien, Abchasien und Südossetien.

Der Hegemonie-Anspruch der USA auf Mittel- und Südamerika (Monroe-Doktrin) ist nicht mit einem russischen Sicherheitsbedürfnis zu vergleichen. Denn den USA geht es nicht um Machtpolitik, sondern um den Schutz der freien Welt (NZZ vom 29. März), während Russland seine «Tyrannei ins Ausland tragen» will (NZZ vom 17. März).

2. Ohne Nato an den russischen Grenzen wäre es wahrscheinlich nicht zum Krieg gekommen

Wer den Westen mitverantwortlich macht für die ständige Verschlechterung der Beziehungen zu Russland seit Ende der 1990er Jahre, Beziehungen, die jetzt in diesen Krieg kulminierten, wird als «Putin-Versteher» (u.a. NZZ vom 30. März) zum Schweigen gebracht. Diese «Putin-Versteher» mit ihrer anderen Sichtweise kommen in den grossen westlichen Medien seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine kaum mehr zu Wort.

Diese Sichtweise sei hier ebenfalls vorgestellt.

Nachdem die Nato im Jahr 1999 die baltischen Staaten, Polen, Tschechien und Ungarn in ihr Bündnis aufgenommen hatte, erklärte es Moskau zur roten Linie, dass auch noch Georgien oder die Ukraine der Nato beitreten. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz von 2007 machte Putin seine Sorge und seinen Ärger öffentlich. Er stellte klar: Die Nato-Osterweiterung ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands.

Seine Worte blieben ungehört.

Die Nato akzeptierte keine rote Linie Russlands und machte der Ukraine vielmehr ein Beitritts-Angebot. Die Ukraine schrieb das Ziel eines Nato-Beitritts sogar in die Verfassung. Darauf stufte Russland die Nato und die Ukraine in einer neuen Militärdoktrin als Gefahr für die russische Sicherheit ein. Man erinnerte sich in Russland an den Nato-Angriff auf Serbien im Jahr 1999 und an den seit Jahren geführten Krieg der Nato in Afghanistan.

Die «Europäische Sicherheitscharta» der OSZE verpflichtet die Staaten «gegenseitige Sicherheitsinteressen zu respektieren und die Sicherheit nicht zu Lasten anderer Staaten zu stärken».

Obwohl der Beitritt der Ukraine zur Nato erst eine beidseitig verkündete, aber noch nicht realisierte Absicht wer, liess die Ukraine nach dem Regierungswechsel 2014 und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ihr Militär von der Nato ausbilden, rüstete auf und nahm an Nato-Manövern teil. Nach Angaben der NZZ vom 14. Februar bildeten Nato-Offiziere 10’000 ukrainische Soldaten aus. Über drei Milliarden Dollar gaben die USA seit 2014 für Ausbildung und Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte aus. Russland musste befürchten, dass die Ukraine versucht, die Krim und die Separatistengebiete im Donbass militärisch zurückzuholen.

Die von der Nato unterstützte Ukraine drohte im Osten zu nahe zu kommen und im Schwarzen Meer die Russen zu vertreiben.

Für Russland war die rote Linie überschritten.

Russland wollte nicht warten, bis die Ukraine voll aufgerüstet ist. Und noch weniger wollte Russland warten, bis auf der ukrainischen Seite der 2000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze atomar bestückbare Raketen und Raketenabwehrsysteme einsatzfähig sind.

Russland entschied sich schliesslich, mit grossen Militärmanövern an der Grenze zur Ukraine eine Drohkulisse aufzuziehen. Während Wochen verlangte Putin ultimativ, die Ukraine müsse auf einen Beitritt zur Nato verzichten. Auch müsse die Ukraine das Nazi-Bataillon, das mit dem Segen der Kiewer Regierung namentlich im Donbass wütete, oder auch die Neo-Nazi-Gruppe C14 kaltstellen. Auf beide Forderungen gingen Selensky und die Nato nicht ein, sondern wiederholten unablässig, jedes Land habe das Recht, der Nato beizutreten. Doch aus Sicht Russlands ist die Nato mit Raketenstellungen an seinen Grenzen eine existenzielle Bedrohung.

