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Frontalcrash des «Blick»

Das Organ der wenigen Buchstaben und ein 900-seitiger «Masterplan».

Zunächst muss man loben: während sich die meisten anderen Blätter an einem nebensächlichen Prozess über eine Entschädigungszahlung gütlich tun, kümmert sich «Blick» wenigstens um etwas Substanzielles. Die Frage, was Donald Trump eigentlich vorhat, sollte er nochmals zum US-Präsidenten gewählt werden.

Da hört die Berichterstattung meistens mit: Himmels willen, das darf nicht geschehen, auf. Aber nun geht die Ausland-Redaktorin Chiara Schlenz weiter. «Als Kind wollte sie Pferdebuchautorin werden», weiss die Autorenseite der Teilzeit-Journalistin, die zuvor für Nau.ch «als Video- und Newsjournalistin schweizweit unterwegs» war. Also beste Voraussetzungen, um sich in den US-Wahlkampf zu stürzen. Ein erstes Ergebnis hat ZACKBUM bereits gewürdigt.

Nun bohrt sie ein ganz dickes Brett. Sie hat sich ein Strategiepaper eines Thinktanks vorgenommen, das «Project 2025». Von der Heritage Foundation und anderen konservativen Organisationen werden hier Ideen zusammengetragen, was Trump in einer allfällig zweiten Amtszeit besser machen könnte als in der ersten. Dazu gibt es auch ein Buch:

Immerhin hat Schlenz bereits die Grundprinzipien des Boulevard-Journalismus verstanden, obwohl der «Blick» laut seiner Vordenkerin gar nicht mehr Boulevard machen will: «Das FBI abschaffen, den Regierungsapparat abbauen – kurz: Die amerikanische Demokratie aushebeln. Was dystopisch klingt, wird mit «Project 2025» zur Realität Amerikas.» Dystopisch, da mutet sie allerdings dem Leser des Organs mit den grossen Buchstaben was zu.

«Ist das «Project 2025» gefährlich für die USA», fragt Schlenz bang. Da wissen völlig unparteiische «Analysten» der urlinken Uni Berkeley mehr: «Der stille Putsch des Projekts stellt eine gefährliche Bedrohung für unsere Demokratie dar und schlägt einen ideologischen Aufstand vor». Wow; aber Schlenz ist nach ein paar Bauchklatschern im «Wahl-Barometer» vorsichtig geworden: «Ob es der Heritage Foundation und Trump aber gelingen wird, ihre Pläne so auszuführen, wie sie es planen, bleibt abzuwarten.»

Na, dann mal Tee trinken. Aber vorher noch schnell ein paar ungeliebte europäische Politiker abwatschen, denn das «Project 2025» finde «auch Gefallen bei europäischen Staatschefs». Der Beweis: «So nahm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (60) kürzlich an einem von Heritage organisierten Anlass teil.» Wehe, man erwischt einen anderen europäischen Staatschef beim WEF oder anderen organisierten Anlässen. Fehlt da noch eine? Natürlich, «ein weiteres Beispiel ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni». Die gibt doch tatsächlich preis: «Unsere Thinktanks arbeiten mit dem International Republican Institute und mit der Heritage Foundation». Statt sich schaudernd von denen abzuwenden.

Also aufgepasst. Trump wird die Demokratie in den USA aushebeln, und wenn wir nicht den Anfängen wehren, werden schlimme Finger wie Orbán und Meloni ihm in Europa nacheifern. Fehlen nur noch Marie Le Pen und die AfD in der Donald Horror Picture Show.

Die NZZ kann Hintergrund

Wieso ist sie damit so verdammt alleine?

Nachdem der zweitletzte Konkurrent von Donald Trump aufgegeben hat, herrscht allgemeines Rhabarber, was das denn nun bedeute. Ob Trump nun tatsächlich, Himmels willen, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesetzt sei – oder ob Nikki Haley doch noch eine Chance habe.

Vermutungs- und Hoffnungsjournalismus, Pfeifen im Wald, Wundenlecken, die Journalisten sich selbstverschuldet durch unsinnige Prognosen zugefügt haben. Wildeste «würde, könnte, wenn, unter Voraussetzung, dass»-Turnereien.

Aber erklärt mal jemand, wie denn eigentlich das Vorwahlsystem der Republikaner genau funktioniert, was das für die weitere Entwicklung der Vorwahlen bedeutet? Dagegen spricht schon mal, dass es bei genauerer Betrachtung verdammt kompliziert ist.

Die Caucuses laufen nach verschiedenen Prinzipien ab, «the winner takes it all» gegen Proporzwahlsysteme, wobei eine absolute Mehrheit wieder Auswirkungen haben kann. Letztlich sieht es schwer danach aus, als ob Trump einen totalen Triumph einfahren könnte.

Woher ZACKBUM das weiss? Weil es die NZZ detailliert erklärt. Nolens volens endet der Autor Andreas Rüesch mit der düsteren Feststellung: «Trump könnte sogar einen eigentlichen Vorwahlkantersieg erringen, mit Erfolgen in sämtlichen Gliedstaaten. In der Geschichte der beiden Grossparteien ist dies, abgesehen von wieder antretenden Präsidenten, noch nie jemandem gelungen – und wäre, ohne Trumpsche Übertreibung, «really huge»

Das ist mal eine Analyse und Prognose mit Hand und Fuss. Kann doch gar nicht so schwer sein. Was unweigerlich zur Frage führt, wieso sich die übrigen deutschsprachigen Medien – vor allem auch die Deutschschweizer – dermassen damit schwertun, ihren Lesern inhaltlichen Mehrwert zu bieten?

Hier sind nur Vermutungen möglich, aber doch solche mit Hand und Fuss.

