Schlagwortarchiv für: Gesinnungsjournalismus

Wenn die NZZ rot sieht,

dann brennen immer noch die Sicherungen durch.

Lucien Scherrer neigt dazu, die Splitter in den Augen der anderen, aber den Balken im eigenen, bzw. in seinem Blatt, nicht zu sehen. Aber gut, welcher Journalist lässt sich schon gerne an sein dummes Geschwätz von gestern erinnern.

Scherrer will sich ganz allgemein als Medienkritiker etablieren, und diesmal hat er sich ein eher fernes Blatt vorgenommen. Fern ist immer gut; da muss man weniger mit Gegendarstellungen und Vorkenntnissen der Leser rechnen.

Seinen Unmut hat diesmal die «Berliner Zeitung» erregt. Die hat nun eine schillernde Geschichte und einen ebenso schillernden Verleger. Holger Friedrich hat das Blatt nach x-fachem Besitzerwechsel im September 2019 gekauft. Er selbst ist ein Selfmade-Millionär mit kurviger Vergangenheit und kantigen Meinungen.

Darüber kann sich jeder sein eigenes Bild machen, wenn’s beliebt. Solche Differenzierungen sind Scherrer hingegen wurst. Er behauptet kühn:

«Im angeblichen Bemühen, unvoreingenommen zu berichten, machen sie sich zu nützlichen Idioten von Diktaturen.»

Also sei Friedrich ein nützlicher Idiot von Diktaturen, genauer von denen in Russland und China. Steile These. Sie ist ungefähr so absurd, wie wenn man die NZZ als nützlichen Idioten der US-Militärpolitik bezeichnen würde, nur weil ihr oberster Oberst, der kälteste aller kalten Krieger Georg Häsler, ständig staubtrockenen Unsinn aus dem militärischen Sandkasten auf seinem Kommandopult in der Redaktion schaufelt.

Nun hat Scherrers besonderen Unmut erweckt, dass Friedrich an einer Marxismus-Konferenz in Peking teilgenommen hat. So wie ständig Redaktoren der NZZ (und von anderen Blättern) an Konferenzen von liberalen, politischen, transatlantischen Think Tanks und Organisationen teilnehmen. Was erlaubt und nicht allzu selten interessant ist. Dass die NZZ keinen Korrespondenten an diese Konferenz in Peking entsandte, sei ihr nachgesehen.

Ob sie es sich allerdings nicht verbitten würde, wenn ihr Korrespondent (da gibt es auch Beispiele von NZZ-Herrenreitern) so charakterisiert würde? «Er (Friedrich, Red.) ist Millionär und fährt Ferrari, pflegt aber eine offene Bewunderung für Sarah Wagenknecht und den letzten DDR-Staatschef Egon Krenz.»

Der ehemalige Feuilletonchef der «Zeit» Fritz J. Raddatz war kein Millionär, fuhr aber Porsche und wurde ebenfalls in der DDR sozialisiert, was ihn für diese Position nicht disqualifizierte.

Nun kommt Scherrer kurz zu einer vergifteten Lobeshymne: «Seine Zeitung will Friedrich als Debattenblatt positionieren, sie soll auch Meinungen abbilden, die der «Mainstream» ignoriert. Eigentlich ist das ein interessantes Konzept.» Immerhin, aber: Er «will vermitteln, unterzeichnet «Friedensmanifeste» und betätigt sich als eine Art Diplomat, der an Botschaftsempfängen und Konferenzen teilnimmt. Deshalb erscheint er als Akteur in seiner eigenen Zeitung, oder er schreibt gleich selber über seine Erlebnisse.»

Friedrich hat, wie fast eine Million andere (auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer), das Friedensmanifest von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht unterzeichnet, was wohl sein gutes Recht ist. Ebenso wie die Teilnahme an Empfängen und Konferenzen.

Dann nimmt Scherrer den Knüppel hervor: «Auch wenn Friedrich Sympathien für Despoten wie Wladimir Putin abstreitet, publiziert seine Zeitung immer wieder Beiträge, in denen es mehr um Verdrehungen und Schönfärberei geht als um andere Sichtweisen.» Nun ja, in dieses Zerrbild Scherrers passt zum Beispiel dieser Artikel nicht: «Wladimir Putins Jahreskonferenz war eine sterbenslangweilige Märchenstunde». Aber auch Scherrer frönt dem dummen Prinzip: never let the truth spoil a good story.