Auch die USA verteidigen ihre Hemisphäre

Eine Politik der Einkreisung mit modernsten Waffen eines Gegners unmittelbar an den Landesgrenzen akzeptiert keine Grossmacht. Seit zweihundert Jahren setzen die USA die Monroe-Doktrin bis heute durch: Nicht nur in Nachbarstaaten, sondern in ganz Mittel- und Lateinamerika wird keine feindliche Rakete geduldet.

Die USA würden nicht warten, wenn Kuba oder selbst das weit entfernte Venezuela Russland oder China erlauben würde, in ihrem Land Raketen zu stationieren.

Selbst ohne Bedrohung durch feindliche Raketen bestrafen die USA in ihrem Hegemoniebereich Länder, wenn sie sich sozialistisch gebärden und US-Konzernen keinen freien Zugang gewähren. Die Uno-Generalversammlung verurteilt die Blockade und die Sanktionen der USA gegen Kuba Jahr für Jahr, im Jahr 2021 mit 184 zu 2 Stimmen der USA und Israels. Nur Brasilien, Kolumbien und die Ukraine enthielten sich. Diese Abstimmungen sind den westlichen Leitmedien kaum eine Zeile wert. Die USA stürzten selbst demokratisch gewählte Regierungen wie diejenige in Chile oder Panama und ersetzten sie durch eine Militärdiktatur.

«Einflusssphären von Grossmächten sind rund um den Globus eine Realität», sagt Peter Beinart, Associate Professor für Journalismus und Politikwissenschaften an der City University of New York. Nur wenn die USA auch die Einflusssphäre Russlands respektieren, sei garantiert, «dass der russische Einfluss die Ukraine nicht zerstört und dass Europa nicht in einen Krieg hineingezogen wird» (siehe Infosperber vom 28.1.2022). Das ist jetzt passiert: Russland zerstört die Ukraine.

Herfried Münkler, lange Professor für Politikwissenschaften an der Berliner Humboldt Universität erklärte zur Ukraine:

«Man kann feststellen, dass die Russen so etwas wie Einkreisungsängste haben. Diese haben schon immer bei der Entstehung von Kriegen eine bedeutende Rolle gespielt. Ein Mittel dagegen sind Pufferzonen. Sie dienen einer gewissen Stabilität und schaffen Flexibilität bei Verhandlungen zwischen Grossmächten.»

George F. Kennan, US-Diplomat mit Stationen in Moskau, Riga, Tallinn und Berlin und in der Folge Geschichtsprofessor an der Princeton University, warnte bereits 1997 – also noch bevor Polen, Tschechien und Ungarn in die Nato aufgenommen wurden: «Eine Erweiterung der Nato wäre der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg. Es ist zu erwarten, dass eine solche Entscheidung die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der russischen Meinung anheizt … Die Russen sind wenig beeindruckt von den amerikanischen Versicherungen, eine Erweiterung der Nato finde ohne feindselige Absichten statt. Sie würden ihr Prestige (das in der russischen Meinung immer an erster Stelle steht) und ihre Sicherheitsinteressen als beeinträchtigt ansehen.»

Henry Kissinger, langjähriger US-Aussenminister, warnte vor einer verhängnisvollen Politik des Westens. Um die Sicherheitsinteressen Russlands zu respektieren, schlug Kissinger am 5. März 2014, wenige Tage vor der völkerrechtswidrigen Sezession der Krim, in der Washington Post vor (wörtliche Übersetzung):

  1. Die Ukraine sollte das Recht haben, ihre wirtschaftlichen und politischen Verbindungen frei zu wählen, auch mit Europa.
  2. Die Ukraine sollte nicht der Nato beitreten, eine Position, die ich 2007 vertrat, als dieses Thema das letzte Mal zur Sprache kam.
  3. Es sollte der Ukraine freistehen, eine Regierung zu bilden, die mit dem ausdrücklichen Willen ihres Volkes vereinbar ist. Auf internationaler Ebene sollten sie eine Haltung einnehmen, die mit der Finnlands vergleichbar ist. Dieses Land lässt keinen Zweifel an seiner starken Unabhängigkeit aufkommen und arbeitet in den meisten Bereichen mit dem Westen zusammen, vermeidet aber sorgfältig eine institutionelle Feindschaft gegenüber Russland.