  1. Dem Journalisten ist die Zurschaustellung der eigenen Befindlichkeit wichtiger als die Befriedigung des Leserinteresses.
  2. Der Journalist sieht seine Aufgabe nicht in der möglichst akkuraten Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern in der Beschreibung, wie sie sein sollte.
  3. Der Journalist will nicht rapportieren, was seiner Meinung nach ist, sondern wie es sein sollte, könnte, müsste.
  4. Der Journalist will nicht aufklären, sondern belehren, erziehen, das Richtige vom Falschen trennen, den Konsumenten bevormunden.
  5. Der Journalist möchte seiner schwindenden Bedeutung mit dem Reiten seiner Steckenpferde begegnen. Sei das Wokeness, Genderwahnsinn, Warnung vor einem neuen Faschismus oder Polemik gegen alles, was ihm nicht in den Kram passt.
  6. Der Journalist missbraucht schreiben oder berichten als Selbsttherapie, indem er den Konsumenten mit seiner eigenen Befindlichkeit langweilt.

Es ist eine allgemeine zunehmende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Brötchengeber, dem Zahler zu verzeichnen. Es ist so eine Haltung, wie wenn der Verkäufer im Laden sagen würde: ach, Sie möchten dieses Produkt kaufen? Sind Sie sicher? Also ich würde das nicht tun. Und haben Sie sich schon mal überlegt, ob es nicht von Kindern in der Dritten Welt hergestellt wurde? Und überhaupt, wollen Sie nicht zuerst meine Meinung zum Produkt und über die Welt anhören?

Ein solcher Verkäufer würde hochkant auf die Strasse gestellt – oder der Laden ginge pleite. Aber im Journalismus …

Da waren’s nur noch zwei …

Herber Rückschlag für alle Trump-Hasser. Dritte Strophe Pfeifen im Wald.

Die sich abzeichnende Wahl zwischen Joe Biden und Donald Trump ist wie zwischen Pest und Cholera. Ein seniler Greis gegen einen Amok-Greis. Da können sich Spin Doctors und Schönschreiber, Warner vor dem einen oder dem anderen, Fans und Anhänger noch so Mühe geben: es ist ein Graus. Womit wir wohl 90 Prozent der ZACKBUM-Leser gegen uns aufgebracht hätten.

Das Schlimmste in diesem Mainstream, der zwar gelegentlich Kritisches über Biden sagt, aber bei der Erwähnung von Trump regelmässig in unkontrollierte Schübe und Zuckungen gerät, ist das verzweifelte Pfeifen im Wald.

Die Vorwahlen bei den Republikanern haben begonnen, Trump hat einen Erdrutschsieg eingefahren. Mehr als die Hälfte aller Delegiertenstimmen bekommen, seine beiden Mitbewerber deklassiert, die zusammen nicht mal ansatzweise auf seine Prozentzahl kamen.

Natürlich, das ist der erste Caucus von vielen, ein kleiner Bundesstaat, dann war noch Schnee und Eis. Aber wenn man Trump etwas lassen muss, dann seine Fähigkeit, eine richtig tolle US-Show abzuziehen. Und zu wissen, dass sein Stern so hell strahlt, dass er nicht mal an TV-Debatten mit seinen Konkurrenten teilnimmt – weil nur die davon profitieren könnten, etwas von seinem Ruhm abzukriegen.

Nun ist es aber noch dramatischer, als alle Unken vorhersagten. Die nun ungeniert ihre früheren Prognosen in die Tonne treten. So titelt srf.ch angewidert: «Die Bruchlandung des vermeintlichen Überfliegers der Republikaner». Neutraler formuliert für einmal sogar «watson»: «Ron DeSantis steigt aus dem Rennen um US-Präsidentschaft aus».

Dabei hatte ihn Grossanalyst Constantin Seibt von der «Republik» schon zur Zukunft des Faschismus hochgeschrieben, was mit einer selten demagogischen Illustration eines Teufels in Menschengestalt untermalt wurde. Und nun das.

So hetzt das Gutmenschenblatt «Republik».

Wie geht denn damit der Grossanalyst Peter Burghardt um, der sich in Iowa Arsch und Finger abfror und die Leser der «Süddeutschen Zeitung» und Tamedia mit seinem Geschwurbel belästigte? Als hätte er ihn (und die einzig verbliebene Kandidatin) nicht kurz zuvor noch als Hoffnungsschimmer gelobt, behauptet er nun: «Jetzt ist also auch die Tournee des Ron DeSantis vorbei, wen mag das noch wundern.». Na, einen Burghardt zum Beispiel, aber das möchte er nicht zugeben.

Fantasierte Burghardt noch vor Kurzem, dass Nikki Haley noch lange nicht verloren, vielleicht sogar noch eine Chance habe, Präsidentschaftskandidatin zu werden, ist es nun plötzlich für ihn klar: «es müssten wirklich außergewöhnliche Umstände eintreten, wenn Trump beim Parteikongress im Juli in Wisconsin nicht mit Pauken und Trompeten zum offiziellen Bewerber der Republikaner ernannt würde.»

Aber die Hoffnung stirbt auch bei Burghardt zuletzt: «Nun ist nur noch Nikki Haley als halbwegs ernsthafte Widersacherin Trumps im Rennen.» Halbwegs ernsthaft, das ist natürlich bitter.

Allerdings: eigentlich müsste diese Festlegung Burghardts eingefleischte Trump-Fans beunruhigen. Denn bislang ist der Mann immer falsch gelegen mit seinen Prognosen …

Pfeifen im Wald

Wir eröffnen eine neue Rubrik, die wohlgefüllt wird.

Eigentlich ist Peter Burghardt ein Tausendsassa. Er war jahrelang Sportreporter. Dann Kriegsreporter. Dann Korrespondent in Madrid. Dann Korrespondent für nordische Bundesländer in Deutschland. Seit 2022 US-Korrespondent in Washington. Genau, das ist das Problem.

