Offener Brief: Greifen Sie endlich mal durch.
So hätten Sie sich den Altersruhestand nicht vorgestellt. Sie sind gerade 74 geworden (nachträgliche Gratulation). Mit Ihrer Kunstsammlung und Autoliebhaberschaft haben Sie eigentlich einen ausgefüllten Alltag, zudem möchte man auch mal kürzertreten.
Und nun das.
Ihr designierter Nachfolger, der einzige Mitaktionär, der nicht zur Familie gehört, schwächelt. Es ist ihm einerseits gelungen, das Haus Ringier von einer Zeitungsdruckerei zu einem digitalen Konzern umzubauen, der ganze Wertschöpfungsketten bespielt, international als Unterhaltungskonzern aufgestellt ist und sich unter die Fittiche des Springer-Verlags begeben hat. Ach ja, plus einen Schuss Mobiliar.
Das ist die Erfolgsstory. Menschlich gesehen glänzt Marc Walder nicht gerade. Sein unseliger Hang zu Wichtigen und Mächtigen hat ihn viel zu lange an der Seite von Pierin Vincenz gehalten, dem noch Lobhudelei-Interviews gewährt wurden, als der Skandal längst offenkundig war. Aber gut, dann galt das Grundprinzip des Boulevard: wer hinaufgeschrieben wird, wird dann auch heruntergemacht.
Peinlicher war Walders Panik während der Pandemie; mit seiner Männerfreundschaft zu Alain Berset, mit dem er sich ach so gerne in der Öffentlichkeit zeigte, sprang er in ein weiteres Fettnäpfchen, ohne Not. Dass der arme Christian Dorer behaupten musste, dass er selbst und der «Blick» völlig unabhängig und unbeeinflussbar seien, war an Peinlichkeit kaum zu überbieten.
Auch Walders Auftritte als Videostar leisteten einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu, dass die zusätzliche Subventionsmilliarde den Bach runterging. Dafür haben Sie ihn immerhin sanft, aber öffentlich gerüffelt.
Das sind natürlich, gemessen an der Wertschöpfung, der Umbauleistung und der Teilhaberschaft am Verlag, Peanuts.
Etwas problematischer wird es schon beim Führungspersonal. Wer eine Ladina Heimgartner zu Positionen aufsteigen lässt, für die sie eine extrabreite Visitenkarte braucht, macht etwas falsch. Wer sie in Diskussionsrunden erlebt, wird sich schmerzlich bewusst, dass sie als Karrierebooster über ganz wenige Schlagwörter verfügt. «Resilienz» war ganz am Anfang der King, dann entdeckte sie noch den Feminismus, die «Equal Voice» als neues Leitmotiv. Dass sie ein völlig verunglücktes Redesign des «Blick» zu verantworten hat, das einzige Boulevard-Medium mit Regenrohr im Logo, eine kostspielige Verarsche eines überschätzten und teuren PR-Fuzzis, der ständig die Namen seiner Firma wechseln muss, wenn er mal wieder Schiffbruch erlitt, peinlich. Peinlicher, dass mit der angeblichen Verweiblichung dem «Blick» alle Zähne gezogen wurden.
Wer Boulevard ohne «Blut, Büsi, Busen» machen will, hat Boulevard nicht verstanden.
Dass Heimgartner als knallharte Machtstrategin auf den richtigen Moment wartete, um den unbestritten erfolgreichen Oberchefredaktor Christian Dorer abzusägen, das war zwar ein intrigantes Meisterstück. Was das allerdings für ein Signal aussendet, dass ein bislang unbescholtener, in keinerlei juristische Auseinandersetzungen verwickelter Chefredaktor, dem auch in der Redaktion niemand etwas vorzuwerfen hat (ausser einer wie immer anonymen Redaktorin, die sich angeblich vernachlässigt oder nicht genügend gewürdigt fühlte), einfach so weggehauen werden kann, ist bedenklich.
Dass Dorers Verhalten und seine Vorlieben schon lange bekannt waren, ohne dass das zu geringsten Beschwerden geführt hätte, belegt, dass es sich um einen gezielten Blattschuss einer Karrieristin handelte.
Das gilt übrigens auch für Werner de Schepper, bei dem unbelegte Andeutungen angeblicher Übergriffe genügten – von denen es mindestens zwei Versionen gibt –, dass er nicht nur entlassen, sondern geradezu öffentlich hingerichtet wurde. Das war nun überhaupt nicht die feine Art; und wenn Heimgartner dabei eine Rolle gespielt haben sollte, oder gar die Noch-Gattin von Walder, dann war das eine sehr unfeine Art.
Natürlich ist es verständlich, dass Sie nur ungern von Ihrer Nachfolgeplanung abweichen wollen. Walder soll Sie als VR-Präsident beerben, Heimgartner soll als weiblicher CEO ein Zeichen als Quotenfrau setzen.
Vielleicht sollten Sie Folgendes bedenken. Erinnern Sie sich noch an Meili Wolf oder Martin Kall? An Heinrich Oswald oder Oscar Frei? Sehen Sie da nicht vielleicht eine gewisse Fallhöhe, einen Niveau-Unterschied? Inzwischen dürften Sie doch auch den ewigen und meistens fatalen Einflüsterungen des Hausgespensts Frank A. Meyer überdrüssig geworden sein.
Laissez faire, laissez aller, das ist eine schöne, altersweise Einstellung. Aber wenn Sie Ihren Ruhestand dann wirklich geniessen wollen und ein bestelltes Haus hinterlassen, müssten Sie jetzt durchgreifen. Und zwar auf der Chefetage. Walder braucht dringend ein Coaching, Heimgartner ein Abklingbecken, in das sie möglichst geräuschlos entsorgt werden kann. Nehmen Sie sich an Tamedia und Priska Amstutz ein Beispiel. «Studie über New Market Opportunities in Africa and Asia», das hört sich doch gut an – und wäre wie gemacht für Heimgartner.
*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer war in verschiedenen Funktionen für Ringier tätig.