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Selektive Wahrnehmung

Die Qualitätsmedien im weiteren Niedergang.

«Hunderttausende bei propalästinensischer Grosskundgebung in London», berichtet die deutsche «Tagesschau». «Festnahmen in London: 300’000 Menschen bei Pro-Palästina-Demo», berichtet das ZDF. «Hunderttausende Menschen auf propalästinensischer Demonstration», berichtet «Zeit online».

Immerhin: «300’000 Menschen in London bei pro-palästinensischer Demo», berichtet «20 Minuten». Ebenso «watson».

Nun zu den Qualitätsmedien. Tamedia: nichts. NZZ: nichts. CH Media: nichts. «Blick»: nichts. Das Blatt mit dem Regenrohr im Titel macht noch weniger als nichts:

Der Schriftstellerdarsteller hat extra ein noch grimmigeres Foto anfertigen lassen, das nun schwer steigerbar ist.

So grimmig das Antlitz, so grimmig die Worte. Zum Schutz des Lesers sind sie immerhin hinter einer Bezahlschranke verborgen. Aber ZACKBUM kennt keine Furcht: «… unerträgliche, unannehmbare Entwicklung … Was sie zu einer Schande macht … Antisemitismus ist kein Randphänomen … Der Hass auf Juden bietet sich als Lösung an … werden instrumentalisiert zu reinen Stellvertretern eines feindlichen Systems … In den marxistischen Klassikern ist Antisemitismus eine Konstante … üblichen Täter-Opfer-Umkehr … », es ist verblüffend, wie Lukas Bärfuss eine hohle Worthülse auf die andere stapelt, ohne dass es ihm auffällt.

Aber seine Spezialität ist ja das Dunkle, Unverständliche: «Der Begriff «Schulmedizin» ist gang und gäbe und wird nicht nur von Impfgegnern und Homöopathen verwendet, obwohl seine antisemitischen Konnotationen hinlänglich untersucht sind.» Hä? Die Einleitung, um plötzlich gegen Esoterisches, gegen Rudolf Steiner vom Leder zu ziehen: «Die esoterische Praxis kann nicht von der Ideologie getrennt werden. Wer obskure, antisemitisch grundierte Ideen in der Landwirtschaft, in der Kosmetik oder bei der Erziehung seiner Kinder gutheisst, wird sie in der Politik nicht von vornherein zurückweisen.» Hä?

Noch schräger wird es, wenn die Karikatur eines Schriftstellers sich mit der Sprache beschäftigt, die er konsequent misshandelt, missbraucht, quält: «Die deutsche Sprache ist versetzt mit Begriffen, die sich gegen jüdische Menschen richten. «Mauscheln» und «schachern» gehören dazu. Auch hier braucht es Aufklärung – und sie muss stetig, nachhaltig und unaufhörlich sein.»

Vielleicht sollte sich Bärfuss mal mit dem Begriff Etymologie vertraut machen, aber das ist für einen so grimmig dreinschauenden Menschen wohl auch schon irgendwie antisemitisch.

Hat der Büchner-Preisträger eigentlich auch Lösungsvorschläge? Aber ja, einen sehr praktikablen sogar:

«In einer Demokratie hat niemand das Recht, auf den Staat, auf die Wirtschaft, auf die Institutionen zu warten. Das Einschreiten gegen Judenhass ist Bürgerpflicht. Wer Antisemitismus sieht oder hört, muss einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen – und zwar jetzt, hier, immer.»

Einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen. Da ist ZACKBUM aber mal gespannt, wie das geht, wie das von Bärfuss selbst praktiziert wird. Wer ihn beim Einschreiten, Lautwerden oder Solidaritätzeigen beobachtet, bitte sofort an ZACKBUM melden.

«Blick» hilft

Trübes Wetter, trüber Sonntag, da geht die lachende Sonne auf.

Es gibt einzelne Schlagzeilen, die dermassen bescheuert sind, dass fröhliches Gelächter beim Lesen aufbrandet. Aber gleich ein Dreierschlag? Das kann nur «Blick+»:

Nichts für empfindliche Gemüter, wenn man so den linken mit dem mittleren Artikel vergleicht. Aber he, es gibt eine gute Nachricht: lesen kann das Zeugs nur, wer zuerst Kohle abdrückt. Und wer will das schon.

Ganz für sich (und gratis, wer die Werbung vorher aushält) steht hingegen dieser launige Beitrag:

Das sind die Fragen, die die Menschheit bewegen und die der Leser schon immer mal beantwortet haben wollte.

