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Blöd, blöder, Community

Der Leser, das scheue Reh, wird mit allen Mitteln gejagt. Unfair, billig, verlogen? Na und?

Jeder Werber weiss: ein Produkt überzeugt schon lange nicht mehr mit seinen Qualitäten. Noch ein Waschmittel? Gähn. Noch ein Energy-Drink? Schnarch. Noch ein «vergessen Sie alles, was Sie bisher, Blabla, die ultimativen Tipps, damit Sie Blüblü?» Tiefschlaf.

Die Produktwerbung hat langsam damit aufgehört, mit emotionalen Übertragungen oder unglaubwürdigen Verbindungen zu arbeiten. Fährst du diese Automarke, legst du alle Girls flach. Rauchst du diese Zigarette, bist du so männlich wie ein Cowboy. Kaufst du diese Fertig-Pizza, setzt sich an deinen Tisch eine fröhliche Runde, die dich bewundert. Usw., auf allen Ebenen durchdekliniert.

Dabei gibt es nur ein Problem: wenn sich Realität und Werbewelt zu sehr unterscheiden, dann wird der Konsument irgendwann sauer. Ständig die neuste Karre gekauft. Aber weder ist der Nachbar neidisch oder zumindest bewundernd, noch knicken reihenweise Frauen ein, wenn der stolze Besitzer den Auspuff röhren lässt. Dass die Gattin unbeeindruckt sagt: «tja, die Ersatzsymbole für versiegende Potenz, traurig», hilft auch nicht wirklich.

Nachdem das alles jahrzehntelang durchgenudelt wurde, erfinden die Medien dieses Rad nochmal neu. Der Leserreporter war früher, heute ist «Community». Was das ist? Gemeinschaft, du bist Teil von etwas Grösserem, du bist nicht allein. Es gibt auch noch andere, die unter Fussschweiss leiden, mach dir nichts draus. Das ist die Idee. Die Umsetzung?

Die Idee ist klar, wie setzt man sie um?

Nun, das einzige Boulevardorgan auf der Welt, das sich ein Regenabflussrohr in seinen Titel mechen liess und nicht einmal merkte, dass es für viel Geld verarscht wurde, sieht das so: «Würdest du die Ex-Freundin deines Kollegen daten?» Mit dieser tiefschürfenden, noch nie endgültig beantworteten Frage überfällt «Blick» seine «Communitiy».

Wie man in diesen erlauchten Kreis kommt? Na, indem man eine ganze Menge persönlicher Daten bekannt gibt, wie denn sonst? Danach wird man mit folgender Ausgangslage beglückt: Du hast dich in eine Ex verguckt, aber:  «Wäre da nicht dieser Kollege oder diese Kollegin, der oder die dir das nie verzeihen würde, wenn du etwas mit seiner Ex-Freundin oder ihrem Ex-Freund anfängst.»

Um dieses «Dilemma» zu begründen, muss der «Blick» sehr weit in die Zeiten zurückgreifen, als der Sieger einer Schlägerei das Weibchen über die Schulter werfen und begatten durfte:

«Wir alle kennen den Freundschaftskodex: Die Ex-Partner und Ex-Partnerinnen der Freunde und Freundinnen sind eigentlich tabu – eigentlich.»

Also häufig sind nicht einmal die aktuellen Partner tabu, aber lassen wir das.  Was kann nun ein Mitglied der «Blick-Community» tun? Na, zuerst einmal «voten», das ist er von den Social Media gewohnt, Daumen rauf oder runter, retweeten oder nicht, und so weiter.

Wer in der Lage ist, ein paar Buchstaben hintereinander zu setzen, ohne sich völlig lächerlich zu machen, darf dann auch seine Wahl «in der Diskussion unten begründen». Natürlich ist diese Form, um Leser ans Medium zu binden, weder neu, noch originell. Nun wissen die Medienhäuser aus bitteren Erfahrungen, dass schon der ungehemmte Kommentarschreiber ein gewaltiges Risiko darstellt.

Aufbau einer Gemeinschaft mit dem Leser

Aber seitdem der Begriff «Leser-Blattbindung» seinen unseligen Siegeszug antrat, geben selbst sonst einigermassen zurechungsfähige Medienhäuser Unsummen für «community building» aus. Absurde Bemühungen, so sucht «Die Zeit» seit Jahren nach «Freunden». Leserreisen, Begegnungen mit wichtigen Zeitungsmachern, selbst die Kaffeemaschine oder die Wärmedecke haben nicht ausgedient.

Wie immer springen immer mehr Medienhäuser auf den Trend. Wir liefern immer weniger Content und erhöhen dafür die Preise, das geht im Kapitalismus nicht. Das ist so blöd wie die Corn-Flakes-Packung, die auf den Kopf gestellt beweist, dass sie aus einem Drittel Luft besteht.

Aber bei Corn Flakes war das eigentlich immer so, bei Medien ist das neu. Aber bei all diesem Community Building übersehen die wohlbezahlten Medienmanager mal wieder die Basics ihrer Branche: content is king. Alles andere ist Firlefanz. Aber damit geraten sie in drei Schusslinien. Gleichzeitig.