«Eine für alle» titelte er in der «Süddeutschen Zeitung», und das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger» übernimmt den lauwarmen Kaffee einen Tag später als «Ist das die Frau, die diesen Männern gefährlich werden könnte?» Ein Rätseltitel, der aber im Lead aufgelöst wird: «Nikki Haley hätte laut Meinungsforschern gute Chancen, die US-Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden zu gewinnen. Doch zuerst muss sie Ron DeSantis besiegen – und dann ist da ja immer noch Donald Trump.»

Der übliche szenische Einstieg, damit man auch glaubt, dass Burghardt vor Ort ist: «in einem Neubaugebiet in Ankeny am Rande von Des Moines, Iowa. Tiefster Winter ist hereingebrochen, weiss, stürmisch und eiskalt».

Drinnen in der Wärme ist Haley, und der bibbernde Reporter weiss: «Amerika schaut seit Wochen auf diese Frau». Nun ja, vielleicht gelegentlich mit einem Auge. Denn so wie Iowa in Schnee gehüllt ist, muss der SZ-Autor seinen Artikel in den Konjunktiv und in «wenn, würde, könnte, vorausgesetzt» hüllen.

Denn um Biden schlagen zu können, müsste Haley zuerst einmal für die republikanische Partei kandidieren. Ist so eine blöde Voraussetzung dafür. Laut Umfragen stehen ihr dabei zwei Männer im Weg. Zum einen Ron DeSantis. Der liegt knapp vor ihr. Aber der bringt’s nicht wirklich, weiss Burghardt: «Hinter seinem Pult in Ankeny weiss DeSantis (45) nicht so recht, wo die linke Hand hinsoll. Rein in die Hosentasche, wieder raus, wieder rein.»

Ganz anders Haley, die wirkte «tags zuvor nebenan authentischer, nahbarer, weltläufiger, weniger bemüht». Also vielleicht könnte sie DeSantis einholen, in Iowa. Das bedeutet zwar nichts, aber he, wenn der Reporter sich schon den Arsch abfriert, dann soll der Leser auch etwas davon haben. Dass DeSantis und Haley laut Umfragen zusammen bloss zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigen, die Donald Trump alleine hat, nun ja, muss doch nicht immer erwähnt werden.

Nach dem szenischen Einstieg, der menschliche Ausstieg, wie im Bilderbuch für Journalisten. Auftritt «Grossvater Neuendorp, Ende sechszig, hat früher mal Jimmy Carter gewählt.» Der hilft beim Pfeifen im Wald: «Er würde sie (Haley, Red.) sogar lieber als republikanische Kandidatin sehen als Trump

Da keimt leise Hoffnung im Schneetreiben von Iowa auf, wie die ersten Krokusse im Frühling. Aber dann kommt doch Väterchen Frost und macht alles zunichte. Denn wenn der Ex-Präsident antritt, «dann weiss Neuendorp schon, wen er wählen würde: «Trump.»»

Für diese Erkenntnis hätte sich Burghardt allerdings nicht aus seiner warmen Klause in Washington bewegen müssen. Wobei, was man heutzutage alles im Netz findet …

PS: Laut ersten Prognosen hat Donald Trump haushoch und schon sehr früh gewonnen. Der grosse Abwesende in der Berichterstattung des Tagi holt 20 Delegiertenstimmen, DeSantis 9 und die grosse Hoffnung Haley, auf die angeblich ganz Amerika blicke, 8. Also die Konkurrenz holt zusammen weniger Delegierte als Trump alleine. In der ersten Morgenmeldung berichtete der Tagi zwar über den Sieg, war aber so erschreckt, dass er keine Zahlen nennen konnte. Ärmlich.

«Blick» in die Glaskugel

Auch das noch. Das Organ mit dem Regenrohr im Logo schaut in die Zukunft.

Das kann eigentlich nicht gutgehen. Tut es auch nicht, diese gesicherte Prognose kann gewagt werden. Dabei ist immerhin ein Dreierteam am Gerät. Chiara Schlenz, Guido Felder und Samuel Schumacher. An deren Qualifikation kann es nicht liegen. Schlenz war zuvor «Video- und Newsjournalistin» für Nau.ch und arbeitet nun Teilzeit für den «Blick». «Ausland-Redaktor» Felder stellt sich so vor: «Gibts einen cooleren Job? Er sagt: No. 💪» Schumacher schliesslich ist «Ausland-Reporter» und war zuvor «Ressortleiter Ausland» bei CH Media. Das war der Job eines Häuptlings ohne Indianer.

Dieses Dreamteam eröffnet nun den «US-Wahlbeobachter» vom «Blick». Oder den «US-Wahlmonitor»; wie das Ding heisst, da ist man sich noch nicht so sicher. Anfangsschwierigkeiten, kann’s doch geben. Schlenz beantwortet gleich am Anfang eine Frage, die niemand gestellt hat. Ob das nicht ein wenig früh sei. Aber nein, «bei diesen Wahlen geht es um nichts Geringeres als das Überleben der ältesten Demokratie der Welt». Hoppla, das ist ja die Tonlage von Schwulstschwätzer Kornelius in der SZ und im Tagi. Aber gemach, Schlenz weist das schnell als Zitat von Joe Biden aus. Der diesen Satz immerhin stolperfrei über die Lippen brachte.

Also gut, Wahlbeobachter (oder Monitor oder so). Der muss natürlich mit einem Knaller beginnen. Nur: woher nehmen und nicht stehlen?