Nun gilt: Autofans, aufgepasst:

Das ist ein Rekord, den die Menschheit unbedingt braucht. Allerdings löst die Story eine eher bösartige Assoziation aus: könnte das eine Metapher für den «Blick» sein?

Aber dann, da lacht der Leser begeistert auf, während dieser Artikel bei all den Euro-Turbos in der Chefetage des Hauses Ringier sicherlich Stirnrunzeln auslösen wird:

Echt jetzt? Eine lobende Erwägung von Orbán im «Blick»? Und eine harsche Kritik an der EU? Unerhört.

Als Absackerchen noch ein «Leserreporter» zum Thema «wie blöd kann man eigentlich sein?»:

ZACKBUM hat sich ein Chaos bislang irgendwie anders vorgestellt.

Wollen täten wir schon …

Nur: ist es nicht hoffnungslos?

Wenn man helfen kann, ist ZACKBUM zur Stelle. Das ist ja unsere eigentliche Aufgabe: zu helfen, dass die Medien besser werden. Nur: sie werden immer schlechter, trotz all unserer Bemühungen. Aber gut, das hier könnte ein Lichtblick sein:

Wir haben trotzdem weitergemacht. Trotzdem? Ja, denn wir mögen es ausgesprochen nicht, einfach so geduzt zu werden. Was wir noch weniger mögen: wenn es schon im zweiten Wort einen Fehler hat. Welche Sprachamateure müssen da am Werk sein, wenn die nicht mal das Adjektiv «willkommen» richtig schreiben können?

Aber gut, auch das konnte unsere Hilfswilligkeit nicht bremsen. Dann also zu den Fragen, die wir alle tapfer beantwortet haben. Der Beweis:

Lustig war eigentlich keine Frage, ausser vielleicht der hier:

Wir haben lange geschwankt, ob wir stattdessen nicht «Keine Angabe» anklicken sollten, aus Solidarität mit allen Verwirrten, die nicht mehr wissen, welchem Geschlecht sie sich eigentlich zuordnen sollen. Kein Wunder, es gibt ja ungefähr 160 verschiedene Gender; da brauchen manche ein Leben lang, um nicht herauszufinden, welches das für sie passende ist.

Aber Scherz beiseite, aus dem Inhalt von Umfragen kann man schöne Rückschlüsse ziehen, wo denn eigentlich der Schuh drückt. Das ist hier mehr als offensichtlich: nach den üblichen Einleitungsfragen geht es dann ausführlich um «Blick+».

Nicht alle ZACKBUM-Leser kennen das. Das ist die furchtbar originelle, der «Bild»-Zeitung abgekupferte Idee, die Angebote von «Blick» teilweise hinter eine Bezahlschranke zu verstauen. Das ist auch gelungen – zumindest technisch. Allerdings sind die Inhalte so unterirdisch (ZACKBUM machte sich bereits mehrfach darüber lustig), dass man sich fragt, wer denn bereit ist, dafür wirklich Geld auszugeben.

Leider hilft einem da Ringier nicht weiter; die Zahl der zahlenden Gäste ist ein gleich behütetes Staatsgeheimnis wie die Zahl der Zuschauer von «Blick TV». Wenn aber ein Verlag auch lange nach der Einführung eines neuen Gefässes nur murmelt, dass die Zahlen sehr erfreulich seien und selbstverständlich oberhalb der Erwartungen liegen und man wirklich gut unterwegs sei, dann kann das nur eines heissen: au weia.

Aber eigentlich wollten wir ja dem Hilferuf von «Blick» gehorchen. Wie könnte denn das Blatt mit dem Regenrohr im Logo besser werden? Nun, definieren wir zuerst besser. Besser heisst doch wohl höhere Einschaltquote, mehr Einnahmen. Besser heisst, als Stimme wahrgenommen werden. Besser heisst, Debatten anzustossen, in der Bevölkerung virulente Themen zu artikulieren, klar Stellung beziehen. Besser heisst, Kampagnen fahren, wie es sich für den Boulevard gehört.

Aber hoppla, Boulevard? Das will der «Blick» ja laut seiner Vordenkerin gar nicht mehr sein. Nix mehr «Blut, Busen und Büsis». Aber war das denn nicht jahrzehntelang eine Erfolgsmischung? Es mal krachen lassen mit grossen Buchstaben? Nicht so edle Instinkte bei den meist männlichen Lesern ansprechen? Sich darüber aufregen, worüber sich die Bevölkerung aufregt? Selber Aufreger schaffen? Volkes Stimme sein, die Lufthoheit über den Stammtischen erobern und behalten?