(Vollständige Ausführungen Kissingers auf Deutsch hier)

John Mearsheimer, Politik-Professor von der University of Chicago äusserste im Jahr 2015 ähnliche Befürchtungen wie Henry Kissinger und schlug «im Interesse der Ukraine, der USA und Russlands» eine neutrale Ukraine vor. «Man stelle sich die Empörung in Washington vor, wenn China ein mächtiges Militärbündnis schmieden und versuchen würde, Kanada und Mexiko dafür zu gewinnen.» («The Causes and Consequences of the Ukraine Crisis»).

Die frühere ARD-Moskaukorrespondentin Gabriele Krone-Schmalz, die über Russland mehrere Bücher schrieb, räumte ein, dass sie mit einem Angriffskrieg auf die ganze Ukraine nicht gerechnet habe. Doch sie denkt «nach wie vor, dass die Nato-Osterweiterung und die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen stark dazu beitrugen, dass wir uns heute einem Russland gegenübersehen, das uns als Feind betrachtet». Krone-Schmalz gibt zu bedenken, «dass wir diesen Putin mitgeschaffen haben».

Es ist nachvollziehbar, dass die baltischen und osteuropäische Staaten die Sicherheit der Nato anstrebten. Doch seit 1989 gab es keine Anzeichen dafür, dass Russland diese Staaten militärisch bedroht. Die Osterweiterung der Nato war von Beginn weg ein Fehler. Hätte der Westen die russischen Sicherheitsbedürfnisse respektiert, wäre die Geschichte anders verlaufen.

Deshalb ist der fürchterliche Krieg in der Ukraine schon gar kein Beweis dafür, dass die Angst vor Putin schon immer berechtigt war, und dass die politischen und militärischen Falken recht hatten.

Einige Profiteure des Krieges …

Auch in einem Krieg gibt es Profiteure:

  • Die USA als Weltmacht, weil es auf absehbarer Zeit keine Annäherung zwischen der EU und Russland gibt;
  • Alle Grosskonzerne der USA und anderswo, die an der Herstellung von Rüstungsgütern beteiligt sind;
  • Die Fracking-Industrie in den USA. Sie wird dank höheren Erdöl- und Erdgaspreisen und dank mehr Exporten nach Europa wieder äusserst profitabel.
  • Russland, das sich in der Ostukraine Bodenschätze sichert.

… und einige Verlierer

  • Kriegsopfer und ihre Angehörigen sowie 44 Millionen Menschen in der Ukraine, die ein zerstörtes Land wieder aufbauen müssen und wahrscheinlich den Zugang zu wertvollen Rohstoffen verlieren.
  • Klimakrise: Statt genügend Ressourcen für Klimamassnahmen zu bündeln, werden Abermilliarden für Krieg, Aufrüstung, Zerstörung und Wiederaufbau verwendet. Der Krieg selber erhöht die CO2-Belastung.
  • Hungerkrise: Stark steigende Weizen-, Mais- und Düngemittelpreise führen namentlich in Afrika zu mehr Hunger, politischen Unruhen und mehr Flüchtlingen.
  • Finanzkrise: Die Notenbanken FED und EZB können sich zu Zinserhöhungen gezwungen sehen. Das treibt einige Länder und einige Finanzinstitute in den Ruin – mit unabsehbaren politischen und sozialen Folgen.
  • Alle sozial und wirtschaftlich Schwachen weltweit und in Europa: Sie werden unter den Preissteigerungen von Benzin, Gas, Heizöl und Grundnahrungsmitteln am meisten leiden.

*Urs P. Gasche ist Leiter der Informationsplattform «Infosperber». ZACKBUM hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors übernommen.

Wumms: Infosperber

Keiner zu klein, Zensor zu sein.

