Schlagwortarchiv für: Gilles Marchand

Querschüsse von CH Media

Im Aargauer Kopfsalat variieren die Titel. Aber die Stossrichtung ist die gleiche.

Etwas vornehmer titelt das «Bieler Tagblatt»: «Manöver gegen Wille und Wappler». Direkter zur Sache geht das «Aargauer Tagblatt»: «Generaldirektor: Die beiden Favoritinnen erfüllen die Kriterien nicht – welches Spiel treibt die SRG

Der Medien-Spezialst des Wanner-Clans Francesco Benini hat mal wieder zugeschlagen. Er hat sich das Anforderungsprofil des Headhunters genauer angeschaut, der im Auftrag des Verwaltungsrats der SRG nach einem Nachfolger für Gilles Marchand sucht.

Angesichts einer drohenden Einnahmekürzung ist das eine entscheidende Personalfrage. Nun stehe aber im Anforderungsprofil, dass der Kandidat «Führungserfahrung in einer Organisation «mit ca. 500+ Personen»» haben sollte. Schlecht für Susanne Wille; die Kulturabteilung von SRF umfasst bloss 222 Angestellte. Aber auch für Nathalie Wappler sieht es eher düster aus: «Ideales Alter im Zeitpunkt der Wahl: ca. 42-55 Jahre», stehe weiter im Anforderungsprofil. Wappler ist 56.

Daraus schliesst Benini messerscharf, dass der VR möglicherweise eine Geheimagenda mit einem Kandidaten hat, den er zurzeit noch nicht outen möchte. Er erinnert an frühere Zeiten: «2010 war es so: Niemand hatte Roger de Weck auf der Rechnung. Auch dank der Fürsprache des damaligen Medienministers Moritz Leuenberger (SP) stach de Weck aber die Bewerber aus, die als aussichtsreich galten.»

Dann kriegt noch Wappler ihr Fett ab: Sie «verkündet derweil ein neues Sparprogramm beim Schweizer Fernsehen. Sie gibt dabei weder die Summe noch die Anzahl Stellen an, die eingespart werden müssen. Entlassungen seien in jedem Fall unvermeidbar, im Sommer wisse man mehr. Der frühe Zeitpunkt der Ankündigung fällt auf.»

Ist da was dran oder spekuliert Benini im luftleeren Raum? Spätestens nach der etwas hysterischen Reaktion von SRG-Präsident Jean-Michel Cina muss man vermuten, dass Benini einen Punkt hat. Denn Cina polterte auf X: «Es gibt Journalisten, die in einer ungebrauchten, leeren Tasse Kaffeesatz lesen wollen. Das erinnert mich an Luftgitarre spielen. Es kommen keine Töne raus. ‹But the show must go on!›»

So xt der oberste Chef der SRG tatsächlich vor sich hin? Hatte sein Kommunikationsberater gerade frei? Leidet der Mann unter einer Profilneurose? Arbeitet er nach dem Prinzip: Scherz, komm heraus, du bist umzingelt?

Wenn diese Eignungskriterien im Anforderungsprofil stehen und tatsächlich ernstgenommen werden sollten, dann wären Wille definitiv und Wappler höchstwahrscheinlich draussen. Das ist dann kein Luftgitarrenspiel und auch kein Kaffeesatzlesen.

Man kann gespannt sein, wie Cina den geordneten Rückzug antreten will, sollte es eine der beiden Damen nicht werden …

Ja zu TV-Sparmassnahme

«Blick» würde titeln: «SRG zittert».

61 Prozent aller Stimmbürger würden Ja zur Initiative «200 Franken sind genug» sagen. Damit soll die jährliche Zwangsabgabe für den Gebührensender SRG auf 200 Franken (statt 335 aktuell) gesenkt werden.

Dass Anhänger der SVP und der FDP haushoch dafür sind, ist kein Wunder. Aber auch bei der «Mitte» ist eine Mehrheit von 54 Prozent dafür, selbst bei GLP (41 Prozent), SP (35 Prozent) und sogar Grüne (29 Prozent) sind bedeutende Minderheiten damit einverstanden.

Zudem sorgt die SRG gerade für Negativ-Schlagzeilen am Laufmeter. Die Reaktion auf die von Kurt W. Zimmermann enthüllte Tendenz von SRF Meteo, viel zu hohe Temperaturprognosen abzugeben – versemmelt. Die unselige Tradition des «Club», bei kontroversen Themen nicht den Verursacher der Kontroverse einzuladen (Glarner, Zimmermann) – sogar vom eigenen Ombudsmann scharf gerügt.

Der Nepotismus, die unverschämten Gehälter (die Führungscrew verdient für mässige Leistung mehr als ein Bundesrat), die aufgeblähte Administration (für jeden journalistisch Tätigen gibt es zwei Sesselfurzer), die letztlich doch eher amateurhafte Performance, bei der selbst kleine Privat-TV-Stationen professioneller daherkommen – das TV-Monster ist in Erklärungsnot, wieso es nicht abspecken könnte.

Und nun diese Umfrage, veranstaltet von «20 Minuten» und Tamedia. Fehlerquote +/- 4 Prozent. Natürlich ist es häufig so, dass Initiativen in der Anfangszeit hohe Zustimmunfgsraten haben, die dann im Endspurt niedergekämpft werden. Dafür wird schon mal die SRG selbst besorgt sein, obwohl sie natürlich höllisch aufpassen muss, dass man ihr nicht vorwerfen kann, in eigener Sache parteiisch zu sein. Auf diesen Drahtseilakt sind wir schon jetzt gespannt.

Die NZZ hat sich bereits deutlich für die Initiative ausgesprochen. Tamedia, CH Media und Ringier sind sich noch nicht sicher. CH Media müsste eher an einer Schwächung der SRG interessiert sein – als Besitzer des mit Abstand grössten Konglomerats von privaten TV- und Radiostationen. Bei Tamedia wird entscheiden, ob der Anti-SVP-Reflex stärker ist als die Vernunft. Und Ringier ist als Vermarkter der TV-Werbung nicht ganz unparteiisch.