Ach so, das alles will «Blick» ja nicht mehr sein. Was dann? Das weiss niemand so richtig, und wer’s wusste, wurde rausgeschmissen. Wie soll man da noch helfen? Da ist man hilflos, und es ist hoffnungslos.

«So sad», wie Trump sagen würde, der alte Heuchler, der aber ein ungemein gutes Gespür für Volkes Stimme hat. Aber Hand aufs Herz, hat das irgend jemand beim «Blick»? ZACKBUM verspricht Finderlohn.

Blinzeln mit «Blick»

Wie man ein Gaga-Interview ernsthaft verkaufen will.

Eine No-News ist immer noch besser als keine News. Sagt sich das Organ mit dem Regenrohr im Logo. Bevor wir auf diese «Breaking News» eingehen, vorab ein Hinweis in eigener Sache: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer wird nicht für den Bundesrat kandidieren.

Er hat diese Entscheidung nach reiflicher Überlegung und in vollem Bewusstsein seiner staatsbürgerlichen Verantwortung gefällt. Gerne würde er in einem Interview genauer darlegen, welche Gründe ihn dazu bewogen haben. Ach, das interessiert aber keinen, angefangen bei der Mitteilung der Nicht-Kandidatur? Schade aber auch, wobei: stimmt.

Nun ist Bastian Girod immerhin Nationalrat und Grüner. Also hat er schon mal zwei Voraussetzungen, um eine völlig sinnlose Kandidatur für den Bundesrat in Erwägung zu ziehen. Schliesslich hat sich das sogar der SP-Genosse Fabian Molina die ganzen Sommerferien lang überlegt, um dann doch abzusagen.

Daher gibt der «Blick»-Bundeshausredaktor Ruedi Studer Girod Gelegenheit, auf alle Fragen zu antworten, die der sich selbst gerne gestellt hätte. Zunächst macht es Girod spannend: er habe sich «eine Kandidatur nochmals ernsthaft überlegt».

Der Leser hält die Luft an, was war das Resultat dieser ernsthaften Spassüberlegung? «Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich diesen Winter für eine Kandidatur nicht zur Verfügung stehe.» Das ist mal ein Politikerwort. Vielleicht sieht es ja im nächsten Frühling schon ganz anders aus.

Dann legt der Redaktor den Schaumteppich aus, auf dem Girod herumrutschen darf: «Dabei würden Sie von Ihrer beruflichen Erfahrung her und als früherer Präsident der Umwelt- und Energiekommission als «Mr. Klima» den grünen Anspruch geradezu verkörpern

Da ziert sich Girod nicht lange: «Ja, dem kann ich zustimmen

Nach so viel Friede, Freude, Eierkuchen versucht es der Redaktor nun mit einer ganz kritischen Frage: «Oder Sie sind einfach froh, dass sich ein anderer verheizen lässt. Die Wahlchancen sind gleich null.» Auf diese Vorlage geht Girod natürlich gerne ein:  «Es gibt bestimmt wieder einmal eine Gelegenheit, sich verheizen zu lassen (lacht). Aber ernsthaft:» Ernsthaft? Was soll an dieser Karikatur eines Interviews ernsthaft sein?

Nun kommt noch Sprachslapstick hinzu; es sei doch vermessen, nach einer «krachenden Niederlage einen Bundesratssitz zu fordern», wird der «Blick» ganz streng. Aber Girod bleibt flockig: «Isoliert betrachtet, schmerzen die Verluste. Davon dürfen wir uns aber nicht blenden lassen

Man darf sich von isoliert betrachteten Verlusten nicht blenden lassen. Das möchten wir sehen. Oder doch nicht, sonst würden wir geblendet.

Aber es geht ja ums Prinzip, also um das schmerzliche Fehlen von Grün. Wie äussert sich das? Na, zum Beispiel so: «Im Bundesrat fehlt damit eine Sensibilität und Balance in Umweltfragen, was die soeben beschlossene Abschussfreigabe auf Wölfe bestens illustriert.» Wenn das die Wölfe wüssten. Sässe ein Grüner im Bundesrat, wären ihre Überlebenschancen viel grösser. Das gilt wahrscheinlich auch für Eisbären, Robben und Walfische. Allerdings nicht für Schafe oder Ziegen.

