Schlagwortarchiv für: Camilla Alabor

«Blick» ist peino

Konzernjournalismus ist eine üble Sache.

Der Ringier-Verlag ist der SRG über die Werbeverwertungsgesellschaft Admeira herzlich verbunden. Früher war’s sogar ein Joint Venture, bis sich das Farbfernsehen zurückzog und seine Anteile an Ringier verkaufte.

Das bei einer Berichterstattung über TV-Themen anzumerken, nun, anständig wär’s. Nachdem der frischgebackene SoBli-Chefredaktor bereits beim SRG-Boss Gilles Marchand (Jahresgehalt rund 550’000 Franken) Mikrophonständer gespielt hatte und dem die verunglückte Gelegenheit gab, gegen die «200 Franken sind genug»-Initiative zu wäffeln, muss der «Blick» gut Wetter machen.

Denn eines der Aushängeschilder von SRF, Wetterfrosch Thomas Bucheli, ist in ein veritables Tiefdruckgebiet geraten. Ihm wurde mehrfach nachgewiesen, dass seine Temperaturprognosen konsequent und massiv (bis zu 10 Grad) von den gemessenen Temperaturen abweichen. Konsequent nach oben.

Als typische Beamtenseele meinte Bucheli zunächst, dass er diese Vorwürfe der «Weltwoche» als «absurd» abtischen könnte. Vor allem, dass insinuiert wurde, dass die Wurstigkeit gegenüber diesem Problem damit zu tun haben könnte, dass man im Staatsfunk keine Gelegenheit auslässt, die kommende Klimakatastrophe an die Wand zu malen, wies er «vehement» zurück.

Als das nicht reichte, entschuldigte er sich zu bester Sendezeit für die Fehlprognosen, behauptete aber weiterhin, dass das keine Absicht sei – und sehr, sehr schwer zu verbessern. Dabei eilte ihm Tamedia zu Hilfe und führte wortreich aus, dass solche Temperaturvorhersagen unglaublich schwierig seien, fast unmöglich.

Aber der grosse Elefant bleibt weiterhin in der Meteo-Zentrale stehen und wird fleissig ignoriert: wenn das so wäre, wieso gelingt es dann der Konkurrenz der 15-köpfigen Wetter-Crew regelmässig, viel präzisere Vorhersagen zu machen? BBC, Weather Channel, auch Kachelmannwetter liegen viel näher an den gemessenen Temperaturen. Immer.

Nun könnte man die einfache Frage stellen, wieso SRF Meteo – statt sich mit seinem wahnsinnig komplizierten Algorithmus ständig zu verhauen – nicht einfach die besseren Daten von der Konkurrenz übernimmt.

Aber der «Blick» doch nicht. Da muss Camilla Alabor, «Redaktorin SonntagsBlick», dran glauben und ihre Pflicht tun. Nämlich dem im Sturm stehenden Bucheli ein schützendes Dach bieten. Allerdings verhaut sie sich geradezu SRF Meteo-mässig gleich am Anfang:

«Thomas Bucheli (66) war sichtlich aufgewühlt.» Vielleicht war auch Alabor aufgewühlt, der Mann ist 62 Jahre alt. Oder sie hat sich aus Solidarität nach oben verhauen. Dann bekommt der Aufdecker der Fehlprognosen eins vor den Latz: «Das rechtskonservative Magazin (gemeint ist die «Weltwoche», Red.) hatte der Wettersendung vor einer Woche unterstellt …»

Pfui, aber hier redet nun Bucheli: «Wir werden dafür sorgen, dass der Fehler korrigiert wird.» Das ist ihm allerdings bis heute nicht gelungen, wie Nachmessungen regelmässig ergeben. Inzwischen hat sich sogar oberpeinlich herausgestellt, dass das Kollektiv von rund 1000 WeWo-Lesern entschieden präzisere Vorhersagen macht als Bucheli mit seinem Algorithmus. Kurt W. Zimmermann hatte daher süffisant angeboten, dass doch zukünftig die WeWo den Wetterbericht übernehmen könne. Sei billiger und besser.

Aber auf solche Fiesigkeiten will «Blick» natürlich nicht eingehen. Dafür Vorhang auf für Bucheli:

««Die Vehemenz der Kritik hat mich überrascht.» Der Vorwurf der politischen Einflussnahme sei so skurril, dass er ihn nicht ernst nehmen könne, sagt Bucheli. «Es handelt sich um eine bedauerliche wissenschaftliche Fehlprognose, die aber keinen riesigen Schaden angerichtet hat.»»

