Schlagwortarchiv für: Fabian Renz

Slalom auf engstem Raum

Der Tagi verschlankt. Da muss man engere Kurven fahren.

Dabei quietscht es dann gehörig, und den einen oder anderen trägt es aus der Kurve. Medial eher einmalig ist das Abarbeiten mit Kommentaren an der 13. Rente.

Das ist ein Trauerspiel in bislang vier Akten. Eine klassische griechische Tragödie hat aber fünf, auf die Katharsis warten wir also noch.

Aber Vorhang auf.

Erster Akt: Am 20. Februar griff Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in die Tasten und haute einen Leitartikel ihren Lesern in die Fresse: «Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Das war so massiv gegen das eigene Publikum getextet, dass es weit über 1000 Kommentare absetzte; wie viele weitere nicht publiziert wurden, kann man sich vorstellen.

Also kroch Birrer gegen Ende des ersten Akts halbwegs zu Kreuze, indem sie der verblüfften Leserschaft erklärte, wie denn so ein Leitartikel vor einer Abstimmung zustande komme. Das sei häufig nachgefragt worden. Nein, am häufigsten hatte sich der Leser über den forschen Ton von Birrer erregt, aber eben, Slalomfahren ist auch eine Kunst. Der erste Vorhang fällt, während das Publikum amüsiert gluckst.

Zweiter Akt: Wie der Deus ex machina tritt Arthur Rutishauser auf und schleudert in der «SonntagsZeitung» Blitze: «Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen.» Wie ein zürnender Zeus weist er die Erdenmenschen zurecht: «Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.» Obwohl beim Schreiben seines Editorials das Ergebnis noch gar nicht feststand. Aber Rutishauser hat halt mit Zeus gemeinsam, dass er in die Zukunft sehen kann. Und was er da sah, erfüllte ihn überhaupt nicht mit Freude.

Der zweite Vorhang fällt, das Publikum schweigt betroffen und harrt gespannt der Fortsetzung.

Neuerlicher Auftritt Birrer, diesmal bereits halbwegs geläutert, obwohl es noch gar nicht Zeit dafür ist. «Dieses Ja ist eine Sensation», begeistert sie sich plötzlich, als hätte sie nicht kurz zuvor vor solch kurzsichtigem Populismus streng gewarnt. Aber was geht Birrer im dritten Akt die Birrer im ersten an? Eben. Diesmal gewinnt sie das Publikum mit grosser Empathie, geradezu mit einer Arie in Anteilnahme: «Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden …»

Offener Szenenapplaus, das Publikum zückt die Taschentücher und schnieft hörbar. Schon fällt wieder der Vorhang, lautstark werden Nasen geputzt, Brillengläser auch, und die eine oder andere Träne wird abgewischt. Man schaut sich im Publikum an und nickt sich anerkennend zu. Grosses Kino, das hier geboten wird.

Vierter Akt: Schon wieder wird neues Personal in die Schlacht geworfen, als retardierendes Element tritt Fabian Renz auf, Leiter «Ressort Analyse und Meinungen» und schon mehrfach verhaltensauffällig geworden. Der barmt nun auf offener Bühne: «Bitte das Rentenproblem jetzt ernst nehmen.» Leichte Unruhe im Publikum, denn wer hätte das bislang denn nicht ernst genommen?

Doch, so ernst wie Renz tut das niemand, er deklamiert: «Vielleicht spüren einfach immer mehr Rentnerinnen und Rentner, wie ihnen Inflation und Prämienschock das Geld wegfressen. Vielleicht packt immer mehr Erwerbstätige der Schrecken, wenn sie von ihrer Pensionskasse eine Rentenprognose erhalten.» Da nickt das Publikum bedächtig, schaut sich ins Gesicht und wiederholt: «Vielleicht, vielleicht, vielleicht».