Ob der auch hier überforderte SRG-Generaldirektor Gilles Marchand (Gehalt rund 540’000 Franken) mit seiner Generallinie durchkommt? Er behauptet, die Initiative sei «eine Attacke auf die Schweiz», er behauptet, die Hälfte des Programms müsse gestrichen werden bei Annahme. Beides blühender Unsinn, aber im Gefälligkeitsinterview des Mikrophonständers vom «SonntagsBlick» stiess er auf wenig Widerworte.

Allerdings: Abstimmungstag dürfte erst Anfang 2025 sein. Viel Zeit für alle Pfründenbewahrer, die Stimmbürger zu beeinflussen. Aber auch viel Zeit, weitere Fehler und Flops zu produzieren …

 

Beamter müsste man sein

Obwohl es diesen Status in der Schweiz gar nicht gibt.

Beamter, im Sinn von lebenslänglich garantierte Arbeitsstelle, das bleibt in der Schweiz ein feuchter Traum für viele Sesselfurzer. Wobei sie durchaus genügend Schmerzensgeld dafür kriegen, dass man sie theoretisch entlassen könnte. Aber wer will das schon.

Da gibt es nun die in vorderster Linie Stehenden, die auch ständig in der Öffentlichkeit beäugt werden. Also die Bundesräte. Die verdienen brutto 468’276 Franken im Jahr. Plus Spesenpauschale (30’000 Franken). Plus Kosten Telekommunikation, plus Repräsentations- plus Dienstfahrzeug. Plus GA 1. Klasse und GA für die Schweizer Seilbahnen. Radio- und TV-Gebühren zahlen die Bundesräte aber selber.

Das ist ganz hübsch, wobei bis heute ein Managing Director einer Bank nur müde lächeln würde bei einem solchen Angebot; ein CEO würde dafür nicht einmal einen halben Monat arbeiten.

Aber daneben ist ein Salärdschungel gewuchert, in dem subalterne Chefs oder Präsidenten leben, die bei der Verwaltung von Steuergeldern oder anderer Einnahmen null unternehmerische Verantwortung tragen, aber gigantisch abkassieren.

Da hätten wir mal den SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Der schlägt den Bundesrat mit 514’000 Franken. Man fragt sich, wofür er dermassen viel Kohle kassiert. Das gilt natürlich auch für die SRF-Chefin Nathalie Wappler, die allerdings mit 390’000 Franken doch unter einem Bundesratssalär liegt.

In einer anderen Liga spielt der CEO der Postfinance. Der hält sich offenbar für einen Banker mit bescheidenen Ansprüchen und gibt sich mit läppischen 800’000 zufrieden. Da kann natürlich der oberste Chef der Post nicht zurückstehen, Roberto Cirillo kriegt 821’000.

Die skandalgebeutelte RUAG zahlt ihrem Chef Andre Wall knapp 800’000 Franken. Ganz soviel verdiente er in seinem vorherigen Job als Chief Technical Officer bei der Iberia nicht. Grosse Ahnung von Rüstungsgeschäften hat er offenbar auch nicht, aber immerhin versteht er etwas vom Fliegen. Das kann bald einmal nützlich sein.

SBB-Chef ist auch kein Knochenjob, wird aber mit über einer Dreiviertelmillion entschädigt, was Vincent Ducrot ausnehmend freut. Dann hätten wir noch den staatlichen Unfallversicherer Suva, für den Schoggi-Job des CEO kassierte Felix Weber satte 630’000 Franken.

Im Vergleich dazu ist Marchand wiederum fast ein armer Schlucker. Trotz diesen absurden Gehältern (das Schweizer Durchschnittseinkommen liegt bei rund 85’000 Franken brutto, ein Bundesangestellter kommt im Schnitt dagegen auf 182’000 im Jahr, es Bitzeli mehr), passieren ständig Pleiten, Pech und Pannen.

Immerhin herrscht hier weitgehend Transparenz; das «Eidgenössische Personalamt» veröffentlicht jedes Jahr tapfer ein «Kaderlohnreporting», das jeder – auch Journalisten – einsehen kann. Aber darüber berichten sie mehr so im Vorbeigehen. Warum? Nun, nicht allzu wenige Medienschaffende wechseln gerne die Stelle – aus welchen Gründen auch immer – und fallen dann in ein gut gepolstertes und weiches Bett bei der Bundesverwaltung. So wie André Marty oder unlängst Pascal Hollenstein.

Besondere Qualifikationen, das ist das Sahnehäubchen, sind dafür nicht nötig.Vorherige Erfolge im Berufsleben auch nicht. Im Gegenteil; wenn sich ein Medienkonzern wie im Fall Hollensteins holterdipolter trennt – natürlich im gegenseitigen Einvernehmen –, dann mindert es die Bereitschaft zur Gegenwehr oder zum Protest, wenn bereits ein sanftes Ruhepöstchen zu einem netten Gehalt in Aussicht ist.

Als Leiter Kommunikation hätte Hollenstein eigentlich die Oberverantwortung für den fatalen Satz seiner Chefin während der Pressekonferenz über den Ramschverkauf der Credit Suisse. Dort sagte sie bekanntlich, dass das kein «bail-out» sei, womit sie dem Steuerzahler möglicherweise ein Milliardenproblem einbrockte. Aber das ist ja das Schöne an Quasi-Beamtenstellen: Verantwortlichkeit gibt’s nicht. Haftung noch viel weniger.

Die Höchststrafe ist normalweise eine Frühpensionierung oder die Versetzung auf ein Pöstchen (zu gleichem Gehalt, versteht sich), auf dem der Quasi-Beamte weniger Schaden anrichten kann.

Ach, NZZ

Das Weltblatt spielt gross auf und schwächelt.

«Nach dem Alter zu fragen, ist diskriminierend.» Dass auch die NZZ in einem Interview mit einer Psychologin so einen Schwachsinn einfach stehenlässt, ist kein Ruhmesblatt. Dass es am 10. August die «zehn wichtigsten Bücher im Juli» anpreist, könnte auch im Tagi so stehen.