Nun, da probieren es die Drei mal mit einem Knallertitel:

Hui, bahnt sich da eine Sensation an, verliert Trump seinen Vorsprung, ist die Entscheidung wieder offen, wer für die Republikaner gegen Joe Biden antritt? Nicht wirklich:

Wie dieser Screenshot aus dem Wahlbeobachter (oder Monitor, aber lassen wir das) beweist, tendiert die Spannung gegen null. Die drei noch im Rennen verbliebenen Konkurrenten kommen zusammen auf etwa ein Drittel der Stimmen, die Trump alleine für sich einheimst, nach Umfragen. Das sieht im nächsten Caucus in Iowa nicht anders aus. Absolute Mehrheit für Trump, DeSantis krebst bei 17 Prozent herum, die vom Sterndeuter und Vermutungsjournalist Peter Hossli hochgeschriebene Nikki Haley gar bei unter 16 Prozent.

Also gibt es keinen Grund, einen solchen blödsinnigen Titel drüberzusetzen. Das sieht auch die Autorin des ersten «Livetickers» ein, der zudem überhaupt nicht live ist:

«Eigentlich sind die republikanischen Vorwahlen in Iowa wie ein Blick in eine trübe Kristallkugel. Und sie zeigen: Vergangene Wahl- oder Teilsiege sind in der US-Politik ungefähr so wertvoll wie gestern gekaufte Lottoscheine. Und es gibt nur eine Gewissheit im Rennen um das Weisse Haus: Alles ist ungewiss. Das macht es aber gerade so spannend. Ich packe schon mal das Popcorn aus.»

Das ist nun schon mal rein sprachlich, von den Gedankengängen ganz zu schweigen, mehrfach peinlich versemmelt. Ein Blick in eine Kristallkugel, selbst eine trübe, bezieht sich auf die Zukunft. Schlenz bezieht sich aber auf vergangene Wahlsiege. Wieso die so wertvoll – also wertlos – wie gestern gekaufte Lottoscheine sein sollen? Wenn die Ziehung morgen ist, können die durchaus den Hauptgewinn abräumen. Dann der Uraltkalauer, dass nur gewiss sei, dass alles ungewiss sei. Gähn. Das mache es spannend? Doppelgähn. Popcorn, schnarch.

ZACKBUM wagt nun selbst einen Blick in die Zukunft, bzw. hat ihn sich hier anfertigen lassen:

Die Illustration stammt übrigens, wie schon einige zuvor, von einer KI. Die ist nun entschieden intelligenter als dieses Trio Infernal vom «Blick», also ist die Prognose absolut sicher: Der «US-Wahlbeobachter» startet mit einem Flop, ist ein Flop und wird ein Flop bleiben.

Auch auf die Gefahr hin, als sexistischer Frauenunterdrücker gekreuzigt zu werden: vielleicht hätte man nicht – «Ladies first» – einer Teilzeitjournalistin den Start überlassen sollen.

Aber es gibt eine gute Nachricht: da er hinter der Bezahlschranke von «Blick+» stattfindet, wird er nur ganz wenige Leser quälen.

Trumps allerschärfste Waffe …

… sind Journalisten vom Schlag eines Stefan Kornelius.

Der ist nicht irgendwer, sondern Leiter des «Polit-Ressorts der Süddeutschen Zeitung». Er hat den krachledernen Bayernstil perfektioniert, was die Eingeborenen dort derblecken nennen.Das kommt im Bierzelt nach der dritten Mass sehr gut an, aber in angeblichen Qualitätsorganen? Der Verbal-Amok, wie ihn ZACKBUM schon bezeichnen musste, hat eine Lieblingsvokabel, wenn es gegen seine Lieblingsgegner geht: Lügner. Zuletzt arbeitete sich Kornelius an Lawrow ab: «Der russische Außenminister setzt Standards für alle aktiven Populisten und Demagogen, zu deren wichtigster Befähigung es gehört, Tatsachen in Lügen und Lügen in Tatsachen zu verwandeln. Lawrow ist so etwas wie die Verbalausgabe eines Spiegels: Was er von sich gibt, ist nur spiegelverkehrt korrekt

Wunderlich gedrechselte Wortkaskade, aber der Inhalt, Belege? Da wird’s dann dünn: dem Aussenminister sei zum Beispiel entgangen, dass es sich bei Selenskyj «in Kiew um eine demokratisch gewählte Regierung handelt». Wer einen durch einen Oligarchen gekauften Wahlsieg in einem hochkorrupten Land ohne grosse demokratische Tradition oder Strukturen demagogisch so hochjubelt, kann eigentlich nicht ernst genommen werden.

Aber versuchen wir’s doch, denn Kornelius reiht sich vorhersehbar bei den Alarm-Kreischen ein, die vor Donald Trump warnen müssen und wollen. In der SZ heisst sein Erguss «Er ist entfesselt». Damit meint er Trump, aber der Titel passt perfekt auf ihn selbst. Tamedia hat dann daraus gemacht: «Trump nutzt seine schärfste Waffe: die Lüge».

Das Ausmass der Erregung des Schreibers kann man einfach darin messen, welche Fotografie von Trump verwendet wird. Hier das Bildzitat aus dem Tagi:

Trump beim Derblecken.

Kornelius bibbert bereits heute so vor diesem Gottseibeiuns, dass er gleich um himmlische Hilfe bittet: «Offenbar kann nur noch ein Himmelszeichen diesen Mann zumindest als Präsidentschaftskandidaten der Republikaner verhindern.» Oder ein Menetekel an der Wand oder vielleicht ein Blitzschlag.

Denn es wird nicht, es ist schon grauenhaft: «Die Entfesselung des Kandidaten Trump ist ein nahezu totalitäres Schauspiel.» Versteht man nicht? Nun, wenn die Erregung die Feder führt, dann geraten Worte und Gedanken ins Schlingern.

Was ist denn passiert? In einem der vielen Prozesse gegen ihn hat Trump die Plattform genutzt und das getan, was jeder Angeklagte tut: er nennt die Vorwürfe «Betrug an mir», er werde von der Staatsanwältin gehasst, der Richter habe eine eigene «Agenda». Das sind nun ruppige Behauptungen, aber direkt lügen kann man Trump damit nicht unterstellen.

