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Wenn die Themen rumliegen

Wieso kümmern sich die Qualitätsmedien nicht um interessante Themen?

Lassen wir Zahlen sprechen. Erwähnung des Worts Gender in den Medien im letzten Monat: 527 mal. Ukraine: 13’020 mal. Das Thema Inflation ergibt 4157 Treffer. Im vierstelligen Bereich ist ebenfalls der Klimawandel, 4096. Dabei steht der in der Reihenfolge der Sorgen der Schweizer erst auf Platz fünf.

Vorher rangiert die Energieversorgung, sie bekommt aber nur 786 mal mediale Aufmerksamkeit. Auf Platz drei der Sorgen steht die Masseneinwanderung, schlappe 64 Erwähnungen. Noch nebensächlicher ist für die Medien das Thema Altersvorsorge, obwohl das die zweitgrösste Sorge der Schweizer ist: 35 Treffer in einem ganzen Monat. Und Rekordhalter im Negativen sind die KK-Prämien, obwohl das die allergrösste Sorge der Schweizer ist: 6 Erwähnungen.

Woran das liegt? Die Gesundheitskosten und die Altersversorgung sind zwei Themen mit einer gewissen Komplexität. Bei den Renten kommt noch erschwerend hinzu, dass man dem Publikum reinen Wein einschenken müsste. Will man den heutigen Beitragszahlern in die PK nicht weiter pro Jahr Milliarden klauen, müssen die Renten runter. Will man nicht zusehen, wie die AHV in blutrote Zahlen abrutscht, müssen neue Zahlungsquellen aufgetan werden.

Der Name Credit Suisse taucht hingegen 3210 mal auf. Obwohl zu diesem Thema eigentlich alles gesagt ist. Aber dass es ein Staatsversagen war, ein Regierungsversagen, dass Finanzministerin Karin Keller-Sutter mit einem fatalen Satz («this is not a bail-out») dem Steuerzahler möglicherweise einen Milliardenschaden eingebrockt hat – kein Thema.

Es gibt immer weniger Redakteure. Die wollen immer mehr die Leser mit der Betrachtung des eigenen Bauchnabels langweilen. Eine Kolumne über die eigene Befindlichkeit, eine Kolumne zum Thema «wir alle sollten, ich fordere …», das lässt sich im Handumdrehen schreiben.

Aber ein komplexes Thema angehen, durchdringen, in lesbare Form bringen, das ist echte Knochenarbeit. Aber das ist Journalismus. Wäre Journalismus.

 

Alles eine Frage der Relevanz

Sexismus, Rassismus, Vergewaltigung, Genderstern, Sprachreinigung: furchtbar wichtig. Alles andere: nebensächlich.

So eher im Kleingedruckten konnte man zur Kenntnis nehmen: der Kinder- und Jugendpsychologische Dienst Zürichs hat eine Verdoppelung der Fälle von Suizidversuchen unter Jugendlichen festgestellt.

Eine Verdoppelung. Die Ursachen sind klar: mangelnde soziale Kontakte, keine Ablenkungen, zu Hause zusammenhocken, wenn die Eltern auch Homeoffice machen. Wegen des Lockdown.

Ganze Dienstleistungsbereiche werden dem Erdboden gleichgemacht. Reisebüros, Gastronomie, kleine Shops ohne grosse Reserven. Der Gang durch ein beliebiges Shoppingcenter genügt, um die Dimension des Problems zu erfassen.

Rund 400’000 Werktätige waren in Kurzarbeit, im Monat Januar. Tendenz wieder steigend, nach dem Rekordschock im März 2020; mehr als eine Million Kurzarbeiter. Was geschieht Ende Juni, wenn das Programm ausläuft?

Was ist relevant?

Verluste, Kosten im Multimilliardenbereich, hüst und hott, lockern, verschärfen, lockern, verschärfen, bis möglichst viele KMU aus dem letzten Loch pfeifen. Kein Thema. Ein wenig Geschimpfe über das Impfchaos, Stirnrunzeln, dass Deutschland bei ähnlichen Zahlen wie in der Schweiz wieder auf die Notbremse steigt, während hier gelockert wird.

Was für mittelfristige Auswirkungen kommen?

Was sind für mittelfristige Auswirkungen zu erwarten? Auf die Wirtschaft, auf die Gesellschaft, auf die Verschuldung, auf die Sozialversprechen wie Altersrente? Wie rechtsstaatlich sauber ist der Entzug dermassen vieler Freiheitsrechte? Wie hat die Gewaltenverteilung zwischen Regierung, Parlament, Ämtern, Wissenschaft funktioniert?

Welche Szenarien, welche Trigger, welche Weichenstellungen müssen diskutiert werden, um die Zeit nach der Pandemie möglichst gut aufzugleisen? Was kann die Schweiz als Kleinstaat selber tun, wobei ist sie von grösseren Mächten abhängig? Was bedeutet die Pandemie für das Kräfteverhältnis auf der Welt, für die globalen Handelsströme?

Worauf müssen wir uns in der Schweiz vorbereiten, wenn alle Formen der Corona-Hilfen auslaufen? Wie lässt sich das am besten bewerkstelligen, dass dadurch möglichst wenig Flurschaden entsteht?

Wie kann sich Kunst und Kultur erholen, was kann getan werden? Wie steht es um die Qualität der öffentlichen Debatte, welche Massnahmen wären geboten, um zu versuchen, auf einen allgemein zivilisierten Umgangston zurückzufinden? Wie kann man dem Misstrauen gegen Regierung, Massnahmen und Medien begegnen? Wie kann man den Gebührensender wieder so aufstellen, dass er seinem Verfassungauftrag nachkommt?

Viele Fragen – und die Antworten?

Ist es wirklich sinnvoll, private Medienkonzerne mit Kurzarbeitsunterstützung, Sonderkrediten und zusätzlichen Subventionen zu überschütten, auf dass die Besitzer sich an einer erquicklichen Dividende erfreuen können? Ist das bei der SRG sinnvoll?

Wer behaupten kann, die Schweizer Medien hätten ihm in den letzten Tagen oder Wochen auch nur eine dieser Fragen zufriedenstellend beantwortet oder zumindest einen Denkanstoss gegeben, der soll sich sofort hier melden.

So etwas müsste unbedingt mit allen Lesern geteilt werden. ZACKBUM befürchtet aber: Die Ausbeute wird bescheiden sein. Sehr bescheiden. Beängstigend bescheiden.

Der Berg der unbeantworteten Fragen.