Renz liest nun die Leviten, ruft zur Ordnung, klärt auf: «FDP, Mitte und SVP müssen den Missstand endlich anerkennen und anpacken. Alle Ideen sind ergebnisoffen zu prüfen – auch eine Gewichtsverschiebung von der zweiten zur ersten Säule darf nicht mit einem Denkverbot belegt sein.»

Ergebnisoffen, jubiliert das Publikum, Misstand anerkennen, murmelt es anerkennend, keine Denkverbote, das geht von Mund zu Mund.

Renz verbeugt sich erschöpft, in den fallenden Vorhang hinein brandet Applaus auf.

Fünfter Akt: Das wäre Sophocles nie passiert, aber während das Stück schon aufgeführt wird, ist der noch nicht geschrieben. Peinlich, aber wahr. Dabei werden die Slalomstangen nun ganz eng gesteckt, denn während noch bis vor Kurzem drei Bünde zur Abhandlung zur Verfügung standen, sind es nurmehr zwei.

Wie ein Menetekel an der Wand hängt ein letzter Satz von Renz in der Luft: «Beschränkt sich Tamedia hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und einbrechende Werbeeinnahmen …»

Hoppla, da scheint ein Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen vorzuliegen. Renz sagte natürlich: «Beschränken sich die Parteien hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und Eigenverantwortung ..

 

Primitive Demagogie

Auch auf die Gefahr hin, als Extremist beschimpft zu werden: das ist dummes Geschwätz.

Fabian Renz leitet das Ressort «Analysen und Meinungen» von Tamedia. Das ist der Kopfblattsalat, bei dem schon mal die Todesanzeigen von Zürich in der «Basler Zeitung» erscheinen. Höchste Qualität eben.

Analysen sind hier eher selten, Meinungen kommen gehäuft vor, meistens aus München übernommen. Renz ist so ein Meinungsträger, und daran trägt er schwer.

Er wurde schon mehrfach verhaltensauffällig. Nun ist er aber über ein gefundenes Fressen gestolpert:

Niemand muss darüber reden, Renz will aber. Das darf er natürlich, nur sollte er mit seinem «Leitartikel» den Leser nicht leiden lassen. Aber solche Rücksichtnahme ist im modernen Mainstreamjournalismus unbekannt.

Hier geht es weder darum, originelle Gedanken zu formulieren, erhellende Analysen, erkenntniserweiternde Erläuterungen. Noch darum, differenziert eine Meinung zu einem Ersturteil einer unteren Instanz abzugeben, das wie angekündigt weitergezogen wird und daher nur zeitlich sehr begrenzte Bedeutung hat.

Dass der Richter immerhin völlig richtig erwähnte, dass eigentlich die Beurteilung, ob jemand als «Gaga-Rechtsextremer» bezeichnet werden darf oder ob das eine Persönlichkeitsverletzung sei, eigentlich mehr eine politische Frage sei, die nicht unbedingt vor Gericht ausgetragen werden sollte, auf diesen Hinweis verzichtet Renz.

Er rempelt den SVP-Nationalrat Andreas Glarner lieber als «Kneipenschläger der Schweizer Politik» an. Und mokiert sich: «Andreas Glarner, SVP-Nationalrat aus Oberwil-Lieli AG, ist fürwahr kein Mann des gehobenen Salondiskurses». Bis hierher ist es nicht falsch, was Renz schreibt. Ab hier dafür extrem: «doch diesmal hat er, wenn auch unfreiwillig, eine wichtige Debatte in Gang gebracht».

Debatte? Wichtig? Wer «debattiert» eigentlich, ausser Renz? Dabei debattiert nicht mal der, sondern arbeitet mit Pseudofragen: «Ist, erstens, das Urteil zu begrüssen? Und ist, zweitens, Andreas Glarner also ein Rechtsextremist? Sollen wir ihn so betiteln – hier, jetzt und an dieser Stelle?» In logischer Reihenfolge fährt Renz fort: «Die Antwort auf die zweite Frage lautet: nein.»