Ein weiterer Tiefpunkt ist die «Videoanalyse» zum Thema «Wie der Kreml Russland belügt – und warum Russen für den Krieg sind». Man habe 46 Reden «analysiert», erklärt eine etwas hektische Moderatorin. Dann betet sie so ziemlich alle Narrative herunter, also wolle sie beweisen, dass die Kreml-Propaganda von den einseitigen und unfairen westlichen Medien der Wahrheit entspricht.

«7 Millionen ukrainische Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg» in der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft, weiss sie zum Beispiel. Aber wo seien die Nazis denn heute? Da spielt sie einen dummen Spruch eines russischen Propagandisten ein, dass man das Wiederaufkommen der Nazis in den Genen, im Blut spüre.

Dass in der Westukraine der Kriegsverbrecher und Kollaborateur und Nazi-Unterstützer Stepan Bandera in hohen Ehren gehalten wird, es blumenbekränzte Denkmäler von ihm gibt und Strassen nach ihm benannt sind, das vergisst sie zu erwähnen. Stattdessen hämt sie, dass Russland gar keine Beweise brauche, um das Vorhandensein von Nazismus in der Ukraine zu behaupten.

Das ist, mit Verlaub, ziemlich spiegelbildlich so schwachsinnig wie die Kreml-Propaganda. Wie so eine einseitige, inkompetente, oberflächliche Karikatur einer Analyse durch die Qualitätskontrolle der NZZ rutschen kann – peinlich.

Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke. So schlägt Katharina Fontana in einem Kommentar einen Pflock für die «200 Franken sind genug»-Initiative zur Gesundschrumpfung der SRG ein. «Weniger Geld würde ihr guttun», dekretiert sie, die Initianden «liegen richtig». Offensichtlich hat ihr auch der paternalistische Ton des überbezahlten und überforderten SRG-Generaldirektors Gilles Marchand den Hut gelupft.

Der durfte in einem Ringier-Gefälligkeitsinterview behaupten, die Initiative sei «eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt». Dagegen stellt Fontana: «Man muss nicht besonders kritisch sein, um sich an dieser Selbstüberschätzung der SRG und an den paternalistischen Floskeln zu stören.»

Auch der NZZ-Leser ist offenbar in erster Linie an Sex und Crime interessiert. Also zumindest an Crime, denn als «meistgelesen» wird der Artikel aufgeführt, der beschreibt, wie am K 2 Bergsteiger ungerührt an einem Sterbenden vorbeiklettern. Platz zwei: «Vier Jugendliche dröhnen sich in Zollikerberg mit Drogen und Medikamenten zu».

Aber die Auslandberichterstattung ist weiterhin um Längen besser als bei der Schweizer (also schweizerisch-deutschen) Konkurrenz. «Der Putsch in Niger bekräftigt das Scheitern der französischen Antiterror-Strategie» (und die verkrampfte Aussprache als «Nischee» das Scheitern der Sprachreiniger bei SRF).

Dann zeigt die NZZ auch, wieso sie in Deutschland zu einer ernsthaften Konkurrenz für die FAZ geworden ist. «Ach, die armen Clans – wie linke Populisten dem Staat die Zähne ziehen», ein deutlicher und nötiger Kommentar, wie schwach und hilflos die linke Politik auf die Tatsache reagiert, dass kriminelle Clans von Menschen mit Migrationshintergrund in immer mehr Stadtquartieren in Deutschland die Macht übernehmen.

Ein Erinnerung an den Massenmörder Rios Montt, einer der grausamsten Diktatoren Guatemalas, eine Erinnerung an die grosse Fotografin Lee Miller, die sich von der Geliebten und Muse Man Rays zu einer der bedeutendsten Friedens- und Kriegsfotografen weiterentwickelte. Nicht nur ihre Fotografien sind zeitlos; Autor Daniel Haas nimmt eine Ausstellung in Hamburg zum Anlass, einen Feuilleton-Text zu schreiben, von dem der Tagi-Kulturteil nur träumen kann.

Apropos, was Linus Reichlin «aus dem Leben italienischer Schosshunde» gemacht hat, ist eine Seite Feuilleton, die sich vor den grossen Vorbildern in den 30er-Jahren nicht zu verstecken braucht. Unterhaltsam, intelligent, witzig, sprühend, das ist ein Niveau wie von einem anderen Stern, wenn man es mit allem vergleicht, was sonst so in der Schweiz publiziert wird.

Also ist man manchmal verstimmt, manchmal begeistert von der NZZ. Ein Effekt, der sich bei den anderen Organen unter Beobachtung nur teilweise einstellt.

Selbstkritik. Immer

ZACKBUM räumt ein: wir brechen Versprechen.

Bis Christian Dorer auch offiziell nie mehr zurückkehrt, wollten wir ein Schweigegelübde zur «Blick»-Familie einhalten. Aber wir sind schwach, schwankend, können Versuchungen nicht widerstehen. Denn es gibt eine Art von Publikumsverarsche, deren Schamlosigkeit einem (fast) den Atem verschlägt. Die zeigt sich hier:

Schlimmer noch: der Mann, den wir hier nie mehr erwähnen wollten, hat mal wieder höchstpersönlich das Mikrophon hingehalten. Ein Chefredaktor als Mikrophonständer, so tief kann man sinken. Nach dem Gefälligkeitsinterview mit dem Rammstein-Anwalt nun da capo mit dem SRG-Chef Gilles Marchand. Der lanciere «den Kampf gegen Halbierungsinitiative», indem er lässig im Freischwinger sitzt und bedeutungsvoll die Finger vor der weissen Hemdbrust verschränkt.

Gleich den Titel plus vier Seiten räumt der SoBli dem nicht unumstrittenen SRG-Boss (Jahreseinkommen weit über eine halbe Million) ein. Inhalt? Vorläufig nebensächlich. Denn das Gefälligkeitsinterview beginnt – wir müssen den Namen wieder nennen – Reza Rafi mit «zwei Erzählungen», die es über den «öffentlichen Rundfunk in der Schweiz gebe». Eine dritte in eigener Sache enthält er aber dem SoBli-Leser vor.