Denn in Wirklichkeit sind die Medien schon längst eine Symbiose mit Trump eingegangen. Seine Unterstützer und seine Gegner tun genau das Gleiche. Sie bieten ihm Multiplikationsplattformen, weil Trump immer für eine Show gut ist. Er darf einfach nicht zu lange ins Labern geraten, sonst wird es ein Desaster wie sein Gespräch mit Tucker Carlson, in dem er am Rande des Deliriums fabulierte und sich verhaspelte. Aber auch das bescherte dem Moderator Traumeinschaltquoten.

Hier aber hat Trump einfach ein paar seiner üblichen Sottisen zum Besten gegeben, weder neu, noch originell noch weltbewegend. Ausser für Kornelius, der deswegen gleich alle journalistischen Grundsätze über Bord wirft, selbst den Anschein von Objektivität fahren lässt. Nicht nur, dass er hier belegfrei (obwohl es genügend Anlass gäbe, Trump der Lüge zu überführen, aber dafür müsste man als Leiter Politkabarett doch tatsächlich etwas recherchieren) den voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner als Lügner beschimpft.

Nicht nur, dass Koryphäe Kornelius keinen Versuch unternimmt, sich und seinen Lesern zu erklären, wieso rund die Hälfte der US-Stimmbürger für diesen Lügner sind. Das wäre allerdings mit etwas intellektuellem Aufwand verbunden, mit der Fähigkeit zur Analyse, zur Einordnung. Aber das ist Kornelius doch wesensfremd geworden. Wahrscheinlich denkt er, dass halt die Hälfte der Amis bescheuert ist, zu blöd, um richtig abzustimmen, eine Schande für die Demokratie. Aber das traut er sich dann doch nicht zu schreiben.

Dafür das starke Stück hier: «Wie schon vor vier Jahren werden die demokratischen USA alle Kraft aufbringen müssen, um Trump zu stoppen.» Kornelius bietet in diesem titanischen Abwehrkampf seine bescheidenen Dienste an. Nur: genau solche Amokläufer wie er sind die besten Helfershelfer Trumps. Sie bemühen sich erfolgreich, ihn mit ihrem Geschimpfe noch zu unterbieten, sein unterirdisches Niveau von schräg unten anzukläffen. Das löst ausserhalb der Gesinnungsblase um Kornelius herum bei vielen Lesern den Reflex aus: also wenn der Mann so masslos angerempelt wird, aufs Übelste beschimpft und verleumdet, dann muss doch was an ihm dran sein. Ungelogen.

Was macht eigentlich …

… die «Schweiz am Wochenende»?

Denn sie verkörpert die Zukunft des Printjournalismus. Nach der Zusammenlegung der Redaktionen (begleitet von den üblichen Sparmassnahmen, vulgo Rausschmeissen), kommt als nächster Schritt die Aufgabe der Printversion am Sonntag. Und/oder die Aufgabe einer Extra-Sonntagsausgabe. Teuer, Distribution ein Alptraum, die Wochenqualität ist sowieso schon durch Tagesqualität ersetzt.

Da geht der Wannerclan mutig voran. Nicht nur beim Rausschmeissen. Schon seit geraumer Zeit gibt es die ehemalige Sonntagszeitung als «Schweiz am Wochenende». Und das fängt bekanntlich am Samstag an und lässt sich daher kostengünstig schon am Freitag herstellen. Als nächstes wird die Montags-Printausgabe dran glauben, denn die muss kostenträchtig am Sonntag hergestellt und gedruckt werden.

Aber konkret, wie sieht denn die Ausgabe vom vergangenen Samstag so aus? Aus dem Cover lässt sich, im Gegensatz zur SoZ, noch wenig schliessen. «300 Jahre Immanuel Kant», das legt das Bildungsniveau schön hoch. «Die Schauspielerin ist in aller Munde», das legt das Sprachniveau schön tief. Dann die Fake News des noch jungen Jahres: «Eine Mehrheit will zukünftig auf das eigene Auto verzichten». In Umfragen vielleicht, im der Realität niemals. Und dass 2024 weltweit anscheinend zwei Milliarden Stimmbürger an die Urnen gerufen werden, hübsch. Aber ist das nicht immer mal wieder so?

Immerhin, mit einem solchen Zusammenschrieb lassen sich fast zwei Seiten füllen, allerdings nur, wenn man ein Riesenfoto von Donald Trump zu Hilfe nimmt. Dann kommt Ausgewogen-Belangloses, bis sich Francesco Benini an Frank A. Meyer abarbeitet. Als wolle er auf ZACKBUMs Spuren wandeln, haut er Ringiers ewigem Machthaber ohne Verantwortlichkeit kräftig eine rein: «Er schmeichelt sich ein bei den Mächtigen», schlimmer noch: «Seine Methoden sind heute in Verruf geraten», so gratuliert ihm Benini zum 80.

Genüsslich reibt er Meyer seine Nähe zu den Mächtigen, seine Rolle als Einflüsterer im Bundesrat, seinen Riesenflop beim damaligen Schweizer Botschafter in Berlin rein. Seinen Aufstieg im Verlag erklärt er so, dass Meyer zwar von Bruder Christoph Ringier in den Verlag geholt worden sei, sich dann aber auf die Seite von Michael geschlagen habe und sein Votum bei Mutter Ringier den Ausschlag gegeben habe: Christoph verliess bekanntlich das Unternehmen, Michael wurde zum Alleinherrscher.

Das «Dîner républicain» in Locarno, Frank-Walter Steinmeier als Preisträger, der sich mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz revanchierte, das Engagement von Gerhard Schröder als Berater, dass sich Meyer zum 80. von seiner eigenen Frau interviewen lässt, die in Auftrag gegebene Biographie von Lohnschreiber René Lüchinger (auf diesem Gebiet immer im Nahkampf mit Karl Lüönd), die zur Schlusspointe taugt, Benini lässt eigentlich nichts aus, um Meyer runterzumachen.