Die Plattform, die angeblich sieht, was andere übersehen, deren Beiträge «die persönliche Meinung des Schreibenden wiedergeben», fordert ein weiteres Opfer der Invasion in der Ukraine. Ganz dezent vermeldet «Infosperber»: «Christian Müller verlässt die Redaktionsleitung».

Das ist nun durchaus ein der «Prawda» würdiger Titel. Denn weiter unten heisst es dann: «Wir lösen die langjährige Zusammenarbeit auf.» Oder auf gut Deutsch: you’re fired. Hoppla, was ist denn geschehen? Hat man Müller dabei ertappt, einen Sperber zu quälen? Wurde er übergriffig? Weigerte er sich, inkludierende Sprache zu verwenden?

Nein, noch schlimmer: er habe es «konsequent unterlassen, die Politik von Putin auch kritisch zu analysieren». Potzteufel, das habe «die Glaubwürdigkeit von infosperber in Frage gestellt».

So kann sich selbst ein Sperberauge täuschen. Einen langjährigen Mitarbeiter zu feuern, weil einem dessen Meinung zum Ukrainekonflikt nicht passt, der nicht genügend Abscheu und Kritik über und an Putin äussert, obwohl das ja genügend andere Schreiber tun, das stellt die Glaubwürdigkeit nicht in Frage. Das zerstört sie.

Wumms: Rainer Stadler

Wenn’s einer nicht lassen kann, wird’s traurig.

Rainer Stadler war eine Institution. Jahrzehntelang begleitete er als Medien-Mann der NZZ alle Entwicklungen auf diesem Gebiet. Informiert, eigenständig und kantig. Als Spielfeld hatte er eine eigene Medienseite. Das leistete sich nur noch das Intelligenzblatt von der Falkenstrasse.

Dann wurde Stadler eher unfein entsorgt, nach ihm die Medienseite. Nun hat er auf der Gratis-Plattform «Infosperber» einen Multiplikator für seine Ansichten gefunden. Das tut nicht wirklich gut.

So analysiert er die Folgen des Neins zur Milliardenspritze für darbende Medienclans recht eigenwillig. Er sieht einige Hoffnungsschimmer im Online-Markt, wo neue Player enstanden seien:  «Einige Initianten – etwa Branchenportale, die «Republik» oder der «Infosperber» – konnten Fuss fassen. Der Grossteil muss aber mit sehr bescheidenen Mitteln zurechtkommen, und das Informationsangebot dieser Akteure ist öfters ungenügend.»

Nun ist Eigenlob nicht verboten, aber die Auswahl ist schon etwas befremdlich. Die «Republik» ein Branchenportal? Der «Infosperber» muss nicht mit bescheidenen Mitteln zurechtkommen? Und wie steht’s mit dem erfolgreichsten Newscomer, «Die Ostschweiz»*?

Aber gut, Meinungsfreiheit. Dass die Ablehnung eine schlechte Nachricht für den Presserat sei, ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle manövriert sich mit realitätsfernen Entscheidungen immer mehr ins Aus.

Sehr eigen ist dann Stadlers Kritik am Ansinnen von Medienhäusern, sich an grossen Plattformen wie Facebook oder Google schadlos zu halten, wenn die Newselemente verwenden, die als Content hergestellt wurden. Das ist selbstverständlich legitim, sofern die Medien nicht so blöd sind, das Angebot zur vermeintlichen Reichweitensteigerung gratis abzugeben. Aber Stadler schimpft:

«Mit einem Leistungschutzrecht verschaffen sich die Medienhäuser die Legitimität für einen Zugriff auf kontinuierliche Einnahmen, die den Anschein einer privatwirtschaftlichen Lösung haben, faktisch aber eine intransparente Art Medienförderung sind, welche die Staaten ein paar amerikanischen Grosskonzernen aufzwingen.»

Was daran intransparent sein soll und wieso die Forderung nach Abgeltung von Leistungen Medienföderung sein soll, das erschliesst sich nicht.

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig auf «Die Ostschweiz».

 

Schielender «Infosperber»

Rankings sind gut. Ausser, sie sind schlecht, weil einseitig.