Die ginge so: seit 2017 arbeiten Ringier und die SRG im «Bereich tagesaktueller Videoinhalte» zusammen. 2020 wechselte Ladina Heimgartner, zuvor stellvertretende Generaldirektorin SRG SSR und Direktorin RTR, zu Ringier und ist dort nicht nur in der Geschäftsleitung, sondern auch für die «Blick»-Gruppe zuständig.

Schon seit 2015 betrieb Ringier einen Zusammenschluss in der Werbevermarktung zwischen SRG, Swisscom und dem Medienhaus. Daraus entstand dann 2016 Admeira, ein vielkritisierter Zusammenschluss. Bereits 2018 kauften Swisscom und Ringier der SRG ihren 33,3-Prozent-Anteil ab; 2020 stieg auch Swisscom wieder aus und Ringier übernahm Admeira zu 100 Prozent. Admeira vermarktet weiterhin das Swisscom-Inventar im Internet. Plus das Werbeinventar von SRG SSR, von MySports und natürlich von «Blick TV». 2021 wurde der Vertrag zwischen SRG und Ringiers Admeira bis 2025 verlängert.

Vielleicht hätte es dem SoBli-Leser geholfen, mit dieser Erzählung das Interview besser einzuordnen.

Stattdessen darf Marchand seitenlang das sagen, was er schon immer mal zur Halbierungsintiative sagen wollte, wie heutzutage üblich begleitet von pseudokritischen Fragen, auf die er dann souverän sein Wording abspulen darf, ohne in die Zange genommen zu werden: «Diese Initiative ist radikal. Mit 700 Millionen Franken im Jahr müssten wir die Hälfte abbauen, wir stünden vor einer ganz neuen Situation. Diese Initiative ist eine Attacke auf die Schweiz und ihre Vielfalt … Denn wir spüren, dass die Bevölkerung uns unterstützt, dass sie den Zusammenhalt des Landes extrem schätzt, für den wir stehen Die privaten Medien haben eine schwierige Zeit, das ist mir klar, ich war selber Medienmanager, übrigens auch bei Ringier. Aber wir als SRG müssen da sein, wo unser Publikum ist. Und ein grosser Teil, gerade die Jungen, orientiert sich nun mal online.»

Dann darf Marchand nochmals das Märchen der Einsparung von 100 Millionen auftischen und überhaupt alle Kritik, die ihm Rafi auf dem Silbertablett serviert, abtischen.

Eine Frage zu den exorbitanten Gehältern, zur Anzahl Sesselfurzer, zum Riesenbudget, dazu, dass der Staatsfunk, Pardon, der Zwangsgebührensender, im Tessin der grösste Arbeitgeber ist und auch in Chur ein völlig überdimensioniertes Hauptquartier unterhält, eine Frage zur Ukraine-Berichterstattung oder zum Riesenflop vorletzte US-Präsidentschaftswahlen, eine Frage zu so vielem, was bei der SRG im Argen liegt? Eine Frage dazu, dass SRF Meteo konsequent bis zu 7 Grad zu hohe Temperaturen prognostiziert? Aber doch nicht im SoBli.

Dann sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Oder wollen Sie von den beiden Herren rechts einen Preis verliehen bekommen?

An einem Anlass namens «Dîner républicain» in Ascona, zu dem Frank A. Meyer und seine Lebensgefährtin Lilith Frey auf Kosten von Ringier laden. Früher nahmen jeweils illustre Gäste teil, aber seitdem der Ringier-Berater und Freund «lupenreiner Demokraten» Gerhard Schröder etwas in Ungnade gefallen ist, reicht es nur mehr für die zweite Garnitur wie einen «stellvertretenden NATO-Generalsekretär», einen früheren deutschen Bundespräsidenten mit leerem Terminkalender, natürlich Marco Solari und Livia Leu.

Selbst dem Hofberichterstatter des SoBli ist die Sache so peinlich, dass er auf eine Zeichnung des Artikels mit seinem Namen gerne verzichtet. Oder aber, er war sauer, weil er nicht mitessen durfte.

Auf der nächsten Seite gibt es nochmal Frank A. Meyer, aber abgesehen davon, dass auch der hier nicht mehr vorkommen soll: das wäre zu viel für unsere Leser, wir haben da eine gewisse Fürsorgepflicht.

Dann weiss der SoBli: «Hunderte Ukrainer verlassen die Schweiz jeden Monat» und kehrten zurück. Damit wird die Zahl der rund 85’000 ukrainischer Asylbewerber sicherlich dramatisch abnehmen. Wobei ein nicht bekannter Prozentsatz sich im hochkorrupten Land für rund 2500 Franken den Pass zuerst gekauft hat.

Garniert wird die Story mit einer Grafik:

Das ist nun lustig. Die «Schweizer Flüchtlingshilfe», nicht gerade als fremdenfeindlich bekannt, spricht von 84’000 Gesuchen um Erhalt des Schutzstatus S seit Februar 2022 bis Juni 2023. Das sackseriöse Portal «Statista» verzeichnet Ende Juni 2023 «65’725 ukrainische Personen im Asylprozess der Schweiz».

Selbst das Schwesterblatt «Blick» schreibt von «rund 66’000 Ukrainerinnen und Ukrainern», die derzeit «über einen aktiven Schutzstatus S» verfügten. Vielleicht könnte sich die «Blick»-Familie mal miteinander austauschen, welche Grafik man zukünftig herstellen will und wie man die Zahlen gerne manipulieren möchte. Der Titel des «Blick»-Artikels vom Mai dieses Jahres lautete übrigens: «14’000 Ukrainer kehrten der Schweiz den Rücken».

Tja, auch demagogische Verdrehung der Realität will gelernt sein.

Das Ein-Mann-Investigativteam des SoBli hat dann auch wieder zugeschlagen. Fabian Eberhard warnt: «Scientology-Anhänger betreiben Kita in Zürich». In der Kindertagesstätte «Schlümpfli» würden «bis zu zwölf Kinder betreut», weiss Eberhard. Hat er das knallhart selber investigiert? Nicht wirklich, er ist über einen Blog-Beitrag von Anti-Scientology-Aktivisten gestolpert, die auf diese Kita hinweisen.

