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Chatbot gegen Chatbot, Part II

Computer mit künstlicher Intelligenz können immer besser mit Menschen kommunizieren.

Die Grundlagen haben wir im ersten Teil erklärt.

Der entscheidende Test, wie menschenähnlich ein Computer geworden ist, stammt vom Mathematikgenie Alan Turing. Wenn ein Mensch bei zwei Gesprächspartnern nicht unterscheiden kann, welcher ein Mensch und welcher ein Computer ist, dann hat der Computer gewonnen.

Führen wir noch ein zweites Experiment an. Zwei Psychiater, die sich nicht kennen, werden einander gegenübergesetzt. Beiden wird gesagt, dass der jeweils andere ein möglicherweise gefährlicher Irrer sei, direkt aus der Klapsmühle. Durch Befragung soll herausgefunden werden, an welcher Geisteskrankheit der andere leidet. Depression, Schizophrenie, Borderline, Psychose, usw.

Nach jeweils einer Stunde Exploration wurden die Psychiater befragt, welche Symptome sie festgestellt hatten. Alle, restlos alle gaben die fantasievollsten Beschreibungen der psychischen Erkrankung ihres Gegenübers.

Nun zwei theoretische Experimente

Auf dieser Grundlage machen wir nun noch zwei weitere, theoretische Experimente. Zuerst setzen wir zwei Chabots einander gegenüber. Mit einigen lustigen Spielmöglichkeiten. Aufgabestellung: finde heraus, ob dein Gegenüber Mensch oder Maschine ist. Oder: Dein Gegenüber ist ein Mensch. Versuche, das zu untermauern. Oder: Dein Gegenüber ist ein Mensch, der aber einen psychischen Defekt hat. Um welchen handelt es sich?

Viele Science-Fiction-Märchen werden langsam Wirklichkeit. «Blade Runner», oder die vielen Dystopien, die eine Machtübernahme der Maschinen befürchten. Die dann den Menschen als Störenfried ausmerzen wollen.

Aber zurück in die Gegenwart. Gewinnen wir auch hier etwas Abstand und stellen uns folgende Frage: Welche Entwicklung hat die politische und öffentliche Debatte in den letzten 20 Jahren genommen? Also nach dem Triumphgeheul über den Untergang des kommunistischen Lagers zehn Jahre zuvor und der Ausrufung des «Endes der Geschichte»?

Hat nicht die freie Debatte und die Meinungsfreiheit gesiegt?

Eigentlich müsste doch die Freiheit über die Diktatur, die freie Meinungsäusserung über die kontrollierte Regierungsinformation, die seit der Aufklärung als einziges Mittel des Erkenntnisgewinns verehrte offene Debatte über ideologisches Schablonendenken gesiegt haben. Grenzen werden nur durch das Strafgesetzbuch und ganz allgemeine Vorstellungen von Anstand gesetzt.

So hätte es sein sollen, so wird das bis heute immer noch hochgelobt. Aber stimmt das auch? In der öffentlichen Debatte stimmt das aus zwei Gründen zunehmend nicht. Erinnern Sie sich an eine Talkshow, an eine öffentliche Diskussionsrunde, wo einer der Teilnehmer währenddessen oder am Schluss sagte: Das war lehrreich für mich; ich konnte einige falsche Ansichten korrigieren, vielen Dank? Können Sie sich an eine Parlamentsdebatte erinnern, in der ein Redner in seiner Replik dem Vorredner einer anderen Partei für seine erhellenden Ausführungen dankte?

Hier haben Spin Doctors, Kommunikationshelfer das Ruder übernommen, die erfolgreiche Debattierer zu Sprechrobotern umformen. Zu Chatbots, aber mit begrenztem Vokabular und übersichtlicher Argumentation.

Öffentliches Debattieren könnten auch minderbemittelte Chatbots übernehmen

Diverse weitere Faktoren sorgen für den Niedergang der öffentlichen Auseinandersetzung. Die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums erreicht im Internet immer neue Tiefststände, was jede differenzierte Argumentation zu einem extremen Randgruppenprogramm macht.

Die Granulierung der Informationsvermittlung, die Verabschiedung von Leitmedien, von allgemein anerkannten Informationsquellen, ersetzt durch eine Unzahl von grösseren oder kleineren In-Groups mit ihren Weltfiltern in der Gesinnungsblase, all das macht viele Auseinandersetzungen zu einer Karikatur der Debatte zweier Chatbots, denen ein paar Sicherungen rausgeflogen sind.

Die Konzentration in der Medienlandschaft, die nur noch wenige, dafür grosse Player übriglässt. Die mit unzähligen Kopfblättern und abgemagertem Inhalt dem Konsumenten immer weniger verkaufen können, dass er dafür etwas bezahlen soll.

Umso tiefer der Fall der Einnahmen ist, desto lautstärker wird um Staatsknete gebettelt. Unternehmerisch verständlich, aber für die Diskursqualität fatal. Denn wer möchte schon in die Hand, die einen füttert, kräftig und wiederholt hineinbeissen?

Wer glaubt schon einem Sprechroboter?

Schliesslich sorgt Vertrauensverlust und rigide Rückkehr zu Gesinnungsdiskussionen statt Austausch von Argumenten für eine zunehmende Abstinenz der Staatsbürger von jeglicher Debatte über die Gesellschaft, die Politik, die Perspektiven.

Wo Unübersichtlichkeit, Undurchschaubarkeit und Abkehr von zweckrationalen Diskussionen herrscht, dazu die Befürchtung, wegen eines Arguments, einer Meinung als Gesinnungstäter gemobbt zu werden, gibt es Platz für Irrationalität. Für absolut irre Welterklärungsmodell wie QAnon, wie es sie mit diesem Erfolg seit dem Mittelalter nicht mehr gab.

Vorschlag zur Verbesserung und Einsparung

Aus all diesen Gründen wäre es doch naheliegend, Roboter nicht nur zunehmend als unsere kleinen oder grossen Helfer einzusetzen. Sondern als Sparmassnahme ohne Qualitätseinbusse auch Chatbots in Diskussionsveranstaltungen oder Talkshows. Sie können noch besser als menschliche Teilnehmer das entsprechende Tonband abrufen, die Worthülsen bereitstellen, die vorbereiteten Scherze abrufen – und das 24 Stunden am Tag, ohne Ermüdungserscheinung.