Die privaten Besitzer der  grossen Medienkonzerne in der Schweiz sind gerne bereit, mit herzerweichenden Gejammer Staatssubventionen zu erbetteln. Dieselben Besitzer denken nicht im Traum daran, auch nur einen Rappen der über die Jahrzehnte aufgehäuften Multimillionen in Zeiten der Krise zu reinvestieren.

Auch die wohlbezahlten Manager jammern, fallen auf jeden neuen Quark wie Community rein und werden nur eher schweigsam, wenn man die ständig sinken Auflage- und Einnahmezahlen abfragt. Was tun, Auswege, neue Ideen? Ach, lieber die Kaffeefahrt mit modernen Mitteln wiederholen.

Hilfe, mein Papagei onaniert V

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

 

Gestörter «Blick»

Leser-Blattbindung, bei diesem Begriff kriegen Medienmanager sofort glänzende Augen. Wettbewerbe, Ratgeber, die Kaffeemaschine zum Abo, die «Sonderaktion nur für «Blick»-Leser», das alles war gestern.

Heute ist «Community». Auch wenn ältere Leser das vielleicht mit Kommune übersetzen und sich schaudernd abwenden, das ist auf jeden Fall Leser-Blattbindung. He, ihr seid Teil von etwas Grösserem, und wer will das in der heutigen Vereinzelung nicht sein?

Also gibt es die «Blick»-Community. Die darf Vorschläge für Artikel machen, während die Kindersoldaten im Newsroom brav stehend applaudieren. Also gut, nicht alle stehen und nicht alle machen ein freundliches Gesicht dazu:

Verzweifelter Newsroom der «Blick»-Familie. (Screenshot blick.ch)

Immerhin, ganze drei (in Zahlen 3) wurden schon umgesetzt, darunter ein Thema, das jedem auf den Nägeln brennt: «Mit diesen Tricks gewinnst du jedes Tischfussball-Turnier». Aber nun wird’s ernst, nun wird ein relevantes Thema angepackt:

Als ob es den Tagi-Protest nicht gäbe: Muss es denn eine Frau sein?

Ein Leser hatte behauptet: «In der heutigen Welt bestimmen Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus und Borderline alles Tun.» Weil «Blick»-Leser nicht unbedingt per du mit Fremdwörtern sind, wollen sie darüber Aufklärung, habe eine Abstimmung der Community ergeben.

Wunderbar, die Redaktion macht sich sogleich ans Werk. Recherchieren, rumtelefonieren, Fachleute, Organisationen, Begriffserklärungen, wichtige Fragen beantworten wie: mehr Männer als Frauen? In welchem Alter? Wo ist die Grenze zwischen Boderline und Narzissmus? Was ist aus der guten alten Neurose geworden?

Ja, so wäre das früher gewesen. Heute ist es so:

1000 Buchstaben für Deine Erzählung. Hau rein!

«Hier wollen wir das Schweigen brechen», heisst es lupfig im Text. Hier wollen wir uns möglichst viel Arbeit sparen, wäre die richtige Übersetzung.

«nau.ch» als Telenovela erzählt

Neben den verfilmten Herz-Schmerz-Geschichten gibt es auch – für des Lesens Mächtige, das entsprechende Heftchenangebot. Schauen wir mal, ob «nau.ch» den Telenovela-Test besteht.

Wir fragen uns hingegen, ob nau.ch wirklich eine teure Umfrage braucht, um auf diese billige Erkenntnis zu kommen.

Wir finden, dass hier die Antwort ein klares Nein sein muss. Welcher Seestern kann schon behaupten, so tief in ein Dekolleté geblickt zu haben? Oh, Seesterne haben keine Augen. Aber vielleicht ist das Dekolleté auch nicht ganz echt. Pfui, für diesen Machospruch streicheln wir jetzt einen Igel.

Auch nau.ch beweist: Journalisten spiegeln welterschütternde Ereignisse am liebsten an sich selbst. Vor allem, wenn eine Begegnung mit zwei wichtigen Politikern das Gefühl auslöst, vom Mantel der Geschichte umweht zu werden.

Aber: Es ist nicht so, dass Nau.ch sich nur Themen von überragender Bedeutung widmet. Was passiert, wenn eine Redaktion leicht durchdreht, kann man hier sehen.

«Republik» als Telenovela

Manche könnten meinen, dass zwischen «nau.ch» und der «Republik» Welten liegen. Vor allem, was die intellektuelle Flughöhe betrifft. Schlechte Nachrichten für das Randgruppenpublikum der «Republik»: das täuscht.

Wir sind keine Corona-Skeptiker, aber diesen Ansatz haben wir nicht verstanden. Vielleicht ist die Flughöhe doch in so dünner Luft, dass wir in Schnappatmung geraten. Oder aber, das ist dem Autor passiert, der seine eigene Fähigkeit zum Klugschwätzen etwas überschätzt.

