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Endlich: die Medien machen mobil

Still und leise sollte ein Zensurartikel gegen Medienberichte verschärft werden. Nun nimmt der Protest dagegen Fahrt auf.

Vermeintlich harmlos geht es um die Streichung eines Wortes: «besonders». Was hat das mit drohender Zensur zu tun? Besonders viel. Denn dieses Wort legt die Hürde fest, die übersprungen werden muss, um eine vorsorgliche Massnahme zu erreichen.

Allgemein unter «Superprovisorische» subsumiert, bedeutet das, VOR der Publikation eines Berichts sein Erscheinen zu verhindern. Unter weiteren Voraussetzungen gehört dazu bislang, dass ein «besonders schwerer Schaden» nicht anders vermieden werden könnte.

Alles in unserem Rechtssystem, was zunächst einmal dem Betroffenen keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegen eine ihn möglicherweise schädigende gerichtliche Anordnung gibt, ist suspekt. Aber in Ausnahmefällen natürlich zulässig. Im Allgemeinen und auch gegen Medien. Da das aber mit dem Grundsatz «Zensur findet nicht statt», mit der Pressefreiheit im Clinch liegt, hat hier der Gesetzgeber absichtlich den «besonders schweren Schaden» zur Voraussetzung gemacht.

Und genau dieses Wort soll auf Antrag des Glarner FDP-Ständerats Thomas Hefti gestrichen werden. Aber damit nicht genug. Auch bereits publizierte Artikel könnten ohne Anhörung der Medienhäuser gelöscht werden.

Zuerst Einzelne, nun auch alle Akteure protestieren

Das ist nichts weniger als ein brandgefährlicher Anschlag auf die Pressefreiheit. Längere Zeit protestierten nur Einzelne, darunter der Medienanwalt Matthias Schwaibold, gegen diese unter dem Radar der Wahrnehmung fliegende Bombe gegen kritischen Journalismus.

Rechtsbüttel wie Daniel Glasl oder Marcel Bärtschi sehen da überhaupt kein Problem. Weil es ihre Arbeit als Vertreter sogenannter Medienopfer erleichtern würde.

Aber nun sind – endlich – die Medien selbst aufgewacht. Haben sich zu einer historisch einmaligen Allianz zusammengeschlossen. Medienunternehmen – darunter SRG, Tamedia, CH Media, Ringier und NZZ – plus eigentlich alle Verbände im Medienbereich sind dabei: Verlegerverband Schweizer Medien, Impressum, Syndicom, Verband Medien mit Zukunft, Telesuisse, Media Forti, Öffentlichkeitsgesetz.ch, Medien für alle, Reporter ohne Grenzen Schweiz, Investigativ.ch, Junge Journalistinnen & Journalisten Schweiz, Radio Régionales Romandes, MAZ, Lobbywatch.ch, Gotham City, SSM, Schweizer Presserat und Verband Schweizer Online-Medien.

Das hat es noch nie gegeben, und es ist dringend nötig:

«Die Allianz bittet den Ständerat sehr, den Medienschaffenden in der Schweiz nicht unnötige Hürden in ihrer für die Demokratie zentralen Arbeit aufzustellen.»

Dieses Communiqué wurde an alle Ständeräte verteilt, denn schon im Juni wird er darüber abstimmen, ob dieser Anschlag auf die freie Meinungsbildung abgesegnet wird.

Verteidigung mit ausschliesslich untauglichen Argumenten

Verteidigt wird das mit untauglichen Argumenten. Die Streichung von «besonders» sei ja nur eine Anpassung an die Hürden, die es für eine Superprovsorische ausserhalb der Medien brauche. Falsch, denn angesichts der Bedeutung der Medien wurde hier absichtlich die Hürde höher gelegt.

Aber die Streichung mache es Medienopfern leichter, sich zur Wehr zu setzen. Falsch, es ermöglicht in erster Linie finanzkräftigen Firmen oder Einzelpersonen, mit einer solchen Superprovisorischen kritische Berichterstattung zu verhindern.

Das betroffene Medium könne sich doch anschliessend vor Gericht gegen eine solche Massnahmen wehren. Richtig falsch. Das ist möglich, kostet aber viel Geld und noch mehr Zeit. Ist der Bericht allenfalls nach Jahren freigekämpft, ist er schon längst veraltet und nicht mehr interessant.

Die Medien hätten zunehmend einen Hang zu Boulevardisierung, Personfizierung, würden die Privatssphäre von Personen immer weniger ehren. Falsch, bereits jetzt haben die genügend Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen.

Aber es sei doch bekannt, dass so stigmatisierte Betroffene diesen Makel nie mehr wegkriegen, wenn ein kritischer Bericht erst mal publiziert sei. Falsch, weil das kein Argument für eine Verschärfung eines Zensurparagraphen ist. Zum Beispiel Pierin Vincenz, der gefallene Starbanker, hätte weder in der aktuellen, noch in einer verschärften Form diese Artikels die Möglichkeit gehabt, sich gegen die völlige Ruinierung seines Rufs zur Wehr zu setzen.

Schliesslich sind Persönlichkeitsrechte, der Schutz der Intimsphäre usw., keine absoluten Rechte. Es ist auch hier abzuwägen, was schwerer wiegt: das öffentliche Interesse oder dieser Schutz. Dass das den Medien nicht immer gelingt, ist eine Binsenwahrheit. Aber bei der Formulierung dieses Artikels hat sich ein mehrköpfige Expertengruppe sehr viele Gedanken gemacht, bevor sie den «besonders schweren Schaden» als Voraussetzung für einen Zensureingriff in die Medien ins Gesetz schrieb.

Ein Anschlag aus der Dunkelkammer

Wieso nun ein FDP-Ständerat, angeblich doch liberaler Freiheit verpflichtet, hier eine Zensur gegen missliebige Medienberichterstattung verstärken will, ist völlig schleierhaft. Genauso, wie die Tatsache, dass in der ständerätlichen Kommission nur zwei Sozialdemokraten dagegen stimmten – während alle anderen Mitglieder diesen Antrag durchwinkten.

Die sollten sich nun vor ihren Wählern dafür rechtfertigen müssen, der Ständerat sollte diesen Anschlag unbedingt bachab schicken. Und die versammelten Medienverbände sollten den Finger weiterhin ausserhalb einer dafür nicht vorgesehenen Körperöffnung lassen und weiterhin kräftig Gas geben. Damit es nicht nur bei Einzelkämpfern bleibt, zu denen auch ZACKBUM von Anfang an gehörte.