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Ein Mops kommt selten allein

Kopflose Satire, Dauerfeuer und andere Aufregungen. Es wird gemopst, gekeift und gefuchtelt.

In der öffentlichen Debatte schenkt man sich nichts. Vor allem, wenn es nicht mehr um inhaltliche Auseinandersetzungen geht, sondern um gegenseitiges Fertigmachen. Dabei kann man dann irgendwann nur noch Stilnoten verteilen oder eine Bewertung von Erfolg, bzw. Misserfolg vornehmen.

Im Schlachtgetümmel, das sind die Nebel des Krieges, ist schnell nicht mehr ersichtlich, was Ursache, was Wirkung, was Anlass, was Reaktion ist. Sobald der Deckel vom Topf fliegt und das Gebräu überkocht, ist das Thema Erkenntnisgewinn durch Debatte erledigt.

Tölpelei, Heuchelei, Unterstellungen, Unter- und Übergriffe, alles erlaubt, alles gern genommen. Dann wird einfach geholzt, gerempelt und die Blutgrätsche mehr oder minder elegant praktiziert.

Selten gibt es parallel zwei Beispiele dafür, bei denen vor allem unglaubliche Heuchelei auffällig ist. Zum einen regt sich Tamedia – zu Recht – über eine idiotische Karikatur eines anonymen Organs namens «megafon» auf. Das wiederum hatte sich über eine Bemerkung einer Tamedia-Journalisten aufgeregt, die häufiger mit Todesmetaphern arbeitet.

Man darf nicht alles. Freiheit muss Grenzen haben

Nun darf ungeniert geprügelt und gehauen werden, verbal und auch im Bild. Ausser, man verstösst dabei gegen Gesetze. Ob es gegen Sachen oder Personen geht: nicht alles, was dem Autor Spass macht, ist erlaubt. Die Bank X ist eine kriminelle Vereinigung – geht nicht. Person Y ist ein verlogener Betrüger – geht nicht.

Allerdings sind die Gesetze unvollkommen und auslegungsbedürftig. Wer sich einen guten Anwalt leisten kann, ist im Vorteil. Wer das durch Cleverness, Geschick, Verschleierung, Umschreibung ersetzt, auch. Wer primitiv holzt, kracht meistens früher oder später an die Bande der Grenzziehung durch entsprechende Artikel in den Gesetzbüchern.

Zum einen – anonym macht mutig – zeigte ein Kollektiv aus dem Umfeld der Berner Reitschule, dass man nicht in Windeln und kurzen Hosen bei den Grossen mitspielen sollte. Vor allem, wenn man die Spielregeln nicht beherrscht. Also desavouierten die eine durchaus bedenkenswerte Kritik an einer Formulierung durch einen schlichtweg brunzblöden Karikaturversuch. Nicht minder dumm solidarisierten sich einige Verwirrte, meistens ebenfalls anonym, mit dieser Geschmacklosigkeit, darunter auch die grosse Kämpferin gegen Hate Speech im Internet, Jolanda Spiess-Hegglin.

The Empire strikes back, of course

Daraufhin schlug das Tamedia-Imperium zurück und skandalisierte die Karikatur. Das rief natürlich politische Gegner der ganzen Reitschule-Veranstaltung auf den Plan, darunter so leuchtende Gestalten der gepflegten politischen Auseinandersetzung wie den SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Der hofft, dass durch diese positive Erwähnung seine Feindin Spiess-Hegglin staatliche Subventionierung gestrichen bekommt, «dafür sorge ich persönlich» droht er.

Keiner zu fein, Mops zu sein.

Andere, wie der SVP-Nationalrat und Chefredaktor der «Weltwoche» Roger Köppel, benützen die Gelegenheit, von symbolisch geköpften Journalisten zu real geköpften eine Blutlinie zu ziehen und damit die Urheber der Karikatur zu diskreditieren. Nach längerem Brüten wirft sich auch der Oberchefredaktor von Tamedia in die Wirtshausschlägerei und kündigt eine Strafanzeige an. Allerdings dachte auch er nicht lange genug nach und donnerte am Schluss seines rund 60 Stunden post festum veröffentlichten Kommentars, dass es sich hier um linke Volksverhetzung handle.