Also alles in Ordnung, lasst den Mann doch einfach in Ruhe arbeiten. Aber nun muss das Ganze natürlich noch «eingeordnet» werden. Im besten Framing-Stil schreibt daher Alabor: «Die Angriffe von rechts auf die vielleicht unpolitischste Sendung – die Wetterprognose – zeigen: Auch in der Schweiz droht die Meteorologie zum Spielball der Politik zu werden.»

Pfui, gibt es etwas Unpolitischeres als Fehlprognosen? Aber für seinen geknödelten Auftritt mit Entschuldigung hat Bucheli natürlich fachfrauliches Lob verdient: «Für seinen handgestrickten Auftritt indes erhält Bucheli von einer Expertin für Krisenkommunikation gute Noten. Inhaltlich sei es richtig, dass SRF Meteo dem Thema in der Sendung grosses Gewicht gegeben habe, sagt Claudia Jenni (52) von der Agentur Kommunikationsatelier.» Hierbei handelt es sich um eine Zwei-Frauen-Klitsche, die sich darüber freut, mal in den Medien erwähnt zu werden.

Dann erweitert Alabor das Panorama des Schreckens zum Schluss:

«Diese Woche hat die SVP ihre Halbierungs-Initiative eingereicht, mit der sie die TV- und Radiogebühren von 365 auf 200 Franken senken möchte. Vor diesem Hintergrund dürften Angriffe auf das Schweizer Fernsehen in Zukunft nicht abnehmen. Ganz im Gegenteil.»

Aha. Konzertierte Aktion dieser Rechten mit ihren «Angriffen auf das Schweizer Fernsehen». Pardon, seit wann ist die berechtigte Kritik an erstaunlich konsequenten Fehlprognosen und bescheuerten Erklärungen, wieso das nicht anders sein könne, ein Angriff auf die SRG?

Und wann hatte das letzte Mal ein «Blick»-Artikel über die SRG etwas mit Journalismus zu tun?

 

 

 

Streubomben gegen die Wahrheit

Schamlos wird schöngeschrieben.

Die Wahrheit ist: Streubomben sind geächtet. Wie chemische oder biologische Waffen gehören sie zur schmutzigen Kriegsführung. Natürlich gibt es keine saubere, aber man bemüht sich, trotz aller Barbarei im Krieg gewisse Regeln aufzustellen – und einzuhalten.

Bei Streubomben sieht die Wahrheit so aus:

111 Staaten der Welt haben die Konvention über den Verzicht des Einsatzes von Streubomben unterzeichnet, dazu gibt es 12 Signatarstaaten. Nigeria trat als 111. Staat Ende Februar dieser Übereinkunft bei.

Sämtliche europäische Staaten darunter die Schweiz, Kanada, Japan und viele afrikanische Staaten sind Mitunterzeichner. Die USA, RusslandChina und die Ukraine nicht.

Die USA haben nicht nur als einziger Staat der Welt Atombomben eingesetzt, sie haben nicht nur in Vietnam chemische Kampfstoffe wie Agent Orange oder Napalm als Kriegsverbrecher benützt. Und natürlich überall auf der Welt Streubomben: «Nach Angaben der UN-Organisation Mine Action Programme (MAPA) ist Afghanistan eines der weltweit am schwersten von Landminen und nicht detonierter Streumunition betroffenen Länder», schreibt Wikipedia.

Streubomben sind nicht zuletzt deswegen verpönt, weil sie immer einen Anteil Blindgänger enthalten – die noch Jahre nach Abwurf schwere Verletzungen und Todesfälle unter der Zivilbevölkerung fordern.

Nun wollen die USA der Ukraine solche Streubomben zur Verfügung stellen, was vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj begrüsst wird. Wie eiern da die Schweizer Medien drum herum?