Natürlich wehrt sich die umstrittene Sekte gegen jegliche Vorwürfe, wie Eberhard pflichtschuldig vermeldet. Dagegen schneidet er aber die Aussagen eines «Sektenexperten» und einer Aussteigerin aus der Hubbard-Gesellschaft. Was man etwas vermisst, damit das ein richtiger Skandal werden könnte: und was passiert mit den dort betreuten Kindern? Aber Reportagen vor Ort bei Kitas, das ist weder die Sache der «Republik», noch von Eberhard. Die Spürnase hat ja nicht mal die Büroräumlichkeiten des Internet-Radios «Kontrafunk» gefunden.

Ach, wenn wir schon bei Schleimspuren sind:

Überraschenderweise hat nicht Marc Walder persönlich das Interview gemacht. Es ist Zeit, berauschende Mittel oder mindestens einen Kamillentee zu nehmen, denn nun kommt noch das SVP-Schaf auf einer Doppelseite zu seiner Würdigung.

Spätestens hier bereut ZACKBUM endgültig seinen Rückfall, seine gebrochenen Versprechen. Denn:

Sie sei «das schwarze Schaf der Schweizer Politik, genau wie Christoph Blocher», behauptet die «junge muslimische Frau mit Migrationshintergrund». An Selbstbewusstsein mangelt es der Bachelorette der Politik nicht, sie spricht immer gerne mit dem SoBli. Wird sie allerdings von ZACKBUM gefragt, ob sie ihre schlagzeilenträchtige Behauptung, sie bekomme bis zu 100 Hassmails am Tag, vielleicht mit ein, zwei Beispielen belegen könne, verstummt sie.

ZACKBUM gesteht: wer Versprechen bricht, geht dann durch die Hölle. Oder watet im Sumpf. Und braucht einen Gimlet. Oder zwei. Oder drei. Wobei: schönsaufen ist auch keine Lösung. Aber es hilft.

 

RTS: Romands mit Trieben und Sexgelüsten

Schon wieder ein Abgrund. Nein, diesmal nicht bei Tamedia. Aber beim welschen Staatsfunk.

Man (auch Mann, Frau, divers und überhaupt) ist erschüttert. Mehr als das:

«Einzelne Mitarbeiterinnen begannen in der nachfolgenden Fragerunde zu weinen und sprachen angesichts der Befunde von einem «absoluten Skandal», während ihre Kollegen die Fakten als «niederschmetternd» bezeichneten oder sich bei den Anwältinnen für die «unglaubliche Arbeit» bedankten

Echt jetzt? Weinende Journalistinnen? Was ist denn passiert? Wurde ein Gendersternchen gemeuchelt? Nein, das ist kein Platz für Scherze. Tamedia vermeldet:

«Rassismus, unerwünschte Küsse, Anfassen von Brüsten, Berührungen am Gesäss, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Arbeitsüberlastung, Beleidigungen gegen Schwangere, Festhalten in einem Raum: Die Missstände beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) sind weit komplexer, vielfältiger und gravierender als bislang bekannt.»

Der Trompeter von Jericho, auch als Philippe Reichen bekannt, spielt wieder sein Lieblingsinstrument. Als – man erinnert sich noch? – «Le Temps» mit Anlauf den ehemaligen News-Star von RTS in die Pfanne hauen wollte, war Reichen schon zur Stelle. Die Vorwürfe gegen Darius Rochebin erwiesen sich zwar als haltlos und falsch; entsprechende Schadenersatzforderungen laufen. Aber Reichen formulierte kühn «Die Mauer des Schweigens bricht».

Auch bei Übergriffen muss enthüllt werden

Er «enthüllte» weitere, länger zurückliegende Probleme rund um die Einstellung einer TV-Talkshow, die nach 12 Folgen mangels Publikumsinteresse eingestellt wurde – 2015. Das war dann auch nicht so der Knaller, aber nun hat das Genfer Anwaltsbüro «Collectif de Défense» intern die Resulate seiner Untersuchung der jüngsten Vorwürfe präsentiert.

Die Mitglieder des Anwaltskollektivs.

Weil wir beim seriösen Staatsfunk sind, wo sorgfältig zwischen intern/vertraulich und öffentlich/skandalös unterschieden wird, fanden die Ergebnisse sofort den Weg in die Medien. Also nicht ganz, den Weg zu Reichen. Der lässt wieder keinen Stein auf dem anderen:

«Die Arbeitsrechtsexpertinnen bezeichneten Mobbing und Übergriffe bei RTS als «systemisch». Sie betonten, die untersuchten und ungeahndet gebliebenen Missstände hätten über einen Zeitraum von 20 Jahren stattgefunden. Bei RTS habe ein «Gesetz des Schweigens» geherrscht.»

Dagegen haben die AnwältInnen des Kollektivs was, so ihre Selbstanpreisung: «Les avocat-e-s du Collectif de Défense sont soucieux de pratiquer aussi bien une écoute attentive de la personne, qu’un professionnalisme rigoureux. L’efficacité et la combativité font la marque de l’Etude

Effizienz und Kampfbereitschaft als Markenzeichen, da wird offenbar kein Pardon gegeben. Auf der anderen Seite: «Die Anwälte des Verteidigungskollektivs glauben an eine für alle zugängliche Gerechtigkeit. Daher wendet das Verteidigungskollektiv einen Stundensatz an, der nicht abschreckend ist und unter den im Berufsstand üblichen Sätzen liegt.»

Da können wir für uns Zwangsgebührenzahler nur hoffen, dass sie diesem löblichen Prinzip auch in diesem Fall nachgelebt haben. Denn solche Untersuchungen gehen normalerweise ganz schön ins Geld; Beträge von einer Million aufwärts sind völlig handelsüblich.

Für einen kann’s nun ganz eng werden

«230 Zeuginnen und Zeugen, also mehr als ein Zehntel der RTS-Belegschaft, haben sich beim Anwaltsbüro gemeldet und für den Bericht ausgesagt», weiss Reichen im Weiteren. Damit dürfte eine siebenstellige Honorarnote garantiert sein.

Besonders heikel kann’s nun für SRG-Generaldirektor Gilles Marchand werden. Der war noch im April vom SRG-VR auf eine «sekundäre Aufsichtsverantwortung» runtergestuft worden, wobei man ihm keine groben Fehler vorwerfen könne. Also salviert, Job gerettet, nur keine Unruhe ganz oben.