Den Zusatz «wie wir sie bei Rechtsextremen erwarten und wie wir sie eigentlich seit 1945 bei uns überwunden glaubten», streicht der Schriftleiter schnell wieder aus seinem Kommentar, nachdem ihm offenbar bedeutet wurde, dass das nun doch zu bescheuert sei.

Das «megafon» hatte schnell die Karikatur gelöscht und sich dafür bei der Betroffenen entschuldigt. Allerdings können es die anonymen Schreibtischtäter nicht lassen, mit einer länglichen «Stellungnahme» nochmals ihren Standpunkt zu verdeutlichen.

«Vorgeschichte, satirischer Flügel, hätte erledigt sein können, aus dem satirischen Kontext gerissen, eskaliert, irreführend».

Selbstgerechtes Gejammer über eine Geschmacklosigkeit, die auch durch Löschung nicht aus der Welt geschafft werden kann. Plus breitbeiniges Gehabe: «Der Strafanzeige des 935 Millionen schweren Medienkonzerns schauen wir mit Gelassenheit entgegen. Wir vertrauen darauf, dass die Satirefreiheit in der Schweiz auch für misslungene Werke gilt.»

Keiner zu klein, mopsig zu sein.

Gut, sie haben’s immer noch nicht kapiert, aber was soll’s. Zusätzlich für Verwirrung sorgten natürlich wilde Ausflüge in die Thematik «was darf Satire?». Gelehrtere Klugscheisser verwiesen auf Kurt Tucholsky, andere brachten «Charlie Hebdo» ins Spiel, man solidarisierte sich, brachte seinen Abscheu zum Ausdruck, verstieg sich in Verästelungen und Nebenschauplätze – wie üblich halt, wenn haltlose Intellektuelle schlaumeiern wollen. Verbale Gewalt, reale Gewalt, Anstand oder Freiheit, Klein gegen Gross, links gegen rechts. Schiessscharte auf, Feuer, Schiessscharte zu. Ungefähr so sinnvoll wie die Schlacht bei Verdun.

Kopf ab furchtbar, Theatermord entschuldbar

Gleichzeitig feuerte aber ausgerechnet Tamedia selbst aus allen Rohren gegen einen SVP-Posseli, der fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Ausdruck «Feuer frei!» verwendet hatte. Mit viel bösem Willen liess sich daraus konstruieren, dass er damit provozieren könnte, dass jemand diese Aufforderung ernst und wörtlich nehme. Erschwerend komme noch hinzu, dass sich ein SVP-Regierungsrat davon doch tatsächlich nicht «distanziere», dieser als Biedermann verkleidete Brandstifter.

Dass im gleichen Organ ein sogenannter Kulturredaktor auch schon einen Mordaufruf gegen Roger Köppel als im Kontext zu verstehenden «Theatermord» verniedlichte, das ist schon längst aus dem Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit gefallen. Aber angesichts dieser Heuchelei bei Tamedia erscheint die Haltung des «megafon» zumindest einigermassen reflektiert.

Falls die dort tätigen «Redaktor*innen» allerdings mal aus den Windeln herauswachsen wollen, sollten sie sich das zu Herzen nehmen: wenn man einen Stink gemacht hat, dann sollte man ihn – sobald dazu in der Lage – so schnell wie möglich wegräumen. Den Raum lüften und aufs Vergessen hoffen. Aber nicht noch weiter drin rumrühren, die Wände damit beschmieren und markig «Gelassenheit» markieren. Vielleicht könnte auch helfen:

  • Masse mindert Moral. Anonymität mehrt feigen Mut.

Wer wenigstens mit seinem Namen hinter seinen öffentlichen Aussagen steht, überdenkt sie vielleicht das Sekündlein länger, das dann ausreicht, um noch rechtzeitig den Weg zur Kloschüssel statt ins Netz zu finden.

Es darf gelacht werden: Feuer frei!

Knellwolf, übernehmen Sie! Es gibt noch mehr Gefahr, die von dieser Aufforderung zur Gewalt ausgeht.

Alles ist relativ. Ein SVP-Politiker, der sich nicht unbedingt nationaler Bekanntheit erfreut, verwendete in einer rund 100 Nasen umfassenden Chatgruppe den Spruch «Feuer frei!», um zur Gegenwehr gegen eine Forderung des Bundesamts für Gesundheit aufzurufen.