Es geht noch schlimmer: «Im Fall China wird die Vermischung von Journalismus und Propaganda noch deutlicher. An der Konferenz der «modernen Marxisten» in Peking war Holger Friedrich als Gast vor Ort, laut einer Fussnote unter seinem Artikel in der «Berliner Zeitung» hielt er auch ein Referat.»

Um beurteilen zu können, wie Friedrich über diese Konferenz berichtet, müsste man seinen Artikel lesen können:

Der steht allerdings hinter der Bezahlschranke, wodurch Scherrer annimmt, dass keiner der Leser seiner Philippika überprüfen kann, ob seine billige Polemik etwas mit dem Inhalt zu tun hat oder nicht. Ihnen sei versichert: nicht.

Friedrich referiert sachlich und unaufgeregt über die Themen: «Die chinesische Administration hatte zu dieser außergewöhnlichen Konferenz geladen. Das Vorhaben bestand darin, über Stand und Ausblick sozialistischer Konzepte zu diskutieren. Veranstaltet und organisiert wurde die Tagung vom Institut für Marxistische Studien, dem Thinktank der Kommunistischen Partei Chinas. Vom 28. bis 30. November fanden sich in Peking 80 Vertreter aus 34 Ländern ein

Scherrer könnte nun vielleicht eine Zusammenfassung liefern, worüber dort debattiert wurde. Stattdessen bemängelt er lieber, worüber nicht gesprochen wurde: «Dass China Länder wie Taiwan und die Philippinen bedroht, war offenbar kein Thema, zumindest ist bei Holger Friedrich nichts darüber zu lesen.» Zudem fehlte eine kritische Würdigung des Uiguren-Konflikts.

Aber irgendwie verspürt Scherrer, dass er sich mit seiner Schmierendarstellung auf rutschigem Eis bewegt und ruft die Kollegen aus Deutschland zu Hilfe: «Der Beitrag hat in deutschen Medien für Häme gesorgt. Die «Frankfurter Allgemeine» ätzte über «Journalismus, wie er in China praktiziert wird» – und warf Friedrich vor, mit dem Regime zu sympathisieren. Ob dieser (Friedrich, Red.) bloss naiv ist oder ob er sich aus politischer Überzeugung instrumentalisieren lässt, bleibt offen. Sein an Parteizeitungen wie die «Peking Rundschau» erinnernder Bericht passt jedenfalls zu jenem «antiimperialistischen» Weltbild, das der ehemalige DDR-Bürger Friedrich wiederholt offenbart hat

Ehemaliger DDR-Bürger? Soll ihm mit diesem üblen Tritt in die Vergangenheit unterstellt werden, Friedrich trage immer noch die Wurzeln seiner sozialistischen Sozialisierung mit sich? Sei sozusagen geographisch kontaminiert? Und belegt eine Polemik der FAZ irgendwie die Richtigkeit der Polemik von Scherrer? «Die haben auch gesagt», wie tief kann einer sinken.

Nachdem sich Scherrer so übel wie oberflächlich an Friedrich abgearbeitet hat, kann er sich am Schluss einen Schlenker in die Nähe nicht verkneifen. Nach Friedrich muss natürlich noch der zweite Verleger hinhalten, dessen Haltung Scherrer überhaupt nicht passt. So werde «berechtigte Kritik an westlicher Machtpolitik» als Vorwand genommen, «um diktatorische Regime zu verteidigen. Zu sehen ist das im Magazin «Weltwoche», das wiederholt Putins Verbrechen relativiert und «Journalismus» im Sinne der KP Chinas betrieben hat. Ähnlich wie Holger Friedrich versucht der Verleger Roger Köppel solche Beiträge zu rechtfertigen, indem er betont, man müsse auch «andere Sichtweisen» zulassen».

Versucht zu rechtfertigen? Wieso versucht? Scherrer selbst hingegen hat das nicht nötig. Er antwortet erst mal gar nicht auf Anfragen von ZACKBUM, womit er natürlich seine überlegen-liberale Haltung zum Ausdruck bringt.

Die NZZ bleibt weiterhin ein Leuchtturm im deutschsprachigen Journalismus. Allerdings häufen sich doch die blinden Flecken auf der Linse. Qualitätskontrolle, Ausgewogenheit, der Versuch, auch abweichenden Meinungen oder Positionen wenigstens gerecht zu werden, andere Meinungen zuzulassen und kritisch zu würdigen – das ist Scherrers Sache nicht.