Wenn das Wort Klugschwätzen fällt, ist die schreibende Locke nicht weit. Zwei Sätze, ein Flachsinn. Es gibt ein Corona-Spektakel? Das sei nicht sehr erhebend? Für wen? So wenig Wörter, so viele Fragezeichen. Nun zeichne sich aber eine andere Zukunft ab. Anders als was? Wird das Corona-Spektakel in Zukunft erhebend? Oder hört die Schweizer Politik endlich auf die guten Ratschläge von Daniel Binswanger? Früher schon brauchte es Sachkundige, um die dunklen Prophezeiungen der Seher zu interpretieren und zu übersetzen. Wer erledigt das für Binswanger?

Aber genug der Kolumnen, hier geht’s zur Sache. Gleich sechs Schreib- und Zeichen-Riesen der «Republik» kümmern sich präventiv um den «Nebelspalter». Alle auch mit seherischen Gaben ausgerüstet, denn es gibt ihn noch gar nicht neu. Macht nix, während man noch beim Namen der Autorin «Martha Monster» die Augen nach oben rollt, erzittert man bei Constantin Seibt. Zu recht, dieser Hirnspalter hat 55’525 Anschläge. Die Lesezeit betrage locker ein halbes Stündchen. Wir geben zu: da ist uns unsere Lebenszeit zu wertvoll.

Ausserdem: Für uns ist seriöser Journalismus, über etwas zu schreiben, das es schon gibt. Dann weiss man, worüber man schreibt. Aber das hat die «Republik» nicht nötig.

Mit diesem Höhenflug, nur knapp 9000 Anschläge, überrascht uns Olivia Kühni. Sie litt ja selber jahrelang, aber stumm unter diesen Zuständen bei Tamedia, von denen sie heute schaudernd sagt: «Diese Kultur ist toxisch, oft sexistisch, für viele Menschen darin soul crushing. Sie ist vor allem auch, und das ist die Ironie am Ganzen: geschäftsschädigend.»

Aber sie will, als ehemalige Wirtschaftsredaktorin (daher «soul crushing», you know), auch Optimismus versprühen: «Eigentlich birgt eine solche Disruption immer auch Chancen. Beispielsweise für den Versuch, Journalismus nicht mehr nur als wenig geschätztes Neben­produkt der Werbe­wirtschaft zu verstehen, sondern als Haupt­aufgabe – und die Leserinnen entsprechend als wichtigste, einzige Kunden.» Disruption? Das unbelegte Gewäffel einiger Journalistinnen, die sich damit einen Kündigungsschutz verschaffen wollen?

Das war ein Querschnitt durch das Schaffen der «Republik» (50 Nasen, Budget 6 Millionen) einer Woche. Der Gesamtoutput war zwar länger, aber nicht grösser als der von ZACKBUM.ch (Budget 0, Kosten für die Kunden 0).

Auch die NZZaS hat ein Frauenproblem

Aline Wanner legt neben Felix E. Müller das Niveau der Medienkritik im Hause NZZ tief und tiefer. Während es bei der Temperatur einen absoluten Nullpunkt gibt, sucht die NZZaS noch danach.

«Frauen vergraulen mit Tamedia»,

so hebt Wanner an. Muss man nicht verstehen, Mann fragt sich aber, ob sie nicht eher «Frauen kraulen mit Tamedia» meinte. Aber wer weiss schon, was Frauen wollen. Auf jeden Fall hätten zum Tag der Frau 78 solche einen «offenen und beklemmenden Brief an die Chefredaktion» geschrieben. Eigentlich war das ursprünglich ein interner Brief an Chefredaktionen und die GL, aber was soll’s.

Mit schnellen Trippelschritten nähert sich Wanner dem Höhepunkt: «Es folgen haarsträubende Beispiele, die vor allem eines belegen: ein Klima von Missgunst, Sexismus, Respektlosigkeit, Kleinlichkeit.» Uns haben die Beispiele keineswegs die Haare gesträubt, sie erschienen uns allerdings als Ausdruck von Kleinlichkeit, Missgunst und Respektlosigkeit. Aber den durch Anonymität allgemein als Täter denunzierten männlichen Mitarbeitern bei Tamedia gegenüber.

«Wer kann da seine Mitarbeiterinnen, von denen es ohnehin zu wenige hat (was ebenfalls ein unternehmerisches Problem ist), beschimpfen und vergraulen?» Mit dieser Frage löst sich Wanner völlig von der Realität, denn bislang haben die angeschriebenen Entscheidungsträger mit Betroffenheit, Zerknirschung, ja sogar mit pauschaler Entschuldigung reagiert. Also genau mit dem «Feingefühl», das Wanner von ihnen fordert.

Was auch Wanner besser anstünde als ihre Heuchelei. Oder darf es ihr egal sein, da Männer ja ausschliesslich Täter sind, dass in ihrem Organ gerade der Chefredaktor eher harsch und ruppig gefeuert wurde? Aber da geht Arbeitsplatzsicherung vor Entrüstung, wie schäbig.