Das zwirbelte das Blatt der sensiblen Gewaltfreiheit zur Coverstory hoch und warnte in insgesamt drei Artikel davor, dass das brandgefährlich sei. Solche virtuellen Aufrufe könnten schnell real missverstanden werden, und dann könnte auf das BAG geschossen werden. Mit echten Kugeln.

Aber Thomas Knellwolf als ehemaliger Recherchier-Journalist hat natürlich nur an der Oberfläche gekratzt. Da wäre zum Beispiel die deutsche Band «Rammstein» mit ihrem Song «Feuer frei!». Schockierend: der wurde alleine auf YouTube bislang rund 140 Millionen (!) Male aufgerufen. Fast 600’000 Fans gaben ihm ein Daumen hoch.

Bitte nicht nachmachen: Videoclip von «Rammstein».

Wenn man sich vergegenwärtigt, was für ein Gewaltpotenzial hier wie Magma unter der Oberfläche brodelt: Knellwolf, es besteht dringlicher Handlungsbedarf. Das ist Faktor 1,4 Millionen mal mehr Gefährdungspotenzial als beim Aufruf zur Gewalt der SVP!

Hemmungslose Feuerorgie auf der Bühne. Ist das noch Kunst?

Es ist ja nicht nur der Schiessbefehl im Titel des Songs, auch das Lied selber enthält genügend Munition, um einem Knellwolf die Schweissperlen der Angst auf die Stirne zu treiben:

Wann fallen die ersten Schüsse, bei diesen Songzeilen?

Es ist bedauerlich, dass man einem so ausgewiesenen Recherchier-Journalisten weitere Fundstücke nachtragen muss:

Ein gut getarnter Aufruf zur Gewalt. Anleitung für Pyromanen.

Zumindest die Webseite im Aufbau könnte noch durch ein beherztes Eingreifen von Tamedia verhindert werden; dass selbst die NZZ, ja gar der Limmattaler mit dem Feuer spielt, ist so bedauerlich wie traurig; es wirft ein Schlaglicht auf den Sittenzerfall in unserer Gesellschaft, der nicht erst gestern begonnen hat.

Vielleicht könnte Tamedia – mit oder ohne Knellwolf – sein Recherche-Desk endlich mal für etwas Konstruktives einsetzen. Statt sinn- und zwecklos gestohlene Geschäftsunterlagen durchzuflöhen und absurd übertriebene Behauptungen aufzustellen, auf welche Abgründe man da wieder gestossen sei, wäre es doch verdienstvoll, der Gewalt im Internet den Kampf anzusagen.

«Feuer frei!» gegen «Feuer frei!», sozusagen. Die Folgen wären so unabsehbar wie segensreich. Endlich würde ein alter Traum wahr, Tamedia würde ein bisschen Frieden in die Welt bringen:

Damit ihr Traum endlich wahr wird …

Denn das bewegende Lied von Nicole ist bislang nur 6,5 Millionen mal aufgerufen und magere 32’000 mal gelikt worden. Das muss besser werden, damit die Welt eine bessere wird.

Alle können noch dazulernen

Aber nicht nur Knellwolf, auch sein oberer Vorgesetzter kann noch dazulernen, wie mehr Friede und weniger Feuer in die Welt kommt. Denn Arthur Rutishauser hat nach zweitägigem, vertieftem Nachdenken herausgefunden, dass eine kindische Karikatur, in der der Kopf seiner Mitarbeiterin Michèle Binswanger in eine Illustration der Hinrichtungen während der Französischen Revolution hineingemecht wurde, eine «Grenzüberschreitung» darstelle. Sogar eine «schwere».

Rutishauser gelangt in seinem mit langer Lunte entstandenen Kommentar zur Schlussfolgerung:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Bittere und anklagende Worte des Oberchefredaktors von Tamedia. Nur: fällt ihm dieses Phänomen nicht in seinen eigenen Redaktionen auch auf? Existiert da dieser Teil der politischen Linken nicht? Und wenn wir schon dabei sind: kennt man dieses Phänomen bei der politischen Rechten nicht? Zumindest bei einem Teil davon?