Zunächst müssen hier Interessensbindungen offengelegt werden. René Zeyer hat einige Zeit für «Infosperber» geschrieben. Bis sich Urs P. Gasche von einem Verleumdungsartikel im «Tages-Anzeiger» dazu verleiten liess, das Gratisangebot nicht mehr zu wollen. Sein Pech.

Gleichzeitig schreibt Zeyer regelmässig für die «Ostschweiz». Das hindert ZACKBUM aber nicht daran, seiner Berichterstatterpflicht über eine Rangliste nachzugehen, die ins Auge ging.

Gasche hat eine Hitparade von «unabhängigen Online-Zeitungen» gebastelt. Als entscheidendes Kriterium nahm er die Einschaltquote (wissenschaftlich Unique Users pro Monat), dazu die Facebook-Followers und das Jahresbudget. Die Anzahl Leser wurden nach eigenen Angaben oder nach Analytics eruriert.

13 solche Online-Produkte gibt es – laut «Infosperber». Grosser Sieger sei «zentralplus» mit 380’000 Unique User, gefolgt von der «Republik» (357’000) und «Infosperber» (195’000). Das Schlusslicht bilden drei Organe, die keine Angaben machten; «bajour», «Onlinereports» und «Journal21».

Das ist soweit eher dürftig. Ganz schräg wird es durch drei Abwesende. Denn nach diesem Massstab wäre mit Abstand auf Platz eins «Die Ostschweiz» gelandet. Auch «heidi.news» hat keine Gnade gefunden. Ach, und ZACKBUM wurde nicht berücksichtigt. So wenig wie die «Medienwoche» oder «persoenlich.com». Und noch ein paar weitere Organe, die Gasches Sperberauge entgingen. Wie «re-check.ch», «medinside.ch», usw., usf.

Wirklich unabhängige Organe ausgewählt?

Dafür behauptet Gasche zu den von ihm auserwählten Online-Auftritten: «Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind von Grosskonzernen unabhängig.»

Kann man vielleicht so sagen. Wobei die «Republik» oder «bajour» von Multimillionären gesponsert werden, was natürlich null Abhängigkeiten auslöst. Absurd ist der Vergleich auch angesichts der Ausrichtung (national, lokal, themenspezifisch, allgemein) oder den unterschiedlichen Budgets (6,5 Mio. bei der «Republik», 3700 bei «infoméduse»).

Richtig lustig wird’s allerdings, als sich der Chefredaktor der «Ostschweiz» bei Gasche erkundigte, wieso denn sein Organ – mit Abstand die grösste Leserschaft, hat online das «Tagblatt»-Konglomerat in der Ostschweiz überholt, ist seit Corona national bekannt geworden – keine Gnade fand.

Oder übersieht, was andere sehen …

Da holte Gasche kurz tief Luft: «Ihre Plattform haben wir nicht berücksichtigt, weil sie PR-Beiträge nicht deutlich von redaktionellen Beiträgen abgrenzt, sondern auf verschiedenen Seiten eine nicht transparente Durchmischung geboten wird.»

Dabei sind bei der «Ostschweiz» PR-Beiträge deutlicher als bei mancher Tageszeitung als solche gekennzeichnet und finden sich grösstenteils in einem eigenen Gefäss. Gasche war sich wohl bewusst, dass das etwas dünn ist, also legte er mit noch Dünnerem nach: «Der VR-Präsident der «Die Ostschweizer Medien AG» ist der PR-Mann Peter Weigelt.» Das machte Chefredaktor Stefan Millius sprach-, aber nicht wortlos: «Die Tatsache, dass unser VR-Präsident ein «PR-Mann» ist (er war unter anderem auch der führende Medienpolitiker während seiner NR-Zeit), gibt Ihnen das Recht, daraus zu schliessen, wir seien eine PR-Plattform? Der Mann darf also nicht einen Verwaltungsrat einer Zeitung präsidieren, weil er früher ein PR-Unternehmen geführt hat?»

Selber am Markt behaupten oder bezahlen lassen?