Aber: «Es geht im Kern um den Politikstil, den wir uns wünschen. Krawallanten wie Glarner sind hierzulande zum Glück die Ausnahme.»

Dass Renz es nicht so mit Genauigkeit und Kenntnis und Kompetenz hält, beweist er hier: «Glarner will das Urteil weiterziehen – doch solange ihm eine höhere Instanz nicht recht gibt, darf er offiziell als Rechtsextremist tituliert werden.» Quatsch, nicht «offiziell», wenn schon amtlich, und nicht strafbar ist nicht dasselbe wie öffentlich, und öffentlich wäre nicht deckungsgleich mit offiziell. Aber korrekter Gebrauch von Sprache und Begrifflichkeiten, Himmels willen, Renz doch nicht.

Nun fliegt Renz einen logischen Looping nach dem anderen: «Gerade weil wir mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus überaus zurückhaltend umgehen, tendieren wir zum Selbstbetrug: Das Problem existiert bei anderen, nicht aber bei uns.» Es existiere also in der Schweiz kein wahrgenommenes Problem namens Rechtsextremismus? Gaga.

Zweiter Looping: «Ins Bewusstsein ruft das Urteil hoffentlich auch beunruhigende Tendenzen innerhalb der grössten Schweizer Rechtspartei: Andreas Glarners SVP. Viele Jahre lang hat die SVP, was ihr hoch anzurechnen ist, zu zweifelhaften Kräften im Ausland sorgfältig Distanz gehalten. Diese Vorsicht ist geschwunden, seit einigen Jahren knüpft man Netzwerke über die Grenzen hinweg. Als Ungarns ultrarechter Autokrat Viktor Orban jüngst auf Einladung von SVP-Publizist Roger Köppel in Zürich referierte, machten ihm die Parteioberen fast in corpore die Aufwartung.»

Der «ultrarechte Autokrat» kann im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus so bezeichnet werden. Gleichzeitig ist er aber der gewählte Ministerpräsident Ungarns. Auch im Rahmen der Meinungsfreiheit darf man den in die Schweiz einladen, ihn eine Rede halten lassen und ihr sogar zuhören, was nicht mit «die Aufwartung machen» zu verwechseln ist, wenn man kommentieren und nicht polemisieren wollte.

Dritter Looping mit krachender Bruchlandung: «Rechtsextremismus höhlt die Demokratie aus und beraubt Minderheiten ihrer Rechte. In seinen krassesten Ausprägungen wird er zur Mordideologie.» Die Bruchlandung erfolgt, weil Renz einäugig lediglich auf Rechtsextremismus einprügelt. Seine Zwillingsschwester, den Linksradikalismus, blendet er dabei völlig aus. Der wird und wurde auch schon zur Mordideologie, oder hat Renz so ein Kurzzeitgedächtnis, dass er die Morde von Linksterroristen wie der RAF bereits vergessen hat?

Dass er vergessen hat, dass die auch in der Schweiz ihre linksradikalen Unterstützer hatte? Vergisst er die Gewalttaten von Linksradikalen in der Schweiz? Ihre ausartenden Demonstrationen, physische Angriffe auf ihrer Meinung nach zu rechte Politiker? Noch nie etwas vom Schwarzen Block gehört?

Wieso erwähnt Renz nicht wenigstens, dass der Herr, gegen den Anzeige erstattet wurde, auch schon Gegner der von ihm erhofften Subventionsmilliarde für reiche Medienclans (und auch ein wenig für seine absaufenden Projekte) als «Freunde des Faschismus» verunglimpfte?

Ist das zumindest nicht auch ein Umgangston, den sich Renz verbitten sollte? Von Schwachmaten in seiner eigenen Redaktion wie Philipp Loser ganz zu schweigen, dessen Wirken wir hier aus hygienischen Gründen nicht mehr kommentieren.

Man kann Glarner und seine verbalen Zweihänder mit Fug und Recht kritisieren. Man kann sich auch fragen, ob er sich einen Gefallen getan hat, den Wüterich Hansi Voigt, den ja ausserhalb seiner klitzekleinen Gesinnungsblase niemand mehr ernst nimmt, einzuklagen.