Oder nochmal anders: Sind Grenzüberschreitungen in Richtung brunzdumm nicht noch besorgniserregender? Ein paar Knallköpfe aus dem Umfeld der Berner Reitschule werden mit einer Strafanzeige überzogen. Tamedia fällt wie das Jüngste Gericht über einen unbesonnenen Spruch eines SVP-Politikers her, weil der in der SVP ist.

Tiefergelegtes Niveau der Debatte

Allgemeines Wehgeschrei: die da sind ganz böse. Nein, selber böse. Nein, du böse. Nein, du mehr böse. Du Hetzer. Ha, du grosser Hetzer. Ich kein Hetzer, du aber. Ohne die Verwendung des Wortes Hetzer werden so Konflikte im Sandkasten ausgetragen, inklusive Zerstörung von Sandkuchen, Fuchteln mit Schäufelchen oder gar dem Ziehen an Haaren, Kratzen und Beissen, bis die Eltern eingreifen.

Kampfplatz, nach einer aktuellen Debatte …

Auf diesem ärmlichen Niveau ist ein Teil der politischen Debatte angekommen. Begleitet von Dialogverweigerung, Unfähigkeit, mit Kritik oder Gegenargumenten umzugehen. Mit Ballern aus dem Glashaus, aber feigem Wegducken, wenn zurückgeschossen wird. Rechthaberei und Belehrung ist hohl und lachhaft, wenn sie sich nicht der Debatte stellt. Wäffeln ist einfach, argumentieren anspruchsvoll.

Um nicht nur Männerriten und Pseudo-Martialisches wie von Rammstein zu denunzieren: auch die erregten Tamedia-Frauen haben nach ihrem Protestbrief bislang jede Gelegenheit ausgelassen, sich einer Debatte zu stellen. Auch so verzichtet man auf jeden Anstand.

Schiessscharte auf, rausballern, Schiessscharte zu und die Reaktion aussitzen. Das soll dann Erkenntnisgewinn durch Meinungsaustausch und Debatte sein?

 

Heuchler Knellwolf

SVP böse, blöd und gefährlich. Megafon der Reitschule nicht der Rede wert. Aschgrau.

Thomas Knellwolf war Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia und ist seit 1. Juli Mitglied der Bundeshausredaktion des Konzerns. Er habe nach 8 Jahren mal was Neues gesucht, liess er verlauten. Anstand und moralische Massstäbe gehören offenbar nicht dazu.

Mit seinem ersten Stück in seiner neuen Rolle haute Knellwolf zusammen mit einem weiteren Redaktor einen SVP-Provinzpolitiker in die Pfanne. Der hatte in seiner kleinen Chat-Gruppe stolz von einem Gespräch mit seinem SVP-Regierungsrat des Kantons St. Gallen berichtet. Man sei übereingekommen, sich gegen die Forderung des BAG nach obligatorischen Corona-Tests in Schulen zu wehren; «Feuer frei!», schrieb der Politiker nassforsch.

Das brachte ihm ein grosses Stück hinterfotziger Demagogie ein: vergangenen Samstag wurde diese Bemerkung von Tamedia zur Titelgeschichte hochgejazzt und im Blatt drin auf einer Seite nach allen Regeln der schwarzen Kunst hingerichtet. Hauptvorwurf: solche Aufforderungen könnten von Amoks als Handlungsanleitung missverstanden werden, also aus virtueller Hate Speech könne schnell reale Gewalt werden, wer im übertragenen Sinn «Feuer frei!» fordert, könnte dafür verantworlich sein, dass jemand tatsächlich auf einen Mitarbeiter des BAG schiesst.

Der medienungewohnte Politiker wurde vorgeführt; dass er zuerst eine Stellungnahme abgab, die dann wieder zurückzog, hämisch vermerkt. Natürlich auch, dass der mediengewandte SVP-Regierungsrat keinen Anlass sah, sich von diesem Gespräch zu «distanzieren», obwohl er von Tamedia dazu aufgefordert wurde.

Warum nicht nochmal draufhauen, wo’s so schön ist

Richtig Spass machte es natürlich, in einem Kommentar eine Breitseite nachzulegen:

«Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker will sich nicht von einer «Schiess»-Aufforderung auf das BAG in seinem Namen distanzieren. Das ist gefährlich.»

