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Herr Doktor, übernehmen Sie!

Über Sinn und Unsinn, den höchsten akademischen Grad in Medienmitteilungen und Texten zu nennen.

Heute gibt’s mal einen Ausflug in die Unternehmenskommunikation, ein Blick hinter die Kulissen, den Fokus voll auf die Feinmechanik grosser Verwaltungseinheiten gelegt. Der Aufhänger? Die Schwarzwald-Klinik hat einen neuen Chefarzt. Oder ist es die Hirslandengruppe? Die gebeutelte Herzklinik am Unispital? Nein. Es sind die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich VBZ. Sie haben bald einen neuen Chef. Naja, in etwa sechs Monaten. Aber schon heute berichteten die VBZ darüber. Der Titel der Meldung: «VBZ-Stabsübergabe von Dr. Guido Schoch an Dr. Marco Lüthi im Frühling 2021». Herr Doktor X übergibt also an Herrn Doktor Y. Eigentlich logisch, denkt sich der interessierte Laie. Die haben natürlich auch komplizierte Innereien. Der Beschaffungskrimi um die neuen Flexity-Trams wurde zeitweise fast schon blutig. Und die 50-jährigen Trams, die momentan noch herumkurven, bedürfen ebenfalls komplizierten Operationen.

Doch genug geschnödet. Akademische Titel in Ehren. Aber in Medienhäusern wird einem eigentlich eingetrichtert, dass das Doktor nur im medizinischen Umfeld genannt Sinn macht und usus ist. Doch nicht einmal bei (Dr.) Francesco Maisano und bei (Dr.) Paul Vogt, den beiden Hauptbeteiligten beim immer noch schwelenden Streit in der Zürcher Uni-Klinik, erwähnten die Medien den akademischen Titel. Geht’s nicht um Medizin, wirkt die Angabe des höchsten akademischen Titels sogar eher abwertend. Herr Dr. Christoph Blocher verlangt seine Pensionsgelder zurück. Herr Dr. Roger Schawinski bietet Corona-Leugnern Raum für ihre Ansichten. Herr Dr. René Zeyer kritisiert das Branchenheft Edito.

Doch wie kommen Medienmitteilungen wie jene der VBZ an? Nau übernahm den Lead fast 1:1. Und blieb im ganzen Text beim «Dr.». Der Schnellleser wähnt sich tatsächlich im Spitalumfeld.

Andere Medien ignorieren solche Schleim-Meldungen. Schleim deshalb, weil die Mediensprecher offensichtlich nicht die Kraft und den Mut haben, ihre Chefs besser zu beraten. Dazu gehört in der VBZ-Medienmitteilung leider ein sich über drei Sätze hinziehendes Zitat des Stadtrats über den abtretenden VBZ-Direktor. Ein Ausschnitt gefällig? «Besonders hervorheben möchte ich dabei neben dem zentralen Kerngeschäft auch die Ausrichtung in eine innovative und digitale Zukunft». Oft sind solche Medienmitteilungen nicht für das Aussen geschrieben, sondern für das Innen. Das muss nicht schlecht sein, doch das Echo in den Medien ist dann meist enttäuschend.