Millius weist auf etwas hin, was seine Online-Plattform für Gasche äusserst suspekt macht: «Die Ostschweiz» (wie auch ZACKBUM) kassiert weder Mäzenengelder, noch Staatsknete. Sondern sie muss sich am Markt beweisen und refinanzieren. Das ist irgendwie anrüchig, wo doch die meisten der von Gasche aufgeführten Organe mit Bettelaktionen, staatlicher Unterstützung und spendierfreudigen Gönnern rechnen können, ohne die die meisten gar nicht mehr existieren würden.

Zudem hat «Die Ostschweiz» alleine eine grössere Leserschaft als alle in dieser Gasche-Aufstellung vertretenen Magazine zusammen. Wenn man deren Eigenangaben überhaupt trauen kann, denn es ist nicht zu vermuten, dass sie Gasche gegenüber ihre Analytics offenlegten.

Wer rupft wen?

Es ist diese unselige Einäugigkeit, Voreingenommenheit, Uneinsichtigkeit, die man zu Recht den Mainstream-Medien vorwerfen muss. Was aber leider genauso für Plattformen wie «Infosperber» gilt. Vertane Chancen, Verlust an Glaubwürdigkeit, ein Trauerspiel.

Ein schielender «Infosperber» im Sturzflug.

 

 

Eine Meldung und ihre Geschichte

Es gibt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Mosambik und der Schweiz. Ein Bindeglied heisst Credit Suisse.

Die wie immer sehr kompetente Qualitätspresse ist froh, dass es noch die Nachrichtenagentur SDA gibt. Die erspart eigene Bemühungen, dem Leser die Welt verständlicher zu machen.

«CS muss vor Gericht

Der Credit Suisse droht offenbar weiteres juristisches Ungemach. Wie die britische «Financial Times» (FT) am Dienstag schrieb, muss sich die Schweizer Grossbank wegen ihrer Rolle im 2-Milliarden-Dollar-Skandal um sogenannte Thunfischanleihen in Mosambik vor Gericht verantworten.

Der Richter am Londoner High Court, der einer Klage von Gläubigern gegen die Credit Suisse vorsteht, habe im vergangenen Monat einen Termin für eine 13-wöchige Verhandlung im September 2023 festgelegt, so die FT, die sich auf mit der Angelegenheit vertraute Personen bezieht.

Der Fall geht auf das Jahr 2013 zurück und ist ziemlich kompliziert. Im Prinzip geht es um Kredite in Höhe von über 2 Milliarden US-Dollar – unter anderem von der Credit Suisse – an den Staat Mosambik, die ohne Wissen des dortigen Parlaments und des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen wurden. (SDA)»

Alles klar, alles verstanden? Eigentlich nicht? Nun, warum sollten sich unsere kompetenten Wirtschaftsjournalisten, Journalistinnen sowie Journalist*Innen* um so einen Pipifax kümmern. Ist doch nur ein Land tief unten in Afrika, das unter freundlicher Beteiligung der Credit Suisse in eine Finanzklemme und dann in den Staatsbankrott geriet. Genauer: mal wieder hatten einige Mitarbeiter interne Kontrollen ausgetrickst und Dinge getan, die die CS natürlich nie tun würde.

Was kümmert eine solche Schweinerei die Klimajugend?

Dabei ist die Sache weder sonderlich kompliziert noch harrte sie der Aufarbeitung. Sie wurde bereits mehrfach in aller Ausführlichkeit untersucht. Es gibt einen von Schweden finanzierten Untersuchungsbericht der Firma Kroll und neuerdings einen von Norwegen bezahlten Studie über die Kostenfolgen dieses Skandals. Schliesslich gibt es Thomas Kesselring, der jahrelang an einer Uni in Mosambik unterrichtete und seit 2016 unermüdlich über diesen Skandal berichtet. Allerdings auf der gerade nicht zum Mainstream gehörenden Plattform «Infosperber».

Unermüdlich: Kesselring auf «Infosperber».