Aber dermassen einseitig und an diesem Beispiel auf die Gefahren des Rechtsradikalismus hinzuweisen, dabei gar eine freie Meinungsäusserung eines gewählten Politikers als Beispiel für seine Gefährlichkeit herbeizuziehen, das ist erbärmlich. Einseitig. Unredlich. Hat ein bedenkliches intellektuelles Niveau, quält den denkenden Leser (ausser, er gehört zur auch nicht viel grösseren Gesinnungsblase von Renz). Es ist noch schlimmer. Es ist flach und dumm, nutzlos, leblos, ein Buchstabenfriedhof. Schadenersatzpflichtig.

Ganz richtig peinlich wird es, wenn man dieses Gewäsch mit dem Kommentar zum gleichen Thema in der NZZ kontrastiert:

Hier ist in wenigen Worten mehr Gehalt und Denkstoff als in einer ganzen Ausgabe des «Tages-Anzeiger». Zwei kurze Auszüge:

«Gerade die sonst ach so sprachsensiblen linken Aktivisten verzichten mit Absicht auf Differenzierung. Die Kampagnenorganisation Campax, die in Zürich für Demokratie auf die Strasse ging, setzte vor ein paar Monaten sogar die FDP indirekt mit Nazis gleich. Als Strafe dafür, dass sie vor den nationalen Wahlen Listenverbindungen mit der SVP eingegangen war.»

«Wenn Bürgerliche zu Rechten, Rechte zu Rechtspopulisten, Rechtspopulisten zu Rechtsextremen und schliesslich alle zu Nazis werden, werden nicht nur die Verbrechen der Nationalsozialisten und Neonazis verharmlost, sondern ganze Wählerschichten schrittweise beleidigt, diskreditiert und schliesslich delegitimiert. Spätestens dann gilt Demokratie nur noch für Menschen links der politischen Mitte.»

Auch diese Position muss man nicht teilen. Aber statt Gedöns gibt es hier Argumente, elegant formuliert.

Heureka!

Ein Zeichen von Intelligenz beim Tagi. Aber ein kurzes.

ZACKBUM glaubte zuerst, es sei eine Fata Morgana. In der geistigen Wüstenlandschaft von Tamedia. Aber immerhin: «Die blindwütige Fixierung auf Solar-Grossanlagen in den Alpen erweist sich als Irrweg», weiss plötzlich Fabian Renz.

Vielleicht hat er den Artikel Lichterlöschen auf Inside Paradeplatz gelesen – und sogar verstanden. Die befragten Stimmbürger sähen «offensichtlich keine hinreichende Notwendigkeit, ihre schönsten Alpwiesen und Sonnenhänge zu opfern», applaudiert Renz. Und sogar: «Sie haben recht damit».  Wow.

Die Wüste lebt, könnte man meinen. Renz weiss sogar: «Ein Ausbau der Stromproduktion ist unabdingbar. Unser Bedarf nimmt stetig zu.» Zudem müsste ja noch der Drittel Energieproduktion ersetzt werden, der durch die drohende Abschaltung der AKW wegfalle.

Aber dann, oh je, beginnt wieder das Eiern. Es gäbe da schon andere Möglichkeiten, Solarstrom zu gewinnen. Laut einer Schätzung sei die «Leistung von Fotovoltaik an Gebäuden im letzten Jahr um 1500 Megawatt gewachsen». 1,5 Giga? Dabei fehlen demnächst mindestens 20 Terawatt, also 20’000 Gigawatt.

Dann spiele Albert Rösti, ein eingefahrener Anti-SVP-Reflex ist nicht einfach loszuwerden, «eine merkwürdige Rolle», was denn sonst. Und am Schluss verstolpert Renz alles, was er am Anfang als Hoffnungsschimmer aufblitzen liess: «Wenn wir es richtig anpacken, mit Entschlossenheit und dennoch umsichtig und sorgfältig, schaffen wir die Energiewende ohne Atomkraft.»

