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Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

So sang Franz Josef Degenhardt. Heute heisst das «Kontaktschuld».

Aber wer kennt schon noch Degenhardt. Also verwenden wir besser das Framing «Kontaktschuld». Die entsteht dadurch, dass sich jemand mit jemandem unterhält, mit dem man sich nicht unterhalten sollte. Es kann auch die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung sein, an der man nicht teilnehmen sollte. Natürlich gilt auch ein Auftritt auf einer Plattform, auf der man nicht auftreten sollte, als Anlass für eine «Kontaktschuld».

Beispiele dafür gibt es immer mehr. Ein Gespräch mit einem Identitären, ja nur schon die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung mit dem (die dann flugs zu einem «Geheimtreffen» geframt wird), das geht nicht. Warum das nicht geht? Darum. Oder besser gesagt: weil das ein ganz Schlimmer ist. Ein Igitt-pfui-Mensch. Es wird unerbittlich die Frage gestellt, ob man mit einer Riesenschweinebacke wie zum Beispiel auch Björn Höcke im Rahmen eines demokratischen Wahlkampf überhaupt diskutieren sollte.

Und ob man eine solche Diskussion zwischen zwei aussichtsreichen Kandidaten überhaupt ausstrahlen sollte. Und ob man sie anders als «pfui Teufel, dieser Höcke» überhaupt kommentieren sollte. Selbstverständlich macht Höcke grenzwertige, bewusst provokative, immer an die Grenzen des Erlaubten gehende Sprüche – und damit die AfD eigentlich unwählbar.

Aber nicht mit ihm diskutieren? Nicht an einen Vortrag von ihm gehen? Weil man sich so anstecken könnte? Weil man ihm eine «Plattform» gibt, die er als möglicher Wahlsieger im deutschen Bundesland Thüringen aber sowieso hat?

Irrwisch Andreas Tobler geht da bei Tamedia noch einen Schritt weiter. Er behauptet: «Christoph Blocher betreibt ein doppeltes Spiel». Aber hallo, wieso denn, wie denn? «Der Alt-Bundesrat verteidigt die Kontakte seiner Jungpartei zu Rechtsextremen. Damit führt Blocher seine ambivalente Umgarnungs­strategie gegenüber rechts fort.»

Als gelernter Demagoge (was allerdings das Einzige ist, was Tobler beherrscht), formuliert der maliziös, es sei «bekannt geworden», dass sich die Strategiechefin der Jungen SVP mit «dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Söllner getroffen» habe. Es ist zwar kein «Geheimtreffen» mehr, wie Tamedia zuerst tatsachenwidrig behauptete, sondern sie ging an eine öffentliche Veranstaltung, aber sie habe sich mit ihm «getroffen», hört sich natürlich viel schärfer an.

Damit hat sich die SVP-Politikerin in den Augen Toblers eindeutig eine «Kontaktschuld» eingehandelt. Worin besteht nun aber das «doppelte Spiel» Blochers? Nun, der findet an solchen Kontakten nichts auszusetzen, dieser Doppelspieler. Der halte zudem ein Buch Sellners für «harmlos», habe es allerdings nicht gelesen. Tobler zwar auch nicht, aber der ist sich sicher, dass da furchtbare Dinge drin stehen. «Gemäss eines Berichts des ZDF», macht sich der Recherchierjournalist lächerlich.

Muss nun aber Blocher mal wieder klar in die Schranken weisen:

«Es stünde in seiner Macht, die SVP gegenüber Rechtsradikalen zu distanzieren – und die Extremen in ihre Schranken zu weisen. Stattdessen fischt der 83-Jährige nach Zuspruch und Wählerstimmen für seine SVP ausserhalb des demokratischen Spektrums.»

Damit macht sich dann Blocher sozusagen des Tolerierens von «Kontaktschuld» schuldig.

Stattdessen ist aber richtig: Es stünde in der Macht von Pietro Supino, auch den verhaltensauffälligen Tobler in seine Schranken zu weisen, der hier mit billigen demagogischen Tricks sich an der SVP und seinem Lieblingsfeindbild Blocher abarbeitet, dass es nur so eine Unart hat.