Dann noch das Absackerchen für die letzte Lachsalve. Bislang habe sich ja nur ein einziger Grüner getraut – nach vielen Absagen –, sich mit einer Kandidatur lächerlich zu machen. Nix da, sagt Girod: «Es wären einige weitere Personen bereit für eine Kandidatur. Mit seiner Ankündigung hat Andrey den Entscheid vielen aber abgenommen – mir ebenfalls. Die Ausgangslage ist nicht einfach.»

Will Girod damit sagen, dass er doch – trotz Winter – kandidiert hätte, wenn es Gerhard (who?) Andrey nicht gäbe? Aber da ist leider der Platz zu Ende. Oder wir wollen es positiv sehen: da hatte selbst der «Blick»-Redaktor ein Einsehen mit dem Leser.

Wenn ZACKBUM helfen darf: hier ist die Keimzelle für eine ganze «Blick»-Serie. Thema: «warum ich etwas nicht tue». Wir hätten ein paar Vorschläge. Ueli Maurer: warum ich keine Grashalme mehr kaue. Alain Berset: warum ich nicht mehr Cessna fliege. Man kann’s auch noch ausbauen. Daniel Jositsch: warum ich nicht mehr nicht kandidiere.

Wie würde da Christof Münger so richtig sagen: Dufourstrasse, übernehmen Sie!

 

Die Welt spinnt

Geklaut von der WoZ. Aber gut.

Die Lage ist ernst, die Ereignisse zerfurchen manche Stirne, es wird mit Zeigefingern gefuchtelt, dass Handchirurgen Überstunden leisten müssen.

Also höchste Zeit für Spass und Tollerei. Gibt’s ja auch. Zuvorderst, aber die Konkurrenz ist hart auf den Fersen, der «Blick» Wer das hier (mit Bild!) online stellte, riskiert garantiert seine Weiterbeschäftigung:

Was, entledigen sich die Schweizer massenhaft ihrer Dildos? Nicht ganz, es handelt sich um den Aufruf einer Kinder-Wohltätigkeitsorganisation in – Wales. Noch schlimmer: «Welche Art von Sexspielzeugen die Filiale genau erhielt, wurde nicht öffentlich bekannt gegeben.» Das ist eine Meldung, ungefähr so unbefriedigend wie einen Orgasmus vortäuschen.

Aber vielleicht schafft hier der nächste Artikel von «Blick online» Abhilfe:

Okay, der nicht von der «Blick»-Redaktion, könnte also zutreffen. Aber oh je, verschämt oben rechts steht doch «Präsentiert von amorama». Nein, nicht präsentiert, bezahlt.

Für einen sicheren Lacher ist auch «bajour» immer gut, die künstlich beatmete Postille vom Internet-Crack Hansi Voigt in Basel:

Das ist endlich mal Lokalberichterstattung at its best. Nur mit der Aktualität hat’s es «bajour» nicht so, aber man kann auch über den Geruch von eingeschlafenen Füssen lachen:

Auch auf die Gefahr hin, dass man ZACKBUM vorwirft, nur zum Naheliegenden zu greifen: wohin denn sonst?

Eine solche Mischung von Vollgaga-News kriegt in der Schweiz nur «watson» hin. Da capo:

ZACKBUM ist gerecht und verteilt Lachtränen in alle Richtungen. Nur die «Aargauerzeitung» aus dem Hause Wanner traut sich, so aufzumachen:

Nun ja, auch das St. Galler «Tagblatt» hat’s gerne bunt und komisch gemischt:

Auch die alte Tante kann ganz witzig werden. Vor allem, wenn sie sich am Angstgegner der FDP abarbeitet, der SVP. Da lässt sie dann jegliches Bemühen um Objektivität fallen:

«Die SVP erringt den Wahlsieg mit einem Luftschloss». Diesen Knaller würde sich nicht mal Patti Basler oder sonst ein Linkskomiker trauen.

Und der Tagi? Der ist eigentlich nicht komisch, vielleicht tragikomisch:

Das Problem hier ist: kein Kommentar ausser einem, aber der ist auf Englisch, enthält irgend etwas Erhellendes, Interessantes, gar Witziges.

 

Deshalb geht der «Blick» bachab

Wer inhaltlich nichts zu bieten hat, reorganisiert.

ZACKBUM hat das Phänomen anhand der Homepage von «Blick» beschrieben. Tagelang hängen dort Artikel herum, bis im Print das Papier vergilbt wäre. Neues bekommt Seltenheitswert, Rezykliertes steht neben Übernommenem.

