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Als SRF noch Selbstkritik übte

Das Fernsehen SRF stellt zwei weitere Selbstreflexionen ins Netz. Sie stammen aber fast aus der Steinzeit. Spannend sind sie trotzdem.

Selbstkritik ist mühsam zu ertragen. Vielleicht darum findet die Medienkritik in vielen Zeitungen nicht mehr statt. Der Tages-Anzeiger hat seine Medienseite schon längst gestrichen und auch der TA-Medienblog «Off the Record» ist seit vier Jahren «auf Eis gelegt», wie es offiziell heisst. Rainer Stadler, NZZ-Medienredaktor und seit 31 Jahre an der Falkenstrasse, verlässt seine Stelle Ende September. «Freiwillig», wie er gegenüber persönlich.com sagte.
Kritik galt als karrierefördernd
Dabei gab es punkto Medienkritik durchaus andere Zeiten. Das Fernsehen SRF, damals das Fernsehen DRS, gab in den 1970er und 1980er Jahren intern vier Reportagen in Auftrag. Sie porträtierten das eigene Haus durchaus kritisch. «Alles riecht nach Mittelmass» ist eine der Kernaussagen der ersten beiden Reportagen. ZACKBUM.ch hat darüber berichtet.
Eine davon wurde vom späteren Fernsehdirektor Peter Schellenberg gedreht. Damals  war ein gewisses Mass an geäusserter Kritik also durchaus karrierefördernd.
Alle Folgen der kleinen Serie
Nun hat sich SRF bei uns gemeldet. Man nehme Bezug auf unsere Meldung und habe jetzt  auch die beiden späteren Folgen der «kleinen Serie» ins Netz gestellt. Und tatsächlich. Es sind durchaus Trouvaillen.
Beni Thurnheer sieht man in jugendlicher Frische und selten gesehener Frechheit, wie er die Generalprobe eines Tell-Star-Quiz sehr locker moderiert.

Ein Reporter der damaligen Regionalsendung «DRS Aktuell» (Vorläufer von «Schweiz aktuell») muss 12-mal ansetzen, bis die Moderation gelingt. Die Kamera bleibt schonungslos dran. Die 80er-Kult-Sendung und Kaderschmiede Karussell moderiert ein junger Kerl namens Hannes Britschgi, heute Leiter der Ringier-Journalistenschule. Matthias Hüppi erlebt man als Nachwuchskraft beim Lauberhornrennen. Er ist aktuell Präsident des FC St. Gallen, nach einer Bilderbuchkarriere als Sportmoderator bei SRF.
Auch nicht ohne, der Live-Auftritt von Nena mit ihrem Hit «99 Luftballons» – im «Karussell».
Ebenfalls porträtiert: Erich Gysling mit seiner fast reinen Männercrew, wie er die Tagesschau vorbereitet. Damals mit von der Partie auch Robert Ruoff, den man heute zum Beispiel auf Infosperber wahrnimmt als mahnende Stimme, wie früher vieles, ja fast alles besser war.
Beim ersten gut 20-minütigen Film («Die Fernsehfabrik 3») hatte Alfred Fetscherin die Leitung. Diese Reportage von 1983 kommt eher zahnlos daher. Kein Wunder: Fetscherin wurde nach seiner Redaktions- und Moderationtätigkeit Medienchef von Radio und Fernsehen DRS. Dann  wechselte er in die Privatwirtschaft und gründete das sehr bürgerlich ausgerichtete Radio Z. Radio Z, das ist der Vorläufer von Radio Energy. Seit 30 Jahren betreibt Fetscherin eine eigene PR-Agentur. Sein Sohn Adrian Fetscherin ist ebenfalls einigermassen bekannt und arbeitet heute als Marketing-Chef bei der Fussballsektion des Grasshopperclub.
Ein fast schon marxistischer Titel
Die vierte Folge unter dem Namen «1000 Menschen – ein Programm» aus dem Jahr 1987  ist dann wieder um einiges frischer. Hier hatte wieder Peter Schellenberg seine Hände im Spiel –  als Redaktionsleiter. Ein Jahr später wurde er dann endlich Chef. Der Regisseur des vierten Teils: Ludwig Hermann, der 1965 das legendäre «erste unabhängige Pressebüro der Schweiz» – das Büro Cortesi in Biel – mitgründete. Der Film mit dem  leicht marxistischen Titel (1000 Menschen – ein Programm) dauert 47 Minuten und endet mit einer originellen Einstellung des DRS-Hochhauses im Leutschenbach. Die Büros sind zu einem fröhlichen Lächeln beleuchtet. Der späteren Führung von SRF scheint dieses schon länger vergangen zu sein. Der 4. Film war der letzte dieser besonderen Serie.