Denn ausserhalb des demokratischen Spektrums begibt sich eindeutig Tobler selbst. Zu einer Demokratie gehört es, dass alle mit allen sprechen können. Und sollen. Und müssten. Während es in undemokratischen Gesellschaften Brauch ist, dass Ansichten ausgegrenzt werden, ihre Vertreter zu Schmuddelkindern, mit denen man weder spielt, noch spricht.

Hinzu kommt im Fall Tobler noch eine Riesenportion Heuchelei. Fordert ein sogenannter Künstler zum Mord an Roger Köppel auf, dann verharmlost er das als durch Äusserungen von Köppel verständlichen, niedlichen «Theatermord». Nimmt Fabian Molina ganz in Schwarz an einer unbewilligten Krawallantendemo gegen «Faschismus» in Zürich teil, dann vermisst man jedes zurechtweisende Wort von Tobler.

Woher so jemand den nassforschen Mut nimmt, so heuchlerisch und doppelbödig einen Alt-Bundesrat anzurempeln, das ist leicht erklärt. Der Mann ist völlig frei von Selbstreflexion und kümmert sich einen feuchten Kehricht um seine Wirkung auf die Tamedia-Leser. Wieso allerdings Supino dabei zuschaut, das ist die schwierige Frage.

Wumms: Constantin Seibt

Der Langschreiber ist zurück. Neuer Rekordversuch: 64’291 Anschläge.

Thema: Ukraine. Inhalt: Sprachdurchfall. Tonalität: diffamierend. Beispiel: ein Schwachsinnsdialogfetzen, den der längst abgehalfterte US-Amok Steve Bannon in einer Radio-Show in den USA von sich gibt.

Die Schlussfolgerungen Seibts im Originalton:

«Kurz: Es handelt sich um den international standardisierten Mahlstrom, der die öffentliche Debatte mit austauschbarem Bullshit flutet.
Natürlich, es ist kein Zufall, dass vor allem gealterte, lausbübische Herren mit einer Leidenschaft für die immer gleichen Tabu­brüche dieses Gewerbe betreiben. Es ist intellektuelle Impotenz.
Aus allem, was sie von sich geben, folgt: nichts.
Doch das wäre zu freundlich gedacht. Es handelt sich nicht um privaten Verfall. Es handelt sich um die pausenlose Verstopfung des öffentlichen Diskurses, um einen Angriff auf die Demokratie.
Kurz: um professionelle protofaschistische Propaganda.
Und deshalb gibt es doch eine Antwort auf Texte wie den von Roger Köppel: «Russisches Kriegs­schiff, fick dich!»»

Wer das nicht ganz versteht: keine Bange, das ist ein gutes Zeichen. Seibt gerät nun nicht nur in der Länge aus dem Leim, auch im Inhalt. Denn er ist schreckensbleich: «Die Schübe gehen immer in die gleiche Richtung: Faschismus. Mit jedem Schub schneller

Die Schübe schüben schneller, sie schüben in Richtung Faschismus? Wo das? Nun, eigentlich überall dort, wo man nicht gleicher Meinung wie Seibt ist. Also fast überall.

Der Artikel. Mit Selbstporträt des Autors?

Seine Schübe sind hingegen sehr bedenklich: «Überhaupt gibt es nur wenige demokratische Länder, die frei von Krebs sind: Autoritäre Parteien wuchern überall in Europa.» Autoritäre Parteien, was immer das sein mag, vielleicht meint er demokratisch-legitimierte Parteien wie die SVP oder die AfD, wuchern wie Krebs? Ist es eine Krebswucherung, dass sie beachtliche Mengen an Wählerstimmen bekommen?

Nein, Seibt ist kein Faschist, es wäre dumm, dieses Allerweltsschimpfwort auf ihn anzuwenden. Aber eines ist er sicher: ein Antidemokrat. Und ein Demagoge: «Kein Zufall, dass Rechtsaussen-Politiker, Verschwörungs­anhängerinnen, Corona-Skeptiker und die Putin-Verehrerinnen nun zusammen­wachsen.»

Und ein verpeilter Seher: «Wenn kein Wunder passiert, ist Amerika in naher Zukunft im Lager der Faschisten.»

Was kann man da tun? Von jetzt an sämtliche Ergüsse des verwirrten Herrn ignorieren.