Warum bloss?

ZACKBUM hat vermutet, dass die ständige Reorganisation und die Unmenge an Heads, Officers und Chiefs der Grund dafür sein könnte. Nun haben wir den Beweis.

Nehmen wir mal das «neue» Ressort «People, Gesellschaft und Service». Service, das sind die mit dem Kaktus-Penis. People, das sind die mit der aus der «GlücksPost» übernommenen Geschichte über Pepe Lienhards Ehe.

So, und nun wurde das irgendwie zusammengewurstelt. Dafür bekommt das «People-Team» einen neuen Leiter. Der hat zuvor das «Service-Team» aufgebaut und geleitet. Woran immer man das gemerkt haben mag. Gleichzeitig wird eine Karen Schärer den «Teamlead Gesellschaft» übernehmen.

«Wir freuen uns, mit Jonas und Karen den People- und Gesellschaftsjournalismus in der Blick-Gruppe weiter zu stärken. Sie kennen unsere Teams, sind bestens vernetzt und haben ein Gespür für relevante Themen und innovatives Storytelling», sagt Benno Tuchschmid, Co-Ressortleiter Gesellschaft/People/Service.

Dafür gibt es nun ein «People-Desk». «Wir freuen uns, diesen Bereich journalistisch zu stärken», sagt Co-Ressortleiterin Alexandra Fitz. Das alles bestätigte der «Chief Content Officer der Blick-Gruppe» Steffi Buchli gegenüber persönlich.com: «Im Rahmen der Reorganisation haben wir die Strukturen im Newsroom angepasst.»

Das neu fusionierte Ressort werde von Alexandra Fitz und Benno Tuchschmid Co-geleitet, denn ohne Weiblein und Männlein ist heute eine Leitung undenkbar. Damit das alles neu flutscht, was vorher alleine nicht flutschte, soll nun ein Lazlo Schneider «am Desk» die Kontrolle ausüben.

ZACKBUM ist verblüfft. In der «Blick»-Familie spriessen die Co-Heads, Teamleiter, Desks, Koordinatoren und Sub-Officers nur so aus den Verrichtungsboxen heraus. Wo bleiben da die Indianer? Stellen wir uns die Situation mal wieder konkret vor:

Indianer: Ich hätte da eine Story. Bei Pepe Lienhard hängt der Ehesegen schief, sagte eine Quelle.
«Teamleader Gesellschaft»: Pst, das behalten wir mal für uns bis ich herausgefunden habe, wo das am Desk andocken könnte.
Indianer: Hä?
«Teamleader Gesellschaft»: Verstehst Du nicht, Neuorganisation. Ich versteh’s auch nicht.
«Desk-Leiter»: Wer versteht hier was nicht? Kann ich helfen?
Indianer: Ich hätte da eine Story …
«Desk-Leiter»: Ich muss hier koordinieren, in welches Ressort gehört sie?
«Teamleiter People»: Der Indianer gehört zu mir, also ist das unsere Story.
«Co-Leiter People, Gesellschaft und Service»: Moment, das entscheide dann schon noch ich.
«Co-Leiterin People, Gesellschaft und Service»: Das entscheiden wenn schon wir, gell?
Indianer: Ich möchte ja nur eine Story loswerden; Pepe Lienhard
Alle im Chor: Schnauze, was wir hier besprechen, ist oberhalb deiner Gehaltsklasse.
«Teamleiter People»: Wie gesagt, mein Indianer, meine Story.
«Teamleiter Service»: Also wenn ich auch mal ein Wörtchen …
Alle im Chor: Schnauze.
«Teamleiter Gesellschaft»: Der Name Pepe Lienhard gehört nun einwandfrei zur Gesellschaft.
Alle im Chor: Seit wann?
Indianer: Es ist ja nur, weil wir doch diese Story aus der GlücksPost übernommen haben, dass die Ehe super laufe …
Betretenes Schweigen.
«Chief Content Officer»: Höre, hier gibt’s eine brandheisse Story, worum geht’s?
Indianer: Ich habe eine Quelle, die sagt, dass bei Lienhards der Haussegen schief hängt.
«Chief Content Officer»: Lienhard? Ist das der Tennisspieler? Oder Eishockey? Nein, ich hab’s, Formel 1?
Indianer verdreht stumm die Augen nach oben.
«Chief Content Officer»: Also auf jeden Fall muss da der Head Storytelling draufschauen. Oder ist das ein Chief? Vielleicht gibt’s da auch rechtliche Aspekte, also unbedingt den Chief Legal involvieren. Der Teamleiter «People Desk» berichtet dann an mich. Oder an den Chefredaktor online? Da kommt doch keiner mehr draus.
Indianer: Soll ich dann der Story nachgehen oder was?
Alle im Chor: Wir müssen uns sortieren, also «oder was».