So säuselt der Tagi: «Wozu es führt, wenn die USA jetzt auch noch die international geächteten Streubomben an die Front liefern, will man lieber gar nicht wissen», stellt sich Arthur Rutishauser unwissend. Die NZZ? Winzmeldung am Sonntag, Kriegsgegurgel am Samstag: «Streumunition könnte sich für die ukrainischen Streitkräfte in der gegenwärtigen Lage als besonders nützlich erweisen, denn bei ihrer Gegenoffensive sind sie mit zahlenmässig starken und in Schützengräben verschanzten russischen Einheiten konfrontiert … Der militärische Effekt ist daher grösser als beim Einsatz von Granaten mit nur einem Sprengkörper.» Probleme dabei? Nun ja, ein paar kleine: «Wegen der Gefahr für Zivilisten haben 111 Staaten, eine knappe Mehrheit der Staatenwelt, die 2010 in Kraft getretene Konvention zum Verbot von Streumunition ratifiziert.»

Aber überhaupt: «Als Argument für deren Einsatz im Rahmen der laufenden Gegenoffensive lässt sich anführen, dass das Frontgebiet im Süden nur sehr dünn besiedelt ist. Weil es durch russische Minen völlig «verseucht» ist, muss es dereinst vor einer Rückkehr von Zivilisten ohnehin gründlich entmint werden.»

Dann wird’s richtig brüllend komisch bei der NZZ. Sie erwähnt zunächst: «Die USA haben selber in allen grösseren Kriegen Streumunition eingesetzt, zuletzt im Irak und in Afghanistan.» Das waren völkerrechtswidrige Angriffskriege in einem fremden Land, wie in Vietnam, Kambodscha und Laos. Aber: «Zudem lässt sich der Einsatz von Streumunition durch Russland und die Ukraine nicht auf dieselbe Stufe stellen: Moskau tut dies im Rahmen eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges in einem fremden Land.» Wie verbohrt muss man sein, um diesen schreienden Widerspruch nicht selbst beim Schreiben zu bemerken?

CH Media? Immerhin: «Unerwähnt blieb, dass das Weisse Haus den russischen Einsatz von Streumunition im vorigen Jahr noch als «potenzielles Kriegsverbrechen» bezeichnet hatte

«20 Minuten»? Ein neutraler Artikel, der die schreckliche Wirkung von Streubomben beschreibt, die Ächtung durch 111 Staaten erwähnt, darauf hinweist, dass weder die USA, noch die Ukraine noch Russland diese Konvention unterzeichnet haben und die USA nun diese Bomben liefern wollen.

SDA? Sommerpause. Ringier? Leider nicht. Was Camilla Alabor hier schreibt, sollte für ewige Zeiten am Schandmal journalistischer Fehlleistungen kleben:

«Die Schweiz hätte es in der Hand, die Notwendigkeit zur Verwendung von Streumunition zu vermindern: Indem sie westlichen Ländern endlich die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen und Munition erlaubt.»

Dass so etwas in einem Schweizer Massenmedium erscheinen darf, ohne dass eine Kontrollinstanz eingreift und diesen hanebüchenen Unsinn untersagt, unglaublich. Das macht fassungslos, und das will beim «Blick» und beim «SonntagsBlick» etwas heissen. Es stimmt in so vielen Aspekten nicht, dass nicht einmal das pure Gegenteil richtig wäre.

Mit den paar tausend Schuss Munition, die bislang von der Schweiz angefordert (und zu recht verweigert wurden), wäre weder der Munitionsbedarf der Ukraine gedeckt, noch die Lieferung der USA «vermindert» worden.

Statt solchen Schwachsinn zu schreiben, könnte sich der «Blick» vielleicht mal über die Verlogenheit aufregen, dass der russische Einsatz von Streumunition ein potenzielles Kriegsverbrechen sei, die Lieferung von US-Streumunition aber der Rettung von Freiheit und Demokratie dient – und daher, nun ja, nicht schön, aber eigentlich unvermeidlich ist.

So wie der Einsatz in Afghanistan, in Syrien, im Irak und in so viel weiteren Ländern der Welt, wo er selbst nach Abklingen der Kampfhandlungen bis heute Tote und Verletzte fordert.

Und wieso schreibt Alabor nicht, dass es die Schweiz als Mitglied des UN-Sicherheitsrats und als Mitunterzeichnerin der Ächtung dieser Waffen in der Hand hätte, eine Dringlichkeitssitzung dieses Gremiums einzuberufen, damit über diese kriegsverbrecherische Absicht der USA wenigstens debattiert wird? Alabor ist «Inlandredaktorin» beim «SonntagsBlick» und nicht erst seit gestern am Gerät. Also weiss sie, was sie schreibt.