Sollten die Vorwürfe dieser Untersuchung sich tatsächlich erhärten lassen – im Gegensatz zu den bislang völlig beweisfreien Behauptungen der Tamedia-Protestfrauen –, dann dürfte es doch eher eng werden für Marchand.

Das ist dann nicht nur für ihn persönlich eine ganz schlechte Nachricht. Denn sollte sich der SRG-VR zu einem Opfer entschliessen, dann müsste natürlich die Nachfolge für Marchand gleich geregelt werden. Und dessen Stellvertreterin ist – Nathalie Wappler. Damit wäre dann der Weg in eine gloriose TV-Zukunft geebnet.

 

 

 

Totalflop «Play Suisse»

SRG hat ein Streamingangebot. Nur: kein Schwein schaut. Aber wir sind beim Gebühren-TV.

Das kann sich nur ein Staatssender leisten. Pardon, ein Gebührensender mit Auftrag des Service Public. Gratis, versteht sich, oberhalb der Zwangsgebühren. Und auf allen Kanälen, sowie modern und vorne dabei.

Deshalb gibt es seit einem halben Jahr «Play Suisse». Ein Totalflop, der von jedem Sender, der etwas auf die Kohle achten müsste, schon längst eingestampft worden wäre. Mal ein paar Zahlen, um die Relationen zu wahren:

Nummer zwei im Streaming-Angebot in der Schweiz ist Netflix. 1,8 Millionen zahlende Nutzer. YouTube hat 5,5 Millionen. Und «Play Suisse» hat 260’000 Gäste mit Login. Gratis natürlich, als Bestandteil des «service public» der SRG. Ach, was «Play Suisse» eigentlich ist?

«Die neue Streaming-Plattform der Schweiz. Hier finden Sie die  besten Schweizer Filme – ohne zusätzliche Kosten.» Alles ausgewählt, kuratiert, «alles, was Sie dafür benötigen, ist ein Login. Entdecken Sie eine neue Art des Fernsehens.»

Die neue Art des Fernsehens ist bei näherer Betrachtung alt

Neu? Selten so gelacht. Schon beim Login hat sich SRG verstolpert. Denn die Informationen wandern schnurstracks in die USA mit ihren lausigen Datenschutzgesetzen. Weil die SRG zu schmürzelig war, eine eigene Software zu entwickeln – oder in der Schweiz einzukaufen. Lieber eine Bude im Portefeuille von Microschrott.

ZACKBUM hat diesen Skandal aufgedeckt – aber keinen interessiert es. Dabei lohnt sich die Lektüre des Kleingedruckten: «Wir geben Personendaten auch an Dritte beziehungsweise Auftragsbearbeiter weiter, die ihren Sitz nicht in der Schweiz und in Nicht-EU/EWR-Ländern haben.»

Ausser, natürlich, der Nutzer protestiert dagegen. Aber wie soll er das tun, wenn er keine Ahnung hat, was mit seinen Daten passiert? Immerhin, die gute Nachricht ist: die Anzahl Nutzer mit Login ist überschaubar. Sehr überschaubar.

Wer kam denn auf diese tolle Idee? Die «Medienwoche» kolportiert das so: Generaldirektor Gilles Marchand habe eines Tages einen Einfall gehabt: «Ich war überzeugt, dass die Schweiz eine Plattform braucht, die einheimische Serien, Filme und Dokumentationen aus allen Landesteilen an einem Ort vereint».

Wer ist an einem Ort vereint?

Nun, gönnen wir Marchand diese Legende, er hat’s ja auch nicht leicht zurzeit. Da braucht er jedes Erfolgserlebnis. Nur: woher nehmen – und nicht stehlen? Ursprünglich war geplant, diese Plattform zusmmen mit privaten Anbietern aufzubauen. In erster Linie wäre da der Wanner-Clan (CH Media) mit seinen zusammengekauften TV- und Radiostationen in Frage gekommen.

Nur: man konnte sich nicht einigen, damit verabschiedete sich doch ein gröberes Stück der landesweiten Plattform. Denn die 3-Plus-Gruppe überflügelt inzwischen gelegentlich sogar die Einschaltquoten von SRF. «Ein Streaming-Portal zu etablieren, auf das niemand gewartet hat, schafft man nur mit einer gewissen Wasserverdrängung», meint Nick Lüthi in der «Medienwoche» richtig. In den sechs Monaten seiner Existenz verdoppelte Netflix die Zahl seiner zahlenden Gäste. Allerdings auf einem ganz anderen Niveau. Platzhirsch SRG hat rund 4,3 Millionen Unique Users pro Jahr.

Eine lachhaft kleine Zahl. Kaum einer kennt «Play Suisse». Das liegt auch an der grossartigen Idee, diese Streamingplattform nicht in die vorhandenen Internet-Auftritte der SRG einzubinden. Auf der anderen Seite, wenn schon, denn schon, werkeln ganze 17 Vollzeitstellen für ein Angebot, bei dem gilt: kein Schwein schaut.

Zusammenfassung: ein Desaster

Wir fassen zusammen: lausig- fahrlässiger Umgang mit Datenschutz der User. Nischenangebot, kaum einer kennt’s. Aber immerhin gratis, wenn man nichts dagegen hat, dass seine Daten im Netz herumschwirren.

Schön für SRG, dass Wertschöpfung oder Ertrag nun wirklich etwas für private Anbieter ist. Das kann man bei Einnahmen pro Kopf der Schweizer Wohnbevölkerung von 365 Franken im Jahr durchaus verstehen. Wir reden hier von grösseren Beträgen, die schlichtweg verwaltet, verröstet, in langweiliges Sendungsbewusstsein umgemünzt werden.

Aber mal Hand aufs Herz: nur weil der Generaldirektor mal eine Idee hatte, wofür man ihm ja gratulieren möchte, bei dem Gehalt? Für mehr als eine halbe Million im Jahr (mehr als ein Bundesrat) sollte das ab und zu drinliegen. Andererseits: wenn die Idee halt ein Totalflop ist, wieso dann dran festhalten?