Wunderbar. Nur: wie? Mit entschlossenem Anpacken? Entsteht dadurch genügend Energie? Oder herrscht dann doch Energiekrise, angefangen beim Oberstübchen von Renz? Eine sichere Stromversorgung ohne AKW, das ist schlichtweg ein Widerspruch in sich selbst. Entweder werden die existierenden AKW länger am Netz bleiben, dazu müssen zwei, besser vier neue gebaut werden – oder die Schweiz importiert Strom aus dem Ausland. Notabene von AKW, Kohlekraftwerken, usw.

Alles andere sind Kulissenschiebereien im Wolkenkuckucksheim der Träumer. Gemein, dass Renz den Leser zuerst in der Hoffnung wiegt, dass da doch ein Geistesblitz einschlage, nur um ihn dann am Ende grausam zu enttäuschen. Es war bloss eine Illusion.

Wumms: Fabian Renz

Bei Tamedia ist inzwischen alles erlaubt.

Dann lümmelt er weiter: «Von der Schweiz haben die Angegriffenen in der Ukraine nichts zu erhoffen und die russischen Aggressoren nichts zu befürchten. Stattdessen werden wir pflichtschuldig beiden Seiten unsere Guten Dienste anbieten. Die Neutralität zeigt wieder mal ihr kaltes Zahnpastalächeln

Ob diese Zügellosigkeit, diese Rechtsfeindlichkeit, diese erschreckende Nonchalance, dieses kalte Lächeln womöglich ungeputzter Zähne gegenüber dem Rechtsstaat erlaubt ist, weil mit Raphaela Birrer eine schwache Chefredaktorin eingesetzt wurde? Renz führt dann seinen Feldzug gegen gültige Gesetze bezüglich Rüstungsmittelexport, gegen die Regeln der Schweizer Neutralität fort: «Sollte ein Staat der Ansicht sein, die Schweiz verletze das Neutralitätsrecht, könnte er Klage erheben. Dieses Risiko dürften wir angesichts des Ukraine-Kriegs eingehen

Verstehen wir ihn richtig? «Die Schweiz», also Renz, möchte gerne gültige Gesetze in die Tonne treten und dann schauen, ob jemand dagegen klagt? Der Mann muss verbotene Substanzen eingenommen haben, anders lässt sich dieser Ausraster nicht erklären.

Waffenexporte in Kriegsgebiete, an eine kriegsführende Partei sind verboten. Auch über Drittstaaten, sonst gäbe es dort ein scheunentorweit klaffendes Loch in diesem Gesetz. Um das zu kapieren, muss man nicht Journalismus studiert haben. Ein Restbestand von gesundem Menschenverstand reicht.

Aber bei Renz geht Rechtsstaat so: Also gut, Diebstahl ist verboten. Aber für eine gute Sache klaue ich mal ein Portemonnaie. Wenn jemand denkt, das sei ein Gesetzesverstoss, dann soll er doch klagen.

Wahnsinn ohne Methode, unglaubliche Zustände im Hause Tamedia. Es deutet alles darauf hin, dass Pietro Supino völlig die Kontrolle verloren hat. Oder aber, es ist ihm völlig schnurz, was in seinen Blättern publiziert wird.

Muss, sollte, aber dalli

Fabian Renz ist mit dem Parlament gar nicht zufrieden.

Renz ist der «Leiter des Bundeshausteams» des Kopfzeitungsverbundes Tamedia. Also meint er, ein mächtiger Mann zu sein. Zumindest ein wortmächtiger. Und in Ausübung dieser Fähigkeit muss er das Schweizer Parlament streng rügen:

Himmels willen. Unsere Landesregierung hat Schlagseite. Sie schwankt. Sie hat keinen Vertreter der «urbanen Deutschschweiz» mehr in ihren Reihen. Dazu zählt sich sicher Renz, also fühlt er sich höchstpersönlich wohl nicht mehr vertreten.