Und müsste dafür zur Verantwortung gezogen werden. Wenn es so etwas wie Verantwortung noch gäbe im Journalismus, im Hause Ringier.

 

 

Sobli-da-so-blöd-da

Der «SoBli» als Bundesratsversteher.

Wo und wie fasst man als Journalist eigentlich einen Bundesrat an? Erfahrene Kollegen raten: Gleich wie einen Bauern oder wie den Kellner, der gerade den Kaffee auf den Tisch stellte.

Der «Sonntagsblick» hat in Bundesbern zwei junge Journalisten akkreditiert: Camilla Alabor und Simon Marti. Die beiden führen Interviews mit der obersten Exekutive des Landes. Krawall ist nicht so ihr Ding, sie plaudern lieber ein bisschen um den heissen Brei herum, und schon sind zwei Seiten voll.

Niemanden störte das wirklich. Es ging auch so lange gut, wie in der Schweiz alles bestens lief. Vollbeschäftigung, schöne Landschaft, warme Gipfelis. Momentan aber läuft gar nichts gut. Der Bundesrat trägt einen wesentlichen Teil der Schuld auf sich.

Im aktuellen «Sonntagsblick» gibt es nun ein Interview mit der Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Wieder mit Alabor und Marti. Machen wir kurzen Prozess: Es ist das bisher schlechteste Interview, das ich von den beiden gelesen habe. Für mich unverständlich, warum man diese beiden Gutwetterjournalisten an ein so wichtiges Gespräch lässt, anscheinend unbetreut.

Warum ich das Interview so schlimm finde? Weil Camilla Alabor und Simon Marti das nicht gemacht hatten, was sie eigentlich mussten: Fragen stellen. Die Politikerin habe ihnen «einen Blick hinter die Kulissen gewährt», freuen sich hingegen Alabor und Marti. Für den Onlinetext wird ein Bild ausgesucht, dass an Jesus‘ Abendmahl erinnert. Alabor und Marti holen die Harfe und texten: «Mit dem Ausbruch der Coronakrise fand sich Simontta Sommaruga plötzlich in der Rolle der Landesmutter wieder.»

Harfe kurz weggelegt, dafür mit Posaune: «Auf einmal im Auge des Sturms. In ihrer Mitte: die Bundespräsidentin.» Was ist das für ein Schwachsinn? Schreiben unsere deutschen Kollegen solche Hymnen auf Spahn oder Merkel? Nein, die werden gegrillt, geröstet und gegessen. Ist das schlimm? Nein, es nennt sich Job.

In welchem Land der Welt schreibt der Boulevard: «Plötzlich fällt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) die Aufgabe zu, das Land durch die Krise zu führen. Den Bundesrat zusammenzuhalten. Die Kantone miteinzubeziehen.»

Alabor und Marti haben sich für eine didaktische Interviewform entschieden: Auf eine Antwort von Sommaruga folgt die Erklärung der Redaktion. Erstes Beispiel: Sommaruga:

«In dieser Phase hat sich der Bundesrat darauf verlassen, dass die Kantone ihre Verantwortung übernehmen.»

Alabor und Marti kommentieren:

«Ebenso wie die Schweizer Bevölkerung zählte auch der Bundesrat darauf, dass die Kantone den Sommer zur Vorbereitung auf die zweite Welle nutzen. Das hat ganz offensichtlich nicht geklappt.»

Zweites Beispiel: Sommaruga

«Der Wendepunkt war für mich der Freitag, 9. Oktober, als die Zahlen emporschnellten Da habe ich meine Bundesratskollegen Alain Berset und Guy Parmelin angerufen und gesagt: So geht es nicht weiter. Wir müssen die Kantone an den Tisch holen.»

Alabor und Marti nicken und schreiben als Kommentar:

«Gesagt, getan.»

«Wenn es sein musste», schreiben die beiden Journalisten an anderer Stelle, «griff sie auch mal zum Telefon und organisierte (…) ein Krisentreffen mit den Kantonen.» Wer so etwas schreibt, hakt auch nicht nach, wenn die «SP-Magistratin» Zeugs wie dieses sagt:

«Ich notierte in meinem Notizheft bereits Anfang Oktober: Der Bund muss wieder präsenter werden.»

Die beiden anständigen Bundeshaus-Journalisten wollten wahrscheinlich ihren Badge fürs Bundeshaus nicht verlieren. Dafür verliert der «Sonntagsblick» noch weiter an Abonnenten.