Blütenlese «Blick»

Wie ein Online-Auftritt verludert.

Online, das weiss jedes Kind, aber nicht jeder «Blick»-Kindersoldat, ist ein schnelles Medium. Print präsentiert am frühen Morgen das, was bis gestern Nacht so gegen 23 Uhr passierte. Anschliessend ist Druck und Distribution.

Online geht zackzack. Marc Walder, CEO von Ringier, hatte mal beim Start von «Blick TV», seinem «Herzensprojekt»,  die Direktive ausgegeben, dass jedes wichtige Ereignis auf der Welt innert weniger Sekunden dort in Bild und Ton wiedergegeben sein müsse. Schliesslich habe man dafür eine Kooperation mit CNN. Und mit Ladina Heimgartner eine erfahrene TV-Frau an Bord geholt.

Nun ja, «Blick TV» ist inzwischen im Koma und künstlich beatmet, Stück für Stück demontiert. Ein Flop halt. Nicht der erste. Auch nicht der letzte.

Aber zurück zur Blütenlese im «Blick». Da gibt es zum Beispiel die Rubrik «In eigener Sache». Aktualität ist dort die Sache nicht:

Diese brandheisse, aber nicht brandneue News steht dort zuoberst. Seit dem 27. September, immerhin 2023. Sie wurde auch mal aktualisiert, allerdings am 27. September. Aber alles ist relativ. Schauen wir uns die nächsten drei Meldungen in diesem Gefäss an:

Sie sind vom (von links nach rechts) 21. September, vom 6. September (allerdings 2022) und vom 1. September, aber wieder immerhin 2023.

Gut, es mag ja auch beruhigend sein, dass in «eigener Sache» gar nicht so viel zu vermelden ist. Alles ruhig im Hause Ringier. Sozusagen Grabesstille.

Verblüffend hingegen, dass es auch in der Paradedisziplin «People» ewige Werte gibt:

Mit dieser Nachricht erfreut uns «Blick+» seit dem 5. Oktober dieses Jahres zuoberst in diesem Gefäss. Aber immerhin eine Eigenleistung, für die man ungeniert Geld verlangen kann. Nein, nicht wirklich; der Artikel wurde aus dem Konzernorgan «GlücksPost» übernommen:

Gut, dort prangt ein anderes Foto, auf dem Pepe Lienhard allerdings irgendwie älter aussieht als im «Blick». Und der Hund musste auch weg. Aber auf jeden Fall eine Spitzenleistung  von «Blick+», das Bezahlen lohnt sich sicher. Nun ja, zumindest den Anfang der Story (und will man wirklich mehr lesen?) kann auf der Webseite der «GlücksPost» gratis haben. Sagt da einer Leserverarschung? Ein wiederholter Kaktuspenis, beim zweiten Mal gegen Bezahlung, und dann so etwas? Nein, da sagt im Hause Ringier sicher niemand Leserverarschung. Denn das könnte die Arbeitsplatzsicherheit ernsthaft gefährden.

Aber wenigstens das brandaktuelle Ressort «Ausland» brilliert doch sicher mit den neusten Meldungen vom verbrecherischen Überfall auf Israel. Nun ja:

Nur wer bezahlt, bekommt Zugang zu diesem Bericht aus der Ukraine. Vom 6. Oktober 2023.

Aber ach, der hier ist einfach zu schön (und auch schon nicht mehr der Jüngste), um ihn nicht immer wieder zu zeigen. Sagt sich der «Blick», sagt sich ZACKBUM:

So ein Kaktuspenis passt doch immer dazu.

Als Absackerchen noch unser absoluter Liebling, dazu noch brandaktuell (also zumindest auf der «Blick»-Homepage). Ein gewaltiges Thema, ein Durchbruch der Erkenntnis, eine Taktik, die vielleicht auch den Ukrainekrieg entscheidend beeinflussen wird:

Sich auf den Boden fallen lassen, dass wir da noch nicht darauf gekommen sind. Nun, das scheint allerdings das normale Verhalten der Kindersoldaten im «Blick»-Newsroom zu sein, wenn sie von einer News angegriffen werden. Hier allerdings waren sie noch knapp in der Lage, diese SDA-Tickermeldung ins Blatt zu heben.