Höhepunkt des Nachtretens ist ein vergiftetes Lob mit angeschnallter Giftspritze: «Alles wirkt etwas bieder. Aber ist Stefan Kölliker auch ein Brandstifter? Darauf lässt eine Aufforderung seines Kreisparteipräsidenten von vergangener Woche schliessen, die viel Aufsehen erregte.»

Zunächst: Der Tagi erregte so viel Aufmerksamkeit, wie er nur konnte. Sonst niemand. Aber: «Das Beängstigende an der «Schiess»-Aufforderung aus St. Gallen ist, dass sie von einem Kantonsparlamentarier kommt. Und im Namen eines Regierungsrats erfolgt.» Schlussfolgerung:

«Das ist gefährlich, denn jemand könnte die Aufforderung wörtlich nehmen.»

Nein, Herr Knellwolf, gefährlich ist etwas ganz anderes. Wie es der dumme Zufall wollte, veröffentlichte das «megafon» aus der Berner Reitschule einen Tweet, in dem sich diese Amoks über die Tamedia-Redaktorin Michèle Binswanger fürchterlich aufregten. Zur Illustration mechten sie ihren abgeschlagenen Kopf in eine Darstellung der Guillotine während des Terrors der Französischen Revolution, wo die Häupter der Geköpften dem johlenden Volk triumphierend entgegengestreckt wurden.

Neben Applaus oder wohlwollender Erwähnung – unter anderem von Jolanda Spiess-Hegglin, der grossen Vorkämpferin gegen Hass im Internet – löschte das «megafon» diese geschmacklose Entgleisung mit dem Ausdruck des Bedauerns, hielt aber an seiner Kritik fest. Immerhin. Es wäre ja nun auf der Hand gelegen, dass tapfere Kämpfer gegen Hate Speech und gefährliche Gewaltandrohungen im Internet sich vielleicht deutlich von dieser missverständlichen Aufforderung, Binswanger zu enthaupten, distanziert hätten.

Lustig? Kunst? Ironie? Nicht der Rede wert.

Als das nicht geschah, bot ZACKBUM den beiden Autoren des «Feuer frei!»-Anklagestücks und auch dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Gelegenheit, sich zu erklären. Warum auf die SVP eingeprügelt werde, aber der Kopf-ab-Aufruf gegen eine eigene Mitarbeiterin einfach ignoriert. Und was Rutishauser im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zum Schutz von Binswanger zu unternehmen gedenke.

Ein Satz der Erklärung oder Rechtfertigung? Ach, was, niemals

Reaktion: keine Reaktion. Keine Antwort. Nicht mal eine Antwort, die dann zurückgezogen wurde. Dazu war sogar der SVP-Politiker in der Lage, die sonst so eloquenten Redaktoren von Tamedia nicht; sie schwiegen verbissen. Feige. Im Bewusstsein ihrer unsäglichen Heuchelei. Schwiegen sie tatsächlich?

Aber nein, Knellwolf fand noch die Zeit, mit diesem Kommentar nachzulegen und das Feuer auf den SVP-Regierungsrat zu verstärken. Wenn etwas wirklich gefährlich, beängstigend und mehr als fragwürdig ist, dann dieses Verhalten von Tamedia-Journis. Nach einer solchen offenkundigen Heuchelei, Doppelmoral, Einäugigkeit, Unfähigkeit, wenigstens überall die gleiche Position zu beziehen: wie wollen die erwarten, dass man irgend eine Äusserung von ihnen noch ernst nimmt?

Knellwolf schreibt vielleicht einen Artikel über die herrschende Doppelmoral in Bern, unter Politikern? Über deren opportunistische Parteilichkeit? Das kann doch nur mehr als Realsatire mit hohem Lächerlichkeitsfaktor wahrgenommen werden. Man kann Knellwolf eigentlich nur einen wohlmeinenden Karrieretipp geben: Gastspiel in Bern beenden, als Komödiant zum «Nebelspalter» wechseln. Ein weiterer Vorteil davon wäre: seine zukünftigen Publikationen fänden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

War auch mal so ein Versuch, Erfolg zu haben …

Knellwolf knattert weiter gegen die SVP, Rutishauser rafft sich immerhin zu einem Kommentar auf