Das könnte er nun einfach beklagen, dafür ist doch ein Kommentar bei Tamedia da. Der Autor betrachtet seinen Bauchnabel von oben, unten und auch von innen, stellt dabei ein Wehwehchen, ein Leiden, einen Schmerz fest. Und teilt diese bedeutende Erkenntnis mit den gequälten Lesern.

Aber nicht Renz, der leidet nicht nur an der Unfähigkeit des Parlaments, die Vertretung der urbanen Deutschschweiz sicherzustellen. Der zeigt auch gleich, wo Bartli den Most holt:

«Das Parlament muss diesen Zustand 2023 korrigieren.»

Damit tritt er ein wenig in die Fussstapfen der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als ein Landesparlament mit den falsche Stimmen (nämlich denen der AfD) einen Ministerpräsidenten wählte und der sich erfrechte, die Wahl anzunehmen, donnerte Merkel, dass das so nicht gehe und umgehend korrigiert werden müsse.

Statt sich diesen Übergriff aus dem fernen Berlin von einer dazu nicht autorisierten Regierungschefin zu verbitten, gehorchte das Parlament.

Vielleicht sieht sich Renz in dieser Tradition, man weiss es nicht. Immerhin bezweifelt Renz nicht, dass auch mit den Stimmen der SVP gewählte Bundesräte korrekt ins Amt gelangen. Aber: «Nie in der Geschichte war die Deutschschweiz, in der 70 Prozent der Bevölkerung leben, derart untervertreten im Bundesrat wie jetzt nach dieser Wahl.»

Das ist furchtbar, aber es ist ja noch viel schlimmer: «Verhängnisvoller noch: Sowohl Rösti als auch Baume-Schneider verfügen über einen landwirtschaftlichen Hintergrund.» Damit habe die Bauernlobby im Bundesrat eine Vertretung, die «in keinem sinnvollen Verhältnis zur geringen Bedeutung des Agrarsektors steht».

Während also Kühe, Schafe, aber auch Hühner überproportional berücksichtigt werden, mangelt es an anderem: «Die grossen Städte wie Zürich und Basel hingegen, die eigentlichen Fortschrittsmotoren des Landes: Sie sind im Bundesrat überhaupt nicht mehr vertreten.» Also, rückschrittliche und marginalisierte Bauern gegen die Fortschrittsmotoren: das kann nicht gutgehen.

So geht das auch nicht, dekretiert Renz. Nun fordert er immerhin nicht den Rücktritt von mindestens zwei der drei mit der Landwirtschaft verbundenen Bundesräte. Aber: demnächst einmal sollten Alain Berset und «der 63-jährige Wirtschaftsminister Parmelin» … «bei der Gesamterneuerungswahl 2023 zurücktreten. Bei dieser Gelegenheit muss das Parlament der urbanen Deutschschweiz wieder zu einer angemessenen Vertretung verhelfen.»

Bis dahin muss Renz dem Parlament eine ungenügende Betragensnote geben: «Als Wahlbehörde für den Bundesrat hat die Legislative eine grosse Verantwortung. Am Mittwoch hat sie diese zu wenig wahrgenommen.» Aber lässt Renz es bei diesen strengen Ermahnungen bewenden? Nein:

Stellvertretend für sie rüttelt Renz an den Grundfesten des Zweikammernprinzips: «Das Ständemehr gehört abgeschafft, im Ständerat wären den Städten eigene Sitze zuzuhalten. Ist das alles realisiert, dürften die Röstis, Parmelins und Baume-Schneiders auch gern noch viele Jahre im Bundesrat verbleiben.»

Hoppla, da war doch mal was mit gleichwertiger Vetretung auch kleinerer Kantone in einer Kammer, damit die bevölkerungsstarken nicht immer die Oberhand haben. Hinweg damit, fordert Renz. Dann, und nur dann lässt er die drei bäuerlichen Vertreter im Bundesrat gnädig im Amt.