Halbe Kiste, aber kein Geld für den Coiffeur?

Ach so, weil’s doch keine Rolle spielt. Wenn die Kostenstellennummern vergeben sind, läuft halt sowas wie geschmiert. Und läuft und läuft und läuft. Steht einsam und alleine im Netz rum, hält immerhin eine Schar von Medienschaffenden in Lohn und Brot. Könnte man auch einfach abschalten, und kaum einem würde es auffallen. Aber wieso auch, der zwangsweise bespasste Gast zahlt doch sowieso.

«Play Suisse»? Wer sucht das? Ohne Lupe?

Ach, und obwohl auch die SRG letztes Jahr einen Millionenverlust einfuhr, ist das doch kein Grund, die happigen Saläre der Teppichetage etwas niedriger zu legen. Ebenfalls ist es kein Grund, an den angeblich «leistungsabhängigen» Lohnkomponenten was zu schräubeln. Wer sich mal an eine halbe Kiste gewöhnt hat, dem würde es schwer fallen, sich mit weniger zufriedengeben zu müssen.

 

Schamlose SRG

Ein Elefant lässt sich nicht so schnell aus dem Tritt bringen. Die SRG ist ein Elefant.

Medienwandel, Spardruck, auch bei der SRG gibt’s Entlassungen? Das «Fallbeil vom Leutschenbach» macht ihrem Übernamen alle Ehre? Der Generaldirektor Gilles Marchand hat die Affäre beim welschen Ableger der SRG, dessen Chef er war, nur knapp überlebt?

Na und? Kein Grund, im Geschäftsbericht für 2020 keine Jubelarien anzustimmen. Schön gemacht, bunt, viele bunte Bilder, Grafiken, Illustrationen. 215 Seiten, alles wunderbar im Staate SRG.

Höchstwahrscheinlich wurde auch die Anzahl weiblicher Mitarbeiter im Foto mit den männlichen korreliert und ins Verhältnis eins zu eins gesetzt. Man könnte höchstens meckern, wieso die anderen ca. 164 offiziellen Geschlechter nicht genügend berücksichtigt wurden.

Ist jemand in einer Gesprächssituation mit anderen fotografiert und trägt keine Maske, dann wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass diese Aufnahme vor Corona gemacht wurde. Also korrekter, transparenter und ausgewogener kann so ein GB nicht erstellt werden.

Ab Seite 114 widmet sich der SRG-GB den «Mitarbeitenden», genauer «unserer Verantwortung für die Mitarbeitenden». Frauenförderung, prozentuale Vertretung weiblicher Mitarbeiter, Lohnspanne (unter 1 zu 10!), alles transparent, alles paletti.

Irgendwann geht es um Kohle, natürlich

So robbt man sich auf Seite 130 vor; «Vergütung Verwaltungsrat SRG» und Vergütung der Geschäftsleitung. Auch hier herrscht Transparenz. Die Total Compensation wird aufgeführt, man muss nicht wie bei Banken auf den 650 Seiten noch alle versteckten Incentiv- und Bonus-Programme finden und dazuzählen.

Der VR-Präsident verdiente 2020 für ein 50-Prozent-Pensum 153’300 Franken, ein VR für ein 20-Prozent-Pensum 45’428 im Schnitt. Medienprofis wie die Leser hier können sicherlich alle Namen ohne zu stocken aufsagen, nicht wahr?

Der Generaldirektor Gilles Machand kassierte 532’857 Franken, die übrigen GL-Mitglieder rund 390’000 Franken im Schnitt. In den Geschäftsleitungen der Unternehmenseinheiten waren es rund 260’000 im Schnitt. Ist das viel, ist das wenig, ist das zu viel?

Es ist auf jeden Fall elefantös. Denn in dieser Einkommensklasse hat die Höhe des Salärs nur mehr sehr wenig mit der Leistung zu tun. Genauso wenig wie in der Führungsetage von Banken. Es geht hier auch um Statussymbol, um das Signal: wir sind das auch wert. Allerdings: wie bei Banken ist es natürlich so, dass es Gebrüll gibt, wenn das Ergebnis schlecht ausfiel, gespart und entlassen wird, während auf der Teppichetage jede Menge Flops geboren und gesäugt werden.

Wieso sollen Elefanten sensibel reagieren?

Da könnten sich Mitarbeiter, Öffentlichkeit und Politik eine etwas sensiblere Reaktion vorstellen als: Ich, Lohnverzicht? Gohts no? Schliesslich habe auch jeder Mitarbeiter grosszügig eine Extra-Geschenk von 200 Franken erhalten. Richtig, fürs grosse Engagement, und macht Euch eine schöne Woche damit. Nun ja, einen schönen Tag. Oder vielleicht halt eine schöne Stunde.

Vorbild? Selbst weisse Weste Urs Rohner verzichtete bei der Credit Suisse auf seinen Bonus? Na und, wir sind hier doch bei einem Staatsbetrieb. Pardon, bei einem gebührenfinanzierten, staatsunabhängigen Sender. Da ist der Geschäftsgang doch sowieso nicht dermassen wichtig. Gewinn, Verlust, was soll’s. Also muss doch auch bei den Gehältern ganz oben gelten: was soll’s.

Das ist letztlich so wie früher bei einer GV einer Grossbank. Die vorne anwesenden Mitglieder der GL und des VR wussten: das kann ein langer Tag werden, bis sich der letzte Kleinaktionär ausgeschimpft hat. Trotz Redezeitbeschränkung und allem. Aber: einmal im Jahr, normalerweise, es geht vorbei. Und dann kann man sich wieder darum kümmern, wie man all das viele Geld, dass man zwar nicht verdient, aber kassiert, ausgibt.

Und bei der SRG? Falsches Signal, Leistung muss sich lohnen, Sozialneid, verdient ist verdient? Mag alles sein. Nur: so als Geste 10 Prozent des dann immer noch üppigen Einkommens, ach, damit die Kaviarbüchsen nicht kleiner werden müssen, 5 Prozent des Jahreslohns in einen Solidaritäts-Irgendwas-Fonds? Nützt nix, bringt nix, Symbolpolitik? Auch das mag alles sein.