Aber immerhin, nach längerer Bedenkzeit rückte Arthur Rutishauser noch kurz vor dem Fussballmatch einen «Kommentar zum Angriff auf eine Tamedia-Journalistin» ins Netz. Denn am Dienstagabend fällt ihm endlich auf: «Am Sonntag ist es gegenüber einer der profiliertesten Journalistinnen unserer Redaktion zu einer schweren Grenzüberschreitung gekommen.» Immerhin:

«Darum reichen wir trotz der Entschuldigung Strafanzeige gegen «Megafon» ein. Dass sich Jolanda Spiess-Hegglin, ehemalige Politikerin, Journalistin und selbst ernannte Kämpferin gegen Hass im Netz, nicht zu schade war, den Tweet auch noch zu liken, ist beschämend.»

Mein Mathematiklehrer am Gymnasium pflegte in solchen Fällen Schiller zu zitieren: spät kommt ihr, doch ihr kommt. Worauf sich verspätete Schüler mit rotem Kopf an ihren Platz begaben. Knellwolf kommt nicht zu spät, sondern schwänzt schlichtweg. Während Rutishauser, dafür muss man ihm gratulieren, zum Schluss seines Kommentars donnert:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Vielleicht fällt ihm noch rechtzeitig auf, dass seine Redaktionen davon auch nicht ganz frei sind.

Feuer frei auf die SVP

Ein Glanzstück der Demagogie aus dem Hause Tamedia.

Die Frontseite des «Tages-Anzeiger» vom Samstag war zweigeteilt. Zum einen die obligatorische Trauer über das Versagen der Fussball-Nati beim Penalty. Daneben aber ein Glanzstück rabiater Demagogie.

Wir holen tief Luft und regen uns mal furchtbar auf. Worüber? Darüber: «SVP-Politiker rufen dazu auf, gegen das BAG zu «schiessen»». Das der Aufmacher auf Seite eins, weiter hinten schrumpft es dann eine Idee:

«Er schrieb «Feuer frei!» gegen das BAG in Chat mit 100 Mitgliedern».

Aufruf der SVP zu Gewalt? Müssen BAG-Mitarbeiter unter Personenschutz gestellt werden? Ist’s in der Schweiz nun auch so weit wie in den USA? Muss demnächst mit einem Sturm auf das Bundeshaus gerechnet werden? Lassen führende Exponenten der SVP nun die Maske fallen, und das trotz Corona?

Könnte man meinen, aber es kann Entwarnung gegeben werden. Denn das ist alles reine Demagogie; zwei Tagi-Autoren, von denen zumindest einer einen Ruf zu verlieren hatte, blasen einen armen Frosch solange auf, bis der platzt. Konkret: Ein St. Galler SVP-Kantonsrat vermeldete in einem Telegramchat stolz, dass er mit dem SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker telefoniert habe. Thema: Die Forderung des BAG, alle Schüler regelmässig auf Corona testen zu lassen.

Die Formulierung des Anstosses zur Erregung

Dann wörtlich: «Stefan Kölliker sträubt sich und bat mich, über alle möglichen Kanäle gegen das BAG zu schiessen. In diesem Sinne: Feuer frei!»

Über die Schlauheit dieser Formulierung liesse sich sicher diskutieren, aber es steht hier nicht der IQ der beteiligten SVP-Politiker zur Debatte. Was macht nun der Tagi draus? Ein Lehrstück der hinterfotzigen Art. Das beginnt schon mit dem Artikeleinstieg:

«Es geschah am helllichten Tag, am Donnerstag zur Mittagszeit.»

Immerhin, ein wenig Bildung lassen die Autoren hier aufblitzen:

Was hat nun diese Verfilmung eines Dürrenmattstücks über einen Kindermörder mit diesem Spruch eines SVP-Politikers zu tun? Eigentlich nichts, aber das ist ja der Sinn von Demagogie. Assoziationsketten, Verbindungen herzustellen, wo eigentlich nichts ist. Eine Gewebe von Unterstellungen, Andeutungen, Bösartigkeiten zu knüpfen, um den politischen Gegner in die Pfanne zu hauen.

In diesem Sinne fahren die Autoren dieses Schmierenstücks, Thomas Knellwolf und Leo Eiholzer, fort: «Von dort fand die «Feuer frei!»-Aufforderung des Kantonsrats schnell Verbreitung im populären «Corona Rebellen Chat». Und sie wurde rege angesehen: bis Donnerstagabend rund 1900-mal.»