SRF: «Alles riecht nach Mittelmass»

Zurück in die Zukunft: Als es die Fernsehfabrik gab

«Alles riecht nach Mittelmass», ist eine der Kernaussagen von zwei Reportagen über das Schweizer Fernsehen. «Die Fernsehfabrik», so der Titel, wurden intern produziert. Der Inhalt ist oft selbstkritisch und gut reflektiert. Viele bekannte TV-Gesichter kommen vor. Dafür sind die Interviews mit der Chefetage eher langatmig und leicht unterwürfig. Der Grund: Die Trouvaillen stammen aus den Jahren  1973 und 1980. Jetzt kann man sie auf Youtube anschauen. Der Clou: bei einem der Filme  (1973) führt der spätere Fernsehdirektor Peter Schellenberg Regie.

Beim anderen  (1980) Urs Bernhard, der danach eine internationale Karriere als Regissseur und Modefotograf hinlegte.

Für ältere Semester sind die Filme eine Augenweide, weil man viele Protagonisten vor der Kamera noch kennt, zumindest vom Hörensagen. Etwa «Menschen-Technik-Wissenschaft»-Gründer André Ratti, Moderatorin Heidi Abel, Nachrichtensprecher Léon Huber oder die noch überschaubar kleine Sportabteilung.

Für Unter-40-Jährige sind die Dokumente allenfalls interessant als Rückblende. Im Stil von: «Als die Blder laufen lernten». Doch wären so selbstkritische Portraits über SRF heute noch möglich? Wo alles von Medienjuristen und PR-Leuten geprüft und oft weichgespült wird? ZACKBUM.ch hat nachgefragt bei Laut Carmen Hefti, Leiterin Media Desk von SRF.

 «Alles riecht nach Mittelmass». Würde so eine kernige Aussage heute noch durchgehen?

«Hier muss ich etwas ausholen, denn es kommt immer auf die Sendung und auf den Kontext an, und auch darauf, wer eine solche Aussage macht (ist es eine Meinung eines Porträtierten oder wird eine solche Aussage im Off-Text bzw. von einer Moderatorin oder einem Moderator gemacht). Pointierte Aussagen sind prinzipiell erlaubt, solange wir keine Personen und keine Gruppen von Personen diskriminieren – weder wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit noch aufgrund ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechteridentifikation.» In längeren Beiträgen oder Dokumentationen könne auf Nationalität und ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, Geschlechteridentifikation und dergleichen eher eingegangen werden, weil dort die Möglichkeit besteht, bestimmte Haltungen zu begründen, Zusammenhänge zu erläutern sowie stereotype Vorstellungen zu benennen und ihnen entgegenzuwirken.

Hefti liefert noch folgende Unterscheidung: «Bei Sendungen mit Informationsgehalt muss das Publikum in die Lage versetzt werden, sich aufgrund der vermittelten Fakten und Meinungen eine eigene Meinung zu den behandelten Themen bilden zu können. Umstrittene Aussagen sowie Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein.» Wenn also beispielsweise in einer Dokumentation oder Reportage Personen ihre Meinung pointiert äussern, sei das in Ordnung, solange die Meinung entsprechend eingeordnet werde, so Hefti.

Die Filme findet man hier:

Die Fernsehfabrik (1973)

Die Fernsehfabrik (1980)

Laut SRF gibt’s im SRF-Archiv  insgesamt vier Sendungen «Die Fernsehfabrik». Die beiden Sendungen von 1973 und 1980 sind online zu finden, die anderen zwei Sendungen – die von 1983 und 1987  – aktuell nicht.