Aber es würde dem Image, Renommee, dem Vertrauen und vielen anderen positiven Dingen sehr gut tun. Aber Elefanten nehmen solche Mückenstiche nicht einmal wahr. Genauso wenig, wenn sie mit dem Hintern das wieder einreissen, was sie mit dem Rüssel aufzubauen versuchen.

Im Gegensatz zu Elefanten haben aber alle Mitglieder der obersten Führung die Befähigung zur Selbstreflexion. Sie können ihre Wirkung analysieren. Sogar, wirklich wahr, selbstkritisch werden. Einsicht zeigen (nicht heucheln). Können, könnten, sollen, sollten. Hätte, hätte, Fahradkette, wie Nathalie Wappler sicher in Deutschland gelernt hat. Und Scham gehört nicht zu den Kernkompetenzen von Menschen, die sich bis nach oben durchgeboxt haben.

 

 

Das «Päckli» von Gilles Marchand und Nathalie Wappler

Die SRG schweigt Sexismusdebatte im eigenen Magazin tot.

«link» heisst das Mitarbeiter- und Mitgliedermagazin von der SRG Deutschschweiz. Der Namen ist wohl abgeleitet vom englischen «link» für Verknüpfung. Oder «Das Glied einer Kette». In der aktuellen Dezemberausgabe ist das «Glied» – um diese zugegebenermassen mittel originelle Brücke zu schlagen – aber in keinerlei Hinsicht ein Thema. Obwohl die SRG-Führung wegen dem Star-Moderator Darius Rochebin vom Westschweizer Fernsehen (RTS) und seinen im Raum stehenden sexuellen Übergriffen arg unter Druck steht. Was viele SRG-Mitarbeitende beschäftigt, wird totgeschwiegen. Doch der Reihe nach.

«Keine Kenntnis gehabt»

Rochebin soll seine berufliche Stellung und sein Ansehen ausgenutzt haben, um zu Sex zu kommen. Ein weiterer Kadermitarbeiter sei ebenfalls übergriffig geworden, und «alle hätten davon gewusst». Darum forderten 550 Mitarbeitende von RTS, immerhin gut ein Drittel der ganzen Belegschaft, in einer Petition die Absetzung der beiden Kaderleute und eine externe Untersuchung. Und was hat das mit der SRG zu tun? Der heutige SRG-Generaldirektor Gilles Marchand war von 2001 bis 2017 RTS-Direktor. Gegenüber watson.ch sagte die SRG-Medienstelle, Marchand habe von den falschen Facebook-Profilen Rochebins, nicht jedoch den Vorwürfen der sexuellen Belästigung Kenntnis gehabt. Sein Nachfolger als RTS-Direktor habe im Herbst 2017 «Massnahmen gegen Rochebin bezüglich der Einhaltung der Berufsregeln» ergriffen, über die Marchand informiert worden sei. Nun fordern kritische SRG-Angestellte und Mediengewerkschaften gar den Rücktritt von Marchand.

Ladina Heimgartner als Nachfolgerin?

Felix E. Müller gab kürzlich in der NZZaS noch einen drauf und brachte Ladina Heimgartner als Nachfolgerin ins Spiel. Sie ist seit gut einem Jahr bei Ringier, vorher arbeitet sie lange bei der SRG. Sie hat einige Vorteile gegenüber Marchand. Sie ist eine Frau, sie ist in der rätoromanischen Schweiz aufgewachsen. Und sie ist erst 40-jährig. Das ideale Alter, um den angestrebten «Transformationsprozess» der SRG auch durchzuziehen. Sprich, mehr digital, weniger Gewicht auf linear ausgestrahlte Sendungen.

«Lassen Sie mich das erklären»

Aber was hat das nun mit dem SRG-Heftli zu tun? Viel und nichts. Denn das Thema Rochebin-Sex-Marchand ist auch in Leutschenbach allgegenwärtig. Viele Mitarbeitende sind sauer, wie die SRG und demzufolge auch SRF das Problem angehen. Man bekommt den Eindruck, wie wenn die Chefs einander decken wollten. Aussitzen lautet die Devise. Dass in den nächsten Wochen Kündigungen anstehen, spielt dem Kader sicher in die Karten. Wer will schon aufmucken, wenn seine Stelle in Gefahr ist? In diese Strategie des Schweigens und Aussitzens passt nun eben die neuste Ausgabe von «link». Kein Wort über das Rochebin-Thema. Kein Wort. Dafür schreibt SRF-Direktorin in salbungsvollen Worten viel und doch wenig Konkretes über das «Transformationsprojekt SRF 2024». «Lasen Sie mich das Prinzip der Transformation am Beispiel der Volksmusik erklären», schreibt die Chefin etwa. Gestelzter geht fast nicht. Und das in einem Mitarbeiterheft, einem internen Produkt von und für Mitarbeitende. Theoretisch. Immerhin erfährt der Laie nebenbei, dass bei SRF heute weniger als 10 Prozent «unserer Mittel ins Onlineangebot fliessen, in einem Jahr sollen es etwa 20 Prozent sein.» Der Verlegerverband wird sich freuen.

Wie eine Programmzeitschrift

Was bleibt sonst vom «link»? Das Heft wirkt wie eine Programmzeitschrift. Der Text «Play Suisse» könnte auch im «Tele» stehen. Ebenso wie die Rubrik «Neu im Programm». Dafür kommen porträtierte Mitarbeiter eher zu kurz. Das Heft wirkt ziemlich unpersönlich, ja fernab von der Basis. Da ist das von zackbum.ch auch schon kritisierte Ringier-Blatt Domo noch um einiges menschlicher. Doch hier wie dort zeigt sich, dass die Chefs das letzte Wort haben. Darum ist im «link» kein Wort zum Thema Sexismus und Darius Rochebin zu finden.

In einer ersten Version wurde «link» als Mitarbeitermagazin bezeichnet. Das stimmt nicht ganz. Es richtet sich neben den Mitarbeiteiterinnen und Mitarbeitern auch an die Mitglieder der SRG. Die Auflage beträgt gut 16000 Exemplare.