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Ein Schönwetter-Medientalk

Eigentlich wohltuend. Im aktuellen SRF-Medientalk sieht die Medienzukunft so rosig aus.

Zuerst einmal Pierre Ruetschi, Directeur Geneva Presse Club. Er jubiliert. 60 neue Journalisten-Stellen in der Romandie. Für ihn ist klar: Dank der Expansion von Blick.ch und Watson werde die Dominanz von Tamedia kleiner. Heute hat Tamedia (respektive die TX Group) 70 Prozent Marktanteil. Ruetschi fragt sich lediglich, ob Watson mit seinem humoristischen Ansatz zu recht komme mit dem welschen Humor. «Aber Watson hat ja Journalisten aus der Romandie angestellt, da sollte das schon klappen», findet Ruetschi.

Watson nach sieben Jahren erstmals ohne Verlust

Unklar bleibt beim Gespräch mit Salvador Atasoy, wie die Gratisportale ihre Expansion finanzieren sollen. Zumindest bei watson.ch ist nicht bekannt, wieviele Millionen Franken schon verlocht wurden. Da hilft auch die Beteuerung von Geschäftsführer Michael Wanner in der heutigen NZZaS  nicht weiter: «Wir können einen kleinen Gewinn  verbuchen».  2020 hat Watson nach sieben Jahren erstmals schwarze Zahlen geschrieben. Hauptgrund: Watson hat die Werbestrategie geändert. «Die Anzeigen auf Watson kommen wie News-Artikel daher», schreibt die NZZaS dazu. Dass Watson dafür die journalistische Kreativität der hauseigenen Journalisten anzapft, sei in der Branche aber hochumstritten.

Lausanne, nicht Genf

Doch zurück zum Medientalk, zurück zur Romandie. Bemerkenswert ist, dass beide neuen Portale ihren Sitz in Lausanne und nicht in Genf haben. Der interviewte Ruetschi ist ehemaliger Chefredaktor der «Tribune de Genève» (2006 bis 2018). Der Geneva Presse Club (Schweizer Presseclub) wurde 1997 gegründet, um ausländischen Journalisten während deren Genfer Aufenthalt einen Arbeitsplatz und die notwendigen Infrastrukturen anzubieten.

SRF- Netzwerk im Medientalk

Im zweiten Teil fragt Atasoy nach bei drei selbständigen Journalistinnen und Journalisten, welche Auswirkungen die Pandemie auf ihre Arbeit und Aufträge habe. Viel Sendezeit bekommt This Wachter mit seiner 2018 gegründeten Firma Audiostorylab. Das ist darum speziell, weil sich Wachter und Atasoy von SRF4 News her kennen. Wachter arbeitete lange dort, so wie Atasoy es heute noch tut. Wenn Wachter nun erzählt, dass er recht gut durch die Pandemie komme, hängt das auch mit seinen Auftragnehmern zusammen. Die in der Sendung aufgezählten Firmen sind grösstenteils Staats- und staatsnahe Betriebe. Also Betriebe, bei denen das Geld auch in der Krise weiterfliesst. Fairerweise muss man aber anerkennen, dass seine Podcasts, die man hier ausschnittweise anhören kann, saugut tönen.

Farbloses Kulturgespräch

Dann spricht Salvador Atasoy auch mit der freien Kulturjournalistin Anne-Sophie Scholl. Das merkwürdig farblose Gespräch umschifft alle Klippen der Kulturberichterstattung in der Schweiz. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier ja niemand desavouiert werden soll. Das ist darum verständlich, weil die Abhängigkeit von den Redaktionen gross ist. Man hätte das Gespräch in dieser Form aber auch lassen können. Dabei gäbe es Kulturthemen en masse. Etwa die aussterbende Gattung der Konzertkritik. Oder die Besetzung des NZZ-Feuilletons mit einem nicht eben kulturaffinen «Manager».

Theile arbeitet für die Blickgruppe

Nun bekommt noch Charlotte Theile einige Sendeminuten. Theile kennt man, weil sie von 2014 bis 2018 als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung aus der Schweiz berichtete. Sie produziert und moderiert den Podcast Breakup. Kürzlich hat sie zudem die «erste interdisziplinäre Storytelling-Agentur im deutschsprachigen Raum» mitbegründet: «Elephant Stories» heisst das Teil. Gegenüber Atasoy sagte die 33-Jährige, die Nachfrage sei sehrt gross. Momentan produziere man etwa für die Blickgruppe eine grössere Sache. Das ist darum interessant, weil Blick damit offensichtlich Kompetenz und Renommee einkaufen will. Sicher ist, dass Blick damit auf neue Zielgruppen aus ist. Jung, urban, gebildet. Nicht unbedingt das Klientel, das der Blick bis jetzt bediente.

Ein junges Frauenduo anstatt David Sieber

Und dann, ganz zum Schluss, ein halber Primeur:  Charlotte Theile übernimmt, zusammen mit Samantha Zaugg (26), die Chefredaktion des Branchenblatts «Schweizer Journalist». Die beiden teilen sich eine 50%-Stelle. Ob man damit noch ein ernst zu nehmendes Magazin machen kann, bleibt offen. Sicher ist: Es wird ein frischer Wind wehen nach dem eher glücklosen Agieren von David Sieber. Er wird noch die nächste Ausgabe verantworten mit dem Sonderthema: Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Dann übernehmen die jungen Frauen.

Hier der ganze SRF4-Medientalk.