Oder aber, die ganzen neu installierten Heads, Offiziere, Chiefs und sonstigen Bedenkenträger sind immer noch völlig damit ausgelastet, die Hackordnung untereinander auszukämpfen. Und deswegen kommen sie fast nicht dazu, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen. Nur: wie lange das der Leser mitmacht?

Da erhebt sich die Frage: wofür? Worin besteht die Gegenleistung?

Penis-Recycling beim «Blick»

Erektionsprobleme – eigentlich ein Boulevard-Thema par excellence.

Nun ist es so, dass das Boulevardblatt «Blick» unter weiblicher, aber inkompetenter Oberleitung gar nicht mehr Boulevard sein soll. Also bunte Bilder, grosse Buchstaben, kurze Texte, das alles schon. Auch ein wenig verbaler Krawall darf sein. Aber bitte vor allem gegen die SVP.

Halt nicht zu viel. Keine nackten Frauen. Kein Busen, kein Blut, nur noch Büsis. Sonst wird der Schuldige durchs Regenrohr im Logo gespült.

Allerdings gibt es dann doch Themen, die halt locken und verlocken. Dazu gehört ohne Zweifel der Penis des Mannes. Also genauer gesagt, der hängende Penis. Oder vornehmer ausgedrückt: der Penis mit Erektionsproblemen.

Das macht Männer ganz schön fertig, ist gar nicht so selten und eigentlich ein noch grösseres Problem als ein zu kleiner Pimmel. Also muss man sich dem doch widmen können. Aber wie, ohne Anstoss höheren Orts zu erregen?

Da kam «Blick» auf eine geniale Idee. Na ja, fast genial:

Der Penis als Kaktus, das macht Frauen garantiert scharf. Und der Urologe erklärt, das gibt das nötige wissenschaftliche Feigenblatt. Dann noch ein hingehauchter Titel «Der Penis ist die Antenne des Herzens». Grossartig. Der Haarausfall ist die Satellitenschüssel des Kopfes. Die Nase ist das Mikrophon des Mundes. Oder so.

Auf jeden Fall war das eine Lösung des Problems, wie man sich einem lesernahen Problemthema nähern kann und sogar ein Bild dazu abdrucken darf, das irgendwie schweinisch ist, aber dann doch nicht richtig.

Das ist natürlich eine Glanzleistung. Aber vergangener Glanz; sie stammt vom März dieses Jahres. Seither sind die Erektionsprobleme der «Blick»-Leser sicherlich nicht kleiner geworden. Aber es ist etwas Neues in diesem «Powerhouse» passiert: «Blick+» wurde geboren. Idee von der «Bild»-Zeitung geklaut, aber macht ja nix. Kühne Idee: der «Blick»-Leser soll für ganz besondere Artikel Geld abdrücken, besonders solche, die einen hohen Servicecharakter haben. Also zeigt «Blick» stolz immer wieder die Liste dieser Spitzenleistungen, auch im Oktober:

Hoppla, denkt da der interessierte «Blick»-Leser, kommt mir der Titel links nicht bekannt vor? Da hat er recht:

Weil’s so schön war, gleich nochmal. Gleicher Urologe, gleicher Kaktus, gleicher Titel, gleicher Text. Wer findet die Unterschiede? Richtig, jetzt ist’s viereckig, vorher war’s länglich. Und: da prangt doch etwas Neues auf dem rezyklierten Werk: «Blick+». Und rechts hat’s so einen roten Strich. Sinn- und zwecklos, aber der Designer steht halt drauf.

Was früher gratis war, kostet in der Wiederholung. ZACKBUM hat seine Zweifel, ob dieses Businessmodell nachhaltig ist oder die «Blick»-Leser begeistert. Wie viele für gut abgehangene Kakteen, Pardon, Storys etwas bezahlen wollen, die sie vorher gratis lesen konnten?  Leider veröffentlicht das Powerhouse Ringier keine Zahlen dazu. Sie werden wissen, warum.

Und wieso erinnert diese rezyklierte Story irgendwie an «Blick TV»? Na, hie Erektionsstörung, da Bildstörung. Ist halt beides ein Durchhänger.

Wenn Skandale leise Servus sagen …

Läderach? Ach was. Katholische Kirche? Gähn.

Ausser, dass Trump mal wieder verurteilt wurde und die Krankenkassenprämien exorbitant steigen, was ist die Gewichtung der Qualitätsmedien?