 

Die gar nicht so grosse Kunst der Demagogie

So wie der Demagoge vom angesehenen Redner zum Volksverführer wurde, so wird es mit Demagogie immer einfacher.

In der Schweiz herrscht immer noch die Illusion vor, dass wir über eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten verfügen, uns über alles zu informieren. Die privaten Massenmedien, das Staatsfernsehen, das nicht so heissen will, dann noch die unendlichen Weiten des Internets, Suchmöglichkeiten nach allem und jedem, inklusive Sinn des Lebens.

Noch besser: Diese Quellen sind vielfach gratis. Also ein Schlaraffenland für den mündigen Staatsbürger, der nur den Mund aufmachen muss, und schon fliegen ihm die portionierten, vorgekauten News hinein, er muss nur noch schlucken.

Und passt ihm die Meinung oder der Spin eines Mediums nicht, no problem, er hat die Qual der Wahl. Was darf’s denn sein, aus der Ecke altstalinistischer Nordkoreaner über Sprachrohre Russlands, Chinas, den USA, Deutschlands, über ideologische Meinungen, Meinungen der Parteien usw. bis zum rechten und zunehmend angebräunten Rand: Alles ist erhältlich. Das meiste sogar legal.

Pluralismus für die Meinungsbildung der Staatsbürger

Besonders wichtig ist dieser Pluralismus, diese Meinungsvielfalt bei der Meinungsbildung der Staatsbürger, wenn es um ihre ureigenen Interessen geht. Um die sogenannten grossen Themen. Also: was gibt’s zum Abendessen, was läuft im TV, wie geht’s eigentlich mit Corona weiter?

Da ist der Staatsbürger gut bedient; gefällt ihm die staatstragende Haltung der Staatssender nicht, kann er auf Privatsender umsatteln. Hm, die zwar die staatstragende Meinung vertreten. Na gut, dann Print, da weiss man, was man hat. Aber hoppla. Von «watson» aufwärts, und da geht’s lange aufwärts, sind kaum Meinungsunterschiede feststellbar. «20 Minuten», Tamedia, CH Media, Ringier, mit etwas Distanz die NZZ: Alle sind einhellig der Meinung, dass es wenn schon nur drakonische Massnahmen geben kann.

Lockdown, aber subito. Flächendeckend. Noch strenger als im Frühling. Alles andere wäre fahrlässig, unverantwortlich, wäre schuldhaftes Versagen. Steht so oder sinngemäss überall. Nordkoreanische Verhältnisse.

Bei Massenansprachen sinkt der IQ

Bis hin zum Vokabular. Seit Goebbels, sorry, aber der war schon gut in seinem Fach, weiss jeder, der wie er Gustave Le Bon gelesen hat: Bei Massen sinkt das allgemeine IQ-Niveau auf das der unterbelichtesten Teilnehmer. Nur so ist erklärbar, dass es zu Zeiten eines schon längst total verlorenen Krieges ein donnerndes Ja auf Goebbels idiotische Frage gab: «Wollt ihr den totalen Krieg?»

Zur Demagogie gehört auch, die Lufthoheit der Begrifflichkeiten zu erobern. Ihnen zugleich positive und negative Attribute zuzuteilen. Der verantwortungsvolle Mensch schützt sich und die anderen. Der unverantwortliche Trottel, der Corona-Leugner, der von Hetzern Verführte, der Anhänger von Verschwörungstheorien motzt und meckert. Hat aber keine Ahnung. Ist im besten Fall fahrlässig, im schlimmsten bösartig.

Dazu gehört das Rekurrieren auf angeblich wissenschaftliche Tatsachen

Was gehört noch zu diesem Panoptikum? Nur mehr wenig; das Rekurrieren auf angeblich wissenschaftlich-belegte Tatsachen. Eine neue Mutation ist mindestens um 70 Prozent ansteckender. Ach was, und wie wurde das so schnell gemessen? Wenn der R-Wert über 1 liegt, muss sofort alles runtergefahren werden. Aber wenn er schon wie üblich davor runtergegangen ist?