Nun polarisiert der Mann ungemein. Aber eine Würdigung zum 80. müsste auch beinhalten, wie er es eigentlich geschafft hat, sich so viele Jahre, manchmal in der Geschäftsleitung, manchmal ausserhalb, als zweitmächtigster Mann ohne Verantwortungsbereich in einem Milliarden-Medienkonzern zu halten. Und nicht alles, was er geschrieben hat, ist schlecht oder flach. Er arbeitet sich im Weinberg der Sprache ab, sucht nach dem passenden Wort, der treffenden Formulierung. Hat in seinen besten Zeiten eine didaktische Schreibe entwickelt, mit der er die Leser auf seinen Gedankengängen mitnimmt.

Bei all seinen Flops und Eitelkeiten war er immer ein Journalist mit Herzblut, der für Qualitätsjournalismus (so wie er ihn versteht) eintritt. So etwas gibt es weder bei CH Media noch bei Tamedia. Vielleicht sollte man da zu gewissen Gelegenheiten die Häme herunterfahren und versuchen, ein literarisch anspruchsvolles Porträt zu schreiben. Aber versuchen kann man nur, was man kann.

Dann die Mutprobe; Aufmacher und Schwerpunkt im Bund «Wochenende» ist Immanuel Kant. Angekündigt als der «Maestro des Denkens». Grosses Thema, würde intellektuelle Grosstaten verlangen. Aber Raffael Schuppisser lässt’s bei Kleingeld bewenden. Er interviewt einfach einen Zeitgeist-Philosophen und stellt ihm Primarschülerfragen: «Wo ist Kant nach wie vor verblüffend aktuell», bitte den kategorischen Imperativ erklären (was der Philosoph dann nicht tut), was würde Kant zu Wokeness sagen, die Definition von Aufklärung, sozusagen die «Kleine Nachtmusik» der Philosophie, die Hamas sei «eine Rotte des Bösen», an der durchgeistigten Durchdringung der Aktualität scheitert dann der Philosoph.

Mit der Feier von Jubiläen hat es CH Media ganz allgemein nicht so. Der Beitrag zu «50 Jahre Kassensturz» kommt über eine reine Aufzählung vergangener Taten und Köpfe nicht hinaus.

Das «Lexikon für den gepflegten Smalltalk» ist hingegen ein nettes Zeitgeiststück, das den Leser unterhält.

Fazit? In vielem unaufgeregter als Tamedia. Allerdings scheitert CH Media an Würdigungen, und wenn man sich Kant vornimmt, dann sollte der Redaktor schon eine vertieftere Ahnung von diesem Philosophen haben, damit er im Interview den selbsternannten Nachfolger etwas besser in die Zange nehmen kann, wenn der sich in Flachheiten verliert.

Wumms: Jan Diesteldorf

Dummschwätzer breiten sich in Tamedia weiter aus.

Jan Diesteldorf ist ein weiterer unerwünschter Ausländer beim Tagi. Brüssel-Korrespondet, dann im Frankfurter Büro der «Süddeutschen Zeitung». Das qualifiziert ihn zu einem «Essay» in der SZ: «Wer zögert, verliert». Im Tagi wird das zur «Analyse» hochgezwirbelt: «Drei Wege, um Putin in die Knie zu zwingen». Dem schlottern sie jetzt schon …

Denn Diesteldorf haut zunächst allen Befürwortern von Sanktionen eins in die Fresse, denn er weiss als Einziger, wie man den Kremlherrscher fertigmacht: «Sanktionen konnten Russlands Kriegswirtschaft nicht ausbremsen, im Gegenteil. Jetzt muss Europa alles tun, um den Kreml da zu treffen, wo es schmerzt: beim Geld.» Ein typischer Schwurbler, den erkennt man an der Blubber-Formulierung «jetzt muss Europa alles tun». Wer ist Europa, warum muss es jetzt, weil Diesteldorf den Befehl gibt? Immerhin, nach einem solchen Flachsinn ist der mündige Leser gewarnt und stellt die weitere Lektüre ein.

Ausser, ZACKBUM muss seiner Berichterstatterpflicht nachgehen, was schon eine Bürde ist, die wir aber mit Fassung tragen. Zunächst, gelernt ist gelernt, der szenische Einstieg: «… die Raketen fliegen, sie treffen Kiew, sie treffen Charkiw, ihre Wucht tötet Menschen, lässt Häuser brennen und einstürzen, sie unterbrechen die Versorgung mit Strom und Gas».

Was haben wir? Einen «zuversichtlichen Lügner» auf der einen Seite, schlimmer noch: «Putins Siegesgewissheit ist kein hohles Geschwätz. Sie ist gut begründet.» Auf der anderen Seite schwindende Ambitionen der EU, ihm die Stirn zu bieten, dazu noch das Quertreiben des «Populisten und Russlandfreunds Orban». Das Panoptikum des Schreckens wäre nicht vollständig, fehlte dies, nämlich «dass sich mit Donald Trump wieder jemand warmläuft, der mit Putin nicht nur die Siegesgewissheit gemein hat». Was sonst noch? Die Frisur? Den Wunsch, Kriege zu führen? Was für ein hohles Geschwätz.

Hohl, aber mit Pathos vorgetragen: «Dabei hat sich an der moralischen Verpflichtung für Europa und den Westen und jeden einzelnen Bürger, der in jener Freiheit lebt, die die Ukrainer stellvertretend verteidigen, nichts geändert.» Genau, wir Freiheitsliebenden wollen sie bis zum letzten Ukrainer verteidigen, unerschrocken und mit der Waffe in der Hand. Beziehungsweise auf der Tastatur im wohlgeheizten Büro.