Der KK-Schock sitzt bei den meisten Schweizern tief. Bis zu zehn Prozent mehr, bei sowieso schon exorbitant hohen Prämien. Das ist das Aufreger-Thema Nummer eins. Nur: ist ein wenig kompliziert. Nur: der Gesundheitsminister ist halt ein Sozi und kein SVPler. Nur: so viele Fachleute, so viele Meinungen.

Also tun die Medien das, was sie am liebsten machen. Sie wollen unbedingt zwei deutlich absaufende Skandale über Wasser halten, die schon komatösen Leichen wieder wachküssen. Denn beides ist unter dem Stichwort «Skandal» gespeichert. Da gibt es dann kein Halten mehr.

Aber verflixt, dass katholische Priester vor allem Kinder missbrauchen und dass Läderach Senior einen religiösen Sparren hat und an einer Schule beteiligt ist, in der es vor vielen Jahren recht rustikal zuging: das ist beides eigentlich weitgehend auserzählt. Opfer melden sich, gibt es noch weitere solche Schulen, was sagt der Experte dazu, was bewirkt das bei den Kindern?

Das sind bereits die vorletzten Zuckungen eines Skandals. Noch weiter ist man beim Abnudeln des Priester-Skandals:

So sieht es zuoberst auf der Homepage des «Tages-Anzeiger» aus. Von Tamedia, vom «Tages-Anzeiger», ach verflixt, what ever.

Nun werden sogar noch Kirchenhistoriker befragt. Die freuen sich über diesen unerwarteten medialen Sonnenschein, wo sie sonst doch eher unauffällig forschen. Dann gibt’s scheint’s noch eine Herbstsession vor den Wahlen, natürlich tickt der «Ukraine-Ticker», eine «Analyse von Abstimmungen» ist auch immer gut. Fehlt noch was? Natürlich, ein Frauenthema. Voilà: «Frauen bei Krebsvorsorge und Behandlung benachteiligt».

Oh, und das in der reichen  Schweiz? Ach was, natürlich weltweit. Aber jetzt gebe es eine «neue Kommission» dagegen. Ach, in der reichen Schweiz? Ach was, in den auch nicht armen USA. Die kommt zu erschütternden Erkenntnissen wie: «Frauen seien auch nicht genügend über die Krebs-Risikofaktoren Tabak, Alkohol, Adipositas (Fettleibigkeit) und Infektionen aufgeklärt.»

Vielleicht in finsteren Gegenden der USA oder Afrikas – aber in der reichen Schweiz? Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich um eine SDA-Tickermeldung handelt. Wäre nicht «Frau» im Titel gestanden, sie hätte es nicht mal auf die Homepage geschafft.

Aber mal im ernst, lieber Tagianer: Krankenkassen? Inflation? Lebensmittelpreise? Mieten? Heizkosten? Asylanten? Altersvorsorge? Sieben Themen, die die Schweizer umtreiben. Kein einziges ist hier vertreten. Aber immerhin: es gibt auch keinen Artikel über korrektes Gendern oder die Verwendung des Sternchens zur Verhunzung der Sprache.

Auch der «Blick» hat im Moment so ziemlich alles aus diesen beiden Skandalen rausgemolken – Eimer leer. Also ein neues Schwein durchs Dorf treiben:

Die 57-jährige Marie Theres Relin hat ein Buch geschrieben. Eigentlich wollte die Schauspielerin hier über ihre gescheiterte Ehe mit Franz Xaver Kroetz schreiben. Das interessierte aber offensichtlich nicht wirklich.

Also packt sie nach 43 Jahren ein «dunkles Familiengeheimnis» aus. Sie sei von ihrem Onkel «sexuell missbraucht, verführt, entjungfert – ohne Gewalt, aber gegen meinen Willen» worden. Praktisch dabei: Maximilian Schell ist 2014 gestorben, ihre Mutter Maria Schell schon 2005. Auch über die zieht Relin her: «Meine Mutter in ihrer dämlichen Männerverehrung hatte die pädophilen Neigungen sozusagen gefördert.»

Relin hatte ein paar frühe Rollen, dann machte sie Pause, um bei hochwertigen Filmen wie «Rosamunde Pilcher – Das Geheimnis der Blumeninsel» aufzutreten. Sie hatte es schon 2011 mit «Meine Schells: Eine Familie gesucht und mich gefunden» probiert. Wurde nicht gerade zum Bestseller.

Nun also diese Nummer. Die klare Nummer eins beim «Blick».

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.