Die «Berliner Zeitung» hingegen hat eine Einrichtung, die auch der NZZ zur Ehre gereichen würde:

Der NZZ kann man hingegen nicht vorwerfen, dass sie deutlich abweichende Meinungen zu Wort kommen lassen würde. ZACKBUM kann dafür aus eigener Erfahrung Beispiele liefern.

Einbetoniert in Vorurteile und die unfehlbare eigene Meinung dummschwätzen, verbale Gesteinsbrocken aus der Schiessscharte des reinen Gesinnungsjournalismus werfen – was das mit intelligenter Wirklichkeitsbeschreibung zu tun haben soll? ZACKBUM muss sich wiederholen: NZZ, quo vadis?

Wumms: Andreas Tobler

Talentfrei keilen. Muss man können.

Konzernjournalist Tobler mag es faktenfrei und meinungsstark. Sei es als tiefergelegter Frauenversteher, sei es, um in einem Brachial-Porträt den Chefredaktor eines Konkurrenz-Organs niederzuschreiben, den er schon vor Amtsantritt als untauglich bekrittelte.

Nun arbeitet er sich am Komiker Marco Rima ab:

Dem obrigkeitshörigen Verbeller von allem Unbotmässigem ist Rima schon länger unangenehm aufgefallen. Spätestens, seit der sich als mutiger Kritiker von Corona-Massnahmen positionierte, kann ihn Tobler nicht mehr leiden.

Nun hat Rima ein Kinderlied neu vertont. Dessen Original-Titel kann der woke Tobler gar nicht aussprechen oder niederschreiben:

«Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert über die «Zehn kleinen …» (Sie wissen, wie es weitergeht)».

Würde Tobler das Wort «Negerlein» verwenden, müsste er anschliessend den Mund ausspülen und die Finger desinfizieren und sich Gendersternchen auf die Stirn tätowieren.

Rima macht sich im Musikvideo über alle modernen Unarten von Toblers Gesinnungsgenossen lustig. Daher tritt Rima als er selbst, mit Blackfacing, mit Rastalocken und als Indianer auf.

Um seinen Abscheu darüber zum Ausdruck zu bringen, schreibt Tobler über sich selbst: «Mit der Bewirtschaftung von Reizthemen will er sich im Gespräch halten. Er arbeitet also an der Vergrösserung seines Selbst, wie viele, die in die Öffentlichkeit drängen – ausgestattet mit einer grossen Portion Gratismut.»

Erstaunlich, zu welch tiefen Erkenntnissen Tobler über Tobler kommt: «Aber letztlich ist er nichts anderes als das Maskottchen vorgefasster Meinungen.» ZACKBUM würde bei Tobler eher den Begriff Hampelmann verwenden.

Hampelmann vorgefasster Meinungen, his master’a voice, immer bereit, talentbefreit den woken Gesinnungsjournalismus zu bedienen. Er bringt es sogar fertig, die Verbindungen Schweizer Linksradikaler mit dem internationalen Links-Terrorismus in einem Buch nachzuzeichnen – ohne die Rolle auch nur mit einem Wort zu erwähnen, die dabei der ehemalige Tagi-Chefredaktor Res Strehle spielte. Noch 1984 war der Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution».

Solange Tobler bei Tamedia schreiben darf, weiss man, dass die Qualitätskontrolle in Zwangsferien ist.

 

Unsere Tugend-Taliban

Das ist kein Kalauer, sondern echte Besorgnis

Eine masslose Übertreibung, zugespitzt, überspitzt? Keineswegs. Im verzweifelten Versuch, die Lufthoheit in der öffentlichen Meinungsbildung zu behalten, sind inzwischen fast alle Mittel erlaubt. Alle, von denen wir uns mühsam in den letzten Jahrhunderten getrennt haben.

Zunächst die fallengelassene Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung. Wer Ansichten äussert, die anders, provokativ, vielleicht sogar falsch sind, von fehlenden Kenntnissen zeugen, der sollte auf Widerrede stossen. Auf Gegenargumente.

Stattdessen werden angebliche Haltungen, Auffassungen, die ganze Wesensart kritisiert. Nach dem primitiven Muster: Wer das sagt, ist (hier kann Rassist, Hetzer, Populist, Unmensch, Kommunist, Faschist oder was auch immer eingesetzt werden). Vermeintlich werden damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es müssen keine Gegenargumente gesucht, der so Kritisierte kann aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden.

Dann der Rekurs auf angeblich unbezweifelbare Werturteile. Der fatale Ersatz von richtig oder falsch durch gut oder böse. Es gibt keine Letztbegründung für moralische Werturteile; wer das Gegenteil glaubt, könnte sich gleich für die Wiedereinführung der Inquisition stark machen.

Statt echten Problemen Sprachreinigung

Als Drittes die Dialogverweigerung, wenn der andere nicht aus sogenannter persönlicher Betroffenheit sprechen kann. Nur Schwarze dürfen ermessen, was Rassismus gegen Schwarze ist. Nur waschechte Mexikaner dürfen einen Sombrero tragen, sonst ist das kulturelle Aneignung. Nur Frauen dürfen mitreden, wenn es um Feminismus oder um die Unterdrückung durch patriarchische Strukturen geht.

Dann wird einer Wehleidigkeit und Sentimentalität gefrönt, die in den übelsten Zeiten der Innerlichkeit nicht vorhanden war, als ein zu lautes Wort schon zu Tränen führen konnte. Moderner sind das Mikroaggressionen, kleinste Verletzungen des Wohlbefindens. Wobei nur und ausschliesslich der Verletzte das Recht hat, das zu beklagen. Der Täter kann sich niemals herausreden, indem er behauptet, dass da gar keine Verletzung sichtbar wäre.

Hinzu kommt die wohlfeile Verlagerung von eingebildeten oder echten Problemen auf Sprachprobleme. Männersprache, weisse Sprache, Unterdrückersprache, hier muss ausgemistet werden, am falschen Wort erkennt man die falsche Meinung, dahinter die falsche Haltung. Also hinweg mit dem Wort. Oder hinweg mit der angeblich männlich dominierten Syntax und Grammatik, auf zur Verunstaltung der Sprache, wie sie nicht einmal Orwell erahnte.

Geradezu faschistisch ist das Bedürfnis nach Reinigung. Der Ausmerzung von allem Schlechten. Vor allem dort, wo sich keiner mehr wehren kann: in der Vergangenheit. Filme, in denen gequalmt wird, was die Lunge hergab: zensieren oder verbieten. Anstössige Textstellen, auch in Klassikern der Weltliteratur: ausmerzen oder mindestens mit Kommentaren und Warnhinweisen versehen.

Denkmäler stürzen wie bei Bilderstürmen

Und schliesslich kulminiert dieser Wahn im Bildersturm, in der Forderung, Denkmäler zu stürzen, Plätze und Strassen umzubenennen. Wenn Namen von angeblichen Rassisten, Befürwortern der Sklaverei, von Generälen der falschen Seite, also den Verlierern, das Auge des sensiblen Betrachters beleidigen.

Thomas Jefferson soll unsterbliche Zeilen über fundamentale Menschenrechte formuliert haben? Mag sein, aber er war ein verdammter Sklavenhalter, weg mit ihm. Platon soll irgendwelche Sachen über Philosophie gesagt haben? Aber auch er hatte Sklaven, und dann die Knabenliebe, weg mit ihm. Karl Marx soll ein paar interessante Sachen über die Ökonomie herausgefunden haben? Aber war der nicht Antisemit, und dann hatte er auch noch ein Verhältnis mit seiner Dienstmagd. Weg mit ihm.

Der Rütlischwur der drei Eidgenossen? Gab’s den wirklich, und wieso war kein Schwarzer dabei, auch keine Frau? Rassisten und Patriarchen, weg damit.

De Pury, Agassiz, Escher, General Guisan, ja selbst Dunant, Pestalozzi oder Rousseau hatten bei genauerer Betrachtung dunkle Flecken auf der weissen Weste. Weg damit. Gandhi? Ein übler Rassist. Wo soll dieser Wahnsinn enden? Im Wahn, aber niemals in einer sinnvollen Verbesserung des Menschen, der Welt oder der Geschichte.

Aber auf dem Irrweg dorthin sollen die wenigen Errungenschaften, die uns aufgeklärte Europäer vor Finsternis, Dummheit, Glaubensdoktrinen als Ersatz für Erkenntnisse, vor dem Rückfall in absolutistische Zeiten, in Meinungsterror schützen, wieder über Bord geworfen werden. Dagegen muss sich jeder wehren. Mit allen Mitteln. Mit aller Stimmkraft. Denn so lieb und sensibel nur um die Förderung des Besseren bedacht diese intellektuellen Terroristen auch daherkommen: Sie sind unsere Tugend-Taliban, nur ohne Bart und Turban.