Dann überrascht Diesteldorf mit aus den Überschwemmungen in Deutschland gezogenen Erkenntnissen: «Ein Damm ist eben nur dicht, wenn man ihn zu Ende baut.» Unfertige Dämme sind untauglich, das sollte man den Niedersachsen endlich mal sagen.

Aber was nützt dieses Beispiel im Kampf gegen Putin? Was hat Diesteldorf zu bieten? «Ölpreisdeckel verschärfen, komplettes Gasembargo, Sekundärsanktionen». Gähn. Irgendwie fällt es ihm selber auf, dass seine drei Wege, «Putin in die Knie zu zwingen», höchstens funktionierten, wenn Putin beim Schlapplachen umfällt. Daher winselt der Autor zum Schluss: «Wohl wahr, das alles hat kaum Aussicht auf Erfolg.»

Schlimm, ist das denn alles? Fast: «kurz bevor sich der Krieg zum zweiten Mal jährt, sollte man es den Ukrainern gleichtun und die Hoffnung nicht aufgeben.» Genau, die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch darauf, dass bei Tamedia endlich mal wieder so etwas wie eine Qualitätskontrolle Einzug hält. Bevor der Leser auf die Knie fällt und um Gnade und Verschonung von solch gebackener Luft winselt.

Pfeifen im Wald

Wie peinlich kann Tamedia noch werden?

Offensichtlich aus dem letzten Mal nichts gelernt. Bekanntlich waren sich (fast) alle Kommentatoren, USA-Kenner, Analysten und grossen Wahlstrategen bis zum November 2016 sicher und einig: wir haben die erste Präsidentin der USA, völlig klar, dass dieser Amok mit merkwürdiger Frisur niemals gewinnen kann, ausgeschlossen.

Dann gab es eine schreckerfüllte, kurze Sendepause. Anschliessend musste erklärt werden, wieso die Wahl Trumps das Ende der Menschheit einläutet, diejenigen, die ihn gewählt haben, bescheuert sind, und dann kam Relotius. Gleichzeitig machte sich das ehemalig angesehene Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» mit der Ankündigung lächerlich, als vornehmste Aufgabe und Pflicht anzusehen, Trump «wegzuschreiben».

Dann kam Biden, allgemeines Aufatmen. Aber nun zeichnen sich die nächsten Wahlen in gut 10 Monaten am Horizont ab, und es droht, was all den Trump-Hassern wieder den Angstschweiss den Rücken runterfliessen lässt. Es sieht ganz danach aus, als ob Trump wieder antreten würde, falls ihn eines der vielen Gerichtsverfahren nicht stoppt. Und es sieht ganz danach aus, als ob Biden wieder antreten würde, falls seine senilen Aussetzer nicht ein Ausmass annehmen, dass er notfallmässig ersetzt werden müsste. Die dafür vorgesehene Vizepräsidentin hat sich – ebenso wie Biden – als Flop erwiesen und kommt nicht in Frage.

Üble Ausgangslage, vor allem für die Amis. und natürlich für die Kommentatoren. Schon recht früh macht sich einer bereits nach Kräften lächerlich: «Natürlich kann Biden noch gewinnen», spricht sich und seinen Gesinnungsblasenlesern Fabian Fellmann Mut zu. Man konstatiert hier eine zunehmende Konvergenz zwischen «Republik» und «Tages-Anzeiger». Wenn die Wirklichkeit nicht ins ideologisch gefärbte Bild von ihr passt, dann wird sie passend gemacht.

Denn  die Wirklichkeit ist dramatisch: «Biden zieht beinahe schon als Aussenseiter in die Wiederwahl gegen den Möchtegern-Diktator Donald Trump.» «Beinahe schon» und «Möchtegern-Diktator» eigentlich könnte man hier schon aufhören, den Quatsch zu lesen. Wer’s nicht tut: da gebe es, Schauder, Schauder, Umfragen, die eine Führung Trumps ergeben. Aber gemach: «Der angebliche Vorsprung von Trump, der seit Monaten Schlagzeilen macht, schrumpft bei genauerer Betrachtung zusammen.»

Man meint, das kollektive Aufatmen der verbleibenden Tagi-Leser zu hören. Aber Fellmann ist mit seiner Demontage der Umfragen noch nicht fertig: «Meistens führt Trump mit Werten, die sich lediglich im statistischen Fehlerbereich bewegen, was bedeutet, dass die beiden Männer in etwa gleichauf liegen. Ausserdem dürfte mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten an der Wahl gar nicht teilnehmen

Einer geht dann noch: «Zehn Monate vor dem Wahltermin haben solche Umfragen beschränkte Aussagekraft über die wahren Stimmabsichten

Also doch kein Anlass zur Panik? Fellmann versteht sich auf ein Wechselbad der Gefühle: «Es soll kein zu rosiges Bild entstehen. Allein die Tatsache, dass Trump Biden derart in Bedrängnis zu bringen vermag, ist ein Alarmsignal.» Was für ein Alarmsignal? Dass der Amtsinhaber, von Anfang an eine Verlegenheitslösung, weil die Personaldecke der Demokraten nicht weniger dünn ist als die der Republikaner, kaum etwas gebacken gekriegt hat, in Umfragen über die Zufriedenheit mit seiner Amtsführung abschmiert, immer wieder zeigt, dass er körperlich und mental so stark abbaut, dass man sich ernsthaft Sorgen um seine Fähigkeit, Kontakt mit der Realität zu halten und eigenständige Entscheidungen zu treffen machen muss, das sind Alarmsignale.

Dass ein Amok wie Trump ihn tatsächlich bei den kommenden Wahlen gefährden kann, ist ein Alarmsignal, aber anders, als Fellmann meint. Nicht wegen Trump, sondern wegen Biden. Aussenpolitisch rudert er herum, innenpolitisch gibt es kaum Lebenszeichen von ihm; sollte noch die Wirtschaft in eine Rezession geraten, dürften die Chancen auf Wiederwahl weit unter 50 Prozent fallen.

«Kann» er noch gewinnen? Natürlich. Es kann auch ein Meteorit einschlagen, Trump kann durch sein Haarfärbemittel vergiftet werden, es könnten auch Aliens landen und die Wahlen absagen. All das «kann» passieren.

Das ist alles Vermutungs-Konjunktiv, das Dreschen von leerem Stroh. Damit kann man sich lächerlich machen. Damit macht sich Fellmann lächerlich. Wozu Tamedia («Seit Sommer 2021 berichtet der Politologe als USA-Korrespondent aus Washington, D.C») so jemanden beschäftigt (und bezahlt!), das fragt sich der gebeutelte Leser. Der kann sein Abo verlängern. Oder auch nicht, weil er sich fragen könnte: wieso soll ich für dieses Gebabbel etwas bezahlen? Das ist doch wertlos, wieso sollte es dann geldwert sein?

Analytiker Hossli

USA, das kann er. Meint der Leiter der Journalistenschule.

Mit dieser Position sollte eine gewisse Vorbildfunktion verbunden sein. Nichts gegen Peter Hossli, aber ob er diesem Anspruch wirklich gewachsen ist?

Zunächst meldete der «Blick» noch nachrichtlich:

Das oberste Gericht des Bundesstaats Colorado nahm einen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg stammenden Verfassungszusatz zum Anlass, Präsidentschaftskandidat Donald Trump von den Vorwahlen auszuschliessen. Dieser 14. Zusatzartikel bestimmt, dass niemand ein öffentliches Amt ausüben darf, der einen Eid auf die Verfassung ablegte, sich dann aber an einem Aufstand beteiligte. So wie das Trump bei der Stürmung des Capitols getan haben soll.

Da Colorado ein ziemlich sicher demokratisch wählender Bundesstaat ist, würde selbst ein Nichtantreten Trumps keine gröberen Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen (oder die Vorwahlen innerhalb der republikanischen Partei, wo er haushoch führt) haben.

Aber das Urteil ist ein Triumph für die Trump-Gegner, die mit ähnlichen Klagen bereits in Michigan und Minnesota gescheitert waren.

Nun soll Boulevard etwas kreischiger und ruppiger sein als die gehobene Zeitung. Allerdings soll der «Blick» gar nicht mehr Boulevard sein, dekretierte seine oberste Verantwortliche. Ob Hossli das mitgekriegt hat?

Das nennt man üblen Konjunktiv- oder Vermutungsjournalismus. Das Urteil bedeutet sicher nicht eine Wende bei der US-Wahl, aber es «könnte». Denn ohne dieses Modalverb würde die ganze «Analyse» wie ein Soufflé zusammenfallen. Das ist Journalismus im Stil: Ich könnte im Lotto gewinnen, wenn ich sechs Richtige hätte. Oder: Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad.

Aber das ist die Voraussetzung fürs Aufblasen des Soufflés:

«Hat Donald Trump (77) einen Putsch angezettelt? Diese Frage dürften schon bald Amerikas oberste Richterinnen und Richter behandeln. Sagen sie mehrheitlich Ja, kann Trump nie mehr ein öffentliches Amt bekleiden. Sagen sie Nein, hat der ehemalige Präsident gute Chancen, erneut ins Weisse Haus einzuziehen.»

Faktencheck ist dabei Hosslis Sache auch nicht so: «In Michigan ist eine Klage noch hängig.» Nö, ist sie nicht; abgeschmettert.

Peanuts, aber dann pumpt Hossli weiter: «Geht er in Berufung, erhalten die US-Wahlen eine Wende, bevor eine einzige Stimme abgegeben worden ist. Wie im Jahr 2000 hätten neun Richter mehr Macht über das Wohnrecht im Weissen Haus als die rund 170 Millionen amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Heisst das Gericht das Urteil von Colorado gut, wäre Trump in allen 50 Bundesstaaten von politischen Ämtern gesperrt

Kühne Interpretation, denn das Oberste Gericht der USA müsste im Fall einer Berufung ja nur entscheiden, ob das Urteil von Colorado Bestand hat oder nicht. Das gälte natürlich nicht automatisch für alle anderen Bundesstaaten.

Auch Hossli selbst ist da nicht ganz verfassungssicher:

«Lehnen die Richter in Washington die Berufung ab, wäre Trump nur in Colorado von den Vorwahlen ausgeschlossen

Also was denn nun? Lehnt das Gericht seine Berufung ab und stützt damit das Urteil von Colorado, wäre er dann nur dort oder überall von den Vorwahlen der Republikaner ausgeschlossen?

Hossli gibt allerdings sowieso Entwarnung: «Auf die dortigen Stimmen wäre er nicht angewiesen, um Kandidat der Republikaner zu werden.»

Wir fassen die Analyse zusammen. Dieses Urteil könnte eine Wende bedeuten. Trump könnte von den Vorwahlen in Colorado ausgesperrt bleiben. Ausser, er geht in Berufung. Dann könnte er in allen Bundesstaaten allenfalls nicht antreten. Oder nur in Colorado nicht. Oder so. Oder anders. Oder who cares.

Dieses Urteil bedeutet wohl keine Wende im US-Vorwahlkampf. Aber es hat immerhin einen wendigen Artikel provoziert. Vielleicht sollte der einfach als Anschauungsmaterial für die Journalistenschüler dienen. Um auch Konjunktiv-Journalismus zu betreiben, nach der Devise: seht Ihr, liebe Eleven, so sollte man das nicht machen. Immer schön die Fakten checken, keinen Vermutungs- oder Konjunktivjournalismus betreiben, sich nicht selbst widersprechen.

Das wäre eine gute Idee, vermutet ZACKBUM. Aber vielleicht sollte man sie nicht publizieren.