Wer also wollte, könnte mit wenigen Strichen den Umriss einer der grössten Schweinereien zeichnen, die sich in den letzten Jahren in Sachen Korruption und Leiden in Afrika abgespielt haben. Allerdings haben hier linke NGO eine gewisse Beisshemmung, die sonst immer schnell bei der Hand sind, Schweizer Banken an den Pranger zu stellen. So wie vor Kurzem auf dem Paradeplatz Zürich mit einem dümmlichen Happening. Von Mosambik war dabei allerdings nicht die Rede.

Denn hier herrscht seit der Unabhängigkeit von Portugal die ursprünglich linksrevolutionäre Frelimo. Der erste Präsident Samora Machel war noch ein charismatischer Führer; er kam unter ungeklärten Umständen 1986 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Seither ging’s mit Mosambik und der Frelimo steil bergab. Korruption bis in die höchsten Ämter hinein, Misswirtschaft, Staatsversagen, ein weiteres Trauerspiel.

Immer tiefer im Korruptions- und Kreditsumpf

Seit 2013 beschaffte sich Mosambik Kredite in Multimillionenhöhe, über deren Verwendung niemals Rechenschaft abgelegt wurde. Während das Land dem IMF gegenüber behauptete, keine weiteren Gelder geheim geliehen zu haben, kam heraus, dass dennoch über 2 Milliarden Dollar in fragwürdige Projekte per Kredit geflossen waren. Über eine Milliarde davon wurden von der Credit Suisse beschafft, die andere Hälfte von der russischen Bank VTB.

Als das im April 2016 bekannt wurde, sistierten der IMF und weitere Geberländer ihre Zahlungen an Mosambik, es folgte der Staatsbankrott. Die Aufarbeitung dieses Skandals beschäftigt seither die Gerichte in fünf verschiedenen Ländern. Mitarbeiter der CS haben sich in diesem Zusammenhang bereits für schuldig erklärt und wurden abgeurteilt, die Bank selbst bestreitet jegliche Verwicklung oder Verantwortung. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung.

Der neuste Bericht aus Norwegen zeigt exemplarisch auf, welche Folgekosten eine solche Kreditaufnahme, vorbei am Parlament und an allen Kontrollinstanzen, für ein armes Land haben kann. Kesselring fasst hier die Katastrophe zusammen:

«Bis Ende 2019 ist trotz bisher erfolgter Tilgungs- und Zinszahlungen von 674,2 Millionen Dollar eine Schuld von 2031 Millionen Dollar aufgelaufen. Dieser Betrag liegt höher als die Summe der Ausgaben in Höhe von 2007 Millionen.

Berechnet man die Zinsen bis zum vertraglich vorgesehenen letzten Rückzahlungsdatum im Jahr 2031 mit ein, so wird sich die Gesamtschuld auf 3‘930 Millionen Dollar summieren. Zusammen mit den erfolgten Tilgungszahlungen kommt man auf 4‘619 Millionen Dollar. Das ist mehr als das Doppelte der ursprünglichen Kreditsumme.»

Der norwegische Bericht kommt zum verheerenden Schluss:

«Zählt man die Direktzahlungen infolge der geheimen Kredite, die Kosten für die Bewältigung des Debakels und die verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft zusammen, so haben die Mosambikaner zwischen 2016 und 2019 über 11 Milliarden US-Dollar oder 403 US-Dollar pro Kopf bezahlt. Weitere 4 Milliarden US-Dollar werden sie für den noch bevorstehenden Schuldendienst leisten müssen.»

Eine Schlussbemerkung in eigener Sache. Als die BaZ noch nicht zum Qualitätsverbund Tamedia gehörte, beziehungsweise als letztes Lebenszeichen der früheren Liberalität und Angriffigkeit, konnte ich noch im Januar 2019 einen Bericht veröffentlichen, der die Bank zur Weissgult brachte. Aber mehr als eine schlappe «Stellungnahme» schaffte sie nicht. Das wäre heute undenkbar. Denn ein solcher Artikel würde erst gar nicht publiziert werden; juristisches Risiko viel zu hoch.

Rabenschwarze Kritik: Brachte die Bank zur Weissglut.