Für einzelne Branchen, einzelne Menschen, einzelne KMU mag das brutal sein, aber hier geht’s ums Grosseganze, da muss der Einzelne zurückstehen. Mit welcher Begründung genau beruft sich der Bundesrat auf Notrecht?

Sollte es jemand wagen, tatsächlich solche dummen Fragen zu stellen, dann gibt es noch zwei, drei weitere Handgriffe. Die pseudologische Begründung: Wieso ist Covid-19 so gefährlich? Weil Covid-Viren immer gefährlich sind. Wieso nützen Schutzmasken doch, wenn sie vorhanden sind? Weil die in Asien auch alle tragen, und denen geht’s ja wieder gut.

Nicht aufs Argument, auf die angeblichen Motive dahinter zielen

Wieso soll die Impfung unschädlich und nebenwirkungsfrei sein, wenn normalerweise mindestens 4 Jahre zwischen klinischen Tests und Freigabe vergehen? Auch gegen all das gibt es ein einfaches Demagogiehilfsmittel. Gar nicht erst auf solche Fragen einsteigen, besser sofort in die Offensive gehen. Was, Sie Aluhutträger, Sie, Sie fahrlässiger Gefährder von Menschenleben, wollen Sie es wirklich besser als unsere Landesregierung wissen?

Und wenn das noch nicht wirkt, das hier sicher: Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie damit viele Menschen verunsichern, vielleicht sogar in den Tod treiben? Das wollen wir doch alle nicht, oder?

Schliesslich kann man den meisten Schweizer Politikern vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie gute, spontane und schlagfertige Redner sind. Also klare, aufklärende Sätze? Kurs halten? Nicht bei jedem Hyperventilieren irgendeiner Presure- oder Lobby-Truppe einknicken? Da kann man immer noch im Notfall darauf verweisen, dass es unsere Nachbarn doch auch so machten. Dass diese Zahl zu hoch, jene zu niedrig sei. Erklärungen würden zu weit führen.

Blick trainieren und Schraube anziehen

Aber es muss gehandelt werden, und zwar jetzt sowie energisch. Auch das gehört zur Grundschulung in der Demagogie: So oft wie möglich von unermüdlicher, weil unabdingbar nötiger Arbeit reden. Den Blick trainieren, der zwischen Entschlossenheit, dem Ausdruck «lasst mich nur machen, ich weiss, was ich tue», leichter Erschöpfung und grundoptimistischer Ausstrahlung changiert.

Dann langsam die Schraube anziehen. Wer die Massnahmen der Regierung nicht aus voller Kehle und Herzen begrüsst, sogar Zweifel an der Richtigkeit durchschimmern lässt, dumme Fragen (siehe oben) stellt, der wird langsam, aber stetig zum Framing «Volksfeind» geschoben. Wer nicht voller Vorfreude und mit nacktem Oberarm die Impfung begrüsst, muss dann bald mal zu seiner Sicherheit und auch aller anderen ein Merkmal tragen, das ihn als verantwortungslosen Impfverweigerer stigmatisiert.

Immer auf die Haltung eindreschen, niemals auf Fragen direkt antworten

Schliesslich, damit sind wir bei diesem Grundkurs bereits am Ende, gibt es noch eine letzte, unschlagbare Mehrzweckwaffe. Niemals Meinungen diskutieren. Immer auf den Menschen dahinter zielen. Ja nicht: «Ihre Kritik ist falsch, weil.» Sondern immer: «Wenn Sie das kritisieren, zeigen Sie damit ihre unmenschliche, zynische, verschwörungstheoretische, leugnerische, lügenpropagandierende Haltung. Sie völlig amoralischer, verantwortungsloser Mensch. Ihre weitere Teilnahme an der Debatte wird nicht mehr geduldet.»

So macht man das, so machte man das. Bei guten Demagogen wie Cicero. Bei grässlichen Demagogen wie Goebbels. Die Methodik ist einfach und bewährt. Ach, letzter Tipp, bevor’s in den Kurs für Fortgeschrittene geht (also für alle, die gerne mal Politiker oder Journalist werden wollen): Immer entrüstet abstreiten, dass man selbst Demagogie betreibe. Diesen Vorwurf sofort spiegeln. Keine Bange, mit dieser Medienmacht im Rücken klappt das immer.