Sind wir Staatsbürger aber froh, dass wenigstens Renz das Parlament kontrolliert, kritisiert und im richtigen Moment daran erinnert, wenn es seine grosse Verantwortung nicht wahrnimmt. Also, ihr Nationalräte und -rätinnen und everybody beyond, rot in die Agenda notieren und ja nicht bis zum nächsten Dezember vergessen: den Urbanen eine angemessene Vertretung verschaffen. Ach ja, und Berset sowie Parmelin sollten sich jetzt schon überlegen, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Rücktritt bekanntgeben wollen. Und der Ständerat müsste dringend auf sein Ständemehr verzichten und den Städten eigene Sitze zugestehen.

Da sind einige Hausaufgaben zu machen, liebe Parlamentarier. Also hop und nicht gezögert.

Renz is watching you.

 

Onanieren mit Parisern

Pardon, das ist nicht vulgär, sondern ein Zitat vom grossen Bertolt Brecht. Gut, den kennen die heutigen Kindersoldaten des Journalismus auch nicht. Aber man kann ja googeln.

Es war eines der Lieblingszitate meines Streitgenossen Niklaus Meienberg (auch googeln, bitte): «Es gibt Menschen, die onanieren. Es gibt Menschen, die vögeln mit Parisern. Und es gibt Germanisten, die onanieren mit Parisern.»

Das hat mich als studierten Germanisten hart getroffen, aber natürlich hatten Brecht und Meienberg völlig recht. Dieses Zitat kann man auch prima auf die aktuelle Journaille anwenden.

Die geht da sogar noch einen Schritt weiter, sozusagen. Sie greift sich reihum in den Schritt und massiert das Gemächt. Ohne Rücksicht darauf, wie peinlich das für die Zuschauer ist. Ein aktuelles Beispiel dafür, denn mehr würden bei Autor und Lesern wohl Würgereflexe auslösen.

Da schreibt der Leiter der Bundeshausredaktion der ehemaligen Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia eine sogenannte «Analyse zu St. Gallen». Für diesen Tiefflug über unbekanntem Gelände sollte man Fabian Renz die Verwendung des Wortes Analyse für seine Restlaufzeit als Journalist verbieten.

Unbelegtes Gefasel, eine Dummheit auf die nächste gestapelt. Sein Tagi-Kollege Marc Brupacher hatte schon zuvor auf Twitter etwas in die Debatte gerülpst. In seiner üblichen strahlenden Dummheit.

Journalisten loben Journalisten – öffentlich

Lässt sich das noch steigern? Locker. Kaum ist diese Schwachstrom-«Analyse» erschienen, dieser in Buchstaben gefasste Wackelkontakt mit der Wirklichkeit, enblöden sich andere Tagi-Mannen nicht, ihrem Kollegen an den, nein, so wollen wir das nicht formulieren. Obwohl, wie sollte man diesen Tweet von Sandro Benini sonst bezeichnen:

Man kann sich winden und wegdrehen, mehr nicht.

Häufig? So Kommentare von Laura de Weck, Barbara Bleisch, Peter Burkhardt und vielen anderen? Ein Tiefpunkt nach dem anderen. Während sich sogar das Kummer gewohnte Lesepublikum darüber lustig macht, setzt Brupacher noch ein kleines Highlight:

Du rubbelst mich, ich rubble dich, wir rubbeln uns.

Daraus kann man ableiten, dass Brupacher nicht der Ansicht von Benini ist. Aber wer alles Dumm-Kommentare schreibt, das verrät uns der leitende Tagi-Redaktor leider nicht.

Man muss sich schon fragen, welches Niveau hier noch nach unten durchbrochen werden kann. Tamedia gleicht immer mehr einem tiefergelegten Auto. Bodenabstand kaum mehr vorhanden, jede kleine Bodenwelle lässt das Blech wegfliegen.