Von einem Spruch mit wenigen Handgriffen zu gewaltbereiten Rechtsradikalen

Mit einem schmutzigen Handgriff sind wir nun schon bei den «Corona Rebellen». Wer ist denn das? Der Chat «vereinigt Impfgegnerinnen und -skeptiker, zu denen man auch Bruno Dudli rechnen kann, mit Evangelikalen, Rechtsextremen und esoterisch angehauchten Globalisierungskritikern. Auf Telegram, dem verschlüsselten Messenger-Dienst, verbreiten sie Aufforderungen zum Widerstand gegen die Corona-Massnahmen, zum Teil mit absurden Theorien und manchmal auch mit Beschimpfung und Drohungen gegen Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Politik, Medien und Behörden. Viele tun dies anonym.»

Flugs kann man auch den Autor von «Feuer frei!» zu diesem bunten Haufen «zählen». So wie man offenbar jeden zu jeder Gruppe von Spinnern «zählen» kann, wenn die nur ein Zitat weiterverbreiten. Dass diese «Verbreitung rege angesehen» wurde, nämlich sagenhafte 1900 mal, zeugt entweder von völliger Unkenntnis – oder ist vielmehr eine weitere Verbiegung der Realität im Sinne der Demagogie.

Aber damit ist die Beweisführung natürlich noch nicht abgeschlossen. Von einer möglicherweise deplatzierten Formulierung sind wir bereits mitten im Sumpf von potenziell gewalttätigen Rechtsextremen. Dagegen geschnitten wird nun eine Warnung: «Die Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), Nicoletta della Valle, hatte bereits Ende 2020 in einem Interview vor Hass in den sozialen Medien gewarnt.»

Hass, Drohungen:

««Für den Verfasser waren es nur Worte, aber ein anderer Chat-Teilnehmer schreitet zur Tat», sagte sie.»

Mit anderen Worten: SVP-Politiker fordern «Feuer frei!» aufs BAG, wer weiss, andere nehmen das beim Wort und beginnen zu schiessen.

Diese demagogische Spitzenleistung müsste unbedingt in Lehrbücher aufgenommen werden. Als Sahnehäubchen folgt natürlich noch die Konfrontation des Autors und des Regierungsrats mit diesem Spruch. «Am Donnerstagabend rechtfertigte Dudli am Telefon seine «Feuer frei!»-Aufforderung. Kurz danach schrieb er aber: «Hiermit untersage ich jegliche Zitierung/ Verwendung/Verbreitung.»»

Wunderbar, freuen sich die Demagogen, nun eiert der überforderte Provinzpolitiker noch rum. Souveräner reagiert der SVP-Regierungsrat, aber auch ihm kann man vorwerfen: «Stefan Kölliker will sich vom «Feuer frei!»-Post, der in seinem Namen verschickt wurde, nicht distanzieren.»

Mit Steinen aus dem Glashaus werfen …

Das hat nun null und nichts mit aufklärender Berichterstattung zu tun. Das ist schäbigster Gesinnungsjournalismus. Schlimmer noch: das ist mit Steinen aus dem Glashaus an der Zürcher Werdstrasse werfen. Denn im gleichen Haus wütet bekanntlich die Corona-Kreische Marc Brupbacher. Der lässt keine Gelegenheit aus, Regierungsverantwortliche auf das Übelste zu beschimpfen, im Diskant Tod und Teufel an die Wand zu malen, ständig neue Verschwörungstheorien und ungehemmte Rechthaberei zu verbreiten.

Ein amtlich zertifizierter Amok und Verschwörungstheoretiker. Na und, der darf das.

Im Gegensatz zu diesem SVP-Politiker hält er es zudem nicht für nötig, auf entsprechende Fragen oder die Möglichkeit zur Stellungnahme auch nur zu reagieren. Auch Arthur Rutishauser mag nichts dazu sagen, ob er es mit einer führenden Position in seiner Redaktion für vereinbar hält, Sottisen, Verleumdungen, Beschimpfungen und auf den Zehenspitzen gekrähten Unsinn zu verbreiten.

Aber he, Brupbacher gehört sicherlich nicht der SVP an, der darf das.

Rammstein: